TE OGH 1998/2/24 1Ob62/98v

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Veröffentlicht am 24.02.1998
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein W*****, vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Heidelinde S*****, vertreten durch Dr.Gerhard Strobich, Rechtsanwalt in Trofaiach, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 19.Dezember 1997, GZ 3 R 173/97s-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Leoben vom 16.Juli 1997, GZ 9 C 530/96y-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Alleineigentümerin eines vor dem Jahre 1967 errichteten Hauses. In diesem Haus mietete die klagende Partei mit Vertrag vom 2.10.1995 zwei Räume zu geschäftlichen Zwecken. Im Mietvertrag wurde unter anderem folgendes vereinbart:

"Der vorliegende Vertrag beginnt am 1.Oktober 1995 und wird auf die Dauer von fünf Jahren, bei Einhaltung der vorliegenden Vertragsbedingungen von beiden Vertragspartnern unkündbar abgeschlossen. Das Vertragsverhältnis kann nach diesen fünf Jahren von beiden Vertragspartnern unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr zum Monatsletzten mittels eingeschriebenen Briefes aufgekündigt werden. Sollte keine Kündigung erfolgen, so gilt der Mietvertrag automatisch unverändert ein weiteres Jahr. Die Kündigungsfrist beträgt weiterhin ein Jahr."

Für die Beklagte als Vermieterin war bedeutsam, ein langfristiges Bestandverhältnis abzuschließen. Die Streitteile besprachen vor Abschluß des Mietvertrags sämtliche Vertragspunkte; insbesondere wurde über den Kündigungsverzicht für die Dauer von fünf Jahren gesprochen. Die für die klagende Partei agierende Person erhielt vom "Rechtsamt" einer Gemeinde die Belehrung, daß Geschäftsräumlichkeiten nur auf unbestimmte Zeit gemietet werden könnten, weshalb die zuvor zitierte Bestimmung des Mietvertrags (betreffend den Kündigungsverzicht) hinfällig sei. Davon, daß nach Ansicht der klagenden Partei ein jederzeit aufkündbares Mietverhältnis vorliege, wurde die Beklagte nie verständigt. Einige Zeit nach Abschluß des Mietvertrags beabsichtigte die klagende Partei die Übersiedlung in ein größeres Objekt und versuchte daher, das Bestandverhältnis mit der Beklagten aufzulösen. Diese war mit der Auflösung unter der Bedingung einverstanden, daß ein Nachmieter präsentiert werde.

Am 20.12.1996 kündigte die klagende Partei der Beklagten den Mietvertrag vom 2.10.1995 zum 31.3.1997 auf. Die Anmietung sei ausschließlich zu gewerblichen Zwecken erfolgt; derartige Mietverträge könnten nur auf unbefristete Dauer abgeschlossen werden. Die Beklagte habe unzulässigerweise ein befristetes Mietverhältnis - mit fünfjähriger Dauer - angeboten.

Mit Beschluß vom 23.12.1996 bewilligte das Erstgericht die Aufkündigung.

Die Beklagte erhob Einwendungen, in denen sie im wesentlichen vorbrachte, daß zwischen den Mietvertragsparteien ein beiderseitiger Kündigungsverzicht für die Dauer von fünf Jahren vereinbart worden sei.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf. Die klagende Partei habe Geschäftsräume gemietet. Der Mietvertrag sei aber ohnehin auf unbestimmte Zeit geschlossen und lediglich ein beiderseitiger Kündigungsverzicht für die Dauer von fünf Jahren vereinbart worden. Dieser Kündigungsverzicht sei wirksam und eine vorzeitige Kündigung daher nur aus dem Grunde der Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses, die die Vermieterin bewirkt haben müßte, möglich.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die im Mietvertrag enthaltene Befristung und Kündigungsklausel sei zufolge § 29 MRG unwirksam; der Mietvertrag gelte als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die Streitteile hätten zulässigerweise einen Kündigungsverzicht für die Dauer von fünf Jahren vereinbart. Dieser Kündigungsverzicht ändere nichts an dem Umstand, daß das Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen worden sei. Infolge des rechtswirksam vereinbarten Kündigungsverzichts könne die klagende Partei vor Ablauf von fünf Jahren nicht einseitig vom Vertrag abgehen.Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die im Mietvertrag enthaltene Befristung und Kündigungsklausel sei zufolge Paragraph 29, MRG unwirksam; der Mietvertrag gelte als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die Streitteile hätten zulässigerweise einen Kündigungsverzicht für die Dauer von fünf Jahren vereinbart. Dieser Kündigungsverzicht ändere nichts an dem Umstand, daß das Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen worden sei. Infolge des rechtswirksam vereinbarten Kündigungsverzichts könne die klagende Partei vor Ablauf von fünf Jahren nicht einseitig vom Vertrag abgehen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Unstrittig ist, daß ein Hauptmietvertrag über eine als Geschäftsräumlichkeit genutzten Bestandgegenstand, an dem Wohnungseigentum nicht besteht, nur unbefristet abgeschlossen werden kann (§ 29 Abs 1 Z 3 lit d MRG; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 15 zu § 29 MRG). Den Gesetzesmaterialien läßt sich der von der klagenden Partei behauptete Zweck des Ausschlusses befristeter Mietverträge über Geschäftsräumlichkeiten, nämlich die geschäftlichen Tätigkeiten des Wirtschaftstreibenden abzusichern und ihm eine gewisse Flexibilität zu gewährleisten, nicht entnehmen. Zur Bestimmung des § 29 Abs 1 Z 3 (lit c) MRG wird vielmehr vor allem ausgeführt, daß die Vermietung (einer Wohnung) auf eine Zeitdauer von nicht mehr als einem Jahr sowohl für die Mieter wie auch für die Vermieter erhebliche wirtschaftliche Nachteile gebracht habe, weil den Mieter öfter Kosten einer Übersiedlung und den Vermieter öfter Kosten für die Neuvermietung getroffen hätten. Mit dem neu geschaffenen Fristvertrag (Vertragsdauer drei Jahre) sollten diese Nachteile vermieden werden. Lediglich der Mieter sollte aber über die Dauer eines Jahres hinaus nicht ohne Aufkündigungsmöglichkeit sein, weil dies im Einzelfall problematische Auswirkungen, etwa bei einem Arbeitsplatzwechsel, hätte (1268 BlgNR 18.GP 14). Es kann aber dahingestellt bleiben, ob dem Gesetzgeber allenfalls der von der klagenden Partei unterstellte Zweck bei der Schaffung des § 29 Abs 1 Z 3 MRG durch das 3.Wohnrechtsänderungsgesetz (WÄG) vorgeschwebt ist. Der hier der Beurteilung unterliegende Mietvertrag wurde nämlich ohnehin auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die Parteien haben lediglich beiderseits zulässigerweise einen allgemeinen Kündigungsverzicht für die Dauer von fünf Jahren vereinbart. Durch diesen Kündigungsverzicht wurde der Mietvertrag nicht zu einem solchen auf bestimmte Zeit, wenngleich der Kündigungsverzicht Wirkungen wie ein Vertrag auf bestimmte Zeit entfaltete (Würth/Zingher aaO Rz 7 zu § 33 MRG; Würth in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 1116). Wird - wie hier - ein Mietvertrag "auf unbestimmte Dauer" abgeschlossen und dieser mit einem auf bestimmte Zeit wirksamen Kündigungsverzicht beider Vertragsparteien gekoppelt, dann erzielen die Vertragsparteien zwar dasselbe Ergebnis, als wäre bis zum Ablauf des für den Kündigungsverzicht vereinbarten Zeitraums ein befristetes Bestandverhältnis begründet worden, sodaß durch eine solche Vertragsgestaltung eine bestimmte Dauer des Bestandvertrags gewährleistet wird, es darf aber nicht übersehen werden, daß dieser bestimmten (Mindest-)Bestanddauer ein Vertragszeitraum folgt, der zeitlich unbestimmt ist (1 Ob 2073/96a; vgl NZ 1964, 137; Würth aaO). Durch den generell zulässigen und wirksamen Verzicht auf das Recht zur Kündigung (MietSlg 45.368 uva) verliert ein grundsätzlich auf unbestimmte Zeit geschlossener Mietvertrag nicht den Charakter zeitlicher Unbeschränktheit. Eine derartige Vereinbarung (Mietvertrag über eine Geschäftsräumlichkeit auf unbestimmte Zeit mit für bestimmte Zeit vereinbartem Kündigungsverzicht) hat auch nicht Umgehungscharakter, der einem Mieter die Möglichkeit gäbe, sich selbst dann auf den Umgehungstatbestand zu berufen, wenn er Wesen und Folgen des Umgehungsgeschäftes erkannt hätte (WoBl 1994, 123), weil der Kündigungsverzicht grundsätzlich zulässig und vom Gesetz für Fälle wie den vorliegenden keinesfalls ausgeschlossen ist.Unstrittig ist, daß ein Hauptmietvertrag über eine als Geschäftsräumlichkeit genutzten Bestandgegenstand, an dem Wohnungseigentum nicht besteht, nur unbefristet abgeschlossen werden kann (Paragraph 29, Absatz eins, Ziffer 3, Litera d, MRG; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 15 zu Paragraph 29, MRG). Den Gesetzesmaterialien läßt sich der von der klagenden Partei behauptete Zweck des Ausschlusses befristeter Mietverträge über Geschäftsräumlichkeiten, nämlich die geschäftlichen Tätigkeiten des Wirtschaftstreibenden abzusichern und ihm eine gewisse Flexibilität zu gewährleisten, nicht entnehmen. Zur Bestimmung des Paragraph 29, Absatz eins, Ziffer 3, (Litera c,) MRG wird vielmehr vor allem ausgeführt, daß die Vermietung (einer Wohnung) auf eine Zeitdauer von nicht mehr als einem Jahr sowohl für die Mieter wie auch für die Vermieter erhebliche wirtschaftliche Nachteile gebracht habe, weil den Mieter öfter Kosten einer Übersiedlung und den Vermieter öfter Kosten für die Neuvermietung getroffen hätten. Mit dem neu geschaffenen Fristvertrag (Vertragsdauer drei Jahre) sollten diese Nachteile vermieden werden. Lediglich der Mieter sollte aber über die Dauer eines Jahres hinaus nicht ohne Aufkündigungsmöglichkeit sein, weil dies im Einzelfall problematische Auswirkungen, etwa bei einem Arbeitsplatzwechsel, hätte (1268 BlgNR 18.GP 14). Es kann aber dahingestellt bleiben, ob dem Gesetzgeber allenfalls der von der klagenden Partei unterstellte Zweck bei der Schaffung des Paragraph 29, Absatz eins, Ziffer 3, MRG durch das 3.Wohnrechtsänderungsgesetz (WÄG) vorgeschwebt ist. Der hier der Beurteilung unterliegende Mietvertrag wurde nämlich ohnehin auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die Parteien haben lediglich beiderseits zulässigerweise einen allgemeinen Kündigungsverzicht für die Dauer von fünf Jahren vereinbart. Durch diesen Kündigungsverzicht wurde der Mietvertrag nicht zu einem solchen auf bestimmte Zeit, wenngleich der Kündigungsverzicht Wirkungen wie ein Vertrag auf bestimmte Zeit entfaltete (Würth/Zingher aaO Rz 7 zu Paragraph 33, MRG; Würth in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu Paragraph 1116,). Wird - wie hier - ein Mietvertrag "auf unbestimmte Dauer" abgeschlossen und dieser mit einem auf bestimmte Zeit wirksamen Kündigungsverzicht beider Vertragsparteien gekoppelt, dann erzielen die Vertragsparteien zwar dasselbe Ergebnis, als wäre bis zum Ablauf des für den Kündigungsverzicht vereinbarten Zeitraums ein befristetes Bestandverhältnis begründet worden, sodaß durch eine solche Vertragsgestaltung eine bestimmte Dauer des Bestandvertrags gewährleistet wird, es darf aber nicht übersehen werden, daß dieser bestimmten (Mindest-)Bestanddauer ein Vertragszeitraum folgt, der zeitlich unbestimmt ist (1 Ob 2073/96a; vergleiche NZ 1964, 137; Würth aaO). Durch den generell zulässigen und wirksamen Verzicht auf das Recht zur Kündigung (MietSlg 45.368 uva) verliert ein grundsätzlich auf unbestimmte Zeit geschlossener Mietvertrag nicht den Charakter zeitlicher Unbeschränktheit. Eine derartige Vereinbarung (Mietvertrag über eine Geschäftsräumlichkeit auf unbestimmte Zeit mit für bestimmte Zeit vereinbartem Kündigungsverzicht) hat auch nicht Umgehungscharakter, der einem Mieter die Möglichkeit gäbe, sich selbst dann auf den Umgehungstatbestand zu berufen, wenn er Wesen und Folgen des Umgehungsgeschäftes erkannt hätte (WoBl 1994, 123), weil der Kündigungsverzicht grundsätzlich zulässig und vom Gesetz für Fälle wie den vorliegenden keinesfalls ausgeschlossen ist.

Der Revision der klagenden Partei ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den Paragraphen 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E48991

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0010OB00062.98V.0224.000

Im RIS seit

26.03.1998

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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