TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/13 2005/18/0516

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Veröffentlicht am 13.09.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde

1. der Z Y, geboren 1968, 2. des A T, geboren 1996, und 3. der Y T, geboren 1991, alle in L, alle vertreten durch Dr. Fritz Vierthaler, Rechtsanwalt in 4810 Gmunden, Marktplatz 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vom 22. April 2005, Zl. St 193/04, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern den Aufwand von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 22. April 2005 wurden die Beschwerdeführer, iranische Staatsangehörige, gemäß §§ 31, 33 und 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführer seien am 27. Dezember 1999 unter Umgehung der Grenzkontrolle mit Hilfe eines Schleppers nach Österreich eingereist. Ihre Asylverfahren seien seit dem 4. Mai 2004 rechtskräftig negativ abgeschlossen. Sie seien nicht im Besitz eines Reisepasses oder einer fremdenrechtlichen Bewilligung, die sie zum Aufenthalt in Österreich berechtigen würden, und hielten sich hier seit dem 4. Mai 2004, also seit ca. einem Jahr, nicht rechtmäßig auf. Mit Eingabe vom 16. Jänner 2004 hätten sie die Erteilung einer humanitären Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG beantragt. Durch die bloße Antragstellung würde ihnen noch kein Aufenthaltsrecht zukommen. Mit dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und dem Vater des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin, Mohammad T., würden die Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt leben. Mohammad T. und die Erstbeschwerdeführerin gingen in Österreich einer Beschäftigung nach, der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin würden hier die Schule besuchen.

Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß. Die Ausweisung sei gemäß § 37 Abs. 1 FrG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe "auch von der Ermessensbestimmung des § 33 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden" müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass ihre Asylverfahren seit dem 4. Mai 2004 rechtskräftig negativ abgeschlossen worden sind. Da sie sich seither unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, kann die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2.1. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid vor dem Hintergrund des § 37 Abs. 1 FrG für rechtswidrig, weil die belangte Behörde die Interessenabwägung zu Gunsten der Beschwerdeführer hätte vornehmen müssen. Die Erstbeschwerdeführerin sei berufstätig und verfüge über ein regelmäßiges Einkommen. Der achtjährige Zweitbeschwerdeführer besuche die zweite Klasse Volkschule, die 14-jährige Drittbeschwerdeführerin gehe in die dritte Klasse Hauptschule. Beide würden "nahezu perfekt Deutsch" sprechen. Der Ehemann bzw. der Vater der Beschwerdeführer, Mohammad T., lebe seit 1999 in Österreich, gehe einer regelmäßigen Beschäftigung nach und beziehe ein regelmäßiges Einkommen.

2.2. Die belangte Behörde hat in Anbetracht der Dauer des inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführer seit 27. Dezember 1999, der erlaubten Beschäftigung der Erstbeschwerdeführerin und des Schulbesuchs des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin sowie aus der daraus ableitbaren Integration zutreffend einen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Dem steht der unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich in der Dauer von etwa einem Jahr seit dem Abschluss der Asylverfahren am 4. Mai 2004 gegenüber, der das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen ein hoher Stellenwert zukommt, erheblich beeinträchtigt. Es kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde bei der Abwägung dieser Interessen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib in Österreich gegenüber den genannten öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten.

3.1. Mit ihrem Vorbringen, die belangte Behörde hätte - im Hinblick auf das Gewicht ihrer persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich - zu ihren Gunsten Ermessen üben müssen, zeigen die Beschwerdeführer hingegen einen relevanten Verfahrensmangel auf.

3.2. § 33 Abs. 1 FrG räumt insofern Ermessen ein, als diese Bestimmung die Behörde ermächtigt, von der Erlassung einer Ausweisung trotz Vorliegens der tatbestandsmäßigen Voraussetzung des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes abzusehen. Nach Art. 130 Abs. 2 B-VG hat die Behörde von dem besagten Ermessen "im Sinne des Gesetzes" Gebrauch zu machen. Sie hat hiebei in Erwägung zu ziehen, ob und wenn ja welche Umstände im Einzelfall vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung gegen die Erlassung einer Ausweisung sprechen und sich hiebei insbesondere von den Vorschriften des FrG leiten zu lassen. Es könnten etwa - anders als bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Ausweisung nach § 37 Abs. 1 FrG - öffentliche Interessen zu Gunsten eines Fremden berücksichtigt werden und bei entsprechendem Gewicht eine Abstandnahme von der Ausweisung im Rahmen der Ermessensentscheidung rechtfertigen. Aber auch persönliche, schon im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit einer Ausweisung nach § 37 Abs. 1 FrG zu berücksichtigende Interessen sind bei der Handhabung des Ermessens nach § 33 Abs. 1 FrG dann zu beachten, wenn dies erforderlich ist, um den besonderen im Einzelfall gegebenen Umständen gerecht zu werden.

3.3. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zur Frage des Ermessens lediglich festgehalten, dass "vor dem Hintergrund dieser Tatsache" (nämlich, dass die Ausweisung nach § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei) "auch von der Ermessensbestimmung des § 33 Abs. 1 FrG Gebrach gemacht werden" müsse. Diese Ausführungen stellen nach dem oben Gesagten keine ausreichende Begründung der Ermessensentscheidung dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0034). Die Beschwerdeführer haben - unvorgreiflich des Ergebnisses der behördlichen Ermessensübung - die Relevanz dieses Verfahrensmangels aufgezeigt, indem sie ausführten, aus welchen Gründen die belangte Behörde zu ihren Gunsten Ermessen zu üben gehabt hätte.

3.4. Bezüglich ihrer Ermessensentscheidung hätte die Behörde den hiefür maßgeblichen Sachverhalt unter Wahrung des Parteiengehörs (§ 45 AVG) festzustellen und in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen gehabt, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz erforderlich ist. Der bloße Hinweis auf das Ergebnis der Abwägung nach § 37 Abs. 1 FrG bzw. das jeder weiteren Begründung entbehrende Anknüpfen an das Ergebnis dieser Abwägung wird dem erforderlichen Aufzeigen maßgebender Umstände und Erwägungen nicht gerecht (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2006/18/0034).

4. Da es die belangte Behörde unterlassen hat, eine den Beschwerdeführern die Verfolgung ihrer subjektiven Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof einerseits und dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit des Bescheides andererseits ermöglichende Begründung für ihre Ermessensentscheidung im Sinn der vorstehenden Ausführungen zu geben, leidet der angefochtene Bescheid an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

5. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der durch Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand deckt die anfallende Umsatzsteuer, sodass das auf deren Ersatz gerichtete Begehren abzuweisen war.

Wien, am 13. September 2006

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Begründung von Ermessensentscheidungen Ermessen Ermessen VwRallg8 Verfahrensbestimmungen Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005180516.X00

Im RIS seit

10.10.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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