Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ferdinand M*****, vertreten durch Prof.Dr.Alfred Haslinger, DDr.Heinz Mück, Dr.Peter Wagner, Dr.Walter Müller und Dr.Wolfgang Graziani-Weiss, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien
1. Josef E*****, 2. Hedwig E*****, vertreten durch Dr.Thomas Watzenböck und Dr.Christa Watzenböck, Rechtsanwälte in Kremsmünster, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert 60.0000,-- S) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Steyr als Rekursgerichtes vom 22.April 1997, GZ 5 R 90/96z-34, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kremsmünster vom 4.Juni 1996, GZ 1 C 1/94v-30, in der Hauptsache bestätigt wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Im Kaufvertrag vom 26.3.1964, ergänzt durch Nachtrag vom 15.5.1964, räumten die Rechtsvorgänger des Klägers den Beklagten die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes über die ihnen gehörenden Grundstücke Nr.48/1 und 48/3 der EZ 139 des Grundbuchs der Katastralgemeinde K***** in dem Umfang ein, wie dieses Geh- und Fahrtrecht im Lageplan des Geometers Dipl.-Ing.Walter B***** vom 25.3.1964 mit grün schraffierter Fläche aufscheint. Der Kläger als späterer Erwerber des dienenden Grundstückes erklärte sich mit dem Weiterbestand der Dienstbarkeit einverstanden. Am 2.2.1965 vereinbarten die Streitteile eine Abänderung der im Lageplan grün eingezeichneten Dienstbarkeit, sobald das Einfahren über das Grundstück Nr.48/1 durch die sogenannte "alte" Einfahrt möglich werde. Der Vertrag vom 2.2.1965 hielt ferner fest, daß die Benützung dieser Fahrtmöglichkeit "normal" erfolge, die Möglichkeit, den Weg zum Gehen und Fahren zu benützen, bei Tag und Nacht gegeben sein müsse und die Dienstbarkeitsrechte wie bisher ihre Geltung hätten, solange die "alte" Einfahrt nicht errichtet werde. Zur Errichtung der sogenannten "alten" Einfahrt ist es bisher nicht gekommen.
Im Verfahren C 52/76 des Erstgerichts (später 2 C 598/76 des Bezirksgerichtes Steyr) begehrte der Kläger gestützt auf die Vereinbarung vom 2.2.1965 und den Lageplan Dipl.-Ing.B***** vom 25.3.1964 die Beklagten für schuldig zu erkennen, jede über den Inhalt der Vereinbarung vom 2.2.1965 und das dort eingeräumte Geh- und Fahrtrecht hinausgehende Benützung der Liegenschaften des Klägers zu unterlassen. Er brachte vor, das zu Gunsten der Beklagten bestehende Geh- und Fahrtrecht sei im Lageplan vom 25.3.1964 mit grün schraffierter Linie eingezeichnet. Seine in der Vereinbarung vom 2.2.1965 vorgesehene Abänderung sei nicht in Kraft getreten, weil die Einfahrtsmöglichkeit durch die sogenannte "alte" Einfahrt nicht entstanden sei. Die Beklagten übten das Geh- und Fahrtrecht vertragswidrig aus, sie benützten das Grundstück des Klägers über den laut Lageplan vom 25.3.1964 vereinbarten Grundstreifen hinaus, indem sie östlich davon zu ihren auf dem Grundstück Nr.48/4 gelegenen Garagen zufahren. In der Folge zog der Kläger das Klagebegehren unter Anspruchsverzicht zurück.
Im gegenständlichen Verfahren begehrt der Kläger die Feststellung, daß die näher bezeichnete Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf die im Lageplan vom 25.3.1964 grün schraffierte Fläche der dienenden Grundstücke beschränkt sei. Er begehrt weiters, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, jene Flächen des dienenden Grundstückes, welche nicht grün schraffiert im Lageplan eingezeichnet seien, zum Gehen oder Fahren zu benützen, sowie auf Lieferanten, Besucher und Mieter einzuwirken, damit diese das Begehen und Befahren jener Flächen unterlassen, die sich außerhalb der grün schraffierten Flächen befinden.
Der Kläger beruft sich auf eine Servitutsvereinbarung vom 15.5.1964 und bringt vor, das Ausmaß des Geh- und Fahrtrechts beschränke sich auf die im Lageplan vom 25.3.1964 grün schraffierte Fläche. Die in der Vereinbarung vom 2.2.1965 vorgesehene Abänderung der Dienstbarkeit sei nicht wirksam geworden, weil es nicht zur Errichtung der dort vorgesehenen "alten" Einfahrt gekommen sei. Der Unterlassungsanspruch sei angesichts der 1993 mehrfach vorgekommenen Verletzungen des Servitutsrechts durch die Beklagten, deren Mieter und Lieferanten gerechtfertigt. Diese hätten einen nicht vom Servitutsrecht umfaßten Teil des Grundstückes 48/3 zum Befahren, Reversieren, Autowaschen, Parken, sowie für Ladetätigkeit mitbenutzt.
Die Beklagten beantragten Klagsabweisung. Das ihnen in der Vereinbarung vom 2.2.1965 eingeräumte Geh- und Fahrtrecht sei nicht auf die im Lageplan grün schraffierte Fläche beschränkt. Im übrigen habe der Kläger die zu C 52/76 des Erstgerichts eingebrachte Unterlassungsklage unter Verzicht auf seinen Anspruch zurückgezogen. Der nun erhobenen Klage stünde das Prozeßhindernis der entschiedenen Rechtssache entgegen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung zurück, das gegenständliche Unterlassungsbegehren könne nach der Klagerückziehung im Verfahren 2 C 598/76 des Bezirksgerichtes Steyr (davor C 52/76 des Erstgerichts) nicht neuerlich geltend gemacht werden, es liege entschiedene Rechtssache vor. Das nunmehr geltend gemachte Feststellungsbegehren sei gegenüber dem Unterlassungsbegehren subsidiär.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 50.000 S und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Auch das Rekursgericht bejahte das Vorliegen des Prozeßhindernisses der entschiedenen Sache. Das im gegenständlichen Verfahren geltend gemachte Unterlassungsbegehren stütze sich wie schon jenes im Vorprozeß darauf, daß die Beklagten das Geh- und Fahrtrecht außerhalb des grün schraffierten Teil des Lageplanes ausübten. Damit sei nicht nur die Identität der Parteien, sondern auch jene des Streitgegenstandes gegeben. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß das Klagebegehren genauer gefaßt sei als jenes des Vorprozesses und daß es auf Lieferanten, Besucher und Mieter ausgedehnt werde.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil das Rekursgericht zu Unrecht die Identität des Streitgegenstandes mit jenem des Vorprozesses bejaht hat. Er ist auch berechtigt.
In der Klagerücknahme unter Anspruchsverzicht liegt die prozessual wirksame Verzichtserklärung des Klägers auf den materiellen Rechtsschutz, die eine Geltendmachung desselben Anspruches im Klageweg für alle Zukunft ausschließt (stRsp RIS-Justiz RS0039679; Fasching III 139 f). Sie beseitigt nicht den materiellrechtlichen Anspruch, sondern nur den Anspruch des Klägers auf Rechtsverfolgung, bezogen auf den Streitgegenstand des Vorprozesses. Die Klagerückziehung unter Anspruchsverzicht entfaltet eine den Wirkungen der Streitanhängigkeit und der materiellen Rechtskraft entsprechende Einmaligkeitswirkung, die eine neuerliche Geltendmachung des identischen Streitgegenstandes zwischen denselben Parteien ausschließt (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1257) und begründet so eine negative Prozeßvoraussetzung.In der Klagerücknahme unter Anspruchsverzicht liegt die prozessual wirksame Verzichtserklärung des Klägers auf den materiellen Rechtsschutz, die eine Geltendmachung desselben Anspruches im Klageweg für alle Zukunft ausschließt (stRsp RIS-Justiz RS0039679; Fasching römisch III 139 f). Sie beseitigt nicht den materiellrechtlichen Anspruch, sondern nur den Anspruch des Klägers auf Rechtsverfolgung, bezogen auf den Streitgegenstand des Vorprozesses. Die Klagerückziehung unter Anspruchsverzicht entfaltet eine den Wirkungen der Streitanhängigkeit und der materiellen Rechtskraft entsprechende Einmaligkeitswirkung, die eine neuerliche Geltendmachung des identischen Streitgegenstandes zwischen denselben Parteien ausschließt (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1257) und begründet so eine negative Prozeßvoraussetzung.
Identität des Streitgegenstandes setzt voraus, daß sowohl das Klagebegehren und der geltend gemachte Rechtsgrund als auch der zu seiner Begründung vorgebrachte rechtserzeugende Sachverhalt mit jenem des Vorverfahrens identisch ist (stRsp RIS-Justiz RS0039179; Fasching aaO Rz 1156 f). Sie wird verneint, wenn die Identität der rechtserzeugenden Tatsachen nur eine teilweise ist; dies ist dann der Fall, wenn zur Begründung des späteren Anspruches zu den in der ersten Klage vorgebrachten Tatsachen noch weitere rechtserzeugende Tatsachen hinzutreten (RIS-Justiz RS0039366; EFSlg 36.716).
Der Unterlassungsanspruch dient der Vorsorge gegen künftig drohende Verletzungshandlungen und setzt - von Fällen vorbeugender Unterlassungsklagen abgesehen - voraus, daß Verletzungshandlungen bereits stattgefunden haben, die eine Wiederholung befürchten lassen. Dem Dienstbarkeitsverpflichteten erwächst somit ein Anspruch auf Unterlassung vertragswidriger Ausübung der Dienstbarkeit erst dann, wenn Verletzungshandlungen stattgefunden haben und die Wahrscheinlichkeit künftiger weiterer Eingriffe besteht (JBl 1988, 655). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach dem jeweiligen Verstoß. Der Oberste Gerichtshof hat daher in Fällen, in denen der vom Kläger im Vorprozeß erhobene Unterlassungsanspruch aus einem anderen Verstoß der Beklagten abgeleitet wurde als demjenigen, der Grundlage des weiteren Verfahrens wurde, eine Identität des rechtserzeugenden Sachverhaltes verneint (RIS-Justiz RS0039179; JBl 1988, 655; Schuhmacher in JBl 1988, 641 ff).
Dieser Auffassung ist Böhm (JBl 1981, 42) in einem Fall, in dem gleichartige Wettbewerbsverstöße zu beurteilen waren, entgegengetreten. Einheit des Streitgegenstandes sei auch dann anzunehmen, wenn es sich um im wesentlichen gleichartige Verstöße handle, die im gleichen Maße geeignet seien, das beantragte Unterlassungsgebot zu begründen, und der Kläger bewußt eine allgemeine (über den Anlaßfall hinausreichende) Fassung des Begehrens gewählt habe. Auch Böhm bejaht indes die Zulässigkeit einer neuen Unterlassungsklage, wenn der Beklagte nach Schluß der Verhandlung im Erstprozeß weitere Wettbewerbsverletzungen begangen hat (ÖBl 1982, 106).
Die vom Kläger erhobenen Begehren auf Feststellung (des Umfangs des Servituts) und Leistung (Einwirken auf Lieferanten, Besucher und Mieter) sind mit dem im Vorprozeß enthaltenen Unterlassungsbegehrens schon deshalb nicht ident, weil sowohl die Art der Anträge als auch die bestimmt bezeichneten Rechtsfolgen unterschiedlich sind (vgl Fasching aaO Rz 1156). Die Identität des Streitgegenstandes scheidet daher schon aus diesen Gründen aus.Die vom Kläger erhobenen Begehren auf Feststellung (des Umfangs des Servituts) und Leistung (Einwirken auf Lieferanten, Besucher und Mieter) sind mit dem im Vorprozeß enthaltenen Unterlassungsbegehrens schon deshalb nicht ident, weil sowohl die Art der Anträge als auch die bestimmt bezeichneten Rechtsfolgen unterschiedlich sind vergleiche Fasching aaO Rz 1156). Die Identität des Streitgegenstandes scheidet daher schon aus diesen Gründen aus.
Die Identität des Streitgegenstandes ist auch in Ansehung der gegen die beklagten Parteien gerichteten Unterlassungsbegehren zu verneinen. Schon der Inhalt der beiden Unterlassungsbegehren ist nicht ident: Während der Kläger im Vorprozeß die Unterlassung einer "über den Inhalt der Vereinbarung vom 2.2.1965 und das dort eingeräumte Geh- und Fahrtrecht hinausgehende Benützung" begehrt, ist sein Unterlassungsbegehren im gegenständlichen Verfahren auf eine Vereinbarung vom 15.5.1964 gestützt und darauf gerichtet, "jene Flächen, die im Lageplan vom 25.3.1964 nicht grün schraffiert dargestellt sind", nicht zu benützen.
Überdies geht das zur Begründung des gegenständlichen Unterlassungsbegehrens erstattete Tatsachenvorbringen über jenes des Vorprozesses hinaus. Der Kläger behauptet nicht nur neuerliche, im Jahr 1993 gesetzte Verletzungshandlungen (die Klagerückziehung war 1976), sondern auch über die im Vorverfahren behaupteten Verletzungen hinausgehende Handlungen. So hatte er im Vorprozeß nur geltend gemacht, die Beklagten hätten das Geh- und Fahrtrecht östlich des im Lageplan eingezeichneten Streifens ausgeübt und diesen Bereich der klägerischen Liegenschaft als Zufahrt zu den Garagen benützt. Im gegenständlichen Verfahren stützt der Kläger sein Unterlassungsbegehren darauf, daß die Beklagten, deren Mieter und Lieferanten im Jahr 1993 Teile der nicht vom Servitutsrecht umfaßten Liegenschaft nicht nur befahren, sondern auch zum Reversieren, Parken, Autowaschen und für Ladetätigkeit benützt hätten. Ferner stützte er sein Unterlassungsbegehren im Vorprozeß auf eine Vereinbarung vom 2.2.1965, während er sich im gegenständlichen Verfahren auf eine Vereinbarung vom 15.5.1964 beruft.
Die Identität des rechtserzeugenden Sachverhalts als Voraussetzung eines identen Streitgegenstandes ist daher auch in Ansehung des Unterlassungsbegehrens zu verneinen. Die Klagerückziehung im Vorprozeß steht einer auf Verletzungshandlungen der Beklagten und anderer Personen im Jahr 1993 gestützten weiteren Unterlassungsklage daher genausowenig entgegen wie einer Klage auf Feststellung des vereinbarten Umfanges der Dienstbarkeit und einem (Leistungs-)Begehren, auf Besucher, Mieter und Lieferanten in einer bestimmt bezeichneten Weise einzuwirken.
Die Vorinstanzen haben daher zu Unrecht das Prozeßhindernis der entschiedenen Streitsache bejaht. Ihre Entscheidungen werden aufgehoben und dem Erstgericht die Durchführung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.
Anmerkung
E48887 06A02667European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1997:0060OB00266.97D.1217.000Dokumentnummer
JJT_19971217_OGH0002_0060OB00266_97D0000_000