TE OGH 1998/3/31 10ObS453/97h

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Veröffentlicht am 31.03.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Hon.-Prof.Dr. Danzl als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ernst Boran (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef Sch*****, vertreten durch Dr. Arnulf Summer und Dr. Niklaus Schertler, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Oktober 1997, GZ 23 Rs 37/97f-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15. Mai 1997, GZ 34 Cgs 6/97k-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß die beklagte Partei schuldig ist, der klagenden Partei über den Entziehungszeitpunkt 28.2.1997 hinaus das Pflegegeld der Stufe 2 in Höhe von S 3.688,-- monatlich weiterzugewähren; das Mehrbegehren auf Leistung von Pflegegeld der Stufe 3 wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen seines Vertreters binnen 14 Tagen die mit S 4.058,88 (hierin enthalten S 676,48 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Vorarlberg vom 6.7.1983, 2 C 12/83-9, war die beklagte Partei schuldig erkannt worden dem am 18.6.1922 geborenen Kläger ab 26.5.1992 einen Hilflosenzuschuß im jeweiligen gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen.

Gemäß der Übergangsbestimmung des § 38 Abs 1 BPGG bezog der Kläger ab 1.7.1993 Pflegegeld der Stufe 2.Gemäß der Übergangsbestimmung des Paragraph 38, Absatz eins, BPGG bezog der Kläger ab 1.7.1993 Pflegegeld der Stufe 2.

Mit Bescheid vom 15.1.1997 sprach die beklagte Partei aus, daß dem Kläger zu seiner Pension kein Pflegegeld mehr gebühre, weil er laut ärztlichem Untersuchungsergebnis unter Berücksichtigung seiner Lebensumstände die dauernd wiederkehrenden lebensnotwendigen Verrichtungen selbst besorgen könne und der seinerzeit festgestellte Pflegebedarf nicht mehr vorliege.

Mit seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Klage stellte der Kläger das Begehren, ihm das Pflegegeld der Stufe 3 zu gewähren.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger über den Entziehungszeitpunkt 28.2.1997 hinaus das Pflegegeld der Stufe 2 weiterzugewähren; das Mehrbegehren, gerichtet auf Stufe 3 ab 1.3.1997, wurde - unbekämpft und damit rechtskräftig - abgewiesen.

Das Erstgericht stellte hiezu - zusammengefaßt - fest, daß im Gesundheitszustand des Kläger zwischenzeitlich keine Besserung eingetreten sei. Im Gegenteil sei es durch einen Wirbelbruch zu einer weiteren Erschwernis beim Bücken und Gehen gekommen. Des weiteren habe sich das Asthma eher verschlechtert und befinde sich der Kläger in dauernder lungenfachärztlicher Behandlung. Bereits bei geringster körperlicher Anstrengung komme es zu verstärkter Atemnot aufgrund der schweren asthmaoiden Empyhsembronchitis. Aufgrund der schweren Kontrakturen mit Fehlen beider Kleinfinger und der Bewegungseinschränkung beider Daumen und anderer Finger sowie der Veränderungen an beiden Füßen sei der Kläger bei der Bewältigung der täglichen Verrichtungen stark eingeschränkt. Er benötige Fremdhilfe bei der Ganzkörperreinigung sowie bei der Zubreitung von Mahlzeiten. Wegen der Kontrakturen und Amputationen an den Händen sei lediglich die Zubereitung von Fertigmahlzeiten zuzumuten, wobei das Hantieren mit heißen Töpfen gewisse Gefahren in sich berge. Das An- und Auskleiden sei ihm bei entsprechender Kleidung mit entsprechender Mühe und entsprechendem Zeitaufwand möglich. Hilfe benötige er jedoch für das Herbeischaffen von Nahrungsmitteln und Medikamenten, für die Wohnungsreinigung und für die Pflege der Leib- und Bettwäsche. Der gesamte monatliche Hilfs- bzw Betreuungsaufwand liegt bei 64 Stunden.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß gemäß § 9 Abs 2 BPGG zu prüfen gewesen sei, ob sich im Gesundheitszustand des Klägers eine wesentliche Änderung (Verbesserung) ergeben habe, was jedoch zu verneinen sei. Dem Klagebegehren sei daher insoweit stattzugeben gewesen, als die beklagte Partei das Pflegegeld der Stufe 2 auch weiterhin zu gewähren habe. Aufgrund des festgestellten Pflegebedarfes von bloß monatlich 65 Stunden sei jedoch eine Erhöhung auf die beanspruchte Stufe 3 nicht möglich.In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BPGG zu prüfen gewesen sei, ob sich im Gesundheitszustand des Klägers eine wesentliche Änderung (Verbesserung) ergeben habe, was jedoch zu verneinen sei. Dem Klagebegehren sei daher insoweit stattzugeben gewesen, als die beklagte Partei das Pflegegeld der Stufe 2 auch weiterhin zu gewähren habe. Aufgrund des festgestellten Pflegebedarfes von bloß monatlich 65 Stunden sei jedoch eine Erhöhung auf die beanspruchte Stufe 3 nicht möglich.

Über Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht diese Entscheidung dahin ab, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, dem Kläger über den Entziehungszeitpunkt hinaus das Pflegegeld der Stufe 1 zu gewähren; das Mehrbegehren, gerichtet auf Stufe 2 oder 3 nach dem BPGG, wurde abgewiesen.

Abweichend vom Erstgericht kam das Berufungsgericht zum Schluß, daß eine wesentliche Änderung im Sinne des § 9 Abs 2 BPGG beim Kläger deshalb anzunehmen sei, weil sein gesamter monatlicher Hilfs- und Betreuungsaufwand nicht mindestens 75 Stunden (wie es der bisher zuerkannten Pflegestufe 2 entsprochen habe), sondern nur mehr 64 Stunden monatlich betrage. Damit lägen aber die zum 1.7.1993 fingierten gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 2 nicht mehr vor, sodaß dieses auf die Stufe 1 zu reduzieren sei.Abweichend vom Erstgericht kam das Berufungsgericht zum Schluß, daß eine wesentliche Änderung im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, BPGG beim Kläger deshalb anzunehmen sei, weil sein gesamter monatlicher Hilfs- und Betreuungsaufwand nicht mindestens 75 Stunden (wie es der bisher zuerkannten Pflegestufe 2 entsprochen habe), sondern nur mehr 64 Stunden monatlich betrage. Damit lägen aber die zum 1.7.1993 fingierten gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 2 nicht mehr vor, sodaß dieses auf die Stufe 1 zu reduzieren sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Revision des Klägers kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

In der vom Berufungsgericht zur Stützung seiner Annahme zitierten Entscheidung 10 ObS 93/95, veröffentlicht in SSV-NF 9/52 = JBl 1996, 198, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß einem Pensionisten, der Anspruch auf Hilflosenzuschuß hatte, und dem ab dem Inkrafttreten des BPGG Pflegegeld in der Höhe der Stufe 2 geleistet wurde, das Pflegegeld dann entzogen werden kann, wenn nunmehr der ständige Pflegebedarf nicht mehr über 50 Stunden monatlich liegt; daß die Voraussetzungen für den seinerzeit gewährten Hilflosenzuschuß nicht mehr vorhanden sind, ist nicht erforderlich. Während allerdings bei dem dieser Entscheidung - ebenso wie jener zu 10 ObS 2418/96b - zugrundeliegenden Sachverhalt im Zustand des jeweiligen Klägers eine wesentliche Besserung eingetreten war, wurde im hier zur Beurteilung anstehenden Fall geradezu gegenteilig festgestellt, daß im Zustand des Klägers nicht nur keine Besserung, sondern tatsächlich sogar eine Verschlechterung eingetreten ist. Da der bis zum Inkrafttreten des BPGG gebührende Hilflosenzuschuß nach § 105a ASVG keinen - wie nunmehr dessen § 4 - Stundenkatalog erforderlicher Pflege- und Hilfseinrichtungen kannte, sondern davon unabhängig dann gebührte, wenn die Hilflosigkeit das im Gesetz umschriebene Ausmaß erreichte, kann die allein auf die (nunmehrige) Stundenzahl von weniger als 75 Stunden monatlich abstellende Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes, es habe sich eine im Sinne des § 9 BPGG wesentliche Veränderung ergeben, welche die Herabsetzung auf die niedrigste Stufe 1 rechtfertige, nicht gebilligt werden. Eine solche Neubemessung hätte vielmehr eine wesentliche Veränderung im Zustandsbild des Klägers vorausgesetzt, und in dessen Folge eine Änderung im Umfang des Pflegebedarfes im Sinne einer Verminderung dieses Bedarfes an welcher es hier jedoch gerade mangelt. Der seinerzeitigen Gewährung des Hilflosenzuschusses ab Mai 1992 lag eine rechtskräftige Entscheidung zugrunde, in deren Rahmen bloß aufgrund der Übergangsbestimmungen des BPGG nach dessen Einführung Pflegegeld der Stufe 2 gewährt wurde. Nur eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen rechtfertigte daher einen Eingriff in die Rechtskraft dieser (Vor-)Entscheidung (Pfeil, BPGG 128 ebenfalls unter Hinweis auf die bereits zitierte Entscheidung SSV-NF 9/52). Diesbezüglich haben die gleichen Grundsätze zu gelten, die der Senat etwa auch im Zusammenhang mit der Entziehung sonstiger Leistungsansprüche nach § 99 ASVG oder bei Neufeststellung einer Versehrtenrente nach § 183/ASVG stets zur Anwendung bringt (vgl etwa SSV-NF 3/86, 6/71 oder 10 ObS 2060/96f).In der vom Berufungsgericht zur Stützung seiner Annahme zitierten Entscheidung 10 ObS 93/95, veröffentlicht in SSV-NF 9/52 = JBl 1996, 198, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß einem Pensionisten, der Anspruch auf Hilflosenzuschuß hatte, und dem ab dem Inkrafttreten des BPGG Pflegegeld in der Höhe der Stufe 2 geleistet wurde, das Pflegegeld dann entzogen werden kann, wenn nunmehr der ständige Pflegebedarf nicht mehr über 50 Stunden monatlich liegt; daß die Voraussetzungen für den seinerzeit gewährten Hilflosenzuschuß nicht mehr vorhanden sind, ist nicht erforderlich. Während allerdings bei dem dieser Entscheidung - ebenso wie jener zu 10 ObS 2418/96b - zugrundeliegenden Sachverhalt im Zustand des jeweiligen Klägers eine wesentliche Besserung eingetreten war, wurde im hier zur Beurteilung anstehenden Fall geradezu gegenteilig festgestellt, daß im Zustand des Klägers nicht nur keine Besserung, sondern tatsächlich sogar eine Verschlechterung eingetreten ist. Da der bis zum Inkrafttreten des BPGG gebührende Hilflosenzuschuß nach Paragraph 105 a, ASVG keinen - wie nunmehr dessen Paragraph 4, - Stundenkatalog erforderlicher Pflege- und Hilfseinrichtungen kannte, sondern davon unabhängig dann gebührte, wenn die Hilflosigkeit das im Gesetz umschriebene Ausmaß erreichte, kann die allein auf die (nunmehrige) Stundenzahl von weniger als 75 Stunden monatlich abstellende Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes, es habe sich eine im Sinne des Paragraph 9, BPGG wesentliche Veränderung ergeben, welche die Herabsetzung auf die niedrigste Stufe 1 rechtfertige, nicht gebilligt werden. Eine solche Neubemessung hätte vielmehr eine wesentliche Veränderung im Zustandsbild des Klägers vorausgesetzt, und in dessen Folge eine Änderung im Umfang des Pflegebedarfes im Sinne einer Verminderung dieses Bedarfes an welcher es hier jedoch gerade mangelt. Der seinerzeitigen Gewährung des Hilflosenzuschusses ab Mai 1992 lag eine rechtskräftige Entscheidung zugrunde, in deren Rahmen bloß aufgrund der Übergangsbestimmungen des BPGG nach dessen Einführung Pflegegeld der Stufe 2 gewährt wurde. Nur eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen rechtfertigte daher einen Eingriff in die Rechtskraft dieser (Vor-)Entscheidung (Pfeil, BPGG 128 ebenfalls unter Hinweis auf die bereits zitierte Entscheidung SSV-NF 9/52). Diesbezüglich haben die gleichen Grundsätze zu gelten, die der Senat etwa auch im Zusammenhang mit der Entziehung sonstiger Leistungsansprüche nach Paragraph 99, ASVG oder bei Neufeststellung einer Versehrtenrente nach Paragraph 183 /, A, S, fünf G, stets zur Anwendung bringt vergleiche etwa SSV-NF 3/86, 6/71 oder 10 ObS 2060/96f).

Damit ist aber das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederherzustellen, daß der ziffernmäßige Betrag der weiterhin aufrechten Pflegegeldstufe spruchmäßig auszuweisen ist (10 ObS 292/97g).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG, wobei allerdings eine Kürzung in der Kostenverzeichnung dahin vorzunehmen war, als Bemessungsgrundlage gemäß § 77 Abs 2 ASGG (der auch durch die WGN 1997 unverändert blieb) bloß ein Betrag von S 50.000 ist, weshalb sich die Verdienstsumme (und davon ausgehend auch USt und Einheitssatz) auf den aus dem Spruch ersichtlichen Betrag vermindern.Die Kostenentscheidung stützt sich auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera a, ASGG, wobei allerdings eine Kürzung in der Kostenverzeichnung dahin vorzunehmen war, als Bemessungsgrundlage gemäß Paragraph 77, Absatz 2, ASGG (der auch durch die WGN 1997 unverändert blieb) bloß ein Betrag von S 50.000 ist, weshalb sich die Verdienstsumme (und davon ausgehend auch USt und Einheitssatz) auf den aus dem Spruch ersichtlichen Betrag vermindern.

Anmerkung

E49810 10C04537

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:010OBS00453.97H.0331.000

Dokumentnummer

JJT_19980331_OGH0002_010OBS00453_97H0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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