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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1997 §10 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des A D in Wien, geboren 1964, vertreten durch Mag. Andreas Edlinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stadiongasse 2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 6. März 2006, Zl. 144.106/2- III/4/06, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 6. März 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 21 Abs. 1 und 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer habe am 24. Dezember 2003 bei der Bundespolizeidirektion Wien einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta.-Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt. Dieser Antrag sei auf Grund der "Scheidung" des Beschwerdeführers von einer österreichischen Staatsbürgerin am 4. Februar 2005 zuständigkeitshalber an den Landeshauptmann von Wien weitergeleitet worden. Von dieser Behörde sei der Antrag mit Bescheid vom 6. Juni 2005 gemäß §§ 14 Abs. 2 und 23 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997 abgewiesen worden.
Der Beschwerdeführer sei am 23. Februar 2000 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe am 29. Februar 2000 einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom 15. Mai 2000 gemäß §§ 7 und 8 AsylG abgewiesen worden sei. Gegen diesen Asylbescheid habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben. Am 11. November 2003 habe er den Asylantrag zurückgezogen und am 24. Dezember 2003 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gestellt. Mit Urteil vom 12. November 2004 habe das Bezirksgericht Liesing die Ehe des Beschwerdeführers für nichtig erklärt. Dieses Urteil sei am 18. Dezember 2004 in Rechtskraft erwachsen. Auf Grund der rechtskräftigen "Scheidung" von einer österreichischen Staatsbürgerin komme der vom Beschwerdeführer beantragte Aufenthaltstitel für diesen nicht mehr in Betracht.
Gemäß § 21 Abs. 1 NAG seien Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung sei im Ausland abzuwarten. Die Behörde könne einen im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung aus besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Gründen von Amts wegen zulassen. Die Zulassung einer Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Ausfolgung des Aufenthaltstitels im Inland seien "nicht zwingend zu verstehen". Die Berufung des Beschwerdeführers enthalte Behauptungen des Vorliegens humanitärer Gründe im Sinn des § 72 NAG. Das Bundesasylamt habe mit dem oben genannten Bescheid vom 15. Mai 2000 gemäß § 8 AsylG ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zulässig sei. Daraus sei ersichtlich, dass die Befürchtungen des Beschwerdeführers betreffend seine Rückkehr in sein Heimatland bereits umfassend überprüft und als nicht berechtigt beurteilt worden seien. Die Beweggründe für die Zurückziehung des Asylantrages würden für sich keine humanitären Gründe darstellen. § 21 Abs. 2 Z. 2 NAG betreffend Fremde, die auf Grund ihrer Niederlassung zur Inlandsantragstellung und zur Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland berechtigt seien, sei nicht anwendbar. Die materiellen Voraussetzungen gemäß § 72 NAG würden nicht vorliegen. Eine Inlandsantragstellung werde von Amts wegen nicht zugelassen. Gemäß § 21 Abs. 1 und 2 NAG hätte der Beschwerdeführer seinen "Antrag im Ausland abwarten müssen".
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Liesing vom 12. November 2004 für nichtig erklärt worden ist und er bisher noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hat. Der gegenständliche Antrag ist ein Erstantrag iSd § 2 Abs. 1 Z. 13 NAG, der gemäß § 21 Abs. 1 NAG vor der Einreise in das Bundesgebiet im Ausland einzubringen ist. Dass einer der Fälle des § 21 Abs. 2 NAG vorliegen würde, in denen es zulässig ist, einen Erstantrag vom Inland aus zu stellen, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Auch aus dem angefochtenen Bescheid ergeben sich dafür keine Hinweise.
2. Ein Recht, den Antrag vom Inland aus zu stellen - und die Entscheidung hierüber im Inland abzuwarten - käme bei Vorliegen humanitärer Gründe gemäß § 72 NAG nur im Grund des § 74 NAG in Betracht. Anders als nach § 14 Abs. 2 letzter Satz Fremdengesetz 1997 muss eine Inlandsantragstellung gemäß § 74 NAG von Amts wegen zugelassen werden. Damit ist klargestellt, dass die Behörde mit Blick auf die Zulässigkeit einer Inlandsantragstellung nur von sich aus das Vorliegen der maßgeblichen Tatbestandsmomente für die Annahme eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles aus humanitären Gründen gemäß § 72 NAG zu prüfen hat, ohne dass eine Alternative in Form einer darauf abzielenden Antragstellung vorgesehen wäre. § 74 NAG räumt dem Fremden kein durchsetzbares - und vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machendes - Recht auf Inlandsantragstellung ein.
Sollte die Niederlassungsbehörde im Fall einer dem Fremden bei Nichterteilung des Aufenthaltstitels drohenden Gefahr gemäß § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100 (insbesondere einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung) oder im Fall eines aus Art. 8 EMRK abzuleitenden Anspruchs auf Familiennachzug die Inlandsantragstellung nicht von Amts wegen zulassen und den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 21 Abs. 1 NAG abweisen, so besteht allein deswegen noch kein vollstreckbarer Titel zur Außerlandschaffung des Fremden. Dazu müsste vielmehr die Fremdenpolizeibehörde zunächst eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot erlassen. Während eines derartigen fremdenpolizeilichen Verfahrens kann der Fremde einen Feststellungsantrag gemäß § 51 FPG stellen. Wird diesem Antrag stattgegeben, so ist die Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung des Fremden in den von seinem Antrag betroffenen Staat nicht zulässig. Dem Fremden steht somit ein ausreichender - und durchsetzbarer - Schutz vor einem Eingriff in die in § 50 FPG genannten (zum Teil auch verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechte zur Verfügung. Einen - ausnahmsweise - aus Art. 8 EMRK abzuleitenden Anspruch auf Familiennachzug - dem auch der Eingriffsvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht entgegen steht - kann ein Fremder im Verfahren gemäß § 73 Abs. 4 NAG geltend machen. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0153.)
Aus den dargestellten Gründen hätte der vorliegende Antrag daher nur bei amtswegiger Zulassung vom Inland aus gestellt werden dürfen. Da eine solche Zulassung nicht erfolgte, steht der Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung der Grundsatz der Auslandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 1 NAG entgegen.
3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 13. September 2006
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006180256.X00Im RIS seit
09.10.2006Zuletzt aktualisiert am
07.12.2011