TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/19 2005/05/0122

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Veröffentlicht am 19.09.2006
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
L82259 Garagen Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Wr §134a Abs1 lita;
BauO Wr §134a Abs1 litc;
BauRallg;
GaragenG Wr 1957 §2 Abs9;
GaragenG Wr 1957 §4 Abs4;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der Dr. Hannelore Fröhlich-Dolinar in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Wanek und Dr. Helmut Hoberger, Rechtsanwälte in 2380 Perchtoldsdorf, Hochstraße 31, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 23. Februar 2005, Zl. BOB - 667/04, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. Isabella Baumgartner und 2. Dr. Max Gosch, beide in Wien, vertreten durch Schuppich Sporn und Winischhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Falkestraße 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und den mitbeteiligten Parteien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 27. Mai 2004 beantragten die mitbeteiligten Parteien die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses, bestehend aus einem Keller, Erdgeschoß, Obergeschoß und einem ausgebauten Dachgeschoß sowie einer unterirdischen Garage für zwei Stellplätze samt einer Kleingarage im Seitenabstand für einen Stellplatz auf der Liegenschaft in Wien 18, B-Gasse 83. Weiters sollten Geländeveränderungen durchgeführt sowie eine fundierte Einfriedung hergestellt werden.

In der über dieses Bauansuchen durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2004 gab die Beschwerdeführerin als Eigentümerin des Nachbargrundstückes B-Gasse 85 eine schriftliche Stellungnahme ab. Demgemäß sei das Bauvorhaben auf der B-Gasse 83 als Bauklasse I (offene Bauweise) zur Errichtung eines Neubaues-Wohnhauses eingereicht. Da das Garagenniveau der neu zu errichtenden Garage deutlich tiefer und außerhalb des vorhandenen Baukörpers liege, handle es sich um einen neuen Anbau an eine noch nicht verbaute Grundgrenze und somit sei der Tatbestand der gekuppelten Bauweise im beschriebenen Bereich gegeben. Nach § 76 Abs. 4 der Bauordnung für Wien sei dafür aber unbedingt die Zustimmung des Anrainers erforderlich. Ohne eine entsprechende Vereinbarung mit dem Bauwerber bezüglich der Errichtung der Garage, gekuppelter Teil, beeinspruche sie das Ansuchen um Baubewilligung eines Kleinhauses plus Kleingarage für drei freiwillige Stellplätze und die damit verbundenen Geländeveränderungen. Das Ansuchen um Baubewilligung zur Errichtung eines Kleinhauses und einer Kleingarage sei mit dem Titel der Planeinreichung "Neubau-Wohnhaus B-Gasse 83" nicht ident. Sie beantrage, den Sichtschutz der vorhandenen Bäume an der Grundgrenze zum Grundstück B-Gasse 83 zu belassen.

Mit Bescheid der Magistratsabteilung 37 vom 1. Dezember 2004 wurde nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildeten, gemäß § 70 der Bauordnung für Wien und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes unter Bezugnahme auf die mit Bescheid vom 19. November 2003 bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen die Bewilligung erteilt, die nachstehend im Einzelnen beschriebene Bauführung vorzunehmen. An die Erteilung der Baubewilligung wurde eine Reihe von Vorschreibungen und Auflagen geknüpft.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in der sie vorbrachte, dass es laut § 5 Abs. 4 lit. q der Bauordnung für Wien unzulässig sei, mit unterirdischen Bauten über die Baufluchtlinie vorzuragen, was nach dem Einreichungsplan vom 26. Mai 2004 jedoch gegeben sei. Die Zustimmung, die nach § 76 Abs. 4 leg. cit. notwendig sei, liege nicht vor. In der gewählten offenen Bauweise dürfe kein Gebäudeteil im Seitenabstand über das natürliche Gelände ragen. Laut Schreiben des Architekten sei eine Unterfangung der bestehenden Garagenfundamente vorgesehen. Dies stelle einen Eingriff in die Nachbarschaftsrechte nach § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien dar, denn damit seien Einwirkungen auf die Liegenschaft der Beschwerdeführerin gegeben, mit denen gerechnet werden müsse. Im eingereichten Plan sei keinerlei Darstellung der Unterfangung vorhanden. Eine Verletzung des Nachbarschaftsrechtes nach § 70 leg. cit. werde behauptet. Grundsätzlich sei festzuhalten, dass es sich bei der eingereichten Garage, die bis zur Grundgrenze geplant sei, nicht um einen unterirdischen Bau handle, da laut Plan auf eine Länge von 19,85 m Gebäudeteile (Rampe, Garage und Abstellraum) über Niveau ragten. So sei auch ein Fenster in der Garage geplant, was einem unterirdischen Gebäude nicht entspreche und die Einreichung als unterirdischer Bauteil sei daher nicht gegeben. Daher komme § 134 "Punkt 16" der Bauordnung für Wien nicht zur Anwendung und sie ersuche, den Bescheid entsprechend abzuändern.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. Februar 2005 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, des Inhaltes der Berufung und der Bestimmungen der § 134 Abs. 3 und § 134a der Bauordnung für Wien hielt die belangte Behörde zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin Eigentümerin einer benachbarten Liegenschaft im Sinne des § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien sei. Mit den in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2004 vorgebrachten Einwendungen gegen das geplante Bauvorhaben habe sie subjektivöffentliche Nachbarrechte im Sinne der Bestimmung des § 134a leg. cit. geltend gemacht, weshalb ihr jedenfalls Parteistellung zukomme. Wenngleich ihr auf Grund ihrer im erstinstanzlichen Verfahren gegen das geplante Bauvorhaben rechtzeitig erhobenen Einwendungen Parteistellung zukomme, sei aber anzumerken, dass sie mit ihrem Vorbringen in der Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid vom 1. Dezember 2004, soweit dieses inhaltlich über die im erstinstanzlichen Bewilligungsverfahren in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2004 geltend gemachten und im angefochtenen Baubewilligungsbescheid punktuell wiedergegebenen Einwendungen hinausgehe, als präkludiert anzusehen sei. Dieses über die im Sinne des § 134 Abs. 3 dritter Satz der Bauordnung für Wien erlangte Parteistellung hinausgehende Berufungsvorbringen erweise sich sohin als unzulässig.

Nach dem Bescheid über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen vom 19. November 2003 sei für die vom verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben betroffene Liegenschaft die Widmung Wohngebiet, die Bauklasse I mit einer maximalen Gebäudehöhe von 6 m sowie die offene oder gekuppelte Bauweise festgesetzt. Entlang der Baulinie an der B-Gasse sei durch die Festlegung einer vorderen Baufluchtlinie ein Vorgarten vorgesehen. In einem Abstand von 17 m von der vorderen Baufluchtlinie sei eine hintere Baufluchtlinie festgesetzt. Ebenso sei der bebaubare Bereich zu der seitlichen Nachbarliegenschaft der Beschwerdeführerin durch eine Baufluchtlinie abgegrenzt. Hinsichtlich der Nebengebäude werde bestimmt, dass die mit Nebengebäuden bebaute Grundfläche höchstens 30 m2 je Bauplatz betragen dürfe.

Entsprechend den bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen sei für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft die offene oder gekuppelte Bauweise festgelegt. Die Ausführung eines Baues in der an sich zulässigen gekuppelten Bauweise könnte auf Grund der festgelegten Baufluchtlinien nur zur Nachbarliegenschaft B-Gasse 81 erfolgen. Eine Kupplung mit der Liegenschaft der Beschwerdeführerin sei auf Grund der parallel zur Liegenschaftsgrenze verlaufenden Baufluchtlinie nicht möglich.

Wie dem Einreichplan zu entnehmen sei, werde das vorliegende Bauvorhaben in der ebenso zulässigen offenen Bauweise errichtet. Die von der Beschwerdeführerin angeführte Bestimmung des § 76 Abs. 4 der Bauordnung für Wien sehe nur dann in der offenen oder gekuppelten Bauweise die erforderliche Zustimmung des angrenzenden Eigentümers vor, wenn das Gebäude an die gemeinsame Bauplatzgrenze angebaut werden solle. Im vorliegenden Fall werde aber das geplante Wohngebäude nicht an die Bauplatzgrenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin angebaut - was nach den bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen auch auf Grund der festgesetzten Baufluchtlinie gar nicht zulässig wäre -, sondern in der offenen Bauweise errichtet. Für die Errichtung des geplanten Wohngebäudes in der offenen Bauweise sei daher die von der Beschwerdeführerin monierte Zustimmung im Sinne des § 76 Abs. 4 leg. cit. nicht erforderlich.

Das geplante Wohngebäude müsse jedoch die in der Bestimmung des § 79 Abs. 3 der Bauordnung für Wien in der offenen Bauweise geltenden Mindestabstände von den Bauplatzgrenzen einhalten. Gemäß § 79 Abs. 3 leg. cit. müsse in der offenen Bauweise der Abstand der Gebäude von Nachbargrenzen in der Bauklasse I und II mindestens 6 m betragen. Die Fläche, die zwischen den Nachbargrenzen und den gedachten Abstandslinien liege, werde als Abstandsfläche bezeichnet. In die Abstandsflächen dürfe mit Gebäuden auf höchstens die Hälfte des Abstandes an die Nachbargrenzen herangerückt werden, wobei die über die gedachte Abstandslinie hinausragende bebaute Fläche je Front in den Bauklassen I und II 45 m2 nicht überschreiten dürfe; insgesamt dürfe die über die gedachte Abstandslinie hinausragende bebaute Fläche auf demselben Bauplatz in den Bauklassen I und II 90 m2 nicht überschreiten. Wie nun den Einreichplänen, dem Akteninhalt und den diesbezüglichen Feststellungen des bautechnischen Amtssachverständigen zu entnehmen sei, halte das geplante Wohngebäude alle gemäß § 79 Abs. 3 der Bauordnung für Wien festgesetzten Mindestabstände von den Bauplatzgrenzen ein. Dass das geplante Wohngebäude die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände im Sinne des § 79 Abs. 3 leg. cit. einhalte, werde auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

Diese wende sich in ihrer Berufung dagegen, dass im Seitenabstand zu ihrer Liegenschaft bis zur Grundgrenze eine Garage sowie ein überdachter Rampenbereich, die nicht als unterirdische Baulichkeiten anzusehen seien, errichtet werden sollten. Den Einreichplänen lasse sich diesbezüglich entnehmen, dass im Seitenabstand zu der Liegenschaft der Beschwerdeführerin eine Kleinanlage zum Einstellen von Kraftfahrzeugen mit einer Bodenfläche von weniger als 50 m2 sowie daran anschließend ein gesondert in Erscheinung tretendes Nebengebäude mit einer bebauten Fläche von ca. 25 m2 geplant seien. Es treffe zu, dass diese im Seitenabstand vorgesehenen, zum überwiegenden Teil unterhalb des anschließenden Niveaus liegenden Baulichkeiten nicht als unterirdische Baulichkeiten anzusehen seien, zumal sie - wenn auch nur mit einer geringen Höhe - über das anschließende Niveau ragten. So weise auch das im Anschluss an die projektierte Kleinanlage zum Einstellen von Kraftfahrzeugen geplante Nebengebäude (und nicht die Garage) ein gartenseitiges Fenster auf. Die Errichtung der im Seitenabstand vorgesehenen Kleinanlage zum Einstellen von Kraftfahrzeugen mit überdachtem Rampenbereich und des daran anschließenden Nebengebäudes, die nicht zu einer Kuppelung im Sinne des § 76 Abs. 4 und 7 der Bauordnung für Wien und somit zu einer Anwendung der gekuppelten Bauweise führe, erweise sich als im Sinne der Bestimmung des § 4 Abs. 4 des Wiener Garagengesetzes (Wr GaragenG) und der Bestimmung des § 82 Abs. 4 der Bauordnung für Wien als zulässig.

Gemäß § 4 Abs. 4 des Wr GaragenG seien Kleinanlagen mit einer Bodenfläche bis zu 50 m2 in der Bauklasse I und II auf seitlichen Abstandsflächen, im Vorgarten jedoch nur dann zulässig, wenn deren Errichtung auf seitlichen Abstandsflächen oder auf Teilen der Liegenschaft, die der Bebauung offen stünden, im Hinblick auf die Geländeverhältnisse oder wegen des vorhandenen Baubestandes nicht zumutbar seien. Die verfahrengegenständlich geplante Kleinanlage zum Einstellen von Kraftfahrzeugen, zu der im Sinne des § 2 Wr GaragenG auch der überdachte Rampenbereich zähle, weise nach den Einreichplänen eine Bodenfläche von weniger als 50 m2 auf und entspreche sohin der Bestimmung des § 4 Abs. 4 Wr GaragenG. Nach dieser Bestimmung werde die Errichtung solcher Kleinanlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen in der Bauklasse I im Seitenabstand ausdrücklich und generell für zulässig erklärt.

Gemäß § 82 Abs. 4 der Bauordnung für Wien dürften Nebengebäude, wenn die Gebäudehöhe der Nebengebäude nicht mehr als 2,50 m und die Firsthöhe nicht mehr als 3,50 m betrage und sie in einer Tiefe von mindestens 10 m ab der Vorgartentiefe errichtet würden, auch auf den kraft Gesetzes oder des Bebauungsplanes ansonsten unbebaut zu belassenden Flächen des Bauplatzes errichtet werden; die Anordnung der gärtnerischen Ausgestaltung von Grundflächen nach § 5 Abs. 4 lit. p leg. cit. stehe dem nicht entgegen. Das im Anschluss an die obgenannte Kleinanlage zum Einstellen von Kraftfahrzeugen geplante, gesondert in Erscheinung tretende Nebengebäude entspreche diesen Bestimmungen und sei daher zulässig.

Da somit das geplante Wohngebäude in offener Bauweise, die keiner Zustimmung des Eigentümers der benachbarten Liegenschaft bedürfe, unter Einhaltung der in der Bauordnung für Wien vorgesehenen Mindestabstände von den Nachbargrundgrenzen errichtet werde und auch die von der Beschwerdeführerin bekämpften Baulichkeiten im Seitenabstand zu ihrer Liegenschaft den gesetzlichen Bestimmungen sowie den bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen entsprächen, erwiesen sich die Einwendungen der Beschwerdeführerin als unbegründet.

Zum weiteren Berufungsvorbringen sei festzuhalten, dass der den bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen zu Grunde liegende Bebauungsplan keine Festsetzung im Sinne des § 5 Abs. 4 lit. q der Bauordnung für Wien enthalte und es demnach im vorliegenden Fall nicht unzulässig wäre, mit unterirdischen Bauten über die Baufluchtlinie vorzuragen. Wie die Beschwerdeführerin aber selbst in ihrer Berufung feststelle, sei in den Einreichplänen keine Unterfangung der Fundamente der auf ihrer Liegenschaft befindlichen Garage vorgesehen und sei somit auch eine solche nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligten Parteien beantragten ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der Bauordnung für Wien (BO) haben folgenden Wortlaut:

"§ 134. (1) …

(3) …. Die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134 a erschöpfend festgelegten subjektivöffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134 a gegen die geplante Bauführung erheben; das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG) steht Nachbarn bereits ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde zu. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG). …

§ 134 a. (1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

a) Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;

...

c) Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;

§ 79. (1) …

(3) In der offenen Bauweise muss der Abstand der Gebäude von Nachbargrenzen in den Bauklassen I und II mindestens 6 m, in der Bauklasse III mindestens 12 m, in der Bauklasse IV mindestens 14 m, in der Bauklasse V mindestens 16 m und in der Bauklasse VI mindestens 20 m betragen. Die Fläche, die zwischen den Nachbargrenzen und den gedachten Abstandslinien liegt, wird als Abstandsfläche bezeichnet. In die Abstandsflächen darf mit Gebäuden auf höchstens die Hälfte des Abstandes an die Nachbargrenzen herangerückt werden, wobei die über die gedachte Abstandslinie hinausragende bebaute Fläche je Front in den Bauklassen I und II 45 m2, in der Bauklasse III 90 m2, in der Bauklasse IV 105 m2, in der Bauklasse V 120 m2 und in der Bauklasse VI 150 m2 nicht überschreiten darf; insgesamt darf diese über die gedachte Abstandslinie hinausragende bebaute Fläche auf demselben Bauplatz in den Bauklassen I und II 90 m2, in der Bauklasse III 180 m2, in der Bauklasse IV 210 m2, in der Bauklasse V 240 m2 und in der Bauklasse VI 300 m2 nicht überschreiten."

§ 2 Abs. 2, 3 und 9, § 4 Abs. 4 und 6 des Wr GaragenG lauten:

"§ 2. ...

(2) Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen sind Garagen (Einstellräume) oder Einstellplätze samt den dazugehörigen Nebenanlagen sowie Garagengebäude.

(3) Garagenräume (Einstellräume) sind Räume, die zum Einstellen von Kraftfahrzeugen bestimmt sind.

(3a) Garagengebäude sind Gebäude, die mindestens zu 80 vH ihrer oberirdischen Nutzfläche Stellplätze enthalten.

(4) Einstellplätze sind unbebaute oder mit Schutzdächern versehene, nicht dem öffentlichen Verkehr dienende Flächen, die zum Einstellen von Kraftfahrzeugen bestimmt sind.

...

(9) Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen werden nach der Bodenfläche der Einstellplätze und der Garagen einschließlich ihrer brandgefährlichen Nebenräume unterschieden in:

a)

Kleinanlagen bis 100 m2;

b)

Mittelanlagen über 100 m2 bis 1000m2;

§ 4. ...

(4) Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen sind auf gärtnerisch auszugestaltenden Teilen der Liegenschaft grundsätzlich unzulässig. Kleinanlagen mit einer Bodenfläche bis zu 50 m2 sind in der Bauklasse I und II auf seitlichen Abstandsflächen, im Vorgarten jedoch dann zulässig, wenn ihre Errichtung auf seitlichen Abstandsflächen oder auf Teilen der Liegenschaft, die der Bebauung offen stehen, im Hinblick auf die Geländeverhältnisse oder wegen des vorhandenen Baubestandes nicht zumutbar ist; Zu- und Abfahrten sind in die in Anspruch genommene Bodenfläche nicht einzurechnen.

...

(6) Die durch Kleinanlagen durch Einstellen von Kraftfahrzeugen gemäß Abs. 4 in Anspruch genommene Grundfläche ist auf die nach den gesetzlichen Ausnutzbarkeitsbestimmungen bebaute Fläche des Bauplatzes anzurechnen, auf die nach § 5 Abs. 4 lit. d der Bauordnung für Wien durch den Bebauungsplan beschränkte bebaubare Fläche jedoch nicht."

Die Beschwerdeführerin hat im Rahmen der von ihr bei der mündlichen Verhandlung am 12. Oktober 2004 abgegebenen schriftlich Einwendungen Parteistellung im vorliegenden Baubewilligungsverfahren erlangt. Diesen Einwendungen ist zu entnehmen, dass sie sich gegen die Errichtung einer Garage im Seitenabstand zu ihrer Grundstücksgrenze wendet.

Das dem Nachbarn gemäß § 134a Abs. 1 lit. a und § 134a Abs. 1 lit. c BO eingeräumte subjektive öffentliche Recht gewährt ihm einen Rechtsanspruch, dass nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die im § 4 Abs. 4 Wr GaragenG normierte Ausnahme von der Einhaltung des Seitenabstandes gewährt wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1998, Zl. 97/05/0202 und vom 3. Juli 2001, Zl. 2000/05/0021).

Die Beschwerdeführerin meint, entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei laut Plan ein einheitlicher Baukörper mit einer Gesamtgaragenfläche von 139,3 m2 ausgewiesen. Damit liege aber keine Kleingarage mit bis zu 50 m2, sondern eine zustimmungspflichtige Mittelgarage im Sinne des § 4 Wr GaragenG vor. In diesem Fall wäre für die Baubewilligung die Zustimmung der Beschwerdeführerin erforderlich gewesen. Nach dem Einreichplan und der Baubeschreibung stelle sich die Fläche für die weiteren freiwilligen Abstellplätze im Grunde nur als eine semantische Verschleierung der Tatsache dar, dass in Wahrheit eine einheitliche Mittelgarage von 139,3 m2 vorliege. Der einheitliche Baukörper sei aus leicht einsehbaren Gründen durch die mitbeteiligten Parteien virtuell so unterteilt worden, dass sie ohne Zustimmung der Beschwerdeführerin auskommen könnten.

Nach den zu Grunde liegenden Einreichplänen ist auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft die Errichtung eines Wohnhauses mit einer unterirdischen Garage geplant. Das Wohnhaus wird unter Ausnutzung der gemäß § 79 Abs. 3 BO möglichen Abstände von den Nachbargrenzen (3 m-Abstand, 45 m2 bebaute Fläche) in offener Bauweise errichtet. Drei der insgesamt vier Abstellplätze befinden sich in dieser unter dem Wohnhaus situierten unterirdischen Garage. Dass das Wohnhaus samt Kellergeschoß und damit samt den drei Stellplätzen diese Abstände von den Nachbargrenzen in der offenen Bauweise bzw. das Flächenausmaß nicht unterschreitet, wird von der Beschwerdeführer nicht bestritten.

Weiters lässt sich den Einreichplänen entnehmen, dass im Seitenabstand zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin ein weiterer freiwilliger Stellplatz mit einer Bodenfläche von 39,53 m2 errichtet werden soll, der offenbar auch als Zufahrt zu den anderen Stellplätzen dient, sowie ein gesondert in Erscheinung tretendes Nebengebäude mit einer bebauten Fläche von 25 m2. Gegen die Errichtung des zuletzt genannten Nebengebäudes wendet sich die Beschwerdeführerin in der Beschwerde nicht mehr.

Nach den Einreichplänen stellt sich der zusätzliche Abstellplatz im Seitenabstand so dar, dass er eine räumliche Fortsetzung des übrigen, unter dem Wohnhaus befindlichen Garagenbereiches bildet; er wird im Süden in voller Breite durch das Garagentor abgeschlossen und verfügt über keine westliche Wand. Die nördliche und östliche Wand des zusätzlichen Abstellplatzes schließen unmittelbar an die Nordwand des unter dem Wohnhaus befindlichen Garagenteils an und bilden gemeinsam mit diesem einen an vier Seiten umschlossenen Raum. Der aus den Plänen hervorgehende Eindruck der Garage ist der einer alle vier Stellplätze und die Rangierflächen umfassenden Gesamtanlage. Teil dieser Gesamtanlage ist eben auch der außerhalb des Wohngebäudes gelegene vierte Stellplatz; auf Grund der Größe der Gesamtanlage von über 100 m2 liegt eine Mittelgarage vor.

Der Nachbar hat nach § 134a Abs. 1 lit. a und c BO einen Rechtsanspruch auf die Einhaltung des Seitenabstandes zum einen und auf die Einhaltung der Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnutzbarkeit von Bauplätzen zum anderen.

Einwendungen in Hinblick auf die flächenmäßige Ausnutzbarkeit von Bauplätzen wurden von der Beschwerdeführerin im Verfahren nicht erstattet, daher war darauf auch nicht näher einzugehen. Ihren Ausführungen im Verfahren ist (allenfalls) zu entnehmen, dass sie die Einhaltung des Seitenabstandes der Garage zu ihrem Grundstück geltend machen wollte. § 4 Abs. 4 Wr GaragenG ermöglicht eine gänzliche Ausnutzung des Seitenabstandes, somit eine Bauführung bis an die Grundgrenze (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2003, Zl. 2002/05/0784). Die Beschwerdeführerin ist aber durch den Umstand, dass die Garagenfläche, die sich im Seitenabstand befindet, keine selbständige Garage sondern einen Teil einer (Mittel)garage im Sinne des § 2 Abs. 9 Wr GaragenG darstellt, nicht in ihrem gemäß § 134a Abs. 1 lit. a BO gewährleisteten Recht auf Einhaltung des Seitenabstandes verletzt.

Die Beschwerdeführerin rügt auch, dass Feststellungen dahingehend fehlen, ob die Errichtung des vierten Stellplatzes nicht auf anderen Teilen der Liegenschaft möglich wäre und bezieht sich diesbezüglich auf den zweiten Satz des § 4 Abs. 4 Wr GaragenG. Dabei übersieht sie aber, dass sich diese von ihr ins Auge gefasste Regelung auf Anlagen im Vorgarten bezieht, ein solcher Fall liegt aber im Gegenstand nicht vor, sodass der gerügte Feststellungsmangel nicht gegeben ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff Vwgg in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. September 2006

Schlagworte

Baurecht Nachbar Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005050122.X00

Im RIS seit

02.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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