TE OGH 1998/3/31 4Ob87/98t

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Veröffentlicht am 31.03.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester und andere, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) K***** GmbH & Co KG, *****; 2.) M***** GmbH & Co KG, ***** beide vertreten durch Dr.Gottfried Korn und Dr.Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000,-), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 4.November 1997, GZ 2 R 252/97v-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 5.September 1997, GZ 8 Cg 198/97v-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revisionsrekurse der klagenden Partei und der beklagten Parteien werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 12.573,- (darin S 2.095,50 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen; sie hat die Kosten ihrer eigenen Revisionsrekurs- beantwortung endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Medieninhaberin der "Tiroler Tageszeitung", die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der "Tiroler Krone, Neue Kronenzeitung", deren Verlegerin die Zweitbeklagte ist. In den Monaten Mai bis Juni 1997 wurde in der "Tiroler Krone" mehrfach, teils mit beigelegtem Werbefolder, teils im Anzeigenteil, für ein Kombinationsangebot geworben, bei dem jeder Erwerber eines Krone-Abonnements für mindestens ein Jahr bei Aufzahlung von S 99.- ein GSM-Mobiltelefon Marke Philips Fizz kaufen konnte.

Zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach die Beklagten Werbungen zu unterlassen haben, in denen bei gleichzeitiger Bestellung eines Einjahresabonnements der "Tiroler Krone, Neue Kronenzeitung" ein Philips Fizz Handy oder andere Geräte der Telekommunikation zu einem günstigen Preis zum Kauf angeboten werden, wenn dabei nicht alle wesentlichen Kaufbedingungen, wie a) Anmeldepflicht für ein Jahr bei max.mobil oder anderen Netzbetreibern, b) die Verpflichtung zur Zahlung des Freizeittarifs "freizeit.max" oder eines anderen nicht frei wählbaren Tarifs, und c) die Zahlung der einmaligen Freischaltegebühr oder anderer zusätzlicher Kosten, angegeben werden. Sie brachte dazu vor, die angesprochenen Konsumenten würden über Bedingungen des Kaufangebotes getäuscht, weil in den Werbeeinschaltungen nicht oder nur an unauffälliger Stelle auf die mit dem Kauf verbundene Anmeldepflicht des Mobiltelefones für mindestens ein Jahr zum "freizeit.max"-Tarif (jährliche Grundgebühr S 2.870,40) und die bei Anmeldung anfallende Freischaltegebühr von S 444,- hingewiesen werde.

Die Beklagten beantragten Abweisung des Provisorialantrages und wendeten ein, daß ein mündiger und verständiger Verbraucher darüber informiert sei, daß sowohl der Erstanschluß als auch die Verwendung eines Mobiltelefones kostenpflichtig seien; der vorgesehene Tarif "freizeit.max" sei im Vergleich mit dem einzigen konkurrierenden Netzanbieter der günstigste; eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise sei ausgeschlossen.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es hielt außer dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt weiters für bescheinigt, daß zwar die Werbefolder, nicht hingegen die wiederholten Werbeeinschaltungen im redaktionellen Teil, einen Hinweis auf die Mindestvertragsdauer für das Mobiltelefon von einem Jahr, die Höhe des Tarifes "freizeit.max" und die einmalige Freischaltegebühr enthielten; von diesen Erfordernissen konnte man (außerhalb der Werbefolder) erst erfahren, wenn man auf Anforderung die (kombinierte) Bestellkarte für Abonnement und Mobiltelefon erhielt. Der Abonnementpreis beträgt S 1.860,- jährlich.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht das Vorliegen eines sittenwidrigen Lockangebotes; die Werbeaussagen seien auch nicht zur Irreführung geeignet, da ein mündiger und verständiger Verbraucher (welche Maßfigur "neuerdings" gelte) nicht getäuscht werde.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung nur insoweit, als sie sich auf die unter b) und c) des Sicherungsbegehrens dargestellten Umstände bezieht; hinsichtlich des unter a) genannten Umstandes (Angabe der Anmeldepflicht für ein Jahr) gab es dem Provisorialantrag statt. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs deshalb zulässig sei, weil die Frage des in bezug auf die Irreführungseignung anzuwendenden Maßstabes in Anbetracht der Rechtsprechung des EuGH einer neuen Interpretation durch das Höchstgericht bedürfe. Das Rekursgericht beurteilte die Werbeaktion primär nach § 2 UWG und führte aus, der Oberste Gerichtshof habe bisher in der Frage der Irreführungseignung auf den Eindruck einer Angabe auf den Durchschnittsinteressenten abgestellt, während nach Auffassung des EuGH das Verständnis eines mündigen und verständigen Verbrauchers als Maßstab diene. Habe die Werbung der Beklagten überwiegend verschwiegen, daß mit dem Erwerb des Mobiltelefons eine Mindestbindung von einem Jahr verbunden sei, könne auch ein mündiger und verständiger Verbraucher insoweit über Bedingungen des Kaufanbotes getäuscht werden. Daß die Inbetriebnahme eines Mobiltelefons und dessen laufender Betrieb Kosten verursachten, die zum Anschaffungspreis hinzukämen, sei hingegen weitgehend bekannt und für die Beurteilung einer Irreführung durch Verschweigen irrelevant.Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung nur insoweit, als sie sich auf die unter b) und c) des Sicherungsbegehrens dargestellten Umstände bezieht; hinsichtlich des unter a) genannten Umstandes (Angabe der Anmeldepflicht für ein Jahr) gab es dem Provisorialantrag statt. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs deshalb zulässig sei, weil die Frage des in bezug auf die Irreführungseignung anzuwendenden Maßstabes in Anbetracht der Rechtsprechung des EuGH einer neuen Interpretation durch das Höchstgericht bedürfe. Das Rekursgericht beurteilte die Werbeaktion primär nach Paragraph 2, UWG und führte aus, der Oberste Gerichtshof habe bisher in der Frage der Irreführungseignung auf den Eindruck einer Angabe auf den Durchschnittsinteressenten abgestellt, während nach Auffassung des EuGH das Verständnis eines mündigen und verständigen Verbrauchers als Maßstab diene. Habe die Werbung der Beklagten überwiegend verschwiegen, daß mit dem Erwerb des Mobiltelefons eine Mindestbindung von einem Jahr verbunden sei, könne auch ein mündiger und verständiger Verbraucher insoweit über Bedingungen des Kaufanbotes getäuscht werden. Daß die Inbetriebnahme eines Mobiltelefons und dessen laufender Betrieb Kosten verursachten, die zum Anschaffungspreis hinzukämen, sei hingegen weitgehend bekannt und für die Beurteilung einer Irreführung durch Verschweigen irrelevant.

Gegen den abweisenden Teil dieses Beschlusses richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Klägerin, gegen seinen stattgebenden Teil der ordentliche Revisionsrekurs der Beklagten.

Beide Rechtsmittel sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes (§ 526 Abs 2 ZPO) nicht zulässig.Beide Rechtsmittel sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes (Paragraph 526, Absatz 2, ZPO) nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Revisionsrekurs der Klägerinrömisch eins. Zum Revisionsrekurs der Klägerin

Die Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher nicht erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (JBl 1986, 192; MR 1995, 233 - Inseraten-Preisliste; 4 Ob 222/97v; 4 Ob 33/98a). In der Annahme der Vorinstanzen, die angesprochenen Verkehrskreise wüßten darüber Bescheid, daß der Betrieb eines Mobiltelefons Anmeldekosten verursacht bzw. Gesprächsgebühren auslöst, liegt keine Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müßte.Die Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher nicht erheblich im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO (JBl 1986, 192; MR 1995, 233 - Inseraten-Preisliste; 4 Ob 222/97v; 4 Ob 33/98a). In der Annahme der Vorinstanzen, die angesprochenen Verkehrskreise wüßten darüber Bescheid, daß der Betrieb eines Mobiltelefons Anmeldekosten verursacht bzw. Gesprächsgebühren auslöst, liegt keine Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müßte.

Der Entscheidung 4 Ob 146/97t lag ein insoweit anderer Sachverhalt zugrunde, als dort die blickfangartige Herausstellung eines besonders günstigen Preises für ein Mobiltelefon in einem Inserat verboten wurde, sofern dieser günstige Preis nur unter bestimmten Voraussetzungen gültig ist und auf diese Umstände in der Ankündigung nicht klar hingewiesen wird. Hier hingegen ist der für das Mobiltelefon verlangte (Auf-)Preis immer derselbe, wenn auch mit dem Kauf eine befristete Anmeldeverpflichtung bei einem bestimmten Netzbetreiber verbunden war.

Das Rekursgericht hat seiner Entscheidung erkennbar die erstgerichtlichen Feststellungen zugrundegelegt, ohne eine Beweisergänzung oder -abänderung durchzuführen; danach ist aber davon auszugehen, daß die Beklagten in der beanstandeten Werbung zwar stets auf einen Zusammenhang zwischen dem Abschluß eines Abonnements und einer Anmeldung des Mobiltelefons bei max.mobil hingewiesen haben, ein bestimmter vorgeschriebener Tarif jedoch nur in den Werbefoldern präzisiert worden ist. Die von der Klägerin als Aktenwidrigkeit gerügte Formulierung in der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichtes, es sei stets auf den "freizeit.max"-Tarif hingewiesen worden, stellt demnach - wie aus dem Gesamtzusammenhang der angefochtenen Entscheidung ersichtlich ist - nur eine sprachliche Ungenauigkeit ohne Einfluß auf den Entscheidungswillen des Rekursgerichtes dar.

II. Zum Revisionsrekurs der Beklagtenrömisch II. Zum Revisionsrekurs der Beklagten

Auch bei Außerachtlassung des vom Rekursgericht als notorisch angenommenen Umstandes, daß die Reichweite des von max.mobil betriebenen Mobiltelefonnetzes geringer sei als jene des einzigen Konkurrenzunternehmens, ist die Täuschungseignung durch Verschweigen der erforderlichen Bindung für mindestens ein Jahr als Bedingung des Kombinationsangebotes zu bejahen. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, daß in jedem Fall der Umstand einer Mindestvertragsdauer für den Kaufentschluß eines Mobiltelefones ohne Bedeutung wäre. Gerade die von den Beklagten als "schnellebige technische Zeit des ausklingenden zweiten Jahrtausends" charakterisierten Lebensumstände bringen es mit sich, daß Verbraucher oft schon nach kurzer Zeit die Freude an einem technischen Gerät verlieren oder sich einer neuen, verbesserten Technologie bedienen wollen; auch können wirtschaftliche Überlegungen oder der Wunsch, das erworbene Gerät weiterzugeben, Argumente für eine geringere Behaltedauer als ein Jahr darstellen, wobei solche Überlegungen durch den äußerst günstigen Kaufpreis noch gefördert werden. Es ist also keineswegs die Täuschung über die fehlende Möglichkeit zum jederzeitigen Netzwechsel allein, die die Werbung der Beklagten wettbewerbswidrig iS des § 2 UWG macht; damit hängt aber die Entscheidung auch nicht von der von den Beklagten aufgeworfenen Frage ab, ob das Rekursgericht eine Tatsache auch dann als offenkundig feststellen durfte, wenn ihr keine entsprechende Prozeßbehauptung zugrundelag.Auch bei Außerachtlassung des vom Rekursgericht als notorisch angenommenen Umstandes, daß die Reichweite des von max.mobil betriebenen Mobiltelefonnetzes geringer sei als jene des einzigen Konkurrenzunternehmens, ist die Täuschungseignung durch Verschweigen der erforderlichen Bindung für mindestens ein Jahr als Bedingung des Kombinationsangebotes zu bejahen. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, daß in jedem Fall der Umstand einer Mindestvertragsdauer für den Kaufentschluß eines Mobiltelefones ohne Bedeutung wäre. Gerade die von den Beklagten als "schnellebige technische Zeit des ausklingenden zweiten Jahrtausends" charakterisierten Lebensumstände bringen es mit sich, daß Verbraucher oft schon nach kurzer Zeit die Freude an einem technischen Gerät verlieren oder sich einer neuen, verbesserten Technologie bedienen wollen; auch können wirtschaftliche Überlegungen oder der Wunsch, das erworbene Gerät weiterzugeben, Argumente für eine geringere Behaltedauer als ein Jahr darstellen, wobei solche Überlegungen durch den äußerst günstigen Kaufpreis noch gefördert werden. Es ist also keineswegs die Täuschung über die fehlende Möglichkeit zum jederzeitigen Netzwechsel allein, die die Werbung der Beklagten wettbewerbswidrig iS des Paragraph 2, UWG macht; damit hängt aber die Entscheidung auch nicht von der von den Beklagten aufgeworfenen Frage ab, ob das Rekursgericht eine Tatsache auch dann als offenkundig feststellen durfte, wenn ihr keine entsprechende Prozeßbehauptung zugrundelag.

Abgesehen davon, daß bei der Fassung des Unterlassungsgebotes immer auf die Umstände des einzelnen Falles abzustellen ist, steht auch das vom Rekursgericht erlassene Unterlassungsgebot durchaus im Einklang mit den Grundsätzen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, wonach sich das Gebot am konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren hat (ÖBl 1980, 46 - Hol Dir Geld vom Staat; SZ 69/284 uva), es aber auch Umgehungen durch den Vepflichteten nicht allzu leicht ermöglichen soll (ÖBl 1993, 36 - Ronald Leitgeb uva). Bei Schaffung eines Unterlassungstitels kann daher die tatsächlich verübte Handlung bei ihrer Beschreibung (unter Erfassung des Kerns der Verletzungshandlung) allgemeiner gefaßt und ihr so ein breiterer Rahmen gegeben werden, damit unter den Schutzumfang des Unterlassungsanspruches nicht nur völlig gleichartige Handlungen, sondern auch alle anderen fallen, die diesen Kern unberührt lassen (ÖBl 1991, 105 - Hundert- wasser-Pickerln II; ÖBl 1991, 108 - Sport-Sonnenbrille; 4 Ob 58/98b ua).

Da die Klägerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz nicht der zweckentsprechenen Rechtsverteidigung; sie hat dessen Kosten daher endgültig selbst zu tragen.

Anmerkung

E49968 04A00878

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0040OB00087.98T.0331.000

Dokumentnummer

JJT_19980331_OGH0002_0040OB00087_98T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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