Index
L85007 Straßen Tirol;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Gemeinde F, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller und Dr. Markus Orgler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 4/II, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6. August 1999, Zl. IIb1-L-2341/16-1999, betreffend Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung der Auflassung einer Gemeindestraße nach dem Tiroler Straßengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Am 18. Mai 1998 fasste der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde gemäß § 15 Abs. 1 des Tiroler Straßengesetzes den Beschluss, die Gemeindestraße "G-Gasse", Gp. 2077/8, der KG F aufzulassen und somit die Aberkennung der Öffentlichkeit dieser Straßenfläche zu verordnen, da diese keine Verkehrsbedeutung nach dem § 13 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes mehr habe. Durch die neue S-Bundesstraße und die zusätzliche Verbindung über das M-Tal sei die G-Gasse entbehrlich. Eine erhebliche Beeinträchtigung des überörtlichen Verkehrs im Sinne des § 15 Abs. 7 des Tiroler Straßengesetzes sei nicht gegeben. Die G-Gasse solle in Hinkunft nur mehr zum Zweck der landwirtschaftlichen Bringung genutzt werden. Dieser Beschluss wurde zwischen 27. Mai 1998 und 12. Juni 1998 an der Amtstafel der Gemeinde F kundgemacht.
Zu diesem Beschluss nahmen die Innsbrucker Verkehrsbetriebe in einem an die belangte Behörde gerichteten Schreiben vom 29. Juni 1998 sowie die Nachbargemeinde M mit Schreiben vom 10. Juli 1998 ablehnend Stellung. Die Abteilung Gesamtverkehrsplanung des Amtes der Tiroler Landesregierung kam in einem Gutachten vom 18. August 1998 zum Ergebnis, dass die Auflassung der Gemeindestraße, insbesondere im Hinblick auf eine Kraftfahrlinie und ein geplantes Gewerbegebiet eine erhebliche Beeinträchtigung des überörtlichen Verkehrs zur Folge hätte und die Aufrechterhaltung dieser Verkehrsverbindung für den Gemeingebrauch notwendig sei.
In einer Stellungnahme vom 15. April 1999 führte die Abteilung Eisenbahn- und Straßenrecht des Amtes der Tiroler Landesregierung aus, dass sowohl der öffentliche Busverkehr als auch die Schottergrube M und ein mögliches Gewerbegebiet im Südwesten der Gemeinde M für die Aufrechterhaltung der G-Gasse als Gemeindestraße sprächen.
Mit Schreiben vom 13. Juli 1998 und vom 17. Mai 1999 entgegnete der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde diesen Stellungnahmen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. August 1999 versagte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 15 Abs. 7 des Tiroler Straßengesetzes die Genehmigung der mit Gemeinderatsbeschluss vom 18. Mai 1998 verordneten Auflassung der verfahrensgegenständlichen G-Gasse als Gemeindestraße.
Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, die Innsbrucker Verkehrsbetriebe hätten ausgeführt, dass bei Auflassung der genannten Straße M nur mehr am nördlichen Ortsanfang bedient werden könne, da die vom M-Tal zur B XXX bestehende Verbindungsstraße nicht in ihrer Linienkonzession beinhaltet sei. Die G-Gasse sei dringend sanierungsbedürftig. Es sei auch festgehalten worden, dass die Verlegung der Linie auf die B XXX für die meisten Fahrgäste wegen der unzumutbar langen Gehwege bis zur Haltestelle R eine bedeutende Verschlechterung des Verkehrsangebotes bedeuten würde.
Die Gemeinde M habe vorgebracht, dass die G-Gasse seit unerdenklichen Zeiten die Verbindungsstraße zwischen dem äußeren S-Tal mit dem inneren S-Tal sei. Diese Verbindungsstraße sei nach wie vor für den überörtlichen Verkehr von erheblicher Bedeutung, zumal sie für die öffentlichen Verkehrsmittel benötigt werde. Die nach der Bushaltestelle M Post taleinwärts gelegenen Bushaltestellen der Gemeinde M könnten nicht mehr angefahren werden bzw. sei ein erheblicher Teil der Gemeinde M von öffentlichen Verkehrsmitteln abgeschnitten. Es bestünde zwar grundsätzlich von der ehemaligen B XXX im Bereich M-Tal eine Verbindung zur nunmehrigen B XXX S-Straße, diese könne aber auf Grund ihrer Steilheit aus verkehrssicherheitstechnischen Gründen von den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht genutzt werden. Auch bestehe keine Möglichkeit der Umkehr, sohin würde die Verbindung mit einem öffentlichen Verkehrsmittel für einen erheblichen Teil der Gemeinde M entfallen. Die Straße gewinne auch bei Errichtung des Gewerbeparks S für den überörtlichen Verkehr an Bedeutung, da sowohl für Zuliefererfirmen von F als auch für allfällige Arbeitnehmer aus dem Gemeindegebiet F diese Straße dringend benötigt werde. Die Aufhebung der Widmung der Gemeindestraße würde sohin zu einem erheblichen Umwegverkehr führen, welcher wiederum eine Belastung für die Bewohner der Gemeinde M bedeuten würde. Die G-Gasse diene der - von der beschwerdeführenden Gemeinde nicht gewünschten - Errichtung eines Gewerbegebietes. Durch die Aufhebung der Widmung als Gemeindestraße wäre für einen erheblichen Teil der Gemeinde M die Erschließung durch ein öffentliches Verkehrsmittel nicht mehr möglich, wobei in diesem Zusammenhang auszuführen sei, dass sämtliche Hauptschüler der Gemeinde M diese öffentlichen Verkehrsmittel benützen müssten, um die Hauptschule im F besuchen zu können. Daher habe die Gemeinde M den Antrag gestellt, der Auflassungsverordnung die Genehmigung zu versagen.
In der Stellungnahme der Abteilung Gesamtverkehrsplanung des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 18. August 1998 sei ausgeführt, dass auf dem Gemeindegebiet der beschwerdeführenden Gemeinde die G-Gasse eine Länge von etwa 450 bis 500 m habe. Sie sei derzeit dem uneingeschränkten Gemeingebrauch gewidmet. Über sie führe die ministeriell genehmigte Kraftfahrlinie "S - N - M" der Innsbrucker Verkehrsbetriebe und S GesmbH. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass die Gemeindestraße hauptsächlich Erschließungszwecken diene. Sie stelle derzeit für den talauswärts fahrenden Verkehr nach M auch die kürzeste Fahrverbindung dar. Die Gemeinde M plante an der Gemeindegrenze zur beschwerdeführenden Gemeinde ein Gewerbegebiet für etwa 200 Beschäftigte. Auch für die Erschließung dieses künftigen Gewerbegebietes erscheine die Erschließung über die G-Gasse für den Verkehr vom Talinneren zweckmäßig. Darüber hinaus werde festgestellt, dass die Kraftfahrlinie ins S-Tal über diese Gemeindestraße auch auf dem gegenständlichen Streckenabschnitt genehmigt sei. Die einzig mögliche Ersatzstrecke über das M-Tal stehe für einen sicheren Kraftfahrlinienbetrieb vor allem im Winter nicht zur Verfügung. Die Auflassung der G-Gasse auf F Gemeindegebiet hätte demnach zur Folge, dass die Haltestellen im Ortsgebiet M von den Linienbussen nur mehr über die nordöstliche Ortszufahrt befahren werden könnten. Die Weg- und damit Zeitverlängerung für die Fahrgäste ins S-Tal wäre damit unzumutbar und widerspräche zudem den Grundsätzen und der Effizienz des öffentlichen Nahverkehrs. Im Gutachten werde zusammenfassend festgestellt, dass die Auflassung der Gemeindestraße G-Gasse auf dem Gemeindegebiet F eine erhebliche Beeinträchtigung des überörtlichen Verkehrs zur Folge hätte und daher die Aufrechterhaltung dieser Verkehrsverbindung für den Gemeingebrauch notwendig sei. Hingewiesen werde auch darauf, dass bei der Übergabe der ehemaligen Bundesstraße der beschwerdeführenden Gemeinde und der Gemeinde M Geld für die letztmalige Instandsetzung bereitgestellt worden sei, woraus bereits damals ersichtlich gewesen sei, dass die Aufrechterhaltung dieser Straße allgemein als notwendig angesehen worden sei.
Auch die Abteilung Raumplanung des Amtes der Tiroler Landesregierung habe darauf verwiesen, dass der öffentliche Busverkehr die G-Gasse auf dem Weg von M Richtung F sowie in die Gegenrichtung benütze. Mögliche Alternativen wiesen eine wesentlich geringere Eignung für die "winterliche Fahrverhältnisse" auf. Hier sei also ein erhebliches öffentliches Interesse an der Beibehaltung der Straße gegeben. Auch habe die Schottergrube M mit angeschlossenem Transportbetonwerk für die Versorgung des S-Tals sehr große Bedeutung. Die vorhandenen Vorräte dieser Schottergrube erstreckten sich vermutlich noch auf mehrere Jahrzehnte. Die Versorgung des S-Tals mit derartigen mineralischen Rohstoffen bzw. Transportbeton sei über die G-Gasse deutlich kürzer und auch sicherer als über die alternative Zufahrt, die von der Schottergrube "etwa Richtung Nord" zur Umfahrungsstraße führe. Auf die lange Abbauzeit und die großen Tonnagen bezogen ergäben sich aus dem Umweg, der bei einer Sperre der G-Gasse notwendig werde, erhebliche und unnotwendige zusätzliche Tonnenkilometer.
Die beschwerdeführende Gemeinde habe im Rahmen des Parteiengehörs erklärt, die Feststellung, dass der Straßenabschnitt hauptsächlich für Erschließungszwecke verwendet würde, sei gänzlich undenkbar. Die offizielle Zufahrt nach M bzw. für das Schotterwerk gehe ausschließlich von einer Haltestelle auf M Gebiet aus. Im Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde müsse ein erheblicher Teil der Benützer der Kraftfahrlinie 1000 m und mehr bis zur entsprechenden Haltestelle zurücklegen (Bewohner des Ortsteiles T.). Es müsse auf der Auflassung der Gemeindestraße bestanden werden.
Aus dem Akteninhalt ergäben sich - mit Ausnahme der Stellungnahme der beschwerdeführenden Gemeinde - ausschließlich ablehnende Stellungnahmen zur Auflassung. Auch die Tech - Tirol Technologie Zentrum GmbH habe der belangten Behörde mit Schreiben vom 6. Mai 1998 mitgeteilt, dass sie das Projekt Gewerbepark S entwickle und dafür als kürzeste Zufahrt die Zufahrt über die G-Gasse erforderlich sei. Die Umsetzung des Gewerbeparks hinge wesentlich vom Bestehen einer geeigneten Zufahrt ab.
Bemerkenswert sei auch der Inhalt des Schreibens des Leiters der Abteilung Bau- und Raumordnungsrecht des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 12. Mai 1998 an den Geschäftsführer der Tech Tirol, in welchem die Auflassung als völlig unverständlich bezeichnet werde und wonach eigentlich die gesamte Region S daran interessiert sein müsste, einen Gewerbepark zu installieren anstatt durch nicht nachvollziehbare Schritte dessen Errichtung zu verhindern.
Zusammenfassend hätten jedenfalls Nachgenannte ein Interesse am Weiterbestand der G-Gasse:
- Die Innsbrucker Verkehrsbetriebe, da die Verbindung
über das M-Tal für ihre Busse nicht wintertauglich sei;
- die Fahrgäste der obgenannten Kraftfahrlinie in M,
welche eine längere Gehstrecke zu den Haltestellen des Busses
zurücklegen müssten;
- die Errichter des Gewerbeparks S, für den eine
Erschließung von zwei Seiten wesentlich attraktiver sei als in
Form einer Sackgasse;
- die künftigen Beschäftigten, Lieferanten, Kunden
etc. des Gewerbeparks, die taleinwärts wohnten;
- die Firma M, die für die Gemeinde F die
Kompostierung auf dem Grundstück an der ehemaligen B XXX besorge
und die sonst durch M fahren müsste;
- die Bewohner der Gemeinde M, die durch den
Umwegverkehr über die Strecke M-Tal betroffen wären (Verkehr Schottergrube, Gewerbepark, ...)
Auf Grund dieser Vielzahl von Interessen könne zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass die Auflassung der G-Gasse eine erhebliche Beeinträchtigung des überörtlichen Verkehrs zur Folge hätte. Wenn dazu die beschwerdeführende Gemeinde ausführe, dass die Bewohner des Ortsteiles T auch bis zu über 1 km zur Bushaltestelle zurücklegen müssten und dies folglich auch den Busbenützern in M zugemutet werden könne, könne dies nicht als ernst gemeintes Argument angesehen werden und müsse von den Busbenützern in M geradezu als Verhöhnung verstanden werden. Wenn sich für eine Siedlung keine näher gelegene Haltestelle einrichten lasse, könne doch den Bewohnern einer anderen Siedlung nicht ihre Haltestelle weggenommen werden und ihnen ein genau so langer Anmarsch zugemutet werden, ohne dass für andere Busbenützer dadurch ein gleichwertiger Vorteil entstehe; eine weitere Zunahme des privaten PKW-Verkehrs wäre die unschwer abzusehende Folge.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Erkenntnis vom 23. September 2002, B 1571/99-9, abgewiesene und dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Es wird die Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 15 Abs. 1 und 7 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989, lauten:
"§ 15
Aufhebung der Widmung
(1) Eine Gemeindestraße kann durch Verordnung der Gemeinde aufgelassen werden, wenn sie keine Verkehrsbedeutung nach § 13 Abs. 2 mehr hat.
...
(7) Eine Verordnung über die Auflassung einer Gemeindestraße bedarf der Genehmigung der Landesregierung, wenn die aufzulassende Straße bis zur Gemeindegrenze führt und dort an eine andere öffentliche Straße anschließt. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Auflassung dieser Gemeindestraße eine erhebliche Beeinträchtigung des überörtlichen Verkehrs zur Folge hätte. Eine Verordnung über die Auflassung einer Gemeindestraße ist binnen einer Woche nach dem Einlangen der Genehmigung der Landesregierung durch öffentlichen Anschlag während zweier Wochen und in sonst ortsüblicher Weise kundzumachen. Eine solche Verordnung tritt mit dem Ablauf der Kundmachungsfrist in Kraft."
Die beschwerdeführende Gemeinde bestreitet nicht, dass die von ihr aufgelassene G-Gasse bis zur Gemeindegrenze zur Gemeinde M hin führt und dort an eine andere öffentliche Straße anschließt. Sie hält den angefochtenen Bescheid aber deswegen für rechtswidrig, weil die von ihr verfügte Auflassung der G-Gasse als Gemeindestraße eine erhebliche Beeinträchtigung des überörtlichen Verkehrs nicht zur Folge habe. Der Tatbestand des § 15 Abs. 7 des Tiroler Straßengesetzes sei nur dann erfüllt, wenn die durch die Auflassung der Gemeindestraße bewirkte Beeinträchtigung über eine nicht weiter qualifizierte und einfache Beeinträchtigung eindeutig hinausgehe, es müsse sich um eine Beeinträchtigung von erheblichem Deutlichkeits- und Gewichtsgrad handeln. Im vorliegenden Fall stehe die M-Straße als Alternative einer Verbindung von der ehemaligen Bundesstraße zur nunmehrigen B XXX S-Straße zur Verfügung. Dabei handle es sich um eine sehr gut ausgebaute, sehr breite und gerade für den LKW-Verkehr zur Schottergrube ausgelegte, also jeden Schwerverkehr leicht und gefahrlos aufnehmende Gemeindestraße. Sie weise eine Steigung auf, die überall in Tirol sowohl mit LKWs wie auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln befahren werde. Wenn im Gutachten behauptet werde, dass die M-Straße im Winter nicht zur Verfügung stehe, so sei dies eine unsubstanziierte Behauptung. Der Hinweis auf ein geplantes Gewerbegebiet sei deswegen nicht stichhaltig, weil im Raumordnungskonzept und im Flächenwidmungsplan der Gemeinde M ausschließlich eine verkehrsmäßige Erschließung dieses Gewerbegebietes über das M-Tal bzw. die Gemeindestraße auf M Gebiet zu Grunde gelegt worden sei. Das Gutachten der Abteilung Gesamtverkehrsplanung des Amtes der Tiroler Landesregierung sei unvollständig und unzutreffend, die Ausführungen der Abteilung Raumordnung des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 15. April 1999 erhöben nicht einmal den Anspruch, ein Gutachten zu sein. Die Begründung des angefochtenen Bescheides stelle eine bloße Aneinanderreihung von Darstellungen der Verfahrensergebnisse sowie abschließende apodiktische Behauptungen dar, darin seien nur bestimmte Interessen dargestellt und keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen. Nur eine numerische Abwägung der angeblich in ihren Interessen Betroffenen könne nicht genügen, um das Tatbestandsmerkmal einer erheblichen Beeinträchtigung des überörtlichen Verkehrs zu erfüllen.
Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 7 des Tiroler Straßengesetzes hat die Aufsichtsbehörde die Genehmigung der Auflassung einer Gemeindestraße zu versagen, wenn dies "eine erhebliche Beeinträchtigung des überörtlichen Verkehrs zur Folge hätte". Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass nicht jede - durch die Aufhebung einer Gemeindestraße bewirkte - Beeinträchtigung des überörtlichen Verkehrs die Versagung der Genehmigung einer solchen Auflassung im Grunde des § 15 Abs. 7 zweiter Satz des Tiroler Straßengesetzes rechtfertigt. Vielmehr muss es sich um eine "erhebliche Beeinträchtigung" handeln, also um eine ins Gewicht fallende, und nicht bloß unbedeutende Beeinträchtigung. Weiters ist festzustellen, dass nicht jeder Verkehr auf einer Gemeindestraße im Grenzbereich zu einer anderen Gemeinde einen überörtlichen Verkehr darstellt, nur weil die Straße in das Gebiet einer anderen Gemeinde führt. So nennt § 13 Abs. 2 lit b des Tiroler Straßengesetzes die Herstellung der Verbindung zwischen benachbarten Gemeinden oder zwischen größeren Teilen der Gemeinde als nur eine alternative Voraussetzung für die Schaffung von Gemeindestraßen und bezieht sich damit auf Gemeindestraßen mit überörtlichem Verkehr.
Die Aufsichtsbehörde hat im Fall der Versagung der Genehmigung der Auflassung einer Gemeindestraße im Sinne des § 15 Abs. 7 des Tiroler Straßengesetzes auf nachvollziehbare, einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugängliche Weise zu begründen, ob und weshalb eine solche erhebliche Beeinträchtigung des überörtlichen Verkehrs, also des Verkehr nicht bloß innerhalb des Gemeindegebietes, zu erwarten ist. Sie hat dabei in Form eines Befundes zunächst den bestehenden Verkehr auf der Gemeindestraße auf nachvollziehbare Weise umfassend darzustellen und sodann in Form einer Prognose sowohl zu beurteilen, welche konkreten Verkehrsbedürfnisse im Fall der Auflassung der Gemeindestraße nicht mehr befriedigt werden können als auch, welche alternativen Möglichkeiten für deren Befriedigung zur Verfügung stehen. Erst wenn eine abschließende Beurteilung anhand dieser Kriterien ergibt, dass die Auflassung der Straße eine erhebliche Beeinträchtigung des überörtlichen Verkehrs bedeuten würde, darf die Aufsichtsbehörde der Auflassung der Gemeindestraße ihre Genehmigung versagen.
Diesen Anforderungen wird die Beurteilung der belangten Behörde im vorliegenden Fall nicht gerecht. Die belangte Behörde hat sich zwar auf eine gutachtliche Stellungnahme der Abteilung Gesamtverkehrsplanung des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 18. August 1998 gestützt. Darin sind jedoch weder die relevanten Verkehrsverhältnisse ausreichend umfassend dargestellt, noch ausreichend nachvollziehbare Beurteilungen im Sinne des oben Gesagten enthalten (zu den an ein Sachverständigengutachten gemäß § 52 AVG zu stellenden Anforderung vgl. etwa im Übrigen die hg. Erkenntnisse vom 22. Dezember 2004, Zl. 2002/08/0267, und vom 4. April 2003, Zl. 2001/06/0115). In den von der belangten Behörde vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens befindet sich nicht einmal eine Plandarstellung der gegenständlichen Straßen. Insbesondere kann nicht beurteilt werden, ob sich die M-Straße als ausreichende Alternative für bisher durch die G-Gasse befriedigte Verkehrsbedürfnisse (z.B. für eine allenfalls geänderte Route des Busses) darstellt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf abzuweisen, dass die Beschwerdeführerin als Gebietskörperschaft von der Entrichtung der Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 VwGG befreit war.
Wien, am 19. September 2006
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Besondere Rechtsgebiete Gutachten Beweiswürdigung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2002060179.X00Im RIS seit
02.11.2006