TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/13 2003/18/0337

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Veröffentlicht am 13.09.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §39 Abs1;
StGB §43 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des V A in L, geboren 1946, vertreten durch Mag. Christian Fischer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Rainerstraße 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 31. Juli 2003, Zl. St 181/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 31. Juli 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 12. April 1999 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist und habe am 13. April 1999 einen Asylantrag gestellt, über den im Instanzenzug gemäß §§ 7 und 8 AsylG rechtskräftig negativ entschieden worden sei. Er sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 5. September 2000 wegen §§ 127 und 131 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt worden, weil er am 28. November 1999 bei einem Diebstahl von Toiletteartikeln auf frischer Tat betreten und Gewalt gegen Gottfried G. angewendet habe, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, und am 6. Dezember 1999 einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich durch Zueignung dieser Sache unrechtmäßig zu bereichern. Das Strafausmaß sei vom Obersten Gerichtshof um einen Monat gekürzt worden.

Auf Grund der gerichtlichen Verurteilung sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Durch das Aufenthaltsverbot werde in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Dieser halte sich seit 12. April 1999 (also seit ca. vier Jahren) im Bundesgebiet auf. Er lebe mit seiner Gattin und der gemeinsamen Tochter, die über eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 15 AsylG verfüge, zusammen. Er verfüge über eine Arbeitserlaubnis und arbeite bei der Firma R.

Auf Grund des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers sei nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten. Zudem sei das "Gesamtfehlverhalten doch schwerwiegenderer Art, weshalb nicht mehr nur mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen gefunden werden konnte, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden musste". Insbesondere die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer innerhalb kürzester Zeit (nach seiner Einreise nach Österreich) ein schweres strafbares Verhalten habe zu Schulden kommen lassen, mache "die Inanspruchnahme des § 36 Abs. 1 FrG dringendst notwendig". In Abwägung aller angeführten Tatsachen und im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei daher im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit könne nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer ist wegen der unter I.1. angeführten Straftaten mit dem (im Verwaltungsakt erliegenden) Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 13. Dezember 2000 wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden. In Anbetracht dieser Verurteilung des Beschwerdeführers besteht gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (dritter Fall) FrG erfüllt sei, kein Einwand. Dass im vorliegenden Fall "auf den Katalog des § 36 Abs. 2 nur als 'Orientierungsmaßstab' zurückgegriffen werden kann", wie die Beschwerde meint, trifft nicht zu.

2. Im Licht des § 36 Abs. 1 FrG bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde habe "eine falsche Einschätzung der Gefährlichkeitsprognose" vorgenommen. Die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte würden sich "im unteren Bereich der Kriminalität bewegen". Die verübten Delikte (räuberischer Diebstahl und Diebstahl von Gebrauchsgegenständen geringen Werts) würden "wenig kriminelle Energie" aufweisen. Die Strafdelikte seien "geprägt von meiner damaligen Notsituation für die Grundbedürfnisse meines und des Lebensunterhaltes für meine Familie".

Nach den Feststellungen des insoweit vom Obersten Gerichtshof bestätigten und für den Verwaltungsgerichtshof bindenden Strafurteiles des Landesgerichtes Linz vom 5. September 2000 hat der Beschwerdeführer am 28. November 1999 Gewalt gegen Gottfried G. angewendet, als er von diesem bei einem Diebstahl von Toiletteartikeln im Wert von ca. S 155,-- auf frischer Tat betreten worden ist. Am 6. Dezember 1999 hat der Beschwerdeführer eine Packung Vitamintabletten im Wert von ca. S 115,-- der Firma D. mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch Zueignung dieser Sache unrechtmäßig zu bereichern. Mit diesen Straftaten hat der Beschwerdeführer gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentums- und der Gewaltkriminalität verstoßen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Oktober 1999, Zl. 99/18/0155, und vom 18. März 2003, Zl. 2000/18/0074). Der seit den strafbaren Verhaltensweisen des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum von knapp vier Jahren ist zu kurz, um die von ihm in Bezug auf die genannten öffentlichen Interessen ausgehende Gefahr als weggefallen oder auch nur als erheblich gemindert anzusehen. Der Gefährdungsprognose steht auch der Umstand nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer in Österreich zuvor noch nie verurteilt worden ist. Daher kann die Ansicht der belangten Behörde, die im § 36 Abs. 1 (Z. 1) FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3.1. In Ansehung der Beurteilung nach § 37 FrG meint der Beschwerdeführer, die Interessenabwägung müsse zu seinen Gunsten ausgehen. Er gehe einer regelmäßigen Arbeit nach und sei seit seiner "Einwanderung" im Jahr 1999 sozial in das Rechts- und Wertesystem der Republik Österreich integriert. Gerade seine Anwesenheit in Österreich im Umfang von vier Jahren lasse "sichere Schlüsse auf meine erfolgte Integration zu". Das Aufenthaltsverbot würde zu einer Trennung von seiner Ehefrau und seiner Tochter führen.

3.2. Bei der Interessenabwägung hat die belangte Behörde die Dauer des bisherigen - bis zum Abschluss des Asylverfahrens am 20. Juni 2002 rechtmäßigen - inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers seit April 1999, seine daraus abgeleitete Integration, seine Berufstätigkeit und seine familiären Bindungen berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Sie hat - unter Bedachtnahme auf die privaten Interessen des Beschwerdeführers - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, ist ihm doch der Vorwurf zu machen, sich geraume Zeit unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten zu haben und durch die oben I.1. beschriebenen Handlungen ein im Licht des großen Interesses an der Verhinderung der Eigentums- und der Gewaltkriminalität verwerfliches Fehlverhalten gesetzt zu haben, sodass das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten ist.

Von daher erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Die aus der Dauer seines bisherigen, allerdings nur bis zum 20. Juni 2002 rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich seit April 1999 resultierende Integration des Beschwerdeführers hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm begangenen Delikte eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Die belangte Behörde hat zu Recht der durch sein strafbares Verhalten bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation.

3.3. Wenn der Beschwerdeführer darauf verweist, dass er sich "einer enormen Gefährdung bei seiner Rückkehr aussetzen" würde, weil er sich in seinem Herkunftsland dem Kriegsdienst entzogen habe, so steht diesem Vorbringen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) entgegen.

4. Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde die gesetzwidrige Ausübung des bei der Anwendung des § 36 Abs. 1 FrG zu handhabenden Ermessens vorwirft, ist er ebenfalls nicht im Recht. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerde keine Veranlassung, von dem ihr nach dieser Bestimmung bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessungsübung sprächen.

5. Die Beschwerde bringt schließlich vor, dass die Verhängung eines fünfjährigen Aufenthaltsverbots nicht gerechtfertigt sei, zumal gegen ihn eine bedingte Freiheitsstrafe mit einer Probezeit von drei Jahren verhängt worden sei, sodass es nicht nachvollziehbar erscheine, weshalb die von der belangten Behörde angezogene Wohlverhaltenszeit fünf Jahre anzudauern hätte.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. April 2000, Zl. 2000/18/0047, mwN) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Annahme der belangten Behörde, dass dies erst nach Ablauf von fünf Jahren der Fall sein werde, begegnet keinen Bedenken. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründe vor Ablauf dieses Zeitraumes erwartet werden könne. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes ist die Behörde im Übrigen nicht an die vom Gericht (zur Frage der gemäß § 43 Abs. 1 StGB festgesetzten Dauer der Probezeit) angestellten Erwägungen gebunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0058).

6. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. September 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003180337.X00

Im RIS seit

10.10.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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