TE Vfgh Erkenntnis 2002/6/11 B258/02 ua

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit je € 1962,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die NÖ Gebietskrankenkasse hatte mit Bescheid vom 29. Jänner 2002 ausgesprochen, daß die zu B258/02 beschwerdeführende Partei für die bei ihr in den Kalenderjahren 1998 bis 2001 geringfügig beschäftigten Dienstnehmer Dienstgeber-Pauschalbeiträge gem. §53a Abs1 Z2 ASVG (idF 55. Novelle, BGBl. I Nr. 138/1998) in näher bestimmter Höhe zu entrichten habe.

Mit Bescheiden vom 7. Februar 2002 hatte die NÖ Gebietskrankenkasse überdies ausgesprochen, daß

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die zu B515/02 beschwerdeführende Partei für die bei ihr in den Kalenderjahren 1998 bis 2000,

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die zu B516/02 beschwerdeführende Partei für die bei ihr in den Kalenderjahren 1999 bis 2001,

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die zu B517/02 beschwerdeführende Partei für die bei ihr in den Kalenderjahren 1998 bis 2001 sowie

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die zu B518/02 beschwerdeführende Partei für die bei ihr in den Kalenderjahren 1998 bis 2001

geringfügig beschäftigten Dienstnehmer Dienstgeber-Pauschalbeiträge gem. §53a Abs1 Z2 ASVG (idF 55. Novelle, BGBl. I Nr. 138/1998) in näher bestimmter Höhe zu entrichten hätten.

2. Dagegen erhoben die beschwerdeführenden Parteien Einspruch an den Landeshauptmann von Niederösterreich, der diese Rechtsmittel jedoch mit den im Spruch bezeichneten Bescheiden vom 19. Februar bzw. 4. März 2002 je als unbegründet abwies und die erstinstanzlichen Bescheide vollinhaltlich bestätigte.

3. Gegen diese - letztinstanzlichen - Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden gem. Art144 Abs1 B-VG, in denen die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird. Begründend wird dazu im wesentlichen ausgeführt, der den Bescheiden zugrunde gelegte §53a ASVG sei verfassungswidrig.

4. Mit Erkenntnis vom 7. März 2002, G219/01, hat der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung des §53a ASVG (idF 55. Novelle, BGBl. I Nr. 138/1998) zum Teil als verfassungswidrig aufgehoben (s. die Kundmachung BGBl. I Nr. 74/2002).

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:

1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet wurde, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986, 11.711/1988).

2. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G219/01 begann am 7. März 2002. Die vorliegenden Beschwerden sind am 21. Februar bzw. am 7. März 2002 (vor Beratungsbeginn) beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, waren also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Nach dem soeben Ausgeführten stehen die Fälle daher einem Anlaßfall gleich.

3. Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war.

Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in Höhe von je € 327,-- enthalten.

Ein Ersatz der entrichteten Eingabengebühren war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit des Verfahrens (§110 Abs1 Z2 lita ASVG) nicht zuzusprechen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B258.2002

Dokumentnummer

JFT_09979389_02B00258_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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