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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §63 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des Dr. Klaus Fürst in Wien, vertreten durch Dr. Guido Kollmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Elisabethstr. 24, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 29. September 2004, Zl. BOB- 512/03, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Peter Rudolph in 1190 Wien, Unterer Schreiberweg 16), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer gehört das Baugrundstück Nr. 678/15, welches (vom Unteren Schreiberweg gesehen) hinter dem in seinem Miteigentum befindlichen Grundstück Nr. 678/4 (1190 Wien, Unterer Schreiberweg 14) gelegen ist. Seitlich benachbart sind die der Liegenschaft EZ 180, KG Döbling, inneliegenden Grundstücke (Unterer Schreiberweg 16), an denen Miteigentum des Mitbeteiligten besteht.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2002 suchte der Beschwerdeführer um die nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 71 BauO für Wien für ein Dach auf einem als "Pergola" bezeichneten Bestand an. Nach dem Bauplan soll dieses Dach ein Flächenausmaß von 9,75 m x 4,70 m aufweisen und auf jenem Teil der Liegenschaft ausgeführt werden, der die Widmung "Schutzgebiet-Wald- und Wiesengürtel" aufweist. In der Baubeschreibung wurde angegeben, dass auf dem mit Flämmpappe gedeckten Bretterdach seit ca. 1981 zwei Sonnenkollektormatten aus Kautschuk verlegt seien, die der Erwärmung des auf der Liegenschaft befindlichen Schwimmbeckens dienten. Außerdem bilde das Dach nicht nur Witterungsschutz für die Filteranlage, sondern auch Schalldämmung ihres Betriebsgeräusches gegenüber der Umgebung. Aus dem Bauplan und einem dem Plan angehefteten Foto ist ein gemauerter, offener Kamin in der Mitte des durch die Überdachung geschaffenen Raumes ersichtlich.
In einem Schreiben des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (MA 37), vom 7. Juli 2003, gerichtet an den Leiter der Gruppe baubehördliche Angelegenheiten und Umwelttechnik, wird das Vorhaben als "Errichtung eines Nebengebäudes durch Überdachung der bestehenden, bewilligten Pergola" bezeichnet und ausgeführt, dass der Bestand, nämlich ein gemauerter Sitzplatz und ein Schwimmbecken gemäß § 70 BauO für Wien, bewilligt seien. Durch das Dach über der Pergola würden Lärmbelästigungen für die Anrainer sowohl durch die intensive Nutzung der Sitzecke (auch zu späterer Stunde) als auch durch die Betriebsgeräusche der Filteranlage für das genehmigte Schwimmbecken hintangehalten werden. Das Vorhaben könnte bei anstandslosem Verhandlungsergebnis gemäß § 71 BauO für Wien bewilligt werden.
Zu der für den 8. August 2003 anberaumten Verhandlung wurde kein Nachbar persönlich geladen; es wurde aber angeordnet, dass durch Anschlag die Wohnungseigentümer der Häuser Unterer Schreiberweg 12, 14 und 16 verständigt würden.
Tatsächlich ist zur Verhandlung nur ein Wohnungseigentümer des Hauses Unterer Schreiberweg 14, sonst aber kein Nachbar erschienen. Es wurden keine Einwendungen erhoben.
Mit Bescheid vom 1. September 2003 erteilte die MA 37 nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne gemäß § 71 der BauO für Wien auf jederzeitigen Widerruf die nachträgliche Bewilligung für die Errichtung eines Nebengebäudes mit 30 m2 bebauter Fläche an der linken Grundgrenze, auf Grund der Überdachung der konsensgemäßen Pergola. Vorgeschrieben wurde, dass die bewilligte bauliche Herstellung auf jederzeit mögliches Verlangen der Behörde ohne Anspruch auf Entschädigung oder den Ersatz irgendwelcher Kosten abzutragen sei.
In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass das Nebengebäude im Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel liege und nicht den Bestimmungen des § 6 Abs. 3 BauO für Wien genüge; da sich aber mit der Überdachung der bereits konsentierten Pergola kein anderer Verwendungszweck ergebe und allfällige Lärmbelästigungen für Anrainer reduziert würden, sei ein begründeter Ausnahmefall im Sinne des § 71 BauO für Wien gegeben.
Dieser Bescheid wurde den Nachbarn, insbesondere dem Mitbeteiligten, nicht zugestellt. Die Zustellung an den Bauwerber erfolgte am 4. September 2003.
In seinem Schreiben an die MA 37 vom 1. Oktober 2003 erklärte der Mitbeteiligte, er werde durch den illegalen Ausbau dieses voll funktionsfähigen 30 m2 Bungalow im Wald- und Wiesengürtel regelmäßig durch Lärm- und Geruchsterror mindestens 2 bis 3 x pro Woche bis morgens zwischen 2.00 und 3.00 Uhr in seiner Nachtruhe gestört. Über seine Anregung sei von der Baubehörde ein Abbruchauftrag verfügt worden, nunmehr habe er gehört, dass der Abbruchauftrag zurückgezogen und eine nochmalige Bauverhandlung durchgeführt werde. Darauf habe er gewartet. In einem Telefonat vom 30. September 2003 habe er erfahren, dass die Bauverhandlung bereits am 29. August 2003 stattgefunden habe. Er ersuchte, die nachträgliche Bewilligung zu widerrufen.
Mit weiterem Schreiben vom 7. Oktober 2003 ersuchte der Mitbeteiligte um Zusendung der Baubewilligung, was ihm, wie aus seinem handschriftlichen Vermerk ersichtlich, verweigert wurde. Am 23. Oktober 2003 nahm er Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 4. November 2003 erhob er gegen die Baubewilligung vom 1. September 2003 Berufung. Er machte insbesondere geltend, dass er zur Bauverhandlung nicht geladen wurde, dass die von ihm als Bungalow bezeichnete Baulichkeit im Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel liege und es dafür auch für den Beschwerdeführer keine Ausnahmegenehmigung geben dürfe. Die behauptete reduzierte Lärmbelästigung entspreche nicht den Tatsachen; vielmehr benütze der Sohn des Beschwerdeführers den Bungalow sommers wie winters dazu, Partys bis in die Morgenstunden zu feiern, wozu noch die Geruchsbelästigung durch den im Bungalow befindlichen Kamin komme. Der Mitbeteiligte beantragte, der Berufung statt zu geben und den bereits verfügten Abrissauftrag wieder in Kraft zu setzen. Er sei sich sicher, dass bei seiner Anwesenheit bei der Bauverhandlung die Bewilligung nicht erteilt worden wäre.
In ihrem Vorlagebericht an die belangte Behörde gab die MA 37 an, dass jenes isoliert im Garten stehende Wohngebäude, welches sich im Wohnungseigentum des Mitbeteiligten befinde, über einen gesonderten Zugang verfüge. Nach der Lage der Aushängestelle (bezüglich der Ladung zur Bauverhandlung) sei das Vorbringen des Berufungswerbers, er hätte von der Ladung keine Kenntnis erhalten, durchaus glaubwürdig. Der Mitbeteiligte sei daher als übergangener Anrainer anzusehen. Ausgehend von der Akteneinsicht am 23. Oktober 2003 hätte er innerhalb der 14-tägigen Frist die Berufung eingelegt.
Die belangte Behörde räumte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20. Jänner 2004 die Möglichkeit ein, zur Berufung Stellung zu nehmen. Es wurde in Aussicht gestellt, dass auf Grund der gegebenen Flächenwidmung die Bewilligung zu versagen sein werde. Der Beschwerdeführer äußerte sich nicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, dass gemäß § 70 und § 71 der BauO für Wien die nachträgliche Bewilligung für die Errichtung eines Nebengebäudes mit 30 m2 bebauter Fläche auf Grund der Überdachung der konsensgemäßen Pergola versagt wurde.
In der Begründung wurde zunächst darauf hingewiesen, dass der Mitbeteiligte nicht ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen wurde, da eine Ladung weder im Postweg noch durch Anschlag am direkten Zugang zu seinem Wohngebäude erfolgt sei. Er sei daher übergangene Partei. Da es sich hier um eine nachträgliche Baubewilligung gehandelt habe, konnte nicht auf den angezeigten Baubeginn als fristauslösendes Ereignis abgestellt werden. Der Berufungswerber habe aber innerhalb von 3 Monaten ab Durchführung der mündlichen Verhandlung Akteneinsicht genommen, dadurch Kenntnis vom Inhalt und Umfang der Baubewilligung erlangt und innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis von der Baubewilligung gegen den Bewilligungsbescheid der Behörde erster Instanz Berufung erhoben. Somit liege auch die Rechtzeitigkeit der Einbringung der Einwendungen gegen das nachträgliche Bauvorhaben vor und habe der Mitbeteiligte Parteistellung erlangt.
Das Vorhaben diene auf Grund seiner Bestimmung nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken, sodass dessen Errichtung in einem als Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel ausgewiesenen Areal von § 6 Abs. 3 BauO für Wien nicht umfasst sei. Auch sei eine Bebaubarkeit im Sinne des § 5 Abs. 4 lit. n BauO für Wien nicht festgesetzt, sodass eine Bewilligung nach § 70 BauO für Wien nicht in Betracht gekommen sei. Mangels ausdrücklicher Zustimmung des Nachbarn komme, da seine Rechte berührt würden, eine Bewilligung nach § 71 BauO für Wien nicht in Frage.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten darauf verletzt, dass nicht eine Berufung durch eine Person erhoben werde, die nicht Nachbar sei, dass die Berufung als verspätet zurückgewiesen werde und dass ihm die Baubewilligung erteilt werde. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer legte im Zusammenhang mit seinem gesonderten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine Androhung der Ersatzvornahme vom 19. Mai 2005 vor, die auf einen mit Bescheid vom 11. Juni 2002 erteilten Abbruchauftrag, betreffend die hier gegenständliche Ausführung, verweist.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet die Eigenschaft des Mitbeteiligten als Nachbar im Sinne des § 134 Abs. 3 BO. Der Mitbeteiligte sei Wohnungseigentümer der Wohnung Top Nr. 7 der linksseitig an die Liegenschaft des Beschwerdeführers angrenzenden Liegenschaft EZ 180, KG Döbling. Im Wohnungseigentumsvertrag der Eigentümer dieser Liegenschaften vom 22. und 25. März 1974 sei jedoch festgehalten, dass der Gartenteil des Mitbeteiligten von der Grundstücksgrenze zum Beschwerdeführer durch den dem weiteren Miteigentümer G. als Wohnungseigentumszubehör zugeschriebenen Gartenanteil ("D") und durch den dem weiteren Miteigentümer Dr. Z. zugeschriebenen Gartenanteil ("B") völlig separiert sei. Durch die dem Gartenteil des Berufungswerbers ("C") vorgelagerten beiden anderen Gartenteile sei der Mitbeteiligte kein Nachbar im Sinne des § 134 BauO für Wien. Die linksseitige Grenze des Gartens des Mitbeteiligten sei auch mehr als 20 m von der Pergola auf dem Grundstück des Beschwerdeführers entfernt. Dazu legte der Beschwerdeführer den Wohnungseigentumsvertrag samt Lageplan über die Gartenflächen vor.
Auf dieses Vorbringen ist schon deshalb nicht einzugehen, weil es der Beschwerdeführer unterlassen hat, im Berufungsverfahren, in dem er dazu Gelegenheit hatte, ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten. Dem erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Tatsachenvorbringen (besondere Benützungsvereinbarung) ist das aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegen zu halten.
Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, der Mitbeteiligte hätte bereits anlässlich des in seinem Schreiben vom 1. Oktober 2003 genannten Telefonats vom 30. September 2003 von der Baubewilligung erfahren, sodass die Frist zur Erhebung der Berufung spätestens am 1. Oktober 2003 zu laufen begonnen hätte. Der Mitbeteiligte habe jedoch erst am 23. Oktober 2003 Akteneinsicht genommen und erst am 4. November 2003 Berufung erhoben. Diese Berufung hätte als verspätet zurückgewiesen werden müssen. Der Mitbeteiligte habe es aber auch unterlassen, rechtzeitig im Sinne des § 134 Abs. 3 BauO für Wien Einwendungen zu erheben. Die im Schreiben vom 1. Oktober 2003 gestellte Bitte, die nachträgliche Baubewilligung gemäß § 71 BauO für Wien zu widerrufen und den bereits erteilten Abrissauftrag wieder in Kraft zu setzen, sei keine hinreichend substantiierte Einwendung. Jedenfalls seien keine der im § 134a taxativ aufgezählten Nachbarrechte geltend gemacht worden. Der Mitbeteiligte habe daher keine Parteistellung erworben.
Gemäß § 134 Abs. 3 BauO für Wien (in der Fassung LGBl. Nr. 10/2003; BO) sind die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134a erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und sie, unbeschadet Abs. 4, spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die geplante Bauführung erheben. § 134 Abs. 4 BO lautet:
"(4) Weist ein Nachbar der Behörde nach, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach § 134 Abs. 3 zu erlangen, kann er seine Einwendungen im Sinne des § 134 a gegen die Bauführung auch nach dem Abschluss der mündlichen Bauverhandlung bis längstens drei Monate nach dem angezeigten Baubeginn (§ 124 Abs. 2) vorbringen und ist vom Zeitpunkt des Vorbringens dieser Einwendungen an Partei; eine spätere Erlangung der Parteistellung (§ 134 Abs. 3) ist ausgeschlossen. Solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Bauverhandlung anberaumt hat."
Die Dreimonatsfrist in dieser Bestimmung, innerhalb derer jedenfalls Einwendungen zu erheben sind, beginnt ab der Baubeginnsanzeige zu laufen. Die Frage, inwieweit dieser Fristbeginn bei nachträglicher Baubewilligung Anwendung finden kann, muss hier nicht abschließend geklärt werden, weil diese Frist dann, wenn die Bauführung noch nicht erfolgt wäre, gemäß § 72 BO frühestens nach der am 3. September 2003 erfolgten Bescheidzustellung an den Beschwerdeführer, zu laufen begonnen hätte. Sämtliche Verfahrensschritte des Mitbeteiligten einschließlich seiner Berufung fanden innerhalb von 3 Monaten nach diesem Zeitpunkt statt.
Die Nichtverständigung von der Bauverhandlung hinderte den Mitbeteiligten an der rechtzeitigen (§ 134 Abs. 3 BO) Erhebung von Einwendungen; nach dem letzten Satz des § 134 Abs. 4 BO ist zu prüfen, ob der Mitbeteiligte rechtzeitig nach Wegfall des Hindernisses Einwendungen erhoben hat.
An dieser Stelle ist, da hier eine Baubewilligung auf Widerruf erteilt wurde, auf § 71 BO hinzuweisen, der lautet:
"Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, kann die Behörde auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen. Für sie gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes insofern nicht, als nach Lage des Falles im Bescheid auf die Einhaltung dieser Bestimmungen verzichtet worden ist. Der Bewilligung dürfen durch dieses Gesetz gegebene subjektiv-öffentliche Rechte nicht entgegenstehen und es darf die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen nicht vermindert werden, es sei denn, dass der Berechtigte der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt hat oder keine Parteistellung (§ 134 Abs. 3) erlangt hat."
Wegen des letzten Satzes dieser Bestimmung spielt für die Frage der Erlangung der Parteistellung der Umstand, dass es sich hier um eine Bewilligung nach § 71 BO handelt, keine Rolle.
Zur Frage, welche Einwendungen eine Parteistellung schaffen, verweist Ph. Pallitsch, Die Präklusion im Verwaltungsverfahren, 50, zunächst auf die Erläuterungen, wonach es selbstverständlich auch dann zum Verlust der Parteistellung komme, wenn lediglich unzulässige Einwendungen erhoben würden; darunter sei die Geltendmachung subjektiver Rechte zu verstehen, über die im betreffenden Verfahren nicht abzusprechen ist oder die dem betreffenden Beteiligten nicht zustehen. Daher ist zu untersuchen, ob der Mitbeteiligte in seinem Schreiben vom 1. Oktober 2003 - also unmittelbar nachdem er am 30. September 2003 vom durchgeführten Baubewilligungsverfahren Kenntnis erlangt hatte - zulässige Einwendungen erhoben hat.
Welche Rechte dem Nachbarn im Bewilligungsverfahren nach der Wiener Bauordnung zustehen, ergibt sich aus § 134a Abs. 1 BO.
Diese Bestimmung lautet:
"(1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:
a) Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;
b)
Bestimmungen über die Gebäudehöhe;
c)
Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;
d) Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;
e) Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ergeben können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden;
f) Bestimmungen, die den Nachbarn zu Emissionen berechtigen."
Der Mitbeteiligte hat in seinem Schreiben vom 1. Oktober 2003 Lärm- und Geruchsbelästigungen geltend gemacht.
Aus § 134a Abs. 1 lit. e BO ergibt sich kein unmittelbares Nachbarrecht auf Immissionsschutz, vielmehr wird auf Bestimmungen verwiesen, die den Schutz vor Immissionen zum Inhalt haben. Da die BauO für Wien keine allgemeine Immissionsschutzbestimmung enthält (anders als etwa § 48 NÖ BauO, § 3 Z. 4 Oö. BautechnikG) und auch eine Verordnung im Sinne des § 6 Abs. 16 BO nicht erlassen wurde, ist vorrangig auf die Immissionsbeschränkungen, die die in § 6 BO ausgewiesenen Nutzungen enthalten, abzustellen.
Immissionsbeschränkungen enthalten insbesondere § 6 Abs. 6 BO für Wohngebiete und § 6 Abs. 8 BO für gemischte Baugebiete.
Das hier gegenständliche Vorhaben wurde allerdings auf einer Fläche errichtet, für das die Widmung nach § 4 Abs. 2 A (Grünland) lit. c (Schutzgebiet) Z. 1 (Wald- und Wiesengürtel) ausgewiesen ist. Auf einer solchen Fläche ist die im § 6 Abs. 3 BO beschriebene Nutzung erlaubt. Die Abs. 3 und 15 des § 6 BO lauten:
"(3) Der Wald- und Wiesengürtel ist bestimmt für die Erhaltung und Schaffung von Grünflächen zur Wahrung der gesundheitlichen Interessen der Bewohner der Stadt und zu deren Erholung in freier Natur; die land- und forstwirtschaftliche Nutzung solcher Grünflächen ist zulässig. Es dürfen nur Bauten kleineren Umfanges errichtet werden, die land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen (Bienenhütten, Werkzeughütten u. ä.), ferner die für die in freier Natur Erholung suchende Bevölkerung oder für die widmungsgemäße Nutzung und Pflege notwendigen Bauten auf jenen Grundflächen, die für solche Zwecke im Bebauungsplan (§ 5 Abs. 4 lit. n) vorgesehen sind; alle diese Bauten dürfen keine Wohnräume enthalten, mit Ausnahme von Wohnräumen in Bauten für die forstwirtschaftliche Nutzung und Pflege, die nach dem Bebauungsplan zulässig sind.
(15) Die für die widmungsgemäße Nutzung unbedingt erforderlichen baulichen Anlagen sind in allen Widmungsgebieten zulässig, im Wald- und Wiesengürtel, ausgenommen jene Flächen, die der landwirtschaftlichen Nutzung vorzubehalten sind, jedoch nur auf den dafür ausdrücklich vorgesehenen Grundflächen (§ 5 Abs. 4 lit. n)."
Im zuletzt genannten § 5 Abs. 4 BO ist aufgezählt, was Bebauungspläne zusätzlich enthalten können; die lit. n dieses Absatzes lautet:
"n) Grundflächen im Wald- und Wiesengürtel, auf denen die Errichtung von Bauten und baulichen Anlagen (Ausflugsgaststätten, Buschenschänken, Aussichtswarten, Bootsvermietungen und Ähnliches) für die in freier Natur Erholung suchende Bevölkerung oder für die widmungsgemäße Nutzung und Pflege zulässig ist, sowie in Gebieten, die der landwirtschaftlichen Nutzung vorzubehalten sind, Grundflächen, auf denen landwirtschaftliche Nutzbauten nicht errichtet werden dürfen; außerhalb von Gebieten, die der landwirtschaftlichen Nutzung vorzubehalten sind, die Zulässigkeit von Wohnräumen in Gebäuden für die forstwirtschaftliche Nutzung und Pflege;"
Den aufgezählten Bestimmungen lässt sich eine Immissionsbeschränkung nicht entnehmen. Mit der Widmung "Schutzgebiet-Wald- und Wiesengürtel" ist somit für den Nachbarn kein Immissionsschutz verbunden.
Der Mitbeteiligte hat in seinem Schreiben vom 1. Oktober 2003 aber auch gerügt, dass die Errichtung ("illegal") im Wald- und Wiesengürtel erfolgt sei und somit, dass sie mit dem bestehenden Flächenwidmungsplan nicht übereinstimme; gerade diese Nichtübereinstimmung führte ja dazu, dass eine Bewilligung gemäß § 71 BO erteilt wurde.
In seinem Erkenntnis vom 27. April 2004, Zl. 2002/05/1508, hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst darauf hingewiesen, dass sich aus der taxativen Aufzählung im § 134a BO ein Recht auf Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes nicht ableiten lässt; die Unzulässigkeit des Vorhabens auf Grund des Flächenwidmungsplanes könnte nur dann eingewendet werden, wenn die Widmung einen Immissionsschutz gewährleistet. Gewährleistet die Widmung keinen Immissionsschutz und erfolgt die Bauführung auf Grund einer Ausnahmebewilligung gemäß § 69 BO, die gemäß § 69 Abs. 2 BO u.a. nur erteilt werden darf, wenn an Emissionen nicht mehr zu erwarten ist, als sie bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht, kann der Nachbar einwenden, dass durch das Bauvorhaben relevante Beeinträchtigungen durch Immissionen im Sinne des § 134a Abs. 1 lit. e BO entstehen, die auf Emissionen zurückzuführen seien, die die im § 69 Abs. 2 BO umschriebene Grenze überschreiten.
Der Beschwerdefall ist insofern vergleichbar, als hier zwar keine Abweichung von den Bebauungsbestimmungen im Sinne des § 69 BO erlaubt wurde, sondern eine Bewilligung nach § 71 BO erteilt wurde; sowohl im § 69 BO als auch im § 71 BO geht es ja darum, dass ein Vorhaben Bestimmungen dieses Gesetzes "nicht voll entspricht".
Es erscheint daher angebracht, jene Erwägungen, die der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 27. April 2004 angestellt hat, auch im Fall einer auf § 71 BO gestützten Baubewilligung anzuwenden. In jenem Fall hatte sich der Nachbar in seinem Recht darauf verletzt erachtet, dass im Grünland-Schutzgebiet-Parkgebiet (eine Widmung, die gleichfalls keinen Immissionsschutz enthält) keine Bauten errichtet werden, welche Immissionen im Sinne des § 134a BO verursachen. Unter Hinweis auf § 69 Abs. 2 BO bejahte der Verwaltungsgerichtshof eine solche Rechtsverletzungsmöglichkeit. Der erste Satz dieser Bestimmung lautet:
"(2) Durch Abweichungen nach Abs. 1 darf die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht vermindert werden; an Emissionen darf nicht mehr zu erwarten sein, als bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht."
Es ist im Beschwerdefall nicht zu erörtern, ob hier nicht auch eine Ausnahme nach § 69 Abs. 1 lit. h in Betracht gekommen wäre, weil ausdrücklich eine Bewilligung nach § 71 BO beantragt worden war, die ja die Anwendbarkeit des § 69 BO ausschließt (hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1988, Zl. 88/05/0187). § 69 Abs. 2 BO verbietet die Ausnahmebewilligung, wenn nutzungskonforme Emissionen überschritten werden; § 71 BO verbietet eine solche Bewilligung, wenn "durch das Gesetz gegebene" subjektivöffentliche Rechte entgegenstehen. Die zuletzt genannten Formulierung ist somit viel umfassender; jedenfalls ist auch der im Gesetz grundsätzlich, wenn auch nicht immer gewährte Immissionsschutz eingeschlossen. Deshalb muss auch bei einer Bewilligung nach § 71 BO der Nachbar einwenden können, dass durch das Bauvorhaben Beeinträchtigungen durch Immissionen im Sinne des § 134a Abs. 1 lit. e BO entstehen, und damit die Widmungskonformität wegen nicht nutzungskonformer Emissionen in Zweifel ziehen können.
Die diesbezügliche Einwendung (der Errichtung eines Nebengebäudes im Wald- und Wiesengürtel) war somit zulässig und schaffte dem Mitbeteiligten die Parteistellung, die ihn zur Berufungserhebung ermächtigte. In Anbetracht des Umstandes, dass der Mitbeteiligte mit der Berufung eine erteilte Baubewilligung bekämpfte, schloss sein Antrag, der Berufung stattzugeben und den (tatsächlich schon verfügten) Abbruchauftrag wieder in Kraft zu setzen, einen Antrag auf Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides jedenfalls mit ein, sodass vom Fehlen eines begründeten Berufungsantrages (§ 63 Abs. 3 AVG) keine Rede sein kann.
Unstrittig ist, dass das Vorhaben nicht der Widmung entspricht; da sich der Mitbeteiligte wegen der damit verbundenen Immissionsbelastung darauf berufen durfte, hätte die Bewilligung nach § 71 BO seiner Zustimmung bedurft (siehe zur besonderen Rechtsstellung des Nachbarn im Verfahren nach § 71 BO Moritz, BauO für Wien3, 210). Mangels Erteilung der Zustimmung ist die belangte Behörde zu Recht mit einer Abweisung des Bauansuchens vorgegangen.
Damit erwies sich die Beschwerde als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. September 2006
Schlagworte
Voraussetzungen des Berufungsrechtes Diverses Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Baurecht NachbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004050267.X00Im RIS seit
25.10.2006Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008