TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/19 2003/06/0136

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Veröffentlicht am 19.09.2006
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauG Stmk 1995 §4 Z27;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. des RK in G, 2. der TO in W, 3. des EL in W, 4. des CE in W und 5. des JV in W, alle vertreten durch Dr. Horst M. Pechar, Rechtsanwalt in 8160 Weiz, Schulgasse 1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. Juli 2003, Zl. FA13A-12.10 T 54-03/24, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. EM, 2. MX, beide in W, und 3. Gemeinde T, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. April 2002 wurde über das Ansuchen des Erst- und der Zweitmitbeteiligten diesen die Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit angebautem Carport auf einem im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde gelegenen Grundstück erteilt. Die dagegen erhobenen Einwendungen einer Abstandsverletzung durch die Beschwerdeführer, die Eigentümer eines an den Bauplatz angrenzenden Grundstücks sind, wurden abgewiesen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 17. Dezember 2002 mit der Begründung abgewiesen wurde, dass eine Verletzung des im Stmk. Baugesetz normierten Mindestabstands zum Grundstück der Beschwerdeführer deswegen nicht gegeben sei, weil es sich bei dem zur Grundstücksgrenze der Beschwerdeführer hin projektierten Carport nicht um eine bauliche Anlage im Sinne des § 4 Z. 28 Stmk BauG handle.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Juli 2003 abgewiesen wurde. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das unmittelbar an die östliche Grenze des Bauplatzes zum Grundstück der Beschwerdeführer errichtete "Carport" im Ausmaß von 8,95 m x 3,14 m schließe an seiner Westseite direkt an die Außenwand des Hauses des Erst- und der Zweitmitbeteiligten an, weise an der Nordseite in der Länge von 3,14 m eine Wand auf und sei an den restlichen zwei Seiten zur Gänze offen bzw. werde nur durch drei Säulen getragen. Über diesem "Carport" sei im Dachgeschoßbereich ein Dachraum mit einer Fläche von 23,75 m2 vorgesehen; der Dachstuhl schließe an das Wohnhaus an und bilde mit dessen Giebel einen durchgehenden Giebel. Die Höhe des Kniestocks im Dachraum betrage 1,0 m.

Es sei davon auszugehen, dass der gegenständliche Bauteil (das "Carport") im Erdgeschoß nicht überwiegend geschlossen sei. Im Bereich des Dachbodens werde zwar ein oberirdisch überdeckter Raum gebildet, der an den Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen sei, jedoch sei dieser Bereich mangels eines Kniestockes von mehr als 1,25 m Höhe gemäß § 13 Abs. 5 Stmk BauG nicht bei der Abstandsermittlung heranzuziehen.

Das "Carport" weise lediglich Richtung Norden eine Umfassungswand in der Länge von 3,14 m ohne Öffnungen auf. An der Westseite schließe die Außenwand des Wohnhauses an, an der Ost- und an der Südseite seien keine Umfassungswände vorgesehen. Es liege daher keine offene Garage im Sinne des § 4 Z. 27 Stmk BauG vor, weil es an dem dafür entscheidenden Kriterium, nämlich an unmittelbar ins Freie führenden und unverschließbaren Öffnungen fehle.

Der Erdgeschoßbereich des "Carports" sei nicht als Gebäudeteil anzusehen und der Dachraum nicht bei der Geschoßermittlung anzurechnen. Aus diesem Grund sei es ausgeschlossen, dass die Abstandsbestimmungen des § 13 Abs. 1 und 2 Stmk BauG durch das gegenständliche Projekt verletzt würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer gehen davon aus, dass das Wohnhaus des Erst- und der Zweitmitbeteiligten mit integrierter Garage bereits seit 1981 bestehe. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde sei hinsichtlich der Garage von mindestens zwei Umfassungswänden auszugehen, wobei die Stützen als Teile einer Umfassungswand anzusehen seien. Die vierte Wand sei der Einfahrtsbereich in die Garage, wobei es hier gleichgültig sei, ob dieser offen oder durch ein Tor versperrt sei. Es bestehe bereits ein rechtskräftiger Abbruchbescheid für das Wohnhaus samt integrierter Garage und werde nun versucht, einen gesetzeskonformen Zustand dadurch herzustellen, dass lediglich eine Wand der Garage bis auf die Stützen entfernt werde, wobei das Gesamtgebäude, einschließlich des über alles gehenden Daches, bestehen bleibe. Von einem angebauten "Carport" könne nicht gesprochen werden, weil ursprünglich ganz einfach ein Haus mit integrierter Garage an der Grundgrenze rechtswidrig errichtet worden sei. Bis auf drei Ausbrüche ostseitig solle sich am Objekt auch nichts ändern und damit die Abstandsbestimmung des Stmk BauG einfach umgangen werden.

Gemäß § 4 Z. 27 des Steiermärkischen Baugesetzes, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk BauG), sind Garagen Räume zum Abstellen von Kraftfahrzeugen. Nach derselben Vorschrift werden als offene Garagen oberirdische Garagen oder Garagenabschnitte, die unmittelbar ins Freie führende und so verteilte unverschließbare Öffnungen in einer Größe von insgesamt mindestens einem Drittel der Gesamtfläche der Umfassungswände haben, dass die ständige natürliche Durchlüftung gewährleistet ist, definiert, durch Wetterschutzvorrichtungen u. dgl. darf die Mindestöffnung nicht verringert werden. In derselben Vorschrift heißt es weiters:

"Abstellflächen mit Schutzdächern gelten als offene Garagen, wenn sie dem Abstellen von mehr als sechs Kraftfahrzeugen oder mehr als zehn Krafträdern dienen".

Gemäß § 4 Z. 28 Stmk BauG ist ein Gebäude eine bauliche Anlage, die mindestens einen oberirdischen überdeckten Raum bildet, der an den Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen ist. Weiters ist dort normiert: "Als Gebäude gelten jedoch auch offene Garagen."

§ 4 Z. 33 Stmk BauG definiert den Begriff des Geschoßes als Gebäudeabschnitt zwischen Fußboden und der darüberliegenden Decke, zwischen zwei übereinander gelegenen Decken oder zwischen Fußboden und der obersten Decke oder der Unterfläche des Daches, wenn die jeweils geforderte Raumhöhe erreicht wird.

Gemäß § 13 Abs. 2 Stmk BauG muss jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschoße, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

Als Geschoße sind gemäß § 13 Abs. 5 leg. cit. u.a. nicht anzurechnen an der Giebelseite: das unterste Dachgeschoß bzw. der unterste für Aufenthaltsräume ausbaufähige Dachboden, soferne die Höhe eines allfälligen Kniestockes 1,25 m nicht übersteigt und die Dachneigung nicht mehr als 70 Grad beträgt.

Die Auffassung der belangten Behörde, beim verfahrensgegenständlichen Bauteil, einem Raum, der nach Bauplänen als "Carport" bezeichnet ist und unbestritten zum Abstellen von Kraftfahrzeugen dient, handle es sich nicht um eine offene Garage im Sinne des § 4 Z. 27 Stmk BauG, kann nicht nachvollzogen werden. Wenn die belangte Behörde ausführt, es fehle an einem entscheidenden Kriterium zur Erfüllung des Begriffs "offene Garage" im Sinne des § 4 Z. 27 Stmk BauG, "nämlich an unmittelbar ins Freie führenden und unverschließbaren Öffnungen", so ist diese Auffassung mit den Feststellungen der belangten Behörde, dass "so genannte Carport" sei an "zwei Seiten zur Gänze offen bzw. durch drei Säulen getragen", nicht in Einklang zu bringen.

Der gegenständliche Kfz-Abstellraum kann auch nicht unter den Begriff der "Abstellfläche mit Schutzdach" im Sinne des § 4 Z. 27 Stmk BauG subsumiert werden, weil er nicht nur unmittelbar an das Haus des Erst- und der Zweitmitbeteiligten anschließt, sondern noch eine weitere, nämlich nördliche Seitenmauer aufweist und sich überdies der Dachgeschoßbereich des Hauses des Erst- und der Zweitmitbeteiligten über das gesamte "so genannte Carport" erstreckt, in das Gebäude integriert ist und eine geschlossene Giebelwand zur Grundgrenze der Beschwerdeführerin aufweist.

Dies hat die belangte Behörde durch die Nichteinbeziehung des gegenständlichen Gebäudeteils in ihre Überlegungen hinsichtlich der Einhaltung des gebotenen Mindestabstandes durch das gegenständliche Gebäude vom Grundstück der Beschwerdeführer verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 19. September 2006

Schlagworte

Baurecht Nachbar Besondere Rechtsgebiete Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003060136.X00

Im RIS seit

11.10.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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