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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1 Z3 idF 2004/I/077;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner über die Beschwerde des H in T, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 1. Juni 2005, Zl. LGSTi/V/0553/3444 19 03 47-702/2005, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem der Verlust des Anspruchs des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe für die Zeit vom 4. April bis zum 15. Mai 2005 abgewiesen wurde, abgewiesen.
In der Begründung stellte die belangte Behörde die Rechtslage dar und folgenden Sachverhalt fest:
"Das Arbeitsmarktservice Innsbruck gab Ihnen (dem Beschwerdeführer) am 14.02.2005 den Auftrag, an der Maßnahme 'Aktive Arbeitssuche' beim BFI Tirol teilzunehmen, da laut Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Innsbruck Ihre persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht ausreichten. Sie waren jedoch zu Maßnahmebeginn nicht erschienen und verhängte hierauf das Arbeitsmarktservice Innsbruck mit von Ihnen bekämpften Bescheid eine Ausschlussfrist gemäß § 38 und § 10 AlVG vom 04.04.2005 bis 15.05.2005."
Weiter führte die belangte Behörde wörtlich aus:
"Laut Bestätigung des Herrn Dr. V., Facharzt für Dermatologie und Venerologie in 6410 Telfs vom 16.03.2005, leiden Sie an einer schweren Psoriasis vulgaris und müssten deshalb täglich Bestrahlungen durchführen lassen. Laut Attest des Herrn Dr. B., Facharzt für Orthopädie in 6410 Telfs, vom 17.03.2005, besteht bei Ihnen ein erhebliches Leiden im Bereich der Halswirbelsäule. Aufgrund glaubhafter Schmerzen bereits nach kürzerem Verharren in einer Körperhaltung sei Ihnen derzeit ein Kursbesuch mit mehrstündigem monotonen Sitzen nicht zuzumuten.
Laut Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Innsbruck zu Ihren Berufungsausführungen sind sie bezüglich der gegenständlichen Kursmaßnahme informiert worden und für eine Teilnahme ab 04.04.2005 vorgemerkt. Sie sind jedoch weder zu Beginn erschienen, noch hätten Sie das Arbeitsmarktservice Innsbruck entsprechend diesbezüglich kontaktiert. Im Rahmen dieser Kursmaßnahme wäre es von Seiten der Trainer möglich gewesen, auf Ihre Einschränkungen Rücksicht zu nehmen, da während der ersten zwei Wochen zu Beginn des Seminars acht Termine zur Klärung allfälliger Vermittlungseinschränkungen und Kompetenzen vorgesehen sind und in weiterer Folge eine Betreuung im Rahmen eines Einzelcoachings möglich gewesen wäre. Dies hätte insbesondere auf Sie zugetroffen. Sie seien jedoch zur Kurseröffnung nicht erschienen und hätte daher keine Möglichkeit bestanden, eine entsprechende diesbezügliche Abklärung vorzunehmen."
In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde von einer Vereitelung der Wiedereingliederungsmaßnahme durch den Beschwerdeführer aus, weil dieser zur Maßnahme nicht gekommen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und - erkennbar - Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gegen die von der belangten Behörde angenommene Vereitelung der Wiedereingliederungsmaßnahme wendet der Beschwerdeführer unter anderem ein, er sei über die Gründe, weshalb die Maßnahme erforderlich sei, nicht informiert worden.
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen.
Nach § 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 77/2004 (vgl. § 79 Abs. 78 AlVG) verliert ein Arbeitsloser, der ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z. 1 bis 4 folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Zuweisung eines Arbeitslosen zu einer solchen Maßnahme nur dann in Frage kommt, wenn die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind. Die Behörde hat diese Voraussetzungen zu ermitteln und das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis zu bringen. Von einer den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld nach sich ziehenden ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an einer ihm zugewiesenen Nach- oder Umschulungsmaßnahme teilzunehmen, kann nur dann gesprochen werden, wenn sie in objektiver Kenntnis des Inhaltes der erforderlichen Nach(Um)schulung und der Zumutbarkeit und Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolgt. Dem gemäß liegt eine ungerechtfertigte Weigerung eines Arbeitslosen, an einer solchen Maßnahme teilzunehmen, nur dann vor, wenn es sich überhaupt um eine solche Maßnahme handelt, wenn weiter feststeht, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Erlangung bzw. Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind und es deshalb solcher Maßnahmen der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bedarf, und wenn schließlich das Arbeitsmarktservice das Ergebnis des diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis gebracht hat und der Arbeitslose dennoch ohne wichtigen Grund die Teilnahme an der Maßnahme ablehnt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 96/08/0042, mit weiteren Nachweisen aus der umfangreichen Rechtsprechung zu diesem Thema).
Abgesehen davon, dass die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht von einer Vereitelung, sondern einer Verweigerung der Teilnahme an der Maßnahme auszugehen gehabt hätte (unter "Verweigerung" der Teilnahme ist nach der sprachlichen Bedeutung dieses Tatbestandsmerkmals nämlich die ausdrückliche oder schlüssige Erklärung zu verstehen, an der Maßnahme nicht teilnehmen zu wollen, was der Beschwerdeführer durch sein Verhalten, zum Kursbeginn nicht zu kommen, zum Ausdruck gebracht hat), erweist sich die Weigerung des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig:
Die vorgelegten Akten lassen nämlich - anders als in der Gegenschrift behauptet wird - nicht erkennen, dass dem Beschwerdeführer im Sinne der dargestellten Rechtsprechung bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten, die ihm durch die Maßnahme, die er verweigert hat, vermittelt worden wären, gefehlt hätten und ihm das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hierüber vor der ihm angelasteten Verweigerung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen eines solchen Verhaltens zur Kenntnis gebracht worden wäre. War dies nicht geschehen - selbst die nach Beginn der Maßnahme mit dem Beschwerdeführer aufgenommene Niederschrift vom 13. April 2005 enthält lediglich eine Rechtsbelehrung -, so konnte sich der Beschwerdeführer von Anfang an weigern, an der Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen, ohne dass dies die Rechtsfolgen des § 10 Abs. 1 AlVG ausgelöst hätte.
Angesichts dessen bedurfte es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Kursbesuch dem Beschwerdeführer mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand zumutbar gewesen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 20. September 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005080124.X00Im RIS seit
31.10.2006