TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/13 2006/18/0215

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Veröffentlicht am 13.09.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z7;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde der X L in W, geboren 1967, vertreten durch Mag. Ender Bozkurt, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Sickenberggasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Februar 2006, Zl. SD 173/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Februar 2006 wurde gegen die Beschwerdeführerin, laut ihren Behauptungen eine chinesische Staatsangehörige, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei am 19. Juli 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am 23. Juli 2004 einen Asylantrag gestellt, welcher mittlerweile rechtskräftig abgewiesen worden sei. Mit dem abweisenden Bescheid der Asylbehörde sei sie gemäß § 8 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997 ausgewiesen worden. Sie halte sich seither unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und sei deswegen von der Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) rechtskräftig bestraft worden.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Eisenstadt vom 17. Jänner 2006 sei über sie an diesem Tag die Schubhaft verhängt worden, aus der sie am 24. Jänner 2006 wegen ihrer auf Grund eines Hungerstreiks angegriffenen Gesundheit habe entlassen werden müssen.

Bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung im Verwaltungsverfahren habe die Beschwerdeführerin am 18. Jänner 2006 u.a. wörtlich angegeben:

"Ich hatte bei der Einreise keinerlei Barmittel und besitze auch jetzt keine. Ich habe in Wien, (...), Unterkunft genommen und bin gemeldet. Ich bin ledig und für niemanden sorgepflichtig. Meine Familie lebt in China ..."

In ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe die Beschwerdeführerin u.a. ausgeführt, es läge auf der Hand, dass Asylwerber, wie sie, mittellos wären. Daraus könnte jedoch nicht auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bzw. anderer in Art. 8 EMRK genannter öffentlicher Interessen geschlossen werden. Diesbezüglich wäre die Erstbehörde ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung, initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass sie nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung des Lebensunterhaltes verfüge, und entsprechend zu belegen, dass der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts gesichert erscheine, nicht nachgekommen sei. So habe sie nicht einmal in der Berufung behauptet, geschweige denn nachgewiesen, über ein eigenes Einkommen zu verfügen oder sonst (legale) Mittel zur Bestreitung ihres Unterhalts in Österreich zu besitzen. Im Übrigen sei sie - entgegen den Berufungsausführungen - keine Asylwerberin mehr.

Wegen der Mittellosigkeit und Beschäftigungslosigkeit der Beschwerdeführerin bestehe die große Gefahr einer illegalen Mittelbeschaffung und der finanziellen Belastung der Republik Österreich, sodass ihr Aufenthalt bereits deswegen die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 60 Abs. 1 Z. 1 FPG gefährde.

Auf Grund des nicht allzu langen (legalen) Aufenthalts im Bundesgebiet und der unstrittig fehlenden familiären und sonstigen Bindungen der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet sei mit dem Aufenthaltsverbot kein so bedeutender Eingriff in ihr Privat- oder Familienleben verbunden, dass er die an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme bestehenden öffentlichen Interessen überwiegen könnte.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG fielen praktisch keine Umstände für die Beschwerdeführerin positiv ins Gewicht. Es könnten - aus fremdenpolizeilicher Sicht - kaum persönliche Interessen der Beschwerdeführerin an einem Aufenthalt im Bundesgebiet erkannt werden und seien solche auch nicht vorgebracht worden. Den solcherart geringfügigen Interessen der Beschwerdeführerin stehe gegenüber, dass sie durch ihre Mittellosigkeit und die damit verbundene Gefahr einer unredlichen Mittelbeschaffung bzw. einer Belastung der öffentlichen Hand maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtige. Von daher könne die Ansicht der Erstbehörde, das Aufenthaltsverbot wäre zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung, durchaus nachvollzogen und übernommen werden. Da besonders berücksichtigungswerte Gründe nicht erkannt und auch nicht vorgebracht worden seien, habe im Rahmen einer behördlichen Ermessensübung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht Abstand genommen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in Z. 1 und 2 dieser Bestimmung umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Gemäß § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

1.2. Nach der zu § 36 Abs. 2 Z. 7 des Fremdengesetzes 1997 ergangenen ständigen hg. Judikatur, der wegen der insoweit unveränderten Rechtslage auch im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Bedeutung zukommt, hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Unterstützungsleistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, sind zur Dartuung ausreichender Unterhaltsmittel nicht geeignet. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 15. Dezember 2005, Zl. 2005/18/0135, mwN.)

Schon in Anbetracht dieser initiativen Bescheinigungspflicht des Fremden ist die von der Beschwerde erhobene - nicht weiter konkretisierte - Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe das Ermittlungsverfahren nicht ordnungsgemäß geführt und hätte die Beschwerdeführerin auffordern müssen, zur Erhebung von deren Lebensunterhaltssituation Bescheinigungsmittel vorzulegen, nicht zielführend.

Im Übrigen wird von der Beschwerde zugestanden, dass die Beschwerdeführerin, wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde, in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid selbst vorgebracht hat, mittellos zu sein. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die oben (I.1.) wiedergegebenen, im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend ihre Angaben am 18. Jänner 2006 im Verwaltungsverfahren und behauptet auch nicht, im Verwaltungsverfahren bei anderer Gelegenheit vorgebracht zu haben, über Geldmittel zu verfügen.

Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen begegnet somit die Auffassung der belangte Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.3. In Anbetracht der aus der Mittellosigkeit resultierenden Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (vgl. dazu nochmals das vorzitierte Erkenntnis) ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend die in § 60 Abs. 1 (Z. 1) FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

2. Ferner bestreitet die Beschwerde nicht die oben (I.1.) wiedergegebenen Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin und des Fehlens von familiären Bindungen im Bundesgebiet. Im Hinblick darauf kann die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass § 66 Abs. 1 und 2 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Entgegen der Beschwerdeansicht ist es hiebei nicht von Relevanz, ob die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatstaat willkürlicher Verfolgung ausgesetzt wäre, wurde doch mit dem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen, dass die Beschwerdeführerin in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass sie (allenfalls) abgeschoben werde. Abgesehen davon gewährleistet § 66 FPG nicht die Gewährung eines Privat- und Familienlebens außerhalb von Österreich (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. April 2006, Zl. 2006/18/0074, mwN).

3. Schließlich bestand - entgegen der Beschwerdeansicht - auch keine Veranlassung für die belangte Behörde, von ihrem Ermessen im Grund des § 60 Abs. 1 FPG zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. September 2006

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006180215.X00

Im RIS seit

09.10.2006

Zuletzt aktualisiert am

22.08.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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