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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art131 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der RB in S, vertreten durch Dr. Norbert Grill, Rechtsanwalt in 6200 Jenbach, Achenseestraße 37, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 31. Jänner 2005, GZ. Ve1-8-1/183-1, betreffend Duldungsverpflichtung gemäß § 34 Abs. 3 Tir. Bauordnung 2001 (mitbeteiligte Parteien: 1. MT in S; 2. Stadtgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung
Mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 18. Dezember 2000 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Erstmitbeteiligten die Baubewilligung für den Abbruch des bestehenden Gebäudes und dessen Wiederaufbau samt Errichtung von Zubauten bzw. für die Verwendung des Gebäudes als Wohnhaus auf dem Grundstück Nr.751/4, KG. S., nach Maßgabe der vorgelegten und amtlich korrigierten Pläne.
Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin des dem Baugrundstück nördlich unmittelbar benachbarten Grundstückes Nr. 751/3, KG.S., und der von Letzterem umfassten Baufläche .884.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2004 verpflichtete der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde u.a. die Beschwerdeführerin, auf ihren Liegenschaften, Baufläche .884 und Grundstück Nr. 751/3, KG S., für die Errichtung der Einfriedungs- bzw. Stützmauer entlang der gemeinsamen Grundgrenze auf dem Grundstück Nr. 751/4 und für die Fertigstellung der Fassaden des mit Bescheid vom 18. Dezember 2000 rechtskräftig genehmigten Neubaues auf dem Grundstück Nr. 751/4 näher angeführte Arbeiten zu dulden. Im Spruch dieses Bescheides wurden die einzelnen durchzuführenden Arbeiten (wie die Errichtung der Einfriedungs- bzw. Stützmauer, die Errichtung eines Bauzaunes, die Herstellung des Erdaushubes mit Arbeitsraum, das Betonieren des Fundaments sowie das Ein- und Ausschalen der Mauer und das Betonieren derselben, weiters die Fassadenarbeiten an den an der Grundgrenze stehenden Außenwänden des Gebäudes auf dem Grundstück Nr. 751/4 zur Anbringung des Vollwärmeschutzes und des Fassadenputzes unter Benützung eines Grundstreifens der Nachbargrundstücke - Baufläche .884 und Nr. 751/3 - mit einer Breite bis zu 1,30 m zur Aufstellung des Fassaden- bzw. Bockgerüstes) in den Punkten A und B im Wesentlichen beschrieben.
Weiters wurde angeordnet, dass das Gerüst nach Fertigstellung der Fassadenarbeiten sofort abzubauen und wiederum über den Bauplatz Nr. 751/4 abzutransportieren sei. Nach Abbau des Gerüstes sei der ursprüngliche Zustand auf den Nachbargrundstücken 751/3 und Baufläche .884 wiederherzustellen. Die Benützung der Nachbargrundstücke für die angeführten Fassadenarbeiten wurde mit zwei Wochen begrenzt.
Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wies der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 8. September 2004 betreffend Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides teils zurück, teils ab.
Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.
In der dagegen erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Stadtgemeinde - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
In der Gegenschrift der mitbeteiligten Stadtgemeinde wird darauf hingewiesen, dass die "mitbeteiligte Partei" (gemeint offensichtlich: die Beschwerdeführerin) "in möglichst restriktiver und vollständig zumutbarer Weise die Grundinanspruchnahme des Nachbargrundes gemäß § 34 TBO 2001 zugelassen" und die Erstmitbeteiligte als Bauwerberin diese Arbeiten termingerecht durchgeführt und abgeschlossen habe.
Auf Grund einer weiteren Anfrage durch den Verwaltungsgerichtshof teilte die zweitmitbeteiligte Stadtgemeinde mit, dass die in Punkt A) und B) des Bescheides vom 28. Juni 2004 genannten Baumaßnahmen (u.a. die Fassadenarbeiten an der Grundgrenze zu den Grundstücken Nr. 751/3 und Baufläche .884) Ende des Jahres 2004 durchgeführt worden seien und die hiezu erforderliche Inanspruchnahme des Nachbargrundes stattgefunden habe.
In der Folge erging unter Bezugnahme auf diese Angabe der mitbeteiligten Stadtgemeinde an den Vertreter der Beschwerdeführerin die Aufforderung, sich zur Frage der allfälligen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde zu äußern.
Die Beschwerdeführerin sprach sich gegen die Annahme der Gegenstandslosigkeit der Beschwerde aus. Das Bauvorhaben sei keineswegs abgeschlossen, sondern es würden tatsächlich laufend weitere Baumaßnahmen gesetzt, die zum Nachteil der Beschwerdeführerin erfolgten. In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdeführerin auf den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 3. August 2006, mit dem die Beschwerdeführerin als Miteigentümerin der Nachbargrundstücke Baufläche .884 und Grundstück Nr. 751/3 gemäß § 34 Abs. 3 Tir. BauO 2001 neuerlich verpflichtet wurde, auf ihren Liegenschaften für die Sanierung der nordseitigen, an der gemeinsamen Grundgrenze situierten Fassade des Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. 751/4 folgende Arbeiten über einen Zeitraum von ca. einer Woche zu dulden:
"Sanierung des schadhaften Fassadenputzes unter Verwendung eines Fassadengerüstes unter Benützung eines Grundstreifens der Nachbargrundstücke Bfl. .884 und GStNr. 751/3 mit einer Breite bis zu 1,50 m in der Länge der Fassade von ca. 11,00 m. Antransport, Aufstellung, Vorhaltung, Abbau und Abtransport des Fassadengerüstes, Durchführung der Fassadensanierungsarbeiten, Zugang und An- und Abtransport des Baumaterials."
In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, dass Frostschäden an der Vollwärmeschutzfassade der Außenwand des Wohnhauses der Erstmitbeteiligten an der Grenze zu den Grundstücken u.a. der Beschwerdeführerin zu großflächigen Abplatzungen der Deckschicht des Fassadenputzes geführt hätten, weshalb eine Erneuerung dieser Deckbeschichtung notwendig werde. Zur Duldung der Grundinanspruchnahme für die erstmalige Herstellung des Vollwärmeschutzes und des Fassadenputzes an dieser Außenwand sei u.a. die Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 28. Juni 2004 verpflichtet worden. Nunmehr habe die Erstmitbeteiligte einen neuerlichen Antrag gemäß § 34 Abs. 3 Stmk. BauG für die erforderliche Fassadensanierung gestellt.
Gegenstandslosigkeit wird gemäß der hg. Judikatur (vgl. u.a. den Beschluss vom 30. September 2002, Zl. 2001/10/0232) angenommen, wenn durch die Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit (insbesondere Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG) gewähren einer Partei nicht den Anspruch auf verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit an sich, sondern nur auf die Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei (sozusagen fortwirkend) eingreifen (siehe den angeführten hg. Beschluss vom 30. September 2002).
Die beschwerdegegenständliche Duldungsverpflichtung betraf die Inanspruchnahme des Grundes u.a. der Beschwerdeführerin für die in den Punkten A) und B) näher angeführten Arbeiten (u.a. die erstmaligen Fassadenarbeiten an der Außenwand des Wohnhauses der Erstmitbeteiligten zu den genannten Nachbargrundstücken hin). Diese Arbeiten wurden - nach dem Vorbringen der mitbeteiligten Stadtgemeinde - im Laufe des Jahres 2004 durchgeführt und abgeschlossen. Wenn - worauf die Beschwerdeführerin verweist - der erstmalig hergestellte Vollwärmeschutz und der erstmalig hergestellte Fassadenputz der Außenwand des Bauvorhabens der Erstmitbeteiligten an den Grenzen zu den Grundstücken u.a. der Beschwerdeführerin bereits sanierungsbedürftig geworden und Sanierungsmaßnahmen an der Fassade erforderlich sind, die wiederum nur unter Inanspruchnahme der Grundstücke u.a. der Beschwerdeführerin möglich sind, betrifft dies nicht die Duldungsverpflichtung des verfahrensgegenständlichen Bescheides. Die Beschwerdeführerin führt in ihrer Stellungnahme zur Frage der Gegenstandslosigkeit nicht ins Treffen, dass die Arbeiten betreffend den erstmals herzustellenden Vollwärmeschutz bzw. Fassadenputz an den betroffenen Außenwänden - entgegen den Ausführungen der mitbeteiligten Stadtgemeinde - noch nicht abgeschlossen wären. Abgesehen davon wurde die verfahrensgegenständliche Duldungsverpflichtung nur für einen Zeitraum von zwei Wochen (ab Beginn) für die im Bescheid vom 28. Juni 2004 angeführten Arbeiten eingeräumt.
Die verfahrensgegenständliche Duldungsverpflichtung hat somit für die Beschwerdeführerin keine normative Wirkung mehr. Der angefochtene Bescheid greift daher nicht mehr in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin ein.
Wegen des Wegfalls des rechtlichen Interesses der Beschwerdeführerin an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes war das vorliegende Beschwerdeverfahren somit in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen.
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG ist der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen. Würde die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.
Im vorliegenden Fall kann ohne unverhältnismäßigen Prüfungsaufwand nicht gesagt werden, wie das verwaltungsgerichtliche Verfahren ausgegangen wäre, wäre die Beschwerde nicht gegenstandslos geworden. Ein Kostenzuspruch findet daher nicht statt.
Wien, am 19. September 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005060098.X00Im RIS seit
08.11.2006Zuletzt aktualisiert am
07.07.2015