TE Vfgh Beschluss 2002/6/11 G13/02

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Index

60 Arbeitsrecht
60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Allg
ArbeitnehmerInnenschutzG §84 Abs1
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des ArbeitnehmerInnenschutzG in der geltenden Fassung mangels hinreichend spezifiziertem Aufhebungsbegehren; kein behebbarer inhaltlicher Mangel

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (im folgenden: UVS) beantragt durch ein Mitglied, "der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass §84 Abs1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994 i.d.g.F. verfassungswidrig ist".

Zum Sachverhalt des beim UVS anhängigen Berufungsverfahrens führt der antragstellende UVS aus, daß der dortige Berufungswerber mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 11.1.2001 wegen Übertretung des §84 Abs1 ASchG zu einer Geldstrafe vom S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe im Fall der Uneinbringlichkeit 14 Tage) verpflichtet worden sei. Der Berufungswerber habe es - so der erstinstanzliche Bescheid - als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer GmbH zu verantworten, daß sich in den Aufzeichnungen des Zeitraumes 14.10.1998 bis 3.5.2000 des Arbeitsmediziners Dr. A. H in der Spalte "Beratung, Diagnose, Aktivität, Mängel, Gefährdung", lediglich kaum leserliche, handschriftliche Eintragungen, die eine Zuordenbarkeit der Tätigkeiten nicht ermöglichten, befänden und in der Spalte "Maßnahmen, Techn., Organisat., Pers.Bez." lediglich der Stempel und die Unterschrift des Arztes, nicht jedoch Ergebnisse der durchgeführten Tätigkeiten, wie Berichte, Anordnungen, durchgeführte Messungen oder Verbesserungsvorschläge.

Im folgenden trägt der UVS Bedenken gegen den von ihm als verfassungswidrig erachteten §84 Abs1 AScHG vor.

2. §84 Abs1 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 159/2001 lautet wie folgt:

"Aufzeichnungen und Berichte

§84. (1) Präventivfachkräfte haben Aufzeichnungen über die geleistete Einsatzzeit und die nach diesem Bundesgesetz durchgeführten Tätigkeiten zu führen, insbesondere auch über die von ihnen durchgeführten Besichtigungen und Untersuchungen sowie deren Ergebnisse. Den Organen der Arbeitsinspektion ist auf Verlangen Einsicht in diese Unterlagen zu gewähren. Nach Beendigung ihrer Tätigkeit haben Präventivfachkräfte diese Unterlagen sowie Berichte gemäß Abs2 und 3 an ihre Nachfolger im Betrieb zu übergeben.

(2) ..."

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zulässigkeit des Antrages bestreitet.

4. Der Berufungswerber im Verfahren vor dem UVS hat eine Äußerung erstattet, in der er sich den Bedenken des anfechtenden UVS anschließt.

5. Der Antrag erweist sich als unzulässig:

Gemäß §62 Abs1 VfGG muß der Antrag, ein - geltendes - Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, begehren, daß das Gesetz seinem ganzen Inhalte nach oder daß bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden. Dabei handelt es sich um ein Essentiale des Gesetzesprüfungsantrages. Der vorliegende Antrag enthält hingegen nur das an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Begehren, dieser möge die Verfassungswidrigkeit des §84 Abs1 ASchG "i.d.g.F" feststellen; ein Aufhebungsantrag wird nicht gestellt. Ein Prüfungsantrag, dem ein spezifiziertes Aufhebungsbegehren fehlt, leidet jedoch an einem nicht behebbaren inhaltlichen Mangel (vgl. VfSlg. 11.137/1986, 11.969/1989, 12.593/1990, 13.472/1993). Da der UVS Niederösterreich die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §84 Abs1 ASchG "in der geltenden Fassung" beantragt, kommt aber auch eine Umdeutung des Antrages auf Prüfung einer bereits außer Kraft getretenen Fassung dieser Bestimmung nicht in Betracht.

Bei diesem Ergebnis konnte dahinstehen, ob der UVS Niederösterreich in dieser Sache überhaupt zur Antragstellung durch ein Einzelmitglied zuständig war (vgl. VfSlg. 12.845/1991), ob der antragstellende UVS die angefochtene Gesetzesstelle hinreichend genau bezeichnet hat (vgl. VfSlg. 14.040/1995) und ob hinsichtlich der gesamten Norm Präjudizialität vorliegt.

6. Der Antrag war daher zurückzuweisen.

7. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Arbeitnehmerschutz, Auslegung eines Antrages, Unabhängiger Verwaltungssenat, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G13.2002

Dokumentnummer

JFT_09979389_02G00013_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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