Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Matthias A*****, vertreten durch Dr.Rudolf Tobler ua, Rechtsanwälte in Neusiedl am See, Nebenintervenient auf Seite der klagenden Partei Franz Peter R*****, vertreten durch Dr.Karl Haas und Partner, Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die beklagte Partei Gustav S*****, vertreten durch Dr.Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in Wien, wegen S 70.000,- sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26.August 1997, GZ 37 R 519/97s-22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11.April 1997, GZ 37 C 1742/94v-16, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Berufungsurteil dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.130,88 (einschließlich S 2.418,48 Umsatzsteuer und S 6.620 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens und dem Nebenintervenienten die mit S 9.259,08 (einschließlich S 1.543,18 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Motor des PKW Porsche 911 des Klägers war durch einen Motorschaden unbrauchbar geworden. Deshalb suchte der Kläger einen Ersatzmotor. Zu diesem Behufe wandte er sich an den Beklagten, der dem Kläger versprach, ihm bei der Beschaffung eines Ersatzmotors samt Einbau zu helfen.
Der Nebenintervenient hatte mit seinem PKW Porsche 911 einen Verkehrsunfall, bei dem die Front des Fahrzeuges massiv beschädigt wurde. Der im Heckbereich befindliche Motor, der bis zum Unfallszeitpunkt klaglos funktionierte, war nach dem Unfall äußerlich unbeschädigt.
Der Beklagte erfuhr von dem zu verkaufenden Autowrack des Nebenintervenienten samt Motor, nahm mit diesem Kontakt auf und vereinbarte einen Besichtigungs- termin. Nach der Besichtigung verständigte der Beklagte den Kläger und teilte ihm mit, er hätte nunmehr einen Motor für ihn. Diesen Motor bot der Beklagte dem Kläger samt Einbau um S 70.000 an; er sagte dem Kläger zu, daß sich dieser um nichts kümmern müsse, er, der Beklagte, würde das Auto abholen und der Motor würde sodann eingebaut. Hinsichtlich des in Aussicht genommenen Motors teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß der Motor von einem Sohn eines Autohändlers kommen sollte, der mit dem Auto einen Verkehrsunfall verursacht habe.
Der Beklagte kaufte sodann dem Nebenintervenienten das gesamte Wrack um von S 59.000 ab; hiebei erklärte er nicht, daß er das Wrack jemandem anderen verkaufen wollte und erwähnte auch den Namen des Klägers nicht.
In der Folge zahlte der Kläger für den Motor samt Einbau an den Beklagten S 70.000. Nach dem Einbau des Motors aus dem havarierten Fahrzeug des Nebenintervenienten in den PKW des Klägers durch einen Mechaniker holte der Kläger das Fahrzeug von diesem Mechaniker ab; es brach aber nach wenigen Kilometern zusammen. In der Folge stellte sich heraus, daß der eingebaute Motor aufgrund des Motorschadens, der auf den schweren Unfallschaden des Fahrzeugs des Nebenintervenienten zurückzuführen war, irreparabel funktionsuntüchtig war, wobei dieser Schaden allerdings von außen nicht erkennbar war. Der unbrauchbare Motor hat nur einen Restmaterialwert von S 10.000.
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Rückzahlung der geleisteten S 70.000 sA. Er macht Vertragsaufhebung wegen laesio enormis geltend und stützt seinen Anspruch auch auf Schadenersatz sowie jeden sonstigen denkbaren Rechtsgrund.
Der Beklagte wandte vorwiegend mangelnde passive Klagslegitimation ein; der Kläger habe den Motor vom Nebenintervenienten gekauft; er, der Beklagte, habe nur als Vertreter des Klägers im Namen und auf Rechnung des Klägers gehandelt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Rechtlich beurteilte es den festgestellten Sachverhalt dahingehend, daß zwischen den Streitteilen ein Werkvertrag abgeschlossen worden sei, nach welchem der Beklagte gegen Zahlung von S 70.000 in den Porsche des Klägers einen Motor einbauen sollte, der von einem Fahrzeugwrack, welches ebenfalls vom Beklagten besorgt werden sollte, stammte. Da der Kläger zweifellos nicht bloß an der Lieferung des Porsche-Motors interessiert war, sondern auch an dessen Einbau in den eigenen Porsche und dessen Funktionstüchtigkeit, sei vom Vorliegen eines Werkvertrages auszugehen. Gemäß § 1167 ABGB bestehe ein Wandlungsanspruch bei Werkverträgen bei Vorliegen eines wesentlichen Mangels, der nicht leicht behebbar sei. Da der Motor, welcher in den Porsche des Klägers eingebaut worden sei, unbrauchbar sei, bestehe der Wandlungsanspruch des Klägers zu Recht. Der Gewährleistungsanspruch des Klägers sei auch nicht verfristet, da er die Wandlung mit seinem Schreiben innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe des Porsche erklärt habe.Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Rechtlich beurteilte es den festgestellten Sachverhalt dahingehend, daß zwischen den Streitteilen ein Werkvertrag abgeschlossen worden sei, nach welchem der Beklagte gegen Zahlung von S 70.000 in den Porsche des Klägers einen Motor einbauen sollte, der von einem Fahrzeugwrack, welches ebenfalls vom Beklagten besorgt werden sollte, stammte. Da der Kläger zweifellos nicht bloß an der Lieferung des Porsche-Motors interessiert war, sondern auch an dessen Einbau in den eigenen Porsche und dessen Funktionstüchtigkeit, sei vom Vorliegen eines Werkvertrages auszugehen. Gemäß Paragraph 1167, ABGB bestehe ein Wandlungsanspruch bei Werkverträgen bei Vorliegen eines wesentlichen Mangels, der nicht leicht behebbar sei. Da der Motor, welcher in den Porsche des Klägers eingebaut worden sei, unbrauchbar sei, bestehe der Wandlungsanspruch des Klägers zu Recht. Der Gewährleistungsanspruch des Klägers sei auch nicht verfristet, da er die Wandlung mit seinem Schreiben innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe des Porsche erklärt habe.
Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen, gab aber der Berufung des Beklagten Folge, änderte das Urteil im Sinn der Klagsabweisung ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision unzulässig sei.
Der Gewährleistungsanspruch sei verfristet. Gewährleistungsansprüche müßten nämlich vom Erwerber rechtzeitig geltend gemacht werden, und zwar durch gerichtliche Klage oder Einrede. Die Frist beginne bei Sachmängeln ab dem Zeitpunkt der Ablieferung und betrage bei beweglichen Sachen sechs Monate. Die Fristen des § 933 ABGB seien Präklusivfristen, nach deren Ablauf der Anspruch erloschen sei. Auf den nicht eingewendeten Ablauf der Gewährleistungsfrist sei auch von Amts wegen Bedacht zu nehmen, wenn der Ablauf aus den Prozeßakten klar hervorgehe. Dies sei hier der Fall, weil der Kläger den Beklagten bereits am 4.10.1995 aufgefordert habe, den Kaufpreis von S 70.000 wegen des Mangels des Motors, welcher diesen unbenützbar machte, zurückzuzahlen. Er habe aber die gegenständliche Klage erst am 24.10.1996 bei Gericht eingebracht. Damit scheide ein Gewährleistungsanspruch des Klägers aus.Der Gewährleistungsanspruch sei verfristet. Gewährleistungsansprüche müßten nämlich vom Erwerber rechtzeitig geltend gemacht werden, und zwar durch gerichtliche Klage oder Einrede. Die Frist beginne bei Sachmängeln ab dem Zeitpunkt der Ablieferung und betrage bei beweglichen Sachen sechs Monate. Die Fristen des Paragraph 933, ABGB seien Präklusivfristen, nach deren Ablauf der Anspruch erloschen sei. Auf den nicht eingewendeten Ablauf der Gewährleistungsfrist sei auch von Amts wegen Bedacht zu nehmen, wenn der Ablauf aus den Prozeßakten klar hervorgehe. Dies sei hier der Fall, weil der Kläger den Beklagten bereits am 4.10.1995 aufgefordert habe, den Kaufpreis von S 70.000 wegen des Mangels des Motors, welcher diesen unbenützbar machte, zurückzuzahlen. Er habe aber die gegenständliche Klage erst am 24.10.1996 bei Gericht eingebracht. Damit scheide ein Gewährleistungsanspruch des Klägers aus.
Eine Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes könne er aber ebenfalls nicht geltend machen, weil der in das Fahrzeug des Klägers später eingebaute Motor bereits unbrauchbar gewesen sei, als das Fahrzeugwrack mit dem Motor vom Nebenintervenienten an den Beklagten übergeben worden sei. Die Verkürzung über die Hälfte gehöre nicht zu den Leistungsstörungen, weil das Mißverhältnis schon bei Vertragsabschluß vorliegen müsse. Die Anfechtung wegen laesio enormis erfordere einerseits den Irrtum über den wahren Wert der Sache, andererseits ein eklatantes Wertmißverhältnis von weniger als 1 : 2. Diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor. Wäre der Motor wohl gebraucht, aber nicht durch einen Unfall beschädigt gewesen, so hätte ein Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht bestanden. Dieses Mißverhältnis sei erst dadurch eingetreten, daß der gebrauchte Motor durch einen Unfall beschädigt und daher nicht brauchbar gewesen sei. Diese Leistungsstörung betreffe aber nicht das Grundgeschäft, sondern seine Erfüllung, weshalb ein Anspruch wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes ausscheide. Bezüglich ursprünglich unbehebbarer Mängel komme nur der Ersatz des Vertrauensschadens in Betracht; einen solchen Anspruch habe der Kläger jedoch nicht erhoben. Damit erweise sich das Klagebegehren als nicht berechtigt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Berufungsurteil im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.
Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision nicht zuzulassen und ihr jedenfalls nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.
Zu Recht macht der Kläger ua geltend, daß die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Voraussetzunngen der laesio enormis nicht vorlägen, schlicht unverständlich sei.
Zwar handelt es sich bei der Frage, ob laesio enormis vorliegt, in der Regel um einen Einzelfall, der keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darstellt, außer die Berechnung beruht auf unlogischen Prämissen (8 Ob 2177/96x). Gerade dies ist hier der Fall.Zwar handelt es sich bei der Frage, ob laesio enormis vorliegt, in der Regel um einen Einzelfall, der keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO darstellt, außer die Berechnung beruht auf unlogischen Prämissen (8 Ob 2177/96x). Gerade dies ist hier der Fall.
Mit der Einräumung dieses Rechtsbehelfes folgt § 934 ABGB dem Gedanken der objektiven Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung; subjektive Tatbestandselemente spielen keine Rolle. Voraussetzung ist nur die Differenz im objektiven Wert. Jedermann, der bei zweiseitig verbindlichen Geschäften nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem anderen gegeben hat, von diesem an dem gemeinen Wert erhalten hat, hat das Recht, die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung in den vorigen Zustand zu fordern. Dieser Anspruch besteht bei allen zweiseitig verbindlichen Geschäften (Reischauer in Rummel ABGB I2 § 934 Rz 1), daher nicht nur bei reinen Kaufverträgen, sondern auch bei einem Vertrag, bei denen die Werkvertragselemente die Kaufvertragselemente überwiegen. Das Mißverhältnis des Wertes wird nach dem Zeitpunkt des geschlossenen Geschäftes bestimmt (SZ 60/37 ua).Mit der Einräumung dieses Rechtsbehelfes folgt Paragraph 934, ABGB dem Gedanken der objektiven Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung; subjektive Tatbestandselemente spielen keine Rolle. Voraussetzung ist nur die Differenz im objektiven Wert. Jedermann, der bei zweiseitig verbindlichen Geschäften nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem anderen gegeben hat, von diesem an dem gemeinen Wert erhalten hat, hat das Recht, die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung in den vorigen Zustand zu fordern. Dieser Anspruch besteht bei allen zweiseitig verbindlichen Geschäften (Reischauer in Rummel ABGB I2 Paragraph 934, Rz 1), daher nicht nur bei reinen Kaufverträgen, sondern auch bei einem Vertrag, bei denen die Werkvertragselemente die Kaufvertragselemente überwiegen. Das Mißverhältnis des Wertes wird nach dem Zeitpunkt des geschlossenen Geschäftes bestimmt (SZ 60/37 ua).
Der Kläger hat dem Beklagten für die Beschaffung und den Einbau eines Ersatzmotors, der zwar gebraucht, aber selbstverständlich funktionsfähig sein sollte, S 70.000 bezahlt; der bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für den Einbau vorgesehene - und dann tatsächlich eingebaute - Motor war schon damals aufgrund des zuvor durch einen Unfall verursachten, aber nicht erkennbaren Schadens funktionsunfähig, irreparabel und hatte nur mehr einen Materialwert von S 10.000. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der - für den Kläger an sich völlig nutzlose - Einbau des unbrauchbaren Motors S 10.000 kostete und dieser Betrag in die Bewertung einbezogen würde, hat der Kläger keineswegs die Hälfte dessen, was er dem Beklagten bezahlt hat, von diesem an gemeinem Wert erhalten, so daß die Voraussetzungen für die Aufhebung des Vertrages wegen laesio enormis vorliegen.
Da dieser Anspruch nach herrschender Ansicht (SZ 8/74; 20/3; Gschnitzer in Klang IV/1, 559; derselbe, Schuldrecht Allgemeiner Teil2 166; Mayrhofer, Schuldrecht 458; kritisch Peter Bydlinski, JBl 1983, 410 ff [414 f] und Reischauer aaO Rz 15) in Konkurrenz mit anderen Ansprüchen wie Gewährleistung steht und gemäß § 1487 ABGB binnen drei Jahren ab Vertragsabschluß selbst bei Unmöglichkeit der Rückabwicklung - es verbleiben nur eventuelle Bereicherungsansprüche (Reischauer aaO Rz 7) - geltend gemacht werden kann, ist das Klagebegehren jedenfalls berechtigt, so daß das Ersturteil aus diesem Grund wieder herzustellen ist.Da dieser Anspruch nach herrschender Ansicht (SZ 8/74; 20/3; Gschnitzer in Klang IV/1, 559; derselbe, Schuldrecht Allgemeiner Teil2 166; Mayrhofer, Schuldrecht 458; kritisch Peter Bydlinski, JBl 1983, 410 ff [414 f] und Reischauer aaO Rz 15) in Konkurrenz mit anderen Ansprüchen wie Gewährleistung steht und gemäß Paragraph 1487, ABGB binnen drei Jahren ab Vertragsabschluß selbst bei Unmöglichkeit der Rückabwicklung - es verbleiben nur eventuelle Bereicherungsansprüche (Reischauer aaO Rz 7) - geltend gemacht werden kann, ist das Klagebegehren jedenfalls berechtigt, so daß das Ersturteil aus diesem Grund wieder herzustellen ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf den Paragraphen 41,, 50 ZPO.
Anmerkung
E48677 08A03707European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1998:0080OB00370.97P.0113.000Dokumentnummer
JJT_19980113_OGH0002_0080OB00370_97P0000_000