Index
E3L E09301000;Norm
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2002/13/0065 2002/13/0064Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerde der H GmbH in W, vertreten durch ALTA Wirtschaftstreuhandgesellschaft in 1020 Wien, Praterstraße 62-64, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland jeweils vom 11. Februar 2002, Zlen. 1) RV/5-06/06/2001, betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate August und September 2001 (2002/13/0063), 2) RV/623-06/06/2001, betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Mai bis Juli 2001 (2002/13/0064) und 3) RV/624-06/06/2001, betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis April 2001 (2002/13/0065), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 3.513,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei ist eine Gesellschaft mbH, deren Unternehmensgegenstand der Erwerb von Immobilien, deren Verwaltung und Verwertung und das Gewerbe der Immobilienmakler ist. Seit dem Jahre 1995 ist in ihrem Anlagevermögen eine bebaute Liegenschaft in Wien ausgewiesen. Das auf dem Grundstück befindliche Altgebäude wurde zunächst vermietet und nach dem Erhalt einer Baubewilligung abgerissen. Mit Vertrag vom 18. Juni 2001 erteilte die Beschwerdeführerin einer anderen Gesellschaft den Auftrag zur Errichtung eines Bürogebäudes, mit dessen Bau am 19. April 2001 begonnen wurde und dessen Übergabe für Ende Juni 2002 geplant war. Seit Juni 2001 befinden sich 99,6 % der Geschäftsanteile an der beschwerdeführenden Gesellschaft im Eigentum der I. GmbH, deren Unternehmensschwerpunkt in der Vermietung von Bürohäusern liegt.
Nachdem die beschwerdeführende Gesellschaft für die Kalendermonate Jänner bis April 2001 jeweils Umsätze nur in Höhe von S 0,-- erklärt, aber Vorsteuerbeträge geltend gemacht hatte, wurde die Tätigkeit der beschwerdeführenden Partei einer Umsatzsteuersonderprüfung unterzogen, in deren Ergebnis die Prüferin die beschwerdeführende Gesellschaft zur Geltendmachung der Vorsteuerbeträge mit der Begründung nicht als berechtigt ansah, dass keine "(Vor-)Mietverträge" hätten vorgelegt werden können, und dass auch "keine anderen Umstände (wie z. B. Gesellschafterwechsel)" vorlägen, auf Grund deren "mit ziemlicher Sicherheit" feststehe, dass die zukünftigen Umsätze steuerpflichtig behandelt werden würden.
Gegen den der Auffassung der Prüferin folgenden Bescheid des Finanzamtes über die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Kalendermonate Jänner bis April 2001 mit "S 0,--" erhob die beschwerdeführende Partei Berufung mit dem Vorbringen, dass auf der seit dem Jahre 1995 im Anlagevermögen ausgewiesenen Liegenschaft nunmehr ein Bürohaus errichtet werde. Dieses umfasse rund 5.700 m2, wobei die beschwerdeführende Partei hinsichtlich einer Fläche von rund 4.000 m2 in Verhandlungen über die Anmietung durch einen Zeitungsherausgeber stehe. Die Vermietung könne nach dem derzeit gültigen Bauzeitplan im Mai des Jahres 2002 beginnen, eine Immobilientreuhandgesellschaft sei mit der Vermittlung von Mietinteressenten bereits beauftragt worden. Wenn ein Unternehmer die steuerpflichtige Vermietung beabsichtige, dann könne er Vorsteuern aus Vorleistungen schon geltend machen, bevor er noch Einnahmen aus der Vermietung erziele. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Vorsteuerabzug vor der Erzielung von Einnahmen aus einer Vermietung dann zulässig, wenn die Absicht der steuerpflichtigen Vermietung entweder in bindenden Vereinbarungen ihren Niederschlag gefunden habe oder aus sonstigen, über die Absichtserklärung hinausgehenden Umständen "mit ziemlicher Sicherheit" hervorgehe. Auch der EuGH vertrete die Auffassung, dass die Abgabenverwaltung objektive Belege für die erklärte Nutzungsabsicht verlangen könne, habe aber auch schon darauf hingewiesen, dass eine generelle Verweigerung der Abziehbarkeit von Vorsteuern vor Beginn einer Vermietung den Grundsätzen des Mehrwertsteuersystems zuwiderlaufen würde und der Steuerpflichtige auf Grund des oft langen Zeitraumes zwischen den ersten Investitionsausgaben und der tatsächlichen Nutzung dadurch finanziell stark belastet wäre. Es dürften die von der Finanzverwaltung verlangten "objektiven Belege nicht derart restriktiv" sein, dass der Nachweis der Absicht künftiger Vermietung durch den Steuerpflichtigen nicht erbracht werden könne. Sobald über die Absichtserklärung hinausgehende Umstände das behauptete zukünftige Verhalten (steuerpflichtiger Vermietung) wahrscheinlicher als jedes andere Verhalten erscheinen ließen, sei der Behauptung des Steuerpflichtigen zu folgen.
Im konkreten Fall seien seit dem Vorliegen der Planungsunterlagen mit präsumtiven Mietern diverse Gespräche geführt worden. Mit einem französischen Konzern sei über die Anmietung verhandelt worden, wobei die Gespräche nur an dem Umstand gescheitert seien, dass das Mietobjekt für den Konzern zu spät verfügbar gewesen wäre. Seit Juli 2001 fänden Verhandlungen mit einem Zeitungsherausgeber über die Vermietung eines wesentlichen Teils des in Bau befindlichen Bürohauses statt. Auch die Einstufung der Liegenschaft als Wirtschaftsgut des Anlagevermögens spiegle die Absicht wieder, diese Liegenschaft nicht zu veräußern, sondern einer Verwendung zuzuführen, die einen dauernden Ertrag erwarten lasse, nämlich der Vermietung. Die beschwerdeführende Partei habe seit ihrem Bestehen keine Liegenschaft veräußert und auch das auf der Liegenschaft vorhandene Altgebäude sei vor seinem Abbruch vermietet gewesen. Die von der beschwerdeführenden Partei seit ihrer Gründung erzielten Umsätze stammten wesentlich aus der Vermietung. Angesichts der vorliegenden Umstände (konkrete Verhandlungen mit dem Zeitungsherausgeber, Betrauung einer Immobilientreuhandgesellschaft mit der steuerpflichtigen Vermietung des Objektes, Fehlen jeglicher steuerbefreiter Vermietungs- oder Grundstücksumsätze seit Gründung der Gesellschaft, Eingliederung in den I. Konzern, dessen Schwerpunkt in der steuerpflichtigen Vermietung von Büroimmobilien liege) sei ein Sachverhalt gegeben, der eindeutig für die Annahme einer steuerpflichtigen Vermietung spreche. Im Hinblick auf den mit einer steuerfreien Vermietung verbundenen Verlust des Vorsteuerabzuges und auf die damit anfallenden Kosten widerspräche es auch dem allgemeinen Erfahrungsgut, eine künftig steuerfreie Vermietung für die wahrscheinlichere Variante zu halten. Angeschlossen waren der Berufung ein Aktenvermerk vom 16. Juli 2001 über eine Präsentation des Büroobjektes gegenüber dem Zeitungsherausgeber, ein die in Rede stehende Liegenschaft betreffendes Schreiben des von der beschwerdeführenden Partei beauftragten Generalunternehmers an ein französisches Unternehmen mit dem Hinweis auf die voraussichtlichen Gesamtbetriebskosten und ein weiteres Schreiben des Generalunternehmers an eine andere Gesellschaft mit einem angeschlossenen Mietvertragsentwurf, der eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung vorsieht.
Nachdem die Prüferin eine Stellungnahme zur Berufung erstattet hatte, in welcher sie darüber berichtet hatte, dass nach einer am 4. Oktober 2001 gepflogenen Rücksprache mit dem steuerlichen Vertreter der beschwerdeführenden Partei auch derzeit noch keine "bindenden Vereinbarungen" vorgelegt werden könnten, wies die belangte Behörde mit dem zur Zl. 2002/13/0065 angefochtenen Bescheid die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Finanzamtes über die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Kalendermonate Jänner bis April 2001 als unbegründet ab.
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und einem Hinweis auf die Bestimmungen des § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 und der § 12 Abs. 3 Z. 1 und Z. 2 UStG 1994 führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug in jenem Besteuerungszeitraum vorliegen müssten, für den der Vorsteuerabzug begehrt werde. Es sei der Vorsteuerabzug zeitlich unabhängig von entsprechenden Umsätzen des Unternehmers, die Berechtigung zum Vorsteuerabzug bestehe auch, wenn noch keine Umsätze ausgeführt würden. Da Vorbereitungshandlungen bereits zur unternehmerischen Tätigkeit zählten, sei auch zu Beginn der Unternehmertätigkeit der Vorsteuerabzug nicht von der erstmaligen Bewirkung von Umsätzen abhängig, es müsse der Unternehmer aber in diesen Fällen vorab prüfen, inwieweit der Vorsteuerabzug deshalb eingeschränkt sei, weil die Vorumsätze späteren, den Abzug ausschließenden Umsätzen im Sinne des § 12 Abs. 3 UStG 1994 zuzurechnen seien. Nach § 6 Abs. 1 Z. 16 UStG 1994 sei die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken grundsätzlich unecht steuerbefreit, wobei der Unternehmer nach dem zweiten Absatz dieser Bestimmung aber das Recht habe, einen solchen Umsatz steuerpflichtig zu behandeln. Nach Art. 13 Teil C der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie könnten die Mitgliedstaaten den Umfang des Optionsrechtes einschränken und die Modalitäten seiner Ausübung bestimmen. Voraussetzung für die Optionsausübung sei, dass der Unternehmer einen steuerfreien Umsatz tätige. Frühestens ab diesem Zeitpunkt nämlich sei eine Optionsausübung möglich. Für die Berücksichtigung von Vorsteuern reiche die bloße Erklärung, ein Gebäude künftig vermieten zu wollen, jedenfalls nicht aus. Es müsse die Absicht der künftigen Vermietung vielmehr in bindenden Vereinbarungen ihren Niederschlag gefunden haben oder aus sonstigen, über die Absichtserklärung hinausgehenden Umständen "mit ziemlicher Sicherheit" feststehen (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 29. Juli 1997, 93/14/0132, und vom 23. Juni 1992, 92/14/0037). Auch nach Auffassung des EuGH (Hinweis auf das Urteil vom 21. März 2000, C-110/98) habe die Abgabenverwaltung objektive Nachweise für die erklärte Absicht zu verlangen, zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufzunehmen; der Unternehmer habe diese Voraussetzungen nachzuweisen. Die Behauptung der beschwerdeführenden Partei, sie wolle in Zukunft steuerpflichtig vermieten, reiche "jedenfalls allein nicht aus, um von einer bindenden Absichtserklärung ausgehen zu können". Nach den Ausführungen in der Berufung lägen noch keine "bindenden (Vor-)Mietverträge" vor. Es seien lediglich Verhandlungen mit möglichen Vertragspartnern - wie dem Zeitungsherausgeber oder einem französischen Konzern - geführt worden, "bindende Vereinbarungen" hätten sich aus keiner dieser Verhandlungen ergeben. Es sei ein Immobilienvermittlungsunternehmen damit beauftragt worden, Anbote an in Frage kommende Mieter zu erstellen, woraus für die belangte Behörde aber nicht hervorgehe, dass "tatsächlich eine Option auf steuerpflichtige Vermietung erfolgt". Dass die Liegenschaft seit ihrem Erwerb im Anlagevermögen ausgewiesen sei, sage über die zukünftige Optionsausübung eines erst zu verwirklichenden Bauprojektes nichts aus und wenn die beschwerdeführende Gesellschaft vor Abbruch des Altgebäudes dieses auch stets steuerpflichtig vermietet habe, könnte sie beim neu zu errichtenden Bauobjekt auf Grund ihrer Optionsmöglichkeit doch davon abgehen. Auch die Eingliederung in den I. Konzern, dessen Schwerpunkt in der steuerpflichtigen Vermietung von Büroimmobilien liege, könne eine Optionsausübung nicht vorwegnehmen. Da der Unternehmer nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 UStG 1994 einen Umsatz, der nach § 6 Abs. 1 Z. 16 leg. cit. steuerfrei ist, steuerpflichtig behandeln könne, sei Voraussetzung der Optionsausübung demnach, dass der Unternehmen einen steuerfreien Umsatz tätige. Frühestens ab diesem Zeitpunkt sei eine Optionsausübung möglich. Es müsse der Unternehmer im Zeitpunkt des Bezuges der Vorleistung nachweisen, dass er mit dem Mieter der Liegenschaft eine Vereinbarung getroffen habe, den Umsatz steuerpflichtig zu behandeln, und dass er dem Mieter die darauf entfallende Umsatzsteuer gemäß § 11 UStG 1994 in Rechnung stellen werde. Da keine solche bindende Vereinbarung getroffen worden sei, sei die Berufung als unbegründet abzuweisen gewesen.
Auch für die Kalendermonate Mai bis Juli 2001 erließ das Finanzamt einen Bescheid, in welchem es die geltend gemachten Vorsteuern unter Hinweis auf die Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung nicht anerkannte. Die gegen diesen Bescheid wortgleich zur wiedergegebenen Berufung gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Kalendermonate Jänner bis April 2001 gestaltete Berufung wies die belangte Behörde mit dem zu 2002/13/0064 angefochtenen Bescheid ebenfalls mit wortgleicher Begründung ab.
In ihrer Berufung gegen den die geltend gemachten Vorsteuern nicht anerkennenden Bescheid des Finanzamtes über die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Kalendermonate August und September 2001 verwies die beschwerdeführende Partei nur noch auf ihr Vorbringen in der Berufung gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Kalendermonate Mai bis Juli 2001 und schloss eine Ausfertigung dieser Berufung an. Mit dem zu 2002/13/0063 angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde auch diese Berufung ab und begründete dies wortgleich zu den zu 2002/13/0064 und 2002/13/0065 angefochtenen Bescheiden.
Über die gegen diese drei Bescheide erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde sowie einer Replik der beschwerdeführenden Partei erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist.
Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind nach § 12 Abs. 3 UStG 1994 u.a.
1. die Steuer für die Lieferungen und die Einfuhr von Gegenständen, soweit der Unternehmer diese Gegenstände zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet und
2. die Steuer für sonstige Leistungen, soweit der Unternehmer diese sonstigen Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze in Anspruch nimmt.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 16 UStG 1994 ist steuerfrei die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, auf welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke Anwendung finden, und von staatlichen Hoheitsrechten, die sich auf die Nutzungen von Grund und Boden beziehen; die Überlassung der Nutzung an Geschäftsräumen und anderen Räumlichkeiten auf Grund von Nutzungsverträgen ist als Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken anzusehen.
Nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 kann der Unternehmer u.a. einen Umsatz, der nach § 6 Abs. 1 Z. 16 steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln.
Die aus den Bestimmungen des § 6 Abs. 1 Z. 16 iVm § 12 Abs. 3 Z. 1 und 2 UStG 1994 resultierende so genannte unechte Steuerbefreiung der Umsätze aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und die durch § 6 Abs. 2 leg. cit. geschaffene Möglichkeit des Steuerpflichtigen, solche Umsätze trotzdem steuerpflichtig zu behandeln und dadurch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug zu erlangen, haben ihre gemeinschaftsrechtliche Grundlage in der Bestimmung des Art. 13 der Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977, 77/388/EWG (6. Mehrwertsteuerrichtlinie). In Abschnitt B lit. b der genannten Vorschrift wird die (grundsätzliche) Befreiung der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Steuer unter Anführung hier nicht interessierender Ausnahmen angeordnet, während der mit "Optionen" überschriebene Abschnitt C des Art. 13 Folgendes bestimmt:
"Die Mitgliedstaaten können ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, für eine Besteuerung zu optieren:
a)
bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken;
b)
bei ...
Die Mitgliedstaaten können den Umfang des Optionsrechtes einschränken; sie bestimmen die Modalitäten seiner Ausübung."
Zu den "Modalitäten der Ausübung" des durch § 6 Abs. 2 UStG 1994 eingeräumten Optionsrechtes hat der österreichische Gesetzgeber für den Fall der Vermietung keine Regelungen getroffen. Die Option für die Steuerpflicht im Sinne des § 6 Abs. 2 UStG 1994 wird daher schon mit der bloßen Behandlung des getätigten Umsatzes gegenüber dem Finanzamt als steuerpflichtig durch Erstattung der im Gesetz vorgesehenen Umsatzsteuervoranmeldung ausgeübt (vgl. Ruppe, UStG3, § 6 Tz 408 ff).
Art. 17 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie handelt von Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug und bestimmt in Abs. 2 lit. a, dass der Steuerpflichtige, soweit Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, befugt ist, von der von ihm geschuldeten Steuer die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden.
Nach Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
Art. 4 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie handelt vom Steuerpflichtigen und bestimmt in Abs. 1, dass als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Abs. 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
Nach dem zweiten Absatz dieses Artikels sind die in Abs. 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleich gestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.
Im Urteil vom 21. März 2000, C-110/98 bis C-147/98 (Gabalfrisa SL u.a.), auf welches sich die belangte Behörde in der Begründung der angefochtenen Bescheide zu berufen versucht, hat der EuGH zunächst daran erinnert, dass das in den Art. 17 ff der
6. Mehrwertsteuerrichtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integrierender Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt, sondern für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden kann (RNr. 43). Unter Hinweis auf das von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführte Urteil vom 14. Februar 1985, 268/83 (Rompelman), hat der EuGH im Urteil vom 21. März 2000 sodann den Standpunkt wiederholt, dass der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer hinsichtlich der Abgabenbelastung des Unternehmens es verlangt, dass schon die ersten Investitionsausgaben, die für die Zwecke eines Unternehmens oder zu dessen Verwirklichung getätigt werden, als wirtschaftliche Tätigkeiten angesehen werden. Es würde diesem Grundsatz nämlich zuwiderlaufen, wenn als Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeiten erst der Zeitpunkt angesetzt würde, von dem an das Grundstück tatsächlich genutzt wird, d.h. die zu versteuernden Einkünfte entstehen. Bei jeder anderen Auslegung des Art. 4 der Richtlinie würde der Wirtschaftsteilnehmer mit den Mehrwertsteuerkosten belastet, ohne dass er sie gemäß Art. 17 abziehen könnte, und es würde willkürlich zwischen Investitionsausgaben vor und während der tatsächlichen Nutzung eines Grundstücks unterschieden (RNr. 45). In RNr. 46 desselben Urteils schließlich hat der EuGH klargestellt, dass Art. 4 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie die Abgabenverwaltung nicht hindert, objektive Nachweise für die erklärte Absicht zu verlangen, zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufzunehmen. Diese Überlegung findet sich schon in dem von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführten Urteil des EuGH vom 14. Februar 1985 (Rompelman), wenn es dort in RNr. 24 heißt, dass derjenige, der einen Vorsteuerabzug vornimmt, nachzuweisen hat, dass die Voraussetzungen hiefür gegeben sind und dass er Steuerpflichtiger ist, sodass Art. 4 der
6. Mehrwertsteuerrichtlinie dem nicht entgegen steht, dass die Abgabenverwaltung objektive Belege für die erklärte Nutzungsabsicht verlangt, in welchem Zusammenhang der EuGH als Beispiel "den Nachweis der besonderen Eignung der zu errichtenden Räumlichkeiten für eine gewerbliche Nutzung" anführt. Im Urteil vom 21. März 2000 findet sich unter RNr. 52 schließlich auch noch der Hinweis des EuGH, dass Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten nach Art. 22 Abs. 8 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie erlassen dürfen, um die genaue Erhebung der Steuer sicher zu stellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, und daher auch nicht so eingesetzt werden dürfen, dass sie das Recht auf Vorsteuerabzug systematisch in Frage stellen.
In dem von der beschwerdeführenden Partei ebenfalls ins Treffen geführten Urteil vom 8. Juni 2000, C-400/98 (Breitsohl), hat der EuGH seinen Standpunkt wiederholt, dass als Steuerpflichtiger zu gelten hat, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, im Sinne von Art. 4 der
6. Mehrwertsteuerrichtlinie eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diesen Zweck tätigt, wobei der als Steuerpflichtiger Handelnde das Recht auf sofortigen Abzug der für die Zwecke seiner beabsichtigten, das Abzugsrecht eröffnenden Umsätze getätigten Investitionsausgaben geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer hat und die Aufnahme des tatsächlichen Betriebes seines Unternehmens nicht abwarten muss (RNr. 34). In RNr. 40 dieses Urteiles erklärt der EuGH es als Obliegenheit des nationalen Gerichtes zu prüfen, ob die Erklärung, zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, in gutem Glauben abgegeben worden ist und durch objektive Anhaltspunkte belegt wird.
In der zur Frage der Abziehbarkeit von Vorsteuern noch vor der Erzielung von Umsätzen ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe neben den in den angefochtenen Bescheiden zitierten hg. Erkenntnissen vom 29. Juli 1997, 93/14/0132, und vom 23. Juni 1992, 92/14/0037, die von der beschwerdeführenden Partei referierten hg. Erkenntnisse vom 15. Jänner 1981, 1817/79, Slg. NF Nr. 5.541/F, vom 19. Februar 1985, 82/14/0164, vom 25. November 1986, 86/14/0045, vom 17. Mai 1988, 85/14/0106, Slg. NF Nr. 6.317/F, vom 27. März 1996, 93/15/0210, vom 25. Juni 1997, 94/15/0227, und ergänzend auch noch die hg. Erkenntnisse vom 20. September 2001, 96/15/0231, und vom 31. März 2004, 2003/13/0151) wurde der auch in der Begründung der angefochtenen Bescheide hervorgehobene Rechtssatz geprägt, dass für die Abziehbarkeit von Vorsteuern, noch bevor aus der Vermietung eines Gebäudes Entgelte erzielt werden, die bloße Erklärung, ein Gebäude künftig vermieten zu wollen, nicht ausreicht, sondern dass die Absicht der Vermietung eines Gebäudes in bindenden Vereinbarungen ihren Niederschlag finden oder aus sonstigen, über die Erklärung hinausgehenden Umständen "mit ziemlicher Sicherheit" feststehen muss.
Dass diese Judikatur zum Umsatzsteuergesetz 1972 und damit zu einer Rechtslage ergangen ist, die noch nicht dem Regime des Gemeinschaftsrechtes unterstand, wie die beschwerdeführende Partei vorträgt, trifft zu. Ebenso zutreffend weist die beschwerdeführende Partei auf die in der Rechtslage nach dem Umsatzsteuergesetz 1994 bestehenden Unterschiede zu jener des Vorgängergesetzes hin, welche es zur Beantwortung der Frage des Zustehens eines Vorsteuerabzuges vor Erzielung von Umsätzen erfordern, nicht nur zu klären, ob überhaupt vermietet werden wird, sondern auch zu klären, ob eine künftige Vermietung umsatzsteuerpflichtig oder umsatzsteuerbefreit erfolgen wird.
Die Erforderlichkeit einer gravierenden inhaltlichen Änderung der zum Umsatzsteuergesetz 1972 ergangenen Judikatur ist indessen trotzdem nicht zu erkennen. Das vom EuGH in der wiedergegebenen Judikatur aus Art. 17 Abs. 1 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie abgeleitete Recht zum sofortigen Vorsteuerabzug noch vor der Erzielung von Umsätzen wurde auch in der zum Umsatzsteuergesetz 1972 ergangenen Judikatur grundsätzlich nie in Frage gestellt. Dass es aber dem Gemeinschaftsrecht nicht widerspricht, wenn die Abgabenverwaltung objektive Nachweise für die erklärte Absicht verlangt, zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufzunehmen, hat der EuGH in seiner Judikatur ohnehin auch ausgesprochen. Schon in dem von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführten Urteil vom 14. Februar 1985, 268/83 (Rompelman), hat der EuGH darauf hingewiesen, dass derjenige, der einen Vorsteuerabzug vornimmt, nachzuweisen hat, dass die Voraussetzungen hiefür gegeben sind und dass er Steuerpflichtiger ist (RNr. 24).
Dass die Steuerpflicht der aus der künftigen Vermietung erwirtschafteten Umsätze anders als nach der Rechtslage nach dem Umsatzsteuergesetz 1972 zusätzlich noch der Option des vermietenden Steuerpflichtigen im Sinne des § 6 Abs. 2 UStG 1994 bedarf und die Berechtigung zum Vorsteuerabzug somit nicht nur - wie schon zuvor - davon abhängt, dass überhaupt vermietet werden wird, sondern auch davon, dass die (innerstaatlich durch keine zeitlichen und formellen Vorgaben eingeschränkte) Option zur Steuerpflicht der Vermietung gewählt werden wird, gebietet für die Beurteilung der Abziehbarkeit geltend gemachter Vorsteuern keine entscheidend andere Rechtsanwendung als bisher. Zutreffend wird im Schrifttum (Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, UStG 1994, Anm. 78 ff zu § 6 Abs. 2) darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt im Hinblick auf eine zukünftige Option zur Steuerpflicht ähnlich gelagert ist wie schon bisher bei der Frage, ob der Steuerpflichtige mit den bezogenen Leistungen eine steuerbare Tätigkeit ausüben wird (siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Juli 2006, 2003/14/0013, vom 7. Oktober 2003, 2001/15/0085, und vom 30. Oktober 2001, 2000/14/0204). Auch die Frage, ob vom Gebrauch der im § 6 Abs. 2 UStG 1994 eingeräumten Möglichkeit durch den künftigen Vermieter auszugehen ist, muss (wie schon die Frage, ob überhaupt vermietet werden wird) mit der Wahl jener Möglichkeit beantwortet werden, die den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit für sich hat (so auch Ruppe, a.a.O., § 12 Tz 164/1).
Für den Geltungsbereich des Umsatzsteuergesetzes 1994 erfordert die Abziehbarkeit von Vorsteuern im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Vermietungstätigkeit noch vor deren Beginn damit ein Vorbringen des Steuerpflichtigen, mit welchem er Sachverhalte darlegt, bei deren Würdigung am Maßstab des allgemeinen menschlichen Erfahrungsgutes und der Denkgesetze die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden steuerpflichtigen Vermietung wahrscheinlicher als der Fall einer steuerbefreiten Vermietung oder der Fall des Unterbleibens einer Vermietung ist. In einem solchen Verständnis kann der zum Umsatzsteuergesetz 1972 geprägte Rechtssatz auch für die unter der Herrschaft des Gemeinschaftsrechtes stehende Rechtslage Geltung behalten, wenn man an die Stelle des (ohnehin nicht quantifizierbaren) Kalküls "ziemlicher Sicherheit" das der "Wahrscheinlichkeit nach allgemeiner Erfahrung" setzt und dem Beweismittel der "bindenden Vereinbarungen" keine Monopolstellung mehr einräumt. Bei der Errichtung gerade von Büro- und Dienstleistungszentren, deren Räumlichkeiten an verschiedene Unternehmer vermietet werden sollen, stehen die zukünftigen Mieter während des Zeitraumes der Errichtung ja häufig noch nicht fest, sodass auch noch keine Vereinbarungen vorgelegt werden können, denen zufolge der künftige Umsatz steuerpflichtig behandelt werden soll. Das Beharren auf der Vorlage bindender Vereinbarungen in einer solchen Phase müsste als eine Vorgangsweise angesehen werden, mit welcher das Recht auf Vorsteuerabzug systematisch in Frage gestellt würde, wie dies der EuGH gerade in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 21. März 2000, C-110/98-C 147/98 (Gabalfrisa SL), als gemeinschaftsrechtswidrig beurteilt hat. Ob für den Fall des durch Optionsausübung erfolgten Wechsels der Zuordnung des Investitionsgutes von einer steuerbefreiten zu einer steuerpflichtigen Verwendung anderes zu gelten hätte (siehe hiezu das Urteil des EuGH vom 30. März 2006, C-184/04, Uudenkaupungin kaupunki), bedarf im Beschwerdefall, in dem eine solche Sachverhaltskonstellation nicht vorliegt, keiner Beantwortung.
Vor dem Hintergrund dieses vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Lösungsansatzes nach dem Kalkül des aus dem Gesamtbild der äußeren Verhältnisse zu erschließenden höchsten Grades der Wahrscheinlichkeit erweisen sich die angefochtenen Bescheide deswegen als rechtswidrig, weil ihnen die belangte Behörde erkennbar die vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilte Rechtsanschauung zu Grunde gelegt hat, dass das Vorhaben künftiger steuerpflichtiger Vermietung des gerade errichteten Gebäudes ausschließlich durch die Vorlage bindender Vereinbarungen mit potenziellen Mietern, nicht aber auch durch die Erweislichkeit solcher anderer Indizien ausreichend belegt werden könnte, wie sie die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgetragen hatte. Aufgabe der belangten Behörde wäre es gewesen, in Würdigung der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Sachverhalte festzustellen, dass und weshalb eine (und welche) andere Verwendung des errichteten Gebäudes wahrscheinlicher als die steuerpflichtige Vermietung wäre. Indem sich die belangte Behörde dieser Aufgabe mit der zum Ausdruck gebrachen Rechtsanschauung entzogen hat, die steuerpflichtige Vermietung könne nur mit bindenden Vereinbarungen belegt werden, hat sie die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Die angefochtenen Bescheide waren deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der von der beschwerdeführenden Partei angeregten Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH bedurfte es nicht. Dass dem Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug nicht erst dann zusteht, wenn schon Umsätze aus der steuerpflichtigen Vermietung getätigt werden, kann nicht bezweifelt werden und wurde von niemandem bezweifelt. Dass der in der Rechtsprechung zum Umsatzsteuergesetz 1972 formulierte Rechtssatz einem Verständnis zugänglich ist, welches die Anwendung dieses Rechtssatzes ohne Konflikt mit dem Gemeinschaftsrecht möglich macht, wurde mit den Erwägungen dieses Erkenntnisses dargestellt.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 13. September 2006
Gerichtsentscheidung
EuGH 61998J0110 Gabalfrisa VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2002130063.X00Im RIS seit
09.10.2006Zuletzt aktualisiert am
17.05.2013