TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/13 2006/12/0084

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.09.2006
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verfassungsgerichtshof;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Dr. Pfiel und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der G in N, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. März 2006, Zl. K4-L-1371/001-2005, betreffend Verleihung einer schulfesten Leiterstelle (mitbeteiligte Partei: H in K), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 2005, Zl. 2005/12/0109, und vom 29. November 2005, Zl. 2005/12/0195, verwiesen. Folgende Umstände seien hier hervorgehoben:

Die Beschwerdeführerin steht als Volksschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Sie und die Mitbeteiligte bewarben sich auf Grund einer Ausschreibung um eine schulfeste Leiterstelle an der Volksschule N.

Auf dem Vorschlag des Kollegiums des Bezirksschulrates wurde die Beschwerdeführerin an erster Stelle, die Mitbeteiligte an dritter Stelle, auf dem Vorschlag des Kollegiums des Landesschulrates für Niederösterreich wurde die Beschwerdeführerin an erster Stelle und die Mitbeteiligte an zweiter Stelle gereiht.

Mit Bescheid vom 14. Mai 2004 verlieh die Niederösterreichische Landeslehrerkommission für allgemein bildende Pflichtschulen die schulfeste Leiterstelle an die Beschwerdeführerin und wies u.a. die Bewerbung der Mitbeteiligten ab.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Mitbeteiligten gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 13. April 2005 Folge, behob den erstbehördlichen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erstinstanzliche Behörde.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die zur hg. Zl. 2005/12/0109 erhobene Beschwerde der Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die Niederösterreichische Landeslehrerkommission verlieh daraufhin mit dem im zweiten Rechtsgang des erstinstanzlichen Verfahrens ergangenen Bescheid vom 31. Mai 2005 die in Rede stehende schulfeste Leiterstelle an die Mitbeteiligte, während u. a. die Bewerbung der Beschwerdeführerin abgewiesen wurde.

Die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juli 2005 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die zur hg. Zl. 2005/12/0195 protokollierte Beschwerde der Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Mit dem oben zuerst zitierten Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 13. April 2005 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis aus, nach der im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtslage komme einem Bewerber um die Verleihung einer schulfesten Leiterstelle mangels rechtlicher Verdichtung Parteistellung auf Grund eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses im Sinne des § 8 AVG nicht zu. Zwar komme einem in den Dreiervorschlag aufgenommenen Bewerber im Lichte des Art. 81b B-VG eine andere Rechtsposition zu als allfälligen sonstigen, nicht im Vorschlag berücksichtigten Bewerbern, das daraus ableitbare Recht des aufgenommenen Bewerbers erschöpfe sich aber darin, dass nur einer der in Dreiervorschlag aufgenommenen Bewerber ernannt werde. Da dies vorliegendenfalls geschehen sei, sei der Mitbeteiligten kein rechtliches Interesse zugestanden, welches mit Berufung gegen den erstinstanzlichen Verleihungsbescheid habe verfolgt werden können. Die belangte Behörde hätte die Berufung der Mitbeteiligten daher zurückzuweisen gehabt.

Mit dem oben zweitzitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wurde sodann auch der Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juli 2005 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis aus, gemäß § 42 Abs. 3 VwGG sei durch die mit dem hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2005 bewirkte Aufhebung des Berufungsbescheides der belangten Behörde vom 13. April 2005 die Rechtssache in die Lage zurückgetreten, in der sie sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden gehabt habe. Damit erweise sich aber der erstinstanzliche Bescheid vom 31. Mai 2005 als rechtswidrig, weil mit ihm während der Dauer eines bereits anhängigen Berufungsverfahrens (über den Bescheid vom 14. Mai 2004) in derselben Angelegenheit neuerlich entschieden worden sei.

Mit dem Bescheid vom 29. März 2006 hob die belangte Behörde sodann den erstinstanzlichen Bescheid vom 31. Mai 2005 ersatzlos auf.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom selben Tag gab diese der Berufung der Mitbeteiligten gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 14. Mai 2004 Folge und ernannte diese mit Wirksamkeit vom 1. September 2006 auf die in Rede stehende schulfeste Leiterstelle, während sie die Bewerbung der Beschwerdeführerin abwies.

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 63 Abs. 1 VwGG und Hinweis auf § 87 Abs. 2 VfGG aus, es entspreche der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, dass alle in einem Besetzungsvorschlag nach Art. 14 Abs. 4 lit. a B-VG aufgenommenen Bewerber um eine schulfeste Leiterstelle Parteistellung genössen. Im Falle einer Umsetzung des hg. Erkenntnisses vom 21. Oktober 2005 käme es im Falle einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde der Mitbeteiligten zu einer Aufhebung dieses Bescheides durch den Verfassungsgerichtshof. Würde die belangte Behörde sodann ein solches Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes umsetzen, so drohte neuerdings eine Bescheidaufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof. "Um diesen Teufelskreis zu beenden", habe sich die belangte Behörde entschieden, der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu folgen. Weiters begründete die belangte Behörde, weshalb ihres Erachtens die Mitbeteiligte für die ausgeschriebene Planstelle besser geeignet sei als die Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, dass ihr eine ihr mit rechtskräftigem Ernennungsbescheid verliehene schulfeste Leiterstelle nicht auf Grund einer unzulässigen Berufung entzogen werde. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 63 Abs. 1 VwGG lautet:

"§ 63. (1) Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen."

§ 87 Abs. 2 VfGG lautet:

"(2) Wenn der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat der belangten Behörde mit dem bereits mehrfach zitierten hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2005 in Stattgebung einer Beschwerde der Beschwerdeführerin die Rechtsauffassung überbunden, dass die Mitbeteiligte im vorliegenden Ernennungsverfahren keine Parteistellung auf Grund eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses im Sinne des § 8 AVG genießt und ihre Berufung daher zurückzuweisen ist.

An diese Rechtsanschauung war die belangte Behörde - wie sich aus § 63 Abs. 1 VwGG klar und ohne jeden Zweifel ergibt - gebunden. Dies gilt im Übrigen auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes selbst dann, wenn eine solche bindende Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes nach der Meinung des Verfassungsgerichtshofes gegen das Gebot einer verfassungskonformen Auslegung verstößt (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1995, VfSlg. Nr. 14.071). Da eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes im vorliegenden Ernennungsverfahren nicht ergangen ist, stellt sich die Frage einer Bindung der belangten Behörde an eine - allenfalls - vom Verfassungsgerichtshof vertretene gegenteilige Rechtsanschauung nicht.

Die belangte Behörde war daher keinesfalls befugt, sich unter Hinweis auf im Widerspruch zum hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2005 stehende, nicht im hier gegenständlichen Verwaltungsverfahren ergangene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes über die aus § 63 Abs. 1 VwGG resultierende Bindungswirkung hinwegzusetzen.

Was den von der belangten Behörde angesprochenen "Teufelskreis" betrifft, ist ihr zunächst einzuräumen, dass der Verfassungsgerichtshof (vgl. auch hiezu etwa dessen zitiertes Erkenntnis vom 7. März 1995 mit weiteren Hinweisen auf seine Rechtsprechung) die Auffassung vertritt, er sei - ungeachtet des § 63 Abs. 1 VwGG - "durch nichts gehindert, ... die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung wahrzunehmen", weshalb die den angefochtenen Bescheid tragende Rechtsanschauung (stets) auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen sei. Ob dieser Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu folgen ist, kann hier dahingestellt bleiben. Der von der belangten Behörde befürchtete "Teufelskreis" entstünde nämlich keinesfalls, weil der Verwaltungsgerichtshof seinerseits bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines vor ihm angefochtenen Bescheides die aus § 87 Abs. 2 VfGG resultierende Bindungswirkung eines in einem vorherigen Rechtsgang ergangenen verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses unabhängig davon respektiert, ob er diese vom Verfassungsgerichtshof überbundene Rechtsauffassung für zutreffend hält (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2003, Zl. 2002/12/0285). Dies würde wohl auch für den Fall gelten, dass der Verfassungsgerichtshof durch ein späteres aufhebendes Erkenntnis eine zunächst aus § 63 Abs. 1 VwGG abgeleitete Bindungswirkung eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses verdrängt. Eine solche Konstellation liegt aber hier - jedenfalls derzeit - fallbezogen nicht vor.

Im Übrigen stünde es dem Gesetzgeber, dem die diesbezügliche Judikaturdivergenz zwischen den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts seit Jahrzehnten bekannt ist, frei, eine entsprechende Klarstellung vorzunehmen.

Aus den eingangs dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 13. September 2006

Schlagworte

Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006120084.X00

Im RIS seit

17.10.2006

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten