TE OGH 1997/12/17 3Ob12/98f

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Veröffentlicht am 17.12.1997
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bruno B*****, vertreten durch Dr.Albert Feichtner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Johann B*****, vertreten durch Dr.Erich Proksch und Dr.Diethard Schimmer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Entfernung, (Streitwert S 500.000,--) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 6.Juli 1995, GZ 1 R 123/95-54, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 7.März 1995, GZ 1 Cg 366/93b-48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in ihrem Punkt 1 a dahin abgeändert, daß sie als Teilurteil zu lauten haben:

"Der Beklagte ist schuldig, auf jenem Teil des Grundstückes 334/1, Grundbuch *****, der durch die Beil./A als annähernd trapezförmige Fläche durch Schraffierung gekennzeichnet ist, Bewirtschaftungshandlungen jeder Art insbesondere das Errichten von Zäunen, die Entfernung von Stauden, Strauchwerk und jungen Bäumen sowie das Auftreiben von Vieh bei sonstiger Exekution zu unterlassen."

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Im übrigen (Punkt 1 b und 2) werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben, die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Prozeßkosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist aufgrund des Kaufvertrages vom 12.1.1983 grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft *****, Grundbuch ***** (vulgo "W*****alpe"), zu der unter anderem das Grundstück Nr 334/1 gehört. Der Beklagte ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch ***** (vulgo "T*****-Alpe" oder "A*****-Alpe"), zu der unter anderem die südlich und östlich vom Grundstücke 334/1 gelegenen Grundstück 333, 335, 336, 337/3 und das westlich davon gelegene Grundstück 337/1 gehören. Der südliche Teil des Grundstückes 334/1 grenzt somit zur Gänze an Grundstücke des Beklagten.

Die Klagebegehren beziehen sich auf diesen südlichen, trapezförmigen, von Grundstücken des Beklagten umgebenen Teil des Grundstückes 334/1. Dieses Gebiet hat nach dem Vorbringen des Klägers eine Größe von ca 30 ha. Es handelt sich dabei im südlichen Teil um eine Almwiese, die im Volksmund seit altersher "Moas" genannt wird. Am südöstlichen Eckpunkt des Grundstückes 334/1 nehmen neben der Süd- und Ostgrenze dieses Grundstückes auch die Grenzen der Grundstücke des Beklagten 335 zu 337/3, 337/3 zu 336 und 336 zu 333 ihren Ausgangspunkt. Dieser Punkt das sogenannte "Kasteneck" wurde mit Sicherheit bei der Aufnahme des Grundsteuerkatasters in den Jahren 1829/1831 als Kreuzungspunkt gewählt. In diesem Punkt konnte die Übereinstimmung der "Katastergrenze mit der Naturgrenze" vom Kläger nachgewiesen werden. Von diesem Punkt aus verläuft die Mappengrenze zwischen den Grundstücken 334/1 und 333 in etwa nord-nordwestliche Richtung". "Der exakte Grenzverlauf" ist dort "in Natur nicht ersichtlich".

Der Rechtsvorgänger des Klägers hat regelmäßig das in den Mappengrenzen der EZ *****, KG ***** (W*****-Alpe) von der BH Zell am See bescheidmäßig festgestellte Eigenjagdgebiet jedenfalls seit den "Fünfzigerjahren" zum Zwecke der Jagdausübung verpachtet. Die Eigenjagd "wurde vom Beklagten respektiert". Der Kläger konnte nachweisen, daß die Mappengrenzen auch stets die Jagdgrenzen (darunter ist offenkundig gemeint; dies sei die Grenze der beiden Eigenjagdgebiete und auch die Grenze der tatsächlichen Jagdausübung) gewesen seien.

Der Beklagte verhinderte im Jahre 1982 eine vom Voreigentümer des Klägers (Sebastian St*****) angestrebte Vermessung der Grundstücksgrenzen. Der sich darauf beziehende Brief seines damaligen Vertreters Dipl.Ing.Erwin P***** an den mit der Vermessung von Sebastian St***** beauftragten Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen vom 18.9.1982 hat unter anderem folgenden Wortlaut:

"Zu Ihrer Einladung an mich als persönlicher Vertreter des Grundeigentümers Johann B*****, als auch an den Grundeigentümer selbst teile ich Ihnen im Namen des Vollmachtsgebers mit, daß an der von Ihnen für den 29.9.1982 anberaumten Verhandlung weder der Grundeigentümer selbst noch ein Bevollmächtigter teilnehmen wird, da unsererseits keine Veranlassung besteht, die bestehenden Grenzverhältnisse anzuzweifeln."

Der Kläger stellte zuletzt (AS 45) folgendes Begehren: "Die beklagte Partei ist schuldig, auf jenem Teil des Grundstückes 334/1, GB *****, der durch Beil./A als annähernd trapezförmige Fläche durch Schraffierung gekennzeichnet ist, Bewirtschaftungshandlungen jedweder Art insbesondere das Errichten von Zäunen, die Entfernung von Stauden, Strauchwerk und jungen Bäumen sowie das Auftreiben von Vieh zu unterlassen;

den auf dem südöstlichen Teil des Grundstückes 334/1 errichteten Stacheldrahtzaun zu entfernen."

Der Kläger brachte hiezu, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Relevanz ist, vor, der Beklagte beanspruche den gesamten strittigen Teil als sein Eigentum. Er habe einen Stacheldrahtzaun mit Stempeln errichtet, im Sommer treibe er Jungvieh zu Weidezwecken auf, er entferne Stauden, Strauchwerk und junge Fichten. Früher habe der Beklagte keinerlei Bewirtschaftshandlungen im Bereich des Grundstückes 334/1 vorgenommen. Besitz- und Mappengrenzen seien ident. Im Jahre 1948 seien bei einer Begehung die Grenzen einvernehmlich festgestellt worden. Die Mappengrenze sei bei der Jagd immer respektiert worden. Die Flächenmaße seien von beiden Almbesitzern immer anerkannt worden. Noch 1985 sei dem Beklagten die exakte Jagdgrenze bekanntgegeben worden. Rechtsvorgänger des Klägers hätten auf dem strittigen Teil Holz geschlägert.

Der Beklagte wendete ein, die T*****-Alpe habe sich immer bis zum großen "Großen Hieflkopf" (= nordwestlicher Eckpunkt der strittigen Fläche) erstreckt. Für die Grenze zur W*****-Alpe seien immer die Natur-(Wirtschafts-)grenzen maßgeblich gewesen. Die Mappengrenzen entsprächen nicht den wahren Grenzen. Schon die Rechtsvorgänger des Beklagten hätten auf der strittigen Fläche Besitzhandlungen gesetzt. So weideten dort Schafe und Ziegen. Die strittige Fläche sei auch immer jagdlich genutzt worden. Vor etwa 15 Jahren habe der Beklagte aus dem strittigen Gebiet Lawinenholz entfernt. Der Kläger versuche erst seit 1991 Besitzhandlungen zu setzen. Der Beklagte (und seine Rechtsvorgänger) hätten den strittigen Teil ersessen. Die Ersitzungszeit habe 1917 zu laufen begonnen. Der Kläger habe auf den strittigen Teil keine Holzschlägerungen durchgeführt.

Das Erstgericht wies sowohl das Unterlassungs- als auch das Beseitigungsbegehren ab. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es fest: Bergseitig (nördlich) des Kasteneckes (= südöstlicher Grenzpunkt des Grenzstückes 334/1 und jener Punkt in dem die Mappengrenze auch die Naturgrenze ist) befinden sich in Abständen von 130 m, 230 m und 395 m vom "Kasteneck" entfernt, rote Farbmarkierungen. Diese liegen 30 bis 50 m östlich der Mappengrenze 334/1 (daher nach der Grundbuchsmappe auf dem Grundstück 333 des Beklagten). Im Jahre 1948 sei die Grenze zwischen den Grundstücken 334/1 und 333 im Beisein und mit Zustimmung des seinerzeitigen Kurators des Beklagten mit grüner Ölfarbe in der Natur markiert worden. Ob diese Markierungen auf der Linie der nunmehr von unbekannten Personen angebrachten roten Farbmarkierungen gewesen seien, sei ebensowenig feststellbar, wie und ob sich diese Markierungen bergwärts oder talwärts dieser Linie befunden hätten. Rechtsvorgänger des Beklagten hätten im Jahr 1964 im strittigen Gebiet kein Holz geschlägert, wohl aber habe der Beklagte aus diesem Bereich (siehe dazu die Einzeichnungen auf den Luftbildern 3, 4, 5 und 6 des Sachverständigengutachtens ON 39, AS 249 bis 255) zwischen 1977 und 1982 21 bis 23 fm Lawinenholz geschlägert. Es könne nicht festgestellt werden, ob der Beklagte und seine Rechtsvorgänger im oberen Teil der "Moas", über den auf einer nicht feststellbaren Linie die Grenze verläuft, bereits seit den Zwanzigerjahren alm- und forstwirtschaftliche Nutzungen betrieben, ob der Rechtsvorgänger des Klägers Georg St***** nach 1945 versucht habe die "Moas" almwirtschaftlich zu nutzen, davon aber wegen des Widerstandes von seiten des Beklagten Abstand genommen habe und ob überhaupt seit altersher die jeweiligen Eigentümer der W*****-Alpe Ziegen von der W*****-Alpe auf die "Moas" auftrieben. Dem Beklagten sei nicht gelungen, den Grenzverlauf bis zum Grad des "Großen Hieflkopfes" (= nordwestlicher Eckpunkt des strittigen Gebietes) nachzuweisen. Es könne auch nicht exakt festgestellt werden, daß die (Eigen-)Jagd des Klägers und seines Rechtsvorgängers auf der gesamten "Moas" tatsächlich ausgeübt worden sei. Angesichts des im Verlauf des Verfahrens klar hervorgekommenen Motivs des Beklagten für die Prozeßführung nämlich dem Kläger einen Zugang zu seinem Jagdgebiet über die "T*****-Alpe" zu verweigern und überhaupt seine Jagdberechtigung im nordöstlichen Teil des "Großen Hieflkopfes" zu bestreiten, sei die Aussage des Sebastian St*****, daß der Beklagte 1979 versucht habe, diese Teile der "W*****-Alpe" käuflich zu erwerben, glaubhaft.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, ob aufgrund eines Kaufvertrages an der gesamten in der Grundbuchsmappe veranschaulichten Fläche Eigentum übertragen und erworben worden sei, sei im Verhältnis zum Nachbarn, der sich nicht auf Ersitzung oder Besitzeinweisung durch denselben Verkäufer berufen könne, der tatsächliche Grenzverlauf maßgebend, auch wenn Besitz und tatsächliche Übergabe durch den Voreigentümer hinter den wahren Eigentumsgrenzen zurückblieben. Es komme daher nur darauf an, ob die Mappengrenzen den wahren Grenzverlauf wiedergäben. Die Grundbuchsmappe oder die Katastermappe machten aber noch keinen Beweis über die Größe und Grenze der Grundstücke. Maßgeblich seien nicht die Papiergrenzen, sondern die Naturgrenzen. Dem Kläger sei nicht der Nachweis gelungen, daß zum Beginn des Grenzstreites seines Rechtsvorgängers mit dem Beklagten im Jahr 1982 die tatsächlichen Grenzen des Grundstückes 334/1 also die in der Natur durch Markierungen, Bewirtschaftung oder Jagdausübung erkennbaren Grenzen, mit denen auf der Beil./A ersichtlichen Grenzen, also den Grenzen laut Grundbuchsmappe und Katastermappe identisch seien. Daran ändere sich auch dadurch nichts, daß aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens davon auszugehen sei, daß der Kreuzungspunkt der Grundstücke 334/1 (Kläger) und 335, 337/3, 336 und 333 (Beklagter) mit dem "Kasteneck" identisch sei und die bergwärts der "Moas" gelegenen Grundflächen im Grenzbereich zwischen den Grundstücken 334/1 (Kläger) und 333 (Beklagter) eindeutig dem erstgenannten Grundstück, daß sich im Eigentum des Klägers befindet, zugeordnet werden könnten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt, die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Es übernahm die aufgrund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen (von beiden Teilen bekämpften) Feststellungen des Erstgerichtes. Der Kläger stütze seine Klage auf § 523 ABGB. Er habe sein Eigentum und den Eingriff durch den Beklagten zu beweisen. Der Kläger berufe sich zum Beweis seines Eigentums in erster Linie auf die Mappengrenzen, die seit dem vorigen Jahrhundert immer auch als Naturgrenzen angesehen worden seien. Entgegen der Meinung des Klägers ergebe sich die wahre Grenze aber nicht schon aus der Katastralmappe des Grundsteuerkatasters aus 1829 bis 1831 oder späterer Mappendarstellungen. Die Grundkatasterunterlagen dienten nur dem Zweck der Grundbesteuerung nicht aber dazu, die tatsächliche Gestaltung der Grundstücke oder die Eigentumsverhältnisse nachzuweisen. Maßgeblich seien nicht die Papiergrenzen, sondern die in der Natur tatsächlich festzustellenden Grundstücksgrenzen. Feststellungen über den tatsächlichen Grenzverlauf habe das Erstgericht nicht treffen können. Es stehe weder fest, daß das "Kasteneck" als Schnittpunkt des Grundstückes 334/1 des Klägers und mehrere Grundstücke des Beklagten in der Natur anerkannt worden sei, noch daß die roten Farbmarkierungen auf dem Grundstück 333 des Beklagten der Naturgrenze zwischen der "W*****-Alpe" und der "T*****-Alpe" entsprächen. Den Grenzen der Jagdgebiete komme deshalb keine entscheidende Bedeutung für das Eigentum an den Almen zu, weil die Eigenjagdgebiete sowohl vom Rechtsvorgänger des Klägers als auch vom Beklagten verpachtet worden seien. Zudem habe das Erstgericht auch zur Behauptung, daß die Jagdgrenze mit der Mappengrenze identisch gewesen sei, lediglich negative Feststellungen getroffen. Insgesamt habe der Kläger nach den Feststellungen nicht beweisen können, daß das strittige Gebiet soweit es der Beklagte bewirtschafte, innerhalb der tatsächlichen Grenzen der "W*****-Alpe" liege. Soweit sich das Unterlassungsbegehren auf die oberhalb der bewirtschafteten liegenden unwegsamen Flächen zum "Großen Hieflkopf" hin beziehe, sei es schon deshalb nicht berechtigt, weil kein Eingriff in das behauptete Eigentumsrecht des Klägers vorliege.Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt, die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Es übernahm die aufgrund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen (von beiden Teilen bekämpften) Feststellungen des Erstgerichtes. Der Kläger stütze seine Klage auf Paragraph 523, ABGB. Er habe sein Eigentum und den Eingriff durch den Beklagten zu beweisen. Der Kläger berufe sich zum Beweis seines Eigentums in erster Linie auf die Mappengrenzen, die seit dem vorigen Jahrhundert immer auch als Naturgrenzen angesehen worden seien. Entgegen der Meinung des Klägers ergebe sich die wahre Grenze aber nicht schon aus der Katastralmappe des Grundsteuerkatasters aus 1829 bis 1831 oder späterer Mappendarstellungen. Die Grundkatasterunterlagen dienten nur dem Zweck der Grundbesteuerung nicht aber dazu, die tatsächliche Gestaltung der Grundstücke oder die Eigentumsverhältnisse nachzuweisen. Maßgeblich seien nicht die Papiergrenzen, sondern die in der Natur tatsächlich festzustellenden Grundstücksgrenzen. Feststellungen über den tatsächlichen Grenzverlauf habe das Erstgericht nicht treffen können. Es stehe weder fest, daß das "Kasteneck" als Schnittpunkt des Grundstückes 334/1 des Klägers und mehrere Grundstücke des Beklagten in der Natur anerkannt worden sei, noch daß die roten Farbmarkierungen auf dem Grundstück 333 des Beklagten der Naturgrenze zwischen der "W*****-Alpe" und der "T*****-Alpe" entsprächen. Den Grenzen der Jagdgebiete komme deshalb keine entscheidende Bedeutung für das Eigentum an den Almen zu, weil die Eigenjagdgebiete sowohl vom Rechtsvorgänger des Klägers als auch vom Beklagten verpachtet worden seien. Zudem habe das Erstgericht auch zur Behauptung, daß die Jagdgrenze mit der Mappengrenze identisch gewesen sei, lediglich negative Feststellungen getroffen. Insgesamt habe der Kläger nach den Feststellungen nicht beweisen können, daß das strittige Gebiet soweit es der Beklagte bewirtschafte, innerhalb der tatsächlichen Grenzen der "W*****-Alpe" liege. Soweit sich das Unterlassungsbegehren auf die oberhalb der bewirtschafteten liegenden unwegsamen Flächen zum "Großen Hieflkopf" hin beziehe, sei es schon deshalb nicht berechtigt, weil kein Eingriff in das behauptete Eigentumsrecht des Klägers vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Der Kläger behauptet einen Eingriff des Beklagten in sein Grundeigentum (des Grundstückes 334/1) und begehrt Unterlassung weiterer Störungen seines Eigentumsrechtes und die Wiederherstellung des früheren Zustandes. Der Beklagte bestritt, daß der Kläger Eigentümer des strittigen Grundstücksteiles sei. Er berief sich einerseits darauf, daß nach den Naturgrenzen (Wirtschaftsgrenzen) die gesamte strittige Fläche bis zum Großen Hieflkopf (= nordwestlicher Eckpunkt der strittigen Fläche) zu der in seinem Eigentum stehenden T*****-Alpe gehöre, im übrigen habe er gerade diesen Grundstücksteil ersessen. Beide Einwendungen erweisen sich nach den Feststellungen der Vorinstanzen als unberechtigt. Mit einer Ausnahme konnten die Naturgrenzen nicht festgestellt werden. Gerade die Naturgrenze des Kastenecks widerlegt die Behauptung, der Naturgrenze nach gehöre das gesamte Gebiet zur T*****-Alpe. Eine Almbewirtschaftung (der "Moas") durch den Beklagten und durch seine Rechtsvorgänger konnte nicht festgestellt werden. Die einzigen Besitzhandlungen des Beklagten (auf einem kleinen Teil des Grundstückes 334/1) waren die Gewinnung von rund 22 fm Lawinenholz in den Jahren 1977 bis 1982. Dem Beklagten gelang der Beweis, er sei Eigentümer der strittigen Grundstücksfläche, nicht.

Die Vorinstanzen wiesen danach das Klagebegehren deshalb ab, weil dem Kläger nicht der Beweis gelungen sei, er sei Eigentümer der im Urteilsantrag näher bezeichneten Grundfläche (berücksichtigt man den Maßstab der Mappe hat diese Grundfläche jedenfalls rund 25 ha Größe; wer wäre dann Eigentümer dieses Grundstücksteiles?). Die Vorinstanzen stützen sich im wesentlichen auf die Ausführungen Spielbüchlers in JBl 1980, 169 ff. Dieser Autor führte aus, die Einverleibung des Eigentumsrechtes an den in der Einlage zusammengefaßten Grundstücke oder die Abschreibung von Grundstücken und die Eröffnung einer neuen Einlage oder Zuschreibung zu einer bestehenden bewirke daher grundsätzlich den Eigentumserwerb an den in der Mappe unter der betreffenden Bezeichnung veranschaulichten Grundstücken in jener Gestalt, in der diese sich tatsächlich befinden. Maßgeblich seien also die Natur- und nicht etwa die Papiergrenzen, aber doch die Grenzen des im Grundbuch genannten und des in bestimmter Weise festgelegten Grundstücks, Spielbüchler entwickelt dann diese Grundsätze an zwei Beispielen:

a) Die Grenzen zweier Grundstücke seien durch Grenzzeichen deutlich aber mit kleinerer Fläche als nach der Grundbuchsmappe gezogen, und die Parteien einigten sich auf den Kauf dieser durch Grenzzeichen bestimmten Fläche;

b) der Käufer erwerbe ein Grundstück mit unklarer oder streitiger Parzellengrenze.

Beide von Spielbüchlers skizzierten Anwendungsfälle sind hier nicht gegeben. Sieht man von der Spitze des Großen Hieflkopfes ab, war mit einer Ausnahme die Naturgrenze nicht feststellbar. Wie das Erstgericht (wenn auch in seiner Beweiswürdigung) feststellte (Urteil des Erstgerichtes S 13), liegt somit eine Übereinstimmung von Mappengrenze und Naturgrenze im südöstlichen Eckpunkt des Grundstückes 334/1 dem sogenannten Kasteneck vor. Da die Grenzziehung durch die einvernehmliche Vermarkung des Jahres 1948 nicht mehr auffindbar war, lagen sonstige Naturgrenzen nicht vor. Der Fall, daß die Naturgrenzen hinter den Mappengrenzen zurückblieben, kann daher schon aus diesem Grund nicht eingetreten sein.

Es liegt aber auch eine unklare oder strittige Mappengrenze nicht vor (zweiter Anwendungsfall Spielbüchlers). Abgesehen davon, daß der Beklagte auf keinem Teil des Grundstückes 334/1 im Umfang der Grundbuchsmappe Eigentum ersessen hat, übersahen die Vorinstanzen das in diesem Zusammenhang erwähnenswerte Schreiben des damaligen Vertreters des Beklagten Dipl.Ing.Erwin P***** vom 18.9.1982. Die Vorinstanzen maßen diesem Schreiben den objektiven Erklärungswert zu, daß der Beklagte mit dem Inhalt des Schreibens die bestehenden Mappengrenzen nicht anzweifeln wollte. Damit unvereinbar ist aber die noch in der Revisionsbeantwortung aufrechterhaltene Behauptung des Beklagten die Mappendarstellung sei unrichtig. Bildet die richtige Grenze eine Vorfrage in einem streitigen Verfahren, so ist über sie im Prozeß zu entscheiden (SZ 69/187 mwN). Es bleibt daher nur mehr zu prüfen, ob der Kläger durch den Kaufvertrag vom 12.1.1983 und die folgende Einverleibung seines Eigentumsrechtes am Grundstück 334/1 auch in dem Teil Eigentum erwarb, auf den sich das Unterlassungs- und das Beseitigungsbegehren bezieht. Dies ist zu bejahen. Wie schon dargelegt, liegt gerade keiner der von Spielbüchler behandelten Fälle vor. Fehlen Naturgrenzen - ein Fall, der wie Dittrich-Hrbek-Kaluza, Vermessungsrecht2 166 ausführen, in der Praxis durchaus vorkommt - dann erwirbt der Käufer durch die Einverleibung Eigentum in jenen Grenzen, die von der Grundbuchsmappe dargestellt werden (Randa, Eigentum2 480; ihm folgend Wegan in ÖJZ 1953, 35).

Da der Beklagte für den gesamten strittigen Grundstücksteil Eigentumsrechte behauptete und die vom Kläger angeführte Benützungshandlung nicht einmal bestritt, war dem Unterlassungsbegehren somit mit Teilurteil stattzugeben.

Die Kostenentscheidung des Teilurteiles gründet sich auf § 392 Abs 2Die Kostenentscheidung des Teilurteiles gründet sich auf Paragraph 392, Absatz 2,

ZPO.

Noch nicht spruchreif ist aber das vom Kläger gestellte Beseitigungsbegehren. Von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht ausgehend, haben die Vorinstanzen Feststellungen darüber unterlassen, ob der Beklagte den zu entfernenden Stacheldrahtzaun auf dem strittigen Grundstücksteil errichtete.

Die sonstige Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.Die sonstige Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E49036 03A00128

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0030OB00012.98F.1217.000

Dokumentnummer

JJT_19971217_OGH0002_0030OB00012_98F0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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