TE Vfgh Beschluss 2002/6/11 B476/01

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

VfGG §86
VfGG §88

Leitsatz

Einstellung des Verfahrens betreffend Nachprüfung einer Auftragsvergabe der Stadt Wien als gegenstandslos wegen Wegfalls der Beschwer; kein Fortwirken der behaupteten Rechtsverletzungen aufgrund des Widerrufs durch den Auftraggeber; kein Kostenzuspruch

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Begründung

Begründung:

I. 1. a) Die Stadt Wien (Magistratsabteilung 23) hat die Vergabe von "Laufende[n] Arbeiten an Elektroeinrichtungen" in den von ihr betreuten städtischen Gebäuden unter anderem für die Stadtteile 1 (Objekte im 1., 2., 4. bis 7. und 20. Bezirk), 2 (Objekte im 3., 10. und 11. Bezirk) und 3 (Objekte im 12. bis 15. und 23. Bezirk) im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die Ausschreibungen wurden sowohl im ABl. der EG durch eine Vorinformation und eine Bekanntmachung als auch im ABl. der Stadt Wien veröffentlicht. An diesen Vergabeverfahren hat sich auch der nunmehrige Beschwerdeführer durch Legung von (Teil-)Angeboten beteiligt. Das Ende der Angebotsfrist für die Ausschreibung betreffend Stadtteil 1 war der 10. Jänner 2001, an welchem auch die Angebotseröffnung stattfand.

b) Mit Eingabe vom 11. Jänner 2001 begehrte der Beschwerdeführer beim Vergabekontrollsenat beim Amt der Wiener Landesregierung (im folgenden: VKS) die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie die Nichtigerklärung der gesamten Ausschreibung (betreffend Stadteil 1); in eventu mögen folgende Entscheidungen des Auftraggebers für nichtig erklärt werden: a) die diskriminierenden Anforderungen in der Ausschreibung, wonach die Bieter ihre Kalkulation nach einem sog. "fiktiven Auftrag" sowie unter Zugrundelegung von bereits vorgegebenen Preisen, von denen ein Zu- bzw. (realistischerweise) ein Abschlag zu gewähren ist, durchzuführen haben; b) das Fehlen einer ausreichenden Leistungsbeschreibung; c) das Fehlen von Bestbieterkriterien in der Ausschreibung und d) die Wahl des offenen Verfahrens statt eines Verhandlungsverfahrens.

c) Der VKS wies diese Anträge mit Bescheid vom 2. Februar 2002 mit der Begründung zurück, daß sich der Nachprüfungsantrag - abgesehen davon, daß gemäß §97 Abs3 iVm §101 Wiener LandesvergabeG (WLVergG) nur konkrete Entscheidungen des Auftraggebers angefochten werden könnten, sohin eine pauschale Anfechtung, das gesamte Vergabeverfahren für nichtig zu erklären, nicht möglich sei - als verspätet erweise, weil gemäß §98 Z2 WLVergG Ausschreibungsbedingungen bzw. die Wahl des Vergabeverfahrens nur bis spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Bewerbungs- und Angebotsfrist angefochten werden könnten; zur Zurückweisung des Provisorialantrages führte er aus, daß die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß §100 Abs1 WLVergG eine (hier aber nicht erfolgte) Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens voraussetze.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf ein faires Verfahren vor einem unparteiischen Gericht gemäß Art6 EMRK sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. a) Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Beschwerdevorwürfen entgegentritt und abschließend auf ihren Bescheid vom 27. April 2001, ZVKS - P 220/01, mit dem Bemerken hinweist, daß dieser den Widerruf der gesamten Ausschreibung zur Folge habe.

Mit dem soeben genannten Bescheid erklärte der VKS - aufgrund eines vom Beschwerdeführer (nach Erhalt der vom Auftraggeber vorgenommenen Verständigung, daß beabsichtigt sei, die Aufträge an verschiedene andere Bewerber zu vergeben, neuerlich) angestrengten Nachprüfungsverfahrens (betreffend die Stadtteile 1, 2 und 3) entsprechend dem Eventualbegehren und gestützt auf §§27 Abs2 und 48 Abs2 WLVergG - die Zuschlagsentscheidungen für die Stadtteile 1, 2 und 3 wegen Unmöglichkeit einer gesetzeskonformen Bestbieterermittlung infolge Fehlens der Gewichtung der Zuschlagskriterien für nichtig (Spruchpunkt 2); das Hauptbegehren und der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wies er zurück (Spruchpunkte 1 und 3).

b) Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie ebenfalls auf den soeben referierten Bescheid des VKS hinwies.

4. Diese Mitteilungen wurden dem Beschwerdeführer gemäß §86 VfGG zur Stellungnahme vorgehalten.

Dieser erachtete sich als nicht klaglos gestellt und führte dazu aus, daß durch den Bescheid des VKS vom 27. April 2001 lediglich die Zuschlagsentscheidungen der mitbeteiligten Partei für nichtig erklärt worden seien, während Gegenstand des von ihm bekämpften Zurückweisungsbescheides vier andere [oben unter Pkt. 1.b) wiedergegebene] Entscheidungen des Auftraggebers gewesen seien. Auch seien die materiellen Rechtswirkungen der Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung weniger weitreichend als jene, die eingetreten wären, wenn seinen mit dem bekämpften Bescheid zurückgewiesenen Anträgen stattgegeben worden wäre:

"Denn die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung lässt hinsichtlich ihrer formellen und materiellen Rechtswirkungen sämtliche Entscheidungen der Auftraggeberin, die sie bis zum Zeitpunkt der für nichtig erklärten Zuschlagsentscheidung getroffen hat, unberührt. Hingegen hätte - bei den wohl zweifellos vorliegenden Wurzelmängeln - die belangte Behörde die gesamte Ausschreibung für nichtig erklären müssen, ..."

Es treffe wohl zu, daß - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausführt - der Bescheid des VKS vom 27. April 2001 den Widerruf der gesamten Ausschreibung "zur Folge" gehabt habe. Mit diesem Argument verkenne die Behörde jedoch, daß der erfolgte Widerruf eine freiwillige Entscheidung des Auftraggebers bzw. als Folge des in Rede stehenden Bescheides seine einzig noch mögliche Handlungsweise gewesen sei. Eine zwingende Folge der Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung sei der Widerruf nach dem WLVergG indes nicht.

Selbst wenn man der Auffassung sei, der Bescheid vom 27. April 2001 bewirke eine Klaglosstellung in verfahrensrechtlicher Sicht, "verhindert die von der Stadt Wien" nach dem Widerruf "eingeschlagene Vorgangsweise eine solche (im Tatsächlichen), weil diese statt einer Neuausschreibung im offenen Verfahren unter Vermeidung der vom VKS aufgezeigten Rechtswidrigkeiten, rechtswidrigerweise in ein hier unzulässiges Verhandlungsverfahren ausweicht".

II. Das Verfahren wird eingestellt:

1. Nach dem insofern übereinstimmenden Vorbringen der Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens hat die mitbeteiligte Partei das dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Vergabeverfahren am 24. Mai 2001 widerrufen.

Vor diesem Hintergrund würde, selbst wenn eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides dessen Verfassungswidrigkeit ergäbe, dies für die Wahrung der Rechte des Beschwerdeführers im konkreten Rechtsfall ohne Bedeutung sein. Denn auch bei Aufhebung des Zurückweisungsbescheides durch den Verfassungsgerichtshof bliebe das eine notwendige Voraussetzung für subjektive Rechte von Bietern und Bewerbern und für eine (meritorische) Entscheidung des VKS bildende Vergabeverfahren widerrufen. (Im übrigen könnte auch die vom Beschwerdeführer im Verfahren vor dem VKS angestrebte Nichtigerklärung der Ausschreibung im Effekt keine andere Rechtslage herbeiführen.) Die in der Beschwerde behaupteten Rechtsverletzungen wirken daher nicht mehr fort. Vermag aber selbst eine den angefochtenen Bescheid aufhebende Entscheidung keine Veränderung in der Rechtsstellung des Beschwerdeführers zu bewirken, so kann durch den angefochtenen Bescheid auch keine fortwirkende Verletzung der geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte oder sonstiger Rechte durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm gegeben sein (VfSlg. 15.209/1998).

Solcherart ist der Beschwerdeführer aber durch den angefochtenen Bescheid nicht mehr beschwert. Die Beschwerde ist daher als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren hierüber in sinngemäßer Anwendung des §86 VfGG einzustellen (vgl. zB VfSlg. 12.503/1990, VfSlg. 15.209/1998).

2. Kosten waren nicht zuzusprechen, weil eine Klaglosstellung iSd §88 VfGG nicht vorliegt (vgl. zB VfSlg. 15.209/1998 mwN und 15.310/1998).

3. Diese Entscheidung wurde in sinngemäßer Handhabung des §19 Abs3 Z3 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen.

Schlagworte

Vergabewesen, VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B476.2001

Dokumentnummer

JFT_09979389_01B00476_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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