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16 MedienrechtNorm
B-VG Art20 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verneinung einer Verletzung des Objektivitätsgebotes durch einen Fernsehbeitrag; Verfassungsmäßigkeit der Einrichtung der Rundfunkkommission als weisungsfreie Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag; keine Anwendbarkeit der Verfahrensgarantien des Art6 der Menschenrechtskonvention auf das Verfahren vor der Rundfunkkommission mangels Vorliegens einer strafrechtlichen Anklage bzw eines civil rightsSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig den beteiligten Parteien zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit EUR 2.354,4 bestimmten Prozesskosten innerhalb von 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Am 15. Dezember 2000 strahlte der Österreichische Rundfunk (ORF) in der Sendung "Willkommen Österreich" im Fernsehprogramm ORF 2 einen von M P gestalteten und kommentierten Beitrag unter dem Titel "Big Brother in Meidling" aus.
In diesem Beitrag wurde kritisch über die Installierung von Videokameras in einem Mietshaus in Wien-Meidling durch den Hauseigentümer (den nunmehrigen Beschwerdeführer) berichtet.
2. Mit an die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (im Folgenden: Kommission) gerichteter Eingabe vom 5. Jänner 2001 erhob R
S "Beschwerde gegen [diesen] Fernsehbeitrag", mit der Behauptung, er sei durch dessen Ausstrahlung "durch unrichtige Tatsachenbehauptungen und Verletzung des Rundfunkgesetzes, insbesondere des Grundsatzes der objektiven Berichterstattung", in seinen Rechten verletzt worden.
3. Mit Bescheid vom 21. Mai 2001 wies die Kommission diese Beschwerde ab. Darin wird mit näherer Begründung die behauptete Verletzung des Objektivitätsgebotes gemäß §2 Abs1 Z1 lita und b RFG verneint.
4. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde vom 17. Dezember 2001 an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht werden.
Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt:
Die §§25 ff. RFG widersprächen der Verfassung, weil der Gesetzgeber seine - begrenzte - Ermächtigung, gemäß den Art20 Abs2 und 133 Z4 B-VG kollegiale Verwaltungsbehörden mit richterlichem Einschlag einzurichten, überschritten habe.
Da bei der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes nur eine nichtöffentliche Verhandlung vorgesehen sei, würden die §§25 ff. RFG weiters auch gegen Art6 Abs1 EMRK verstoßen.
Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sei der Beschwerdeführer verletzt worden, weil die belangte Behörde als erste und letzte Instanz entscheide und weder die Verletzung von Verfahrensvorschriften, noch eine inhaltlich unrichtige Entscheidung einer nachprüfenden Kontrolle unterlägen.
5. Mit Schreiben vom 8. März 2002 legte die Kommission als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor; eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
6. Mit Eingabe vom 28. Februar 2002 erstatteten G W - dieser im Hinblick darauf, dass er "zum Zeitpunkt der behaupteten RFG-Verletzung wie zu den Zeitpunkten der Bescheiderlassung bzw. dessen Zustellung ... die Funktion der Formalpartei Generalintendant iSd §30 Abs1 RFG" ausgeübt habe - Dr. H L, Informationsintendant Fernsehen, Dr. R S, Chefredakteur Aktueller Dienst, R M als Sendungsverantwortlicher und M P als gestaltender Redakteur eine Äußerung, in der sie mit näherer Begründung die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehren.
7. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes wurde diesem eine Videoaufzeichnung des strittigen Sendungsbeitrages vorgelegt.
II. Über die Beschwerde wurde erwogen:
1.1. Die Kommission ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug ist also erschöpft (vgl. zB VfSlg. 12.086/1989 mwH).
1.2. Den Umständen nach besteht die - für die Beschwerdeberechtigung vor dem Verfassungsgerichtshof essentielle - Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt wurde (s. gleichfalls VfSlg. 12.086/1989 mwH sowie VfSlg. 14.221/1995).
1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2. Der Beschwerdeführer ist mit seinem oben wiedergegebenen Vorbringen auf Grund der folgenden Erwägungen nicht im Recht:
Zur Behauptung, der Gesetzgeber habe mit der in den §§25 ff. RFG vorgesehenen Einrichtung der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes seine Ermächtigung gemäß Art20 Abs2 und Art133 Z4 B-VG überschritten, genügt es darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.886/2000 gerade diese Behörde als eine jener Behörden genannt hat, welche dem Bild des Verfassungsgesetzgebers gemäß Art20 Abs2 und Art133 Z4 B-VG entsprechen.
Die geltendgemachte Verletzung des Art6 Abs1 EMRK kommt allein schon deswegen nicht in Betracht, weil es im Administrativverfahren vor der Kommission nicht um "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" des Beschwerdeführers oder um die Stichhaltigkeit einer "strafrechtlichen Anklage" ging, sondern lediglich um die der Kommission (als der die Rechtsaufsicht über den ORF ausübende Behörde) gesetzlich übertragene Nachprüfung der Behauptung, der ORF habe unobjektiv berichtet (vgl. VfSlg. 13.513/1993).
Was schließlich das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter anlangt, so wird dieses durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde dann verletzt, wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine ihr gesetzlich zukommende Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (s. zB. VfSlg. 15.372/1998 mwH). Dies war hier offensichtlich nicht der Fall: Denn die nach §27 RFG berufene Kommission entschied meritorisch, indem sie feststellte, dass das RFG nicht verletzt worden sei. Die Frage der (materiellen) Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieses Verwaltungsaktes aber kann unter dem Aspekt des Art83 Abs2 B-VG keineswegs aufgerollt und untersucht werden (vgl. dazu VfSlg. 12.035/1989). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die belangte Behörde als erste und einzige Instanz einschritt.
3. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre, zumal die Auffassung der belangten Behörde, der betroffene Sendungsbeitrag verstoße nicht gegen das Objektivitätsgebot, jedenfalls nicht denkunmöglich ist; auch eine vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm ist nicht hervorgekommen.
Ob das in den hier präjudiziellen Bestimmungen auf der Stufe eines einfachen Bundesgesetzes stehende RFG von der belangten Behörde richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde, wie hier, gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (s. VfSlg. 13.291/1992, 13.513/1993).
Die Beschwerde erweist sich deshalb als unbegründet, sie war daher abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von EUR 392,4 sowie ein Streitgenossenzuschlag von 20% in der Höhe von EUR 327 enthalten. Die Höhe des Streitgenossenzuschlages ergibt sich aus dem Umstand, dass die in der Äußerung der beteiligten Parteien vom 28. Februar 2002 genannte erstbeteiligte Partei, der ehemalige Generalintendant Gerhard Weis, mit 1. Jänner 2002 durch die neubestellte Generaldirektorin abgelöst wurde (vgl. dazu §45 ORF-G idF BGBl. I 83/2001), und der ehemalige Generalintendant somit keine beteiligte Partei des verfassungsgerichtlichen Verfahrens (mehr) ist. Nur die Generaldirektorin ist nunmehr gemäß §23 ORF-G zur Vertretung des ORF berufen und daher im verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligte Partei, sie hat aber keine Äußerung erstattet.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Kollegialbehörde, Rundfunk, Generalsekretär, Rundfunkkommission, Objektivitätsgebot, civil rights, VfGH / Beteiligter, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B1675.2001Dokumentnummer
JFT_09979389_01B01675_00