TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/19 2005/06/0077

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Veröffentlicht am 19.09.2006
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §29;
BauG Stmk 1995 §38 Abs2 Z1 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §38 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §4 Z3;
BauG Stmk 1995 §41 Abs6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Gemeinde L, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer, Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. Jänner 2005, GZ. FA13B-12.10 L 202 - 05/34, betreffend Antrag auf Erteilung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG (mitbeteiligte Parteien: 1. NK und 2. MO, beide in S, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 9. August 2001 erteilte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin als Privatrechtsträgerin die Baubewilligung für die Errichtung eines "Aussichtsturmes L" am K-Berg auf dem Grundstück Nr. 303/3, KG U., unter Auflagen. In Punkt 3 dieses Bescheides ist betreffend die Situierung des Aussichtsturmes angeordnet, dass das Bauwerk mindestens 3,0 m von der südlichen Grundgrenze und mindestens 5,0 m von der östlichen Grundgrenze (Gemeindestraße) entfernt bleibe.

Der Aussichtsturm ist in diesem Bescheid wie folgt beschrieben: Er werde in massiver Konstruktion Stahl und Beton errichtet. Es würden zwei Stahlbeton-Dreiecke, das größere in der Höhe von 31,7 m, das kleinere in der Höhe von 21 m errichtet. Die beiden Dreiecke stünden im Winkel von 68 Grad zueinander, das größere habe eine Neigung von 79 Grad, das kleinere stehe senkrecht. Die beiden Bauteile trügen eine Stiegenanlage aus Stahl samt zweier Podeste, das erste Podest liege auf 15,12 m, die Aussichtsplattform befinde sich auf 25,20 m. Diese Ebene werde durch ein Glasdach vor Witterungseinflüssen geschützt. Im Westen werde das Ensemble durch eine Stahlbetonscheibe begrenzt, die einen seitlichen Abschluss für einen Verkaufsunterstand bilde. Die Größe der gedeckten Fläche betrage 31,0 m2, die Größe des gepflasterten Vorplatzes 186 m2.

Mit Ansuchen vom 13. Mai 2002 (eingelangt bei der Beschwerdeführerin am selben Tag) ersuchte die Beschwerdeführerin als Privatrechtsträgerin, vertreten durch den Vizebürgermeister, um die Erteilung der Benützungsbewilligung für die Errichtung des mit Bescheid vom 9. August 2001 bewilligten Aussichtsturmes am K-Berg.

Mit Bescheid vom 21. Juni 2002 hat der Bürgermeister der Beschwerdeführerin auf Grund des angeführten Ansuchens vom 13. Mai 2002 "die Benützungsbewilligung für den mit Bescheid vom 09.08.2001, Zahl ..., bewilligte(n) Errichtung des 'Aussichtsturmes' am K-Berg auf dem Bauplatz bestehend aus dem Grundstück Nr. 303/3 nach Teilung 303/6, EZ. 28, KG U..., zur Gänze erteilt."

     In diesem Bescheid ist - wie es auf Seite 1 an sich

formularmäßig vorgesehen wäre - keine der nur alternativ möglichen

Feststellungen, nämlich dass

     "-        die bauliche Anlage der Bewilligung entspricht,

     -        die Ausführung vom genehmigten Projekt nur

geringfügig abweicht,

     -        geringfügige Mängel vorliegen", durchgestrichen.

In der Bescheidbegründung werden in der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2002 vorgenommene Feststellungen des Sachverständigen wiedergegeben. Danach seien dem Ansuchen folgende Unterlagen beigefügt gewesen: Vermessungsurkunde vom 12. April 2002 und Austauschplan Nr. 031A vom März 2002. Dieser stelle einen "Ausführungsplan die Situation betreffen" dar. In diesem Befund des Sachverständigen ist weiters festgehalten, dass durch die geänderte Situierung des Aussichtsturmes eine Beeinträchtigung von Nachbarrechten, wie sie im § 26 Stmk. BauG gesichert seien, nicht erkannt werde.

In dem in der Folge wiedergegebenen Gutachten des Sachverständigen wurde das Erteilen der Benützungsbewilligung unter Auflagen befürwortet.

Der von der Beschwerdeführerin vorgelegte Austauschplan vom März 2002, Plan Nr. 031A von Architekt Dipl. Ing. J.W. enthält einen Lageplan des errichteten Aussichtsturmes. Ein Vergleich des Lageplanes des Aussichtsturmes, der Gegenstand der angeführten Baubewilligung war, mit dem im Benützungsbewilligungsverfahren vorgelegten, zeigt, dass das gesamte Bauvorhaben um ca. 90 Grad gedreht wurde. Die vorgesehenen mit Betonplatten versehenen als Vorplatz geplanten Flächen sind in ganz anderer, nicht nur verdrehter Situierung errichtet. Auf der geplanten Überdachung mit einer überdachten Fläche von ca. 31 m2 ist im vorgelegten Ausführungsplan ein Scheinwerfer vorgesehen.

Das Grundstück der Mitbeteiligten Nr. 502/2, KG U., ist südöstlich des Baugrundstückes (im Zeitpunkt der Benützungsbewilligung nach Teilung das Grundstück Nr. 303/6, KG U) gelegen. Die beiden Grundstücke haben keine gemeinsame Grundgrenze, sie stoßen lediglich an einem Eckpunkt zusammen. Der am südlichsten gelegene Teil der vorgesehenen Stiegenanlage liegt nach dem vorgelegten geänderten Lageplan ca. 18 m von diesem Eckpunkt entfernt.

Mit Schreiben vom 16. März 2004 (eingelangt bei der Beschwerdeführerin am 18. März 2004) beantragten die Mitbeteiligten die Beseitigung des gegenständlichen Bauwerkes "(Aussichtsturm und Parkplatz)" gemäß § 26 Abs. 1 Z. 6 Stmk. BauG.

Mit Bescheid vom 21. April 2004 wies die Bürgermeisterin der Beschwerdeführerin diesen Antrag der Mitbeteiligten gemäß § 41 Abs. 3 und Abs. 6 Stmk. BauG i.V.m. § 26 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. zurück (Spruchpunkt I.) und erteilte in Spruchpunkt II. den Auftrag, die auf dem Baugrundstück situierten Kfz-Abstellplätze, soweit sie die ersten beiden Plätze an der Gemeindestraße überstiegen (sohin 12 solcher Plätze), binnen einer Frist von einem Monat ab Rechtskraft dieses Bescheidspruches zu beseitigen.

Spruchpunkt I. wurde insbesondere damit begründet, der Vorwurf gehe dahin, dass der Aussichtsturm nicht konsensgemäß errichtet, sondern verdreht errichtet worden sei. Es sei grundsätzlich richtig, dass aus der Benützungsbewilligung nicht das Recht abgeleitet werden könne, einen dem Baugesetz oder der Baubewilligung widersprechenden Zustand zu belassen. Diese Aussage gelte jedoch nicht so allgemein. Würden im Benützungsbewilligungsbescheid bewilligungspflichtige Abweichungen von der Bau- und Widmungsbewilligung genehmigt, so komme diesem Teil des Bescheides konstitutive Wirkung zu. Dies gelte in jedem Fall, wenn die Benützungsbewilligung auch Elemente einer Baubewilligung enthalte. Dies sei grundsätzlich und schon dort der Fall, wo die Baubehörde eine Benützungsbewilligung erteile, obwohl offensichtlich Abweichungen vom Baukonsens vorlägen. Eine solche Benützungsbewilligung weise, und zwar ohne dass dies in ihrer Form zum Ausdruck kommen müsse, Merkmale einer Baubewilligung auf (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 5. März 1987, Zl. 86/06/0262).

Die Mitbeteiligten erhoben gegen diesen Spruchpunkt Berufung und machten insbesondere geltend, dass der Aussichtsturm gegenüber dem eingereichten Projekt um 90 Grad verdreht errichtet worden sei. Es handle sich daher um ein völlig verändertes Bauwerk. Durch diese Verdrehung sei der Abstand zu den Nachbargrundstücken verändert worden und zu gering "(im Süden 0,3 - 0,5 m)". Außerdem sei durch die Verdrehung die Lärmbelästigung auf Grund der Stahlblechtreppenkonstruktion erhöht worden und werde durch die extreme Höhe von 35 m noch verstärkt. Durch die ohne Konsens angebrachte Beleuchtung am Turm liege auch eine über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende Beeinträchtigung in der Nacht vor. Hätte die Behörde festgestellt, dass einerseits die zwingenden Abstandsbestimmungen nicht eingehalten worden seien, eine Gesundheitsgefährdung durch Lärm und durch die Beleuchtung eintrete und ein Widerspruch zur örtlichen Raumplanung gegeben sei, wäre ein Beseitigungsauftrag zu erlassen gewesen. § 13 Abs. 12 Stmk. BauG schreibe vor, dass im Falle von das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigungen oder Gesundheitsgefährdungen größere Abstände anzuordnen seien.

Mit Bescheid vom 24. August 2004 wies der Gemeinderat der Beschwerdeführerin diese Berufung als unbegründet ab. Die Berufungsbehörde führte im Wesentlichen aus, dass die Verdrehung des Aussichtsturmes im Sinne einer geänderten Situierung Gegenstand des Bewilligungsabspruches des Benützungsbewilligungsbescheides vom 21. Juni 2002 sei. Es sei eine Verdrehung um 180 Grad vorgenommen worden, weshalb die Lage und Stärke des Fundamentsockels unverändert sei. Der Turm selbst stelle sich als eine Art von Skulptur dar, auf eine solche Skulptur fänden die Abstandsbestimmungen des § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Stmk. BauG keine Anwendung. Durch eine solche Verdrehung könnten auch keine Belange des § 13 Abs. 12 Stmk. BauG berührt werden, zumal die Tatsache notorisch sei, dass Lärm sich "kugelförmig" ausbreite. Es sei daher davon auszugehen, dass für die vorliegende bauliche Anlage ein aufrechter baubehördlicher Konsens vorliege.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung der Mitbeteiligten wegen Verletzung ihrer Rechte Folge und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Beschwerdeführerin.

Die belangte Behörde führte dazu im Wesentlichen aus, dass gemäß § 38 Abs. 6 Stmk. Baugesetz (Stmk. BauG) die Benützungsbewilligung zu erteilen sei, wenn die bauliche Anlage der Bewilligung entspreche, bei Vorliegen geringfügiger Mängel unter Vorschreibung von Auflagen oder wenn die Ausführung vom genehmigten Projekt nur geringfügig abweiche. Für die Erstellung des vorliegenden Benützungsbewilligungsbescheides sei ein Formular verwendet worden, auf dem die möglichen Varianten (1. die bauliche Anlage entspreche der Bewilligung, 2. die Ausführung weiche vom genehmigten Projekt nur geringfügig ab, 3. es lägen geringfügige Mängel vor) angeführt seien, wobei nicht Zutreffendes zu streichen sei. Im Spruch sei hinsichtlich konkreter Abweichungen nichts weiteres enthalten.

Ein Vergleich des ursprünglich genehmigten Einreichplanes mit dem im Benützungsbewilligungsverfahren vorgelegten Ausführungsplan, der im Übrigen im Spruch des Bescheides nicht zum Bestandteil des Bescheides erklärt worden sei, ergebe, dass der Turm um 90 Grad gedreht worden sei. Eine Drehung um 180 Grad, wie dies die Berufungsbehörde vertreten habe, sei für die belangte Behörde nicht erkennbar. Durch die Drehung des Turmes hätten sich die einzelnen Plattformen und auch die dem eigentlichen Turm vorgelagerte Attika um jeweils 90 Grad verschoben. Damit habe sich auch die Situierung der Grundrissfläche wesentlich verändert.

Es stelle sich die Frage, ob die Drehung des Turmes und die Veränderung der Grundrissfläche lediglich eine geringfügige Abweichung im Sinne des § 38 Abs. 6 dritter Fall Stmk. BauG darstelle. Dabei sei festzustellen, dass durch die Unterlassung der Streichung im Spruch des Benützungsbewilligungsbescheides dieser widersprüchlich sei, da eine Anlage entweder der Bewilligung entsprechen könne oder geringfügige Mängel bzw. Abweichungen aufweise. Nach Hauer/Trippl, Steiermärkisches Baurecht4, FN 14 zu § 38, seien geringfügige Abweichungen im Spruch des Bescheides entsprechend zu beschreiben und es dürfe im Falle, dass die Abweichungen über das geringfügige Ausmaß hinausgingen, keine Benützungsbewilligung erteilt werden. In einem solchen Fall müsse zunächst eine gesonderte Baubewilligung für diese größeren Abweichungen erwirkt werden. Durch die Drehung des Turmes habe sich die Ausrichtung der einzelnen Plattformen verschoben, wodurch sich die äußere Gestaltung verändert habe und darüber hinaus eine Berührung von Interessen der Nachbarn durch das Heranrücken der höchstgelegenen Plattform an die Nachbargrundgrenze nicht ausgeschlossen werden könne. Insgesamt sei daher davon auszugehen, dass es sich im vorliegenden Falle um ein sogenanntes aliud handle, diese geänderte Ausführung eine mehr als geringfügige Abweichung vom genehmigten Projekt darstelle, sodass diese mit dem Benützungsbewilligungsbescheid nicht nachträglich bewilligt worden sei. Außerdem fehle im Spruch jegliche Beschreibung der Abänderung und es sei auch nicht auf den vorgelegten Austauschplan Bezug genommen worden. Dies sei einzig und allein im Befund des bautechnischen Sachverständigen erfolgt, der sich auf die Feststellung beschränkt habe, die geänderte Situierung des Aussichtsturmes stelle keine Beeinträchtigung von Nachbarn dar.

Die Mitbeteiligten seien zwar dahingehend nicht im Recht, dass die Abstandsbestimmungen des § 13 Abs. 1 und 2 Stmk. BauG anzuwenden seien, da es sich bei dem Aussichtsturm nicht um ein Gebäude im Sinne des § 4 Z. 28 Stmk. BauG handle, jedoch sei offensichtlich der angeführte Auflagepunkt nicht eingehalten worden. Die Baubehörden hätten sich mit dem Vorbringen, dass der Turm lediglich einen Abstand von 0,3 m bis 0,5 m zur Nachbargrundgrenze einhalte, nicht weiter auseinander gesetzt und diesbezüglich auch keine Ermittlungen durchgeführt. Auszugehen sei davon, dass im Ausführungsplan der Abstand der südlichen Plattform zur südlichen Grundgrenze etwa 1,4 m betrage, dieser jedoch tatsächlich - nach Aussage der Mitbeteiligten - ca. 1 m weniger betragen solle. Dies bedeute, dass möglicherweise das ausgeführte Projekt auch nicht dem Ausführungsplan entspreche. Dieses Vorbringen hätten die Baubehörden jedenfalls näher prüfen müssen.

Schließlich sei im ursprünglich genehmigten Projekt eine Beleuchtung des Turmes nicht vorgesehen gewesen. Demgegenüber sei jedoch im Ausführungsplan ein Scheinwerfer auf der Attika-Mauer eingezeichnet und es hätten die Mitbeteiligten vorgebracht, dass - entgegen der Baubewilligung - der Turm beleuchtet werde und dadurch eine Benützung des Turmes auch in den Abendstunden möglich sei.

Durch die Drehung des Turmes um ca. 90 Grad, das offensichtliche Heranrücken des Turmes an die Grundstücksgrenze - das von den Baubehörden nicht geprüft worden sei - sowie durch die Anbringung einer Beleuchtung stelle sich das Bauwerk als ein anderes dar, für das eine Baubewilligung nicht vorliege. Eine solche sei auch durch die Benützungsbewilligung vom 21. Mai 2004 nicht erteilt worden, sei doch im Spruch lediglich festgestellt worden, dass die Ausführung vom genehmigten Projekt nur geringfügig abweiche. Tatsächlich seien die Abweichungen vom genehmigten Projekt zweifelsohne mehr als geringfügig.

Gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG bestehe ein Rechtsanspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages, wenn die baulichen Maßnahmen Rechte der Nachbarn im Sinne des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG verletzten. Nach der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur komme es dabei auf eine tatsächliche Verletzung von Nachbarrechten an. Im Schreiben der Mitbeteiligten vom 2. November 2003, das im Antrag vom 16. März 2004 erwähnt werde, sei die Verletzung der Abstände sowie eine Lärmbelästigung geltend gemacht worden. Damit hätte sich die Baubehörde im fortzusetzenden Verfahren auseinander zu setzen.

Zusammenfassend ergebe sich somit, dass durch den angefochtenen Bescheid, insbesondere durch die von den Baubehörden vertretene Rechtsansicht, dass die vorliegende bauliche Anlage einen aufrechten baubehördlichen Konsens aufweise, Rechte der Mitbeteiligten verletzt würden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die Mitbeteiligten - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG steht den Nachbarn das Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder sonstigen Maßnahmen im Sinne der Abs. 1, 3 und 4 ihre Rechte (§ 26 Abs. 1) verletzen.

Gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung hat die Behörde die Baueinstellung zu verfügen, wenn Vorhaben gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen, insbesondere wenn

1.

bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung,

2.

anzeigepflichtige Vorhaben ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 oder

              3.              baubewilligungsfreie Vorhaben nicht im Sinne dieses Gesetzes ausgeführt werden.

Gemäß Abs. 3 erster Satz dieser Bestimmung hat die Behörde hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen.

Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk. BauG), kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind nach

Z. 2, 3 und 6 dieses Absatzes Bestimmungen über

"2.

die Abstände (§ 13);

3.

den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);

4.

...

6.

die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."

Gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG muss jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschoße, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

Gemäß Abs. 12 dieser Bestimmung hat die Behörde größere Abstände vorzuschreiben, wenn der Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft erwarten lässt oder dies zum Schutz des Ortsbildes erforderlich ist.

Gemäß § 4 Z. 3 Stmk. BauG ist eine geringfügige Abweichung vom genehmigten Projekt eine Änderung in der Bauausführung, wodurch weder öffentliche noch nachbarliche Interessen berührt werden und das Projekt in seinem Wesen nicht verändert wird.

Gemäß § 4 Z. 28 leg. cit. ist ein Gebäude eine bauliche Anlage, die mindestens einen oberirdischen überdeckten Raum bildet, der an den Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen ist. Als Gebäude gelten jedoch auch offene Garagen.

§ 38 Abs. 1 bis 6 Stmk. BauG i.d.F. LGBl. Nr. 78/2003 sieht betreffend die Benützungsbewilligung Folgendes vor:

"(1) Der Bauherr hat nach Vollendung von Neu-, Zu- oder Umbauten (§ 19 Z. 1) von Garagen (§ 19 Z. 3 und § 20 Z. 2 lit. b), von Neu-, Zu- oder Umbauten von Kleinhäusern (§ 20 Z. 1) und von Hauskanalanlagen oder Sammelgruben (§ 20 Z. 3 lit. g) und vor deren Benützung um die Erteilung der Benützungsbewilligung anzusuchen.

(2) Dem Ansuchen sind folgende Unterlagen anzuschließen:

1. eine Bescheinigung des Bauführers oder eines Ziviltechnikers mit einschlägiger Befugnis über die bewilligungsgemäße und den Bauvorschriften entsprechende Bauausführung unter Angabe allfälliger geringfügiger Abweichungen;

2. ...

(3) Die Behörde hat mit schriftlichem Bescheid darüber zu entscheiden, ob und von welchem Zeitpunkt an die bauliche Anlage benützt werden darf.

(4) Die Benützungsbewilligung ist auf Grund der Aktenlage zu erteilen, wenn die Unterlagen gemäß Abs. 2 vorliegen.

(5) Wird in den Fällen des § 19 Z. 1 und Z. 3 sowie § 20 Z. 1 und Z. 2 lit. b keine Bescheinigung gemäß Abs. 2 Z. 1 vorgelegt, hat die Behörde zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Benützungsbewilligung vorliegen.

(6) Die Benützungsbewilligung ist zu erteilen,

-

wenn die bauliche Anlage der Bewilligung entspricht,

-

bei Vorliegen geringfügiger Mängel unter der Vorschreibung von Auflagen oder

-

wenn die Ausführung vom genehmigten Projekt nur geringfügig abweicht."

Nach der bereits erwähnten Regelung des § 41 Abs. 6 Stmk. BauG besteht ein Anspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages, wenn die betroffenen baulichen Maßnahmen Rechte des Nachbarn tatsächlich verletzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2000, Zl. 99/06/0069).

Bei der Überprüfung eines aufhebenden Vorstellungsbescheides ist weiters zu beachten, dass nur die die Aufhebung tragenden Gründe bindend sind. Nur im Hinblick auf diese kommt eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin in Betracht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 2000/06/0144).

Im vorliegenden Fall waren die die Aufhebung tragenden Gründe die Folgenden: Der um 90 Grad gedreht errichtete Aussichtsturm stelle ein aliud zu jenem geplanten Aussichtsturm dar, der mit Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom 9. August 2001 bewilligt wurde. Diese veränderte Situierung des errichteten Aussichtsturmes sei nicht als geringfügige Abweichung vom ursprünglichen Bauvorhaben zu qualifizieren. Durch die Drehung habe sich die Situierung der Grundrissfläche wesentlich geändert, die Ausrichtung der einzelnen Plattformen habe sich verschoben, wodurch sich die äußere Gestaltung des Turmes verändert habe, und durch das Heranrücken der höchstgelegenen Plattform an die Nachbargrundgrenze könnte eine Berührung von Interessen der Nachbarn nicht ausgeschlossen werden. Für diesen wesentlich geändert errichteten Aussichtsturm enthalte der Benützungsbewilligungsbescheid keine Baubewilligung. Dazu komme, dass im Spruch des Benützungsbewilligungsbescheides keine Beschreibung der Abänderung erfolgt sei und auch keine Bezugnahme auf den im Benützungsbewilligungsverfahren vorgelegten Austauschplan, der lediglich in der Begründung des erstinstanzlichen Benützungsbewilligungsbescheides erwähnt werde. Ausgehend davon, dass für den geändert errichteten Turm keine Baubewilligung vorliege, hätten sich die Baubehörden gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG nach Ansicht der belangten Behörde mit der von den Mitbeteiligten erhobenen Abstandsverletzung zur südlichen Grundgrenze (nach dem Vorbringen in der Berufung halte der errichtete Turm zu der südlichen Grenze nur einen Abstand von 0,4 bis 0,5 m ein) auseinander setzen müssen. Dies gelte (insbesondere mit dem nunmehr vorgesehenen Scheinwerfer auf der Attika) in gleicher Weise für die von den Mitbeteiligten geltend gemachte Lärmbelästigung.

Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, dass die Abweichungen des errichteten Aussichtsturmes von der Baubewilligung nur geringfügige seien, da sie im Sinne des § 4 Z. 3 Stmk. BauG weder öffentliche noch nachbarliche Interessen berührten und das Projekt in seinem Wesen nicht verändert werde. Mit der Benützungsbewilligung vom 21. Juni 2002 sei der errichtete Aussichtsturm in der nach Maßgabe des Änderungsplanes geänderten Ausführung auch bewilligt worden. Dies ergebe sich nach Ansicht der Beschwerdeführerin aus dem Spruch und den Gründen des Benützungsbewilligungsbescheides, die eine Einheit bildeten. Der Bescheid betreffend die Erteilung der Benützungsbewilligung des verfahrensgegenständlichen Aussichtsturmes sei rechtskräftig und entfalte seine materiellen Wirkungen selbst dann, wenn er etwa nicht vollends rechtsrichtig wäre. Sofern die Abweichungen des bewilligten Aussichtsturmes nicht als geringfügig beurteilt würden, ließe die vorliegende Benützungsbewilligung erkennen, dass diese mit bewilligt worden seien. Es liege daher nach Ansicht der Beschwerdeführerin ein aufrechter baurechtlicher Konsens für den tatsächlich errichteten Aussichtsturm vor.

Maßgebliche Frage ist im vorliegenden Fall zunächst, was Inhalt des Benützungsbewilligungsbescheides vom 21. Mai 2002 ist. Der Spruch dieser Bewilligung lautet, dass die Benützungsbewilligung für die mit Bescheid vom 9. August 2001 bewilligte Errichtung des "Aussichtsturmes" am K-Berg auf dem näher angeführten Bauplatz zur Gänze erteilt wird. Von den im Bescheidformular alternativ vorgesehenen Feststellungen im Sinne des § 38 Abs. 6 Stmk. BauG ist keine gestrichen. Der Spruch des Bescheides betreffend die Erteilung der Benützungsbewilligung erweist sich insofern als unklar. Aus der Begründung des Bescheides ergibt sich, dass die Benützungsbewilligung für den geändert errichteten Aussichtsturm erteilt werden sollte, wozu ein Lageplan, aus dem die geänderte Situierung ersichtlich ist, vorgelegt wurde.

Zu der weiteren Frage, ob die verfahrensgegenständliche Abweichung des errichteten Aussichtsturms zu dem bewilligten als geringfügig im Sinne des § 4 Z. 3 Stmk. BauG qualifiziert werden könnte, teilt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, dass mit dem tatsächlich errichteten Aussichtsturm, der zu dem bewilligten Projekt um 90 Grad in seiner Lage gedreht wurde, das ursprünglich bewilligte Bauvorhaben in seinem Wesen verändert wurde und daher keine bloß geringfügige Abweichung vorliegt. Hinzu kommt dabei auch noch, dass der geändert errichtete Aussichtsturm auf der vorgesehenen Attika eine Beleuchtung des Turmes durch einen Scheinwerfer vorsieht und die Benützung damit auch am Abend möglich ist.

Daher stellt sich die weitere Frage, ob die erteilte Benützungsbewilligung auch dahin gedeutet werden könnte, dass mit ihr auch eine Baubewilligung für den geändert errichteten Aussichtsturm erteilt wurde. Grundsätzlich ist davon auszugeben, dass (nach dem Konzept des Gesetzes) durch eine Benützungsbewilligung ein bewilligungswidriger Zustand nicht saniert wird und aus einer Benützungsbewilligung auch kein Recht auf die Belassung eines der Bauordnung oder dem Baukonsens nicht entsprechenden Zustandes abgeleitet werden kann (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 30. Juni 1994, Zl. 93/06/0029, vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/05/0302, und vom 23. September 1999, Zl. 98/06/0196; siehe auch die in Hauer - Trippl, Steiermärkisches Baurecht, S. 387 ff, zu § 38 leg. cit. angeführte weitere hg. Judikatur). Der vorliegende Spruch des Benützungsbewilligungsbescheides enthält - worauf die belangte Behörde zutreffend verwiesen hat - keinen Anhaltspunkt, dass neben der Erteilung der Benützungsbewilligung auch eine Baubewilligung für den wesentlich geändert errichteten Aussichtsturm erteilt werden sollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2002, Zl. 2000/06/0038). Dem Spruch über die Erteilung der Benützungsbewilligung kann im vorliegenden Fall eine solche (derartigen Bescheiden grundsätzlich nicht zukommende) Wirkung nicht unterlegt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994). Auch die Begründung enthält keinerlei Hinweis darauf, dass die Baubehörde mit der Benützungsbewilligung auch eine Baubewilligung erteilen wollte, wobei selbst eine andere Begründung zu keinem anderen Ergebnis führen konnte, weil die Begründung eines Bescheides einen fehlenden Abspruch nicht zu ersetzen vermag (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, und auch das hg. Erkenntnis vom 24. September 1992, Zl. 91/06/0233, dem letzteren lag ein Benützungsbewilligungsbescheid zu Grunde, der auch einen Abspruch über die Erteilung einer Baubewilligung enthielt). Auch dem von den Baubehörden zitierten hg. Erkenntnis vom 5. März 1987, Zl. 86/06/0262, das im Übrigen zu einer früher geltenden Rechtslage ergangen ist, kann nichts Anderes entnommen werden. Eine Benützungsbewilligung kann nur dann auch als Baubewilligung gedeutet werden, wenn ihr (in welcher Form auch immer) Elemente einer Baubewilligung entnehmbar sind. Es mag zwar schon sein, dass die Gemeindebehörde anlässlich der Erteilung der Benützungsbewilligung auch eine Baubewilligung für die geänderte bauliche Ausführung erteilen wollte, das ist aber im Bescheid (anders als in dem dem hg. Erkenntnis vom 29. November 2005, Zl. 2002/06/0031, zu Grunde liegenden Fall) nicht ausreichend normativ zum Ausdruck gekommen.

Nicht im Recht ist die belangte Behörde jedoch darin, dass die Mitbeteiligten in abstandsrechtlicher Hinsicht in Nachbarrechten verletzt sein könnten. Die Mitbeteiligten sind nicht Eigentümer des dem Baugrundstück südlich benachbarten Grundstückes, in Bezug auf das in der ursprünglichen Baubewilligung ein bestimmter Abstand vorgesehen war. Es kann daher dahinstehen, ob aus dieser Auflage ein Nachbarrecht abzuleiten wäre. Das Grundstück der Beschwerdeführer liegt östlich des südlich von diesem gelegenen Nachbargrundstückes und berührt das Baugrundstück in seinem nordwestlichen Eckpunkt.

Indem die belangte Behörde die Ansicht vertrat, die Berufungsbehörde müsse sich im fortgesetzten Verfahren mit der Einhaltung des Abstandes zur südlichen Grundgrenze auseinander setzen, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Bei einem aufhebenden Vorstellungsbescheid ergibt sich seine Rechtswidrigkeit schon dann, wenn sich nur einer der die Aufhebung tragenden Gründe als rechtswidrig erweist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 95/05/0186). Dass die belangte Behörde daneben zu Recht eine entsprechende Auseinandersetzung mit den von den Mitbeteiligten befürchteten Lärmimmissionen für erforderlich hielt, ändert an diesem Ergebnis nichts.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. September 2006

Schlagworte

Baurecht Nachbar Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005060077.X00

Im RIS seit

18.10.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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