Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch Dr. Weihs als Vorsitzenden sowie Dr. Pisan-Schuster und Dr. Strauss als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, Rechtsanwalt, Wien 1, Stephansplatz 10, wider die beklagte Partei D*****, Pensionistin, Wien 17, Winklergasse 8, wegen S 129.607,-- s.A., infolge des Rekurses der beklagten Partei, vertreten durch M*****, W*****, Q*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 22. September 1997, GZ 26 Cg 10/97z-2, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird n i c h t Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht den Antrag der Beklagten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe - und Beigebung eines Rechtsanwalts - mit der Begründung ab, der Kläger mache gegenüber der Beklagten aus einem Verfahren vor dem Erstgericht Kosten von S 129.607,-- geltend; innerhalb der dreiwöchigen Klagebeantwortungsfrist habe die Beklagte beantragt, ihr die Verfahrenshilfe zu bewilligen und im Vermögensbekenntnis dazu angegeben, daß sie ein monatliches Pensionseinkommen von S 40.000,-- beziehe, zwei Grundstücke habe, von denen eines mit einer Hypothek in Höhe von S 26,6 Mio. belastet sei. Dazu habe sie vorgebracht, daß die Forderung des Klägers mit S 66.513,-- zu Recht bestehe und er eine Anzahlung von S 31.000,-- nicht berücksichtigt habe. Die Beklagte sei schwer krank, teilweise bettlägerig und nicht vernehmungsfähig; sie habe einen Antrag auf Pflegegeld gestellt.
Rechtlich ging der Erstrichter davon aus, daß einer Partei gemäß § 63 ZPO Verfahrenshilfe insoweit zu bewilligen sei, als sie außerstande sei, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheine. Als notwendiger Unterhalt sei derjenige anzunehmen, den die Partei für sich zu einer einfachen Lebensführung benötige. Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von S 40.000,-- könne von einer Gefährdung durch die Prozeßführung bei einem Streitwert von S 129.607,-- nicht gesprochen werden. Selbst wenn die Behinderung der Beklagten zusätzliche Aufwendungen erfordern sollte, würden hiefür die Mittel aus dem bereits von ihr beantragten Pflegegeld zur Verfügung stehen. Eine Hypothek von S 26,6 Mio., von denen S 12 Mio. als Höchstbetragshypothek einverleibt seien, sei deshalb ohne Bedeutung, weil nicht einmal nach dem Vorbringen der Beklagten selbst derartig hohe Rückzahlungen geleistet werden müßten, die zusammen mit den Kosten der Prozeßführung den für eine einfache Lebensführung notwendigen Unterhalt gefährden würden. Wie aus der weiteren Beilage zum Antrag zu entnehmen sei, sei es der Beklagten offenbar möglich, sich eine Unterbringung im Haus K***** zu leisten.Rechtlich ging der Erstrichter davon aus, daß einer Partei gemäß Paragraph 63, ZPO Verfahrenshilfe insoweit zu bewilligen sei, als sie außerstande sei, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheine. Als notwendiger Unterhalt sei derjenige anzunehmen, den die Partei für sich zu einer einfachen Lebensführung benötige. Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von S 40.000,-- könne von einer Gefährdung durch die Prozeßführung bei einem Streitwert von S 129.607,-- nicht gesprochen werden. Selbst wenn die Behinderung der Beklagten zusätzliche Aufwendungen erfordern sollte, würden hiefür die Mittel aus dem bereits von ihr beantragten Pflegegeld zur Verfügung stehen. Eine Hypothek von S 26,6 Mio., von denen S 12 Mio. als Höchstbetragshypothek einverleibt seien, sei deshalb ohne Bedeutung, weil nicht einmal nach dem Vorbringen der Beklagten selbst derartig hohe Rückzahlungen geleistet werden müßten, die zusammen mit den Kosten der Prozeßführung den für eine einfache Lebensführung notwendigen Unterhalt gefährden würden. Wie aus der weiteren Beilage zum Antrag zu entnehmen sei, sei es der Beklagten offenbar möglich, sich eine Unterbringung im Haus K***** zu leisten.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs, der von dem mit schriftlichen Vollmacht versehenen Sohn der Beklagten M***** zu gerichtlichem Protokoll erklärt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Zunächst war die Frage zu klären, ob im Verfahren zur Erlangung der Verfahrenshilfe der relative Anwaltszwang gilt, d.h. eine Vertretung durch einen Nicht-Rechtsanwalt unzulässig ist, wofür nach dem Wortlaut der §§ 72 Abs.3 und 29 Abs.1 Z 1 ZPO immerhin einiges spräche. Das Rekursgericht ist jedoch der Ansicht, daß nach Regelungszweck des § 29 Abs.1 ZPO iVm § 72 Abs.3 ZO die Geltung der relativen Anwaltspflicht im Verfahren nach dem siebeten Titel des ersten Teiles, erster Abschnitt, der ZPO zu verneinen ist und die Vorschrift des § 72 Abs.3 ZPO nicht nur eine Ausnahme von der absoluten Anwaltspflicht nach § 27 ZPO vorsieht.Zunächst war die Frage zu klären, ob im Verfahren zur Erlangung der Verfahrenshilfe der relative Anwaltszwang gilt, d.h. eine Vertretung durch einen Nicht-Rechtsanwalt unzulässig ist, wofür nach dem Wortlaut der Paragraphen 72, Absatz und 29 Absatz , Ziffer eins, ZPO immerhin einiges spräche. Das Rekursgericht ist jedoch der Ansicht, daß nach Regelungszweck des Paragraph 29, Absatz , ZPO in Verbindung mit Paragraph 72, Absatz , ZO die Geltung der relativen Anwaltspflicht im Verfahren nach dem siebeten Titel des ersten Teiles, erster Abschnitt, der ZPO zu verneinen ist und die Vorschrift des Paragraph 72, Absatz , ZPO nicht nur eine Ausnahme von der absoluten Anwaltspflicht nach Paragraph 27, ZPO vorsieht.
Es würde einen untragbaren Wertungswiderspruch bedeuten, ließe man in Ehesachen und in den Rechtssachen, deren Streitwert an Geld oder Geldeswert die Grenze des § 29 Abs.1 ZPO übersteigt, an Orten an denen wenigstens zwei Rechtsanwälte ihren Sitz haben, nur Rechtsanwälte als Bevollmächtigte in einem Verfahren zu, in dem es u. a. (erst) um die Frage geht, ob der Verfahrenspartei, die sich nach ihrer finanziellen Einschätzung keinen Rechtsanwalt leisten kann, ein solcher als Verfahrenshelfer beigegeben wird. Die Anwendung der Normen über die relative Anwaltspflicht im Bereich der Verfahrenshilfe hätte die nach den Intentionen des Verfahrenshilferechtes unerwünschte Konsequenz, daß ein Verfahrenshilfewerber, der selbst nicht zu Gericht kommen oder ein schriftliches Rechtsmittel verfassen kann oder will sich eines frei gewählten und selbst bezahlten Rechtsanwalts zur Klärung der Frage bedienen müßte, ob ihm im Rahmen der Verfahrenshilfe ein Rechtsanwalt vorläufig unentgeltlich beigegeben wird. Es scheint daher nur konsequent, das (gesamte) die Verfahrenshilfe betreffende Verfahren von jedweder Anwaltspflicht zu befreien und - streitwertunabhängig - in allen Verfahren die Vertretung durch eigenberechtigte Personen - wie hier durch den Sohn der Beklagten - zuzulassen. Auch nach Fucik in Rechberger ZPO, Rz 3 zu § 72 ist in Verfahrenshilfefragen keinerlei Anwaltspflicht vorgesehen.Es würde einen untragbaren Wertungswiderspruch bedeuten, ließe man in Ehesachen und in den Rechtssachen, deren Streitwert an Geld oder Geldeswert die Grenze des Paragraph 29, Absatz , ZPO übersteigt, an Orten an denen wenigstens zwei Rechtsanwälte ihren Sitz haben, nur Rechtsanwälte als Bevollmächtigte in einem Verfahren zu, in dem es u. a. (erst) um die Frage geht, ob der Verfahrenspartei, die sich nach ihrer finanziellen Einschätzung keinen Rechtsanwalt leisten kann, ein solcher als Verfahrenshelfer beigegeben wird. Die Anwendung der Normen über die relative Anwaltspflicht im Bereich der Verfahrenshilfe hätte die nach den Intentionen des Verfahrenshilferechtes unerwünschte Konsequenz, daß ein Verfahrenshilfewerber, der selbst nicht zu Gericht kommen oder ein schriftliches Rechtsmittel verfassen kann oder will sich eines frei gewählten und selbst bezahlten Rechtsanwalts zur Klärung der Frage bedienen müßte, ob ihm im Rahmen der Verfahrenshilfe ein Rechtsanwalt vorläufig unentgeltlich beigegeben wird. Es scheint daher nur konsequent, das (gesamte) die Verfahrenshilfe betreffende Verfahren von jedweder Anwaltspflicht zu befreien und - streitwertunabhängig - in allen Verfahren die Vertretung durch eigenberechtigte Personen - wie hier durch den Sohn der Beklagten - zuzulassen. Auch nach Fucik in Rechberger ZPO, Rz 3 zu Paragraph 72, ist in Verfahrenshilfefragen keinerlei Anwaltspflicht vorgesehen.
Auch Rekurse in Verfahrenshilfeangelegenheiten unterliegen allerdings dem Neuerungsverbot (MGA ZPO14, 72/E 5). Daß ihr Sohn M***** den Aufenthalt der Beklagten im Haus K***** gezahlt habe, hat die Beklagte in erster Instanz nicht vorgebracht. Im übrigen wäre für sie daraus auch nichts gewonnen, weil sie sich in diesem Fall ja die Aufenthaltskosten in diesem Haus erspart und über mehr finanzielle Mittel zur Lebens- aber auch zur Prozeßführung verfügen würde. Auch daß sie vor ihrer Spitalsbehandlung im "S*****" im Spital "G*****" untergebracht war und dort aus eigenen Mittel S 400.000,-- habe bezahlen müssen, stellt eine im Rekursverfahren unzulässige Neuerung dar. Daher kann hier dahingestellt bleiben, aus welcher medizinischen Notwendigkeit sich die Beklagte gerade in die Behandlung des Spitals "G*****" begeben mußte, für die sie ihre gesamten Ersparnisse aufbrauchen "mußte". Auch daß sie für notwendige Heimhilfen S 20.000,-- monatlich aufwenden müßte, hat sie im Rekurs erstmals, als unbeachtliche Neuerung, vorgebracht. Gleiches gilt für die im Rekurs erwähnten "anderen Schulden" für die sie angeblich S 5.000,-- zurückzahlen müsse. Abgesehen davon, daß die Beklagte diese Behauptung nicht bescheinigt hat, stellt sie ebenfalls eine unzulässige Neuerung dar.
Die Rekurswerberin gibt im Rekurs selbst an, für ihre Hypothekarschulden "derzeit nichts zurückzahlen" zu müssen.
Davon und von den Angaben im Vermögensbekenntnis ausgehend, daß sie im eigenen Haus lebt, dafür nichts zu zahlen hat, monatlich S 40.000,-- Pension bezieht und davon lediglich bis zur Erledigung ihres Pflegegeldantrages ihre Heimhilfe bezahlen muß, ist mit dem Erstgericht beizupflichten, daß die beabsichtigte Prozeßführung bei einem Streitwert von rund S 129.000,-- der Beklagten ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes finanziell möglich ist.
Das Erstgericht hat daher den Antrag der Beklagten auf Gewährung der Verfahrenshilfe zu Recht abgewiesen.
Dem Rekurs war ein Erfolg zu versagen.
Gemäß dem § 528 Abs.2 Z 4 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.Gemäß dem Paragraph 528, Absatz , Ziffer 4, ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.
Anmerkung
EW00234 9712R189European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:1998:01200R00189.97W.0224.000Dokumentnummer
JJT_19980224_OLG0009_01200R00189_97W0000_000