TE OGH 1998/4/14 10ObS135/98w

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Veröffentlicht am 14.04.1998
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Hon.Prof.Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinz Paul und Dr.Wilhelm Koutny (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erika P*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Punz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Paul Bachmann, Dr.Eva-Maria Bachmann und Dr.Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.November 1997, GZ 7 Rs 72/97b-69, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27.Dezember 1996, GZ 2 Cgs 80/94g-55, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die am 5.7.1942 geborene Klägerin übte von 1981 bis 1992 den Beruf einer selbständigen Trafikantin mit einer Angestellten aus. Aufgrund ihres vom Erstgericht im einzelnen festgestellten Gesundheitszustandes ist sie nur mehr für leichte körperliche Arbeiten mit gelegentlichen Hebeleistungen bis zu 10 kg geeignet. Ausgeschlossen sind Arbeiten unter Tischniveau, in ständiger Nässe und Kälte, an exponierten Stellen sowie Arbeiten mit ständigem besonderen Zeitdruck. Arbeiten mit gehäuftem Bücken mehr als fünfmal pro Stunde sind gleichfalls ausgeschlossen. Die Arbeiten können in der normalen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen verrichtet werden. Es sind alle geistigen Arbeiten der Ausbildung gemäß möglich. Einordenbarkeit, Anlernfähigkeit und Vermittelbarkeit sind gegeben. Die Anmarschwege sind nicht eingeschränkt. Ein Lagewechsel ist alle Stunden durchzuführen. Dabei kann die Klägerin eine Stunde stehen und muß dann eine 1/4 Stunde sitzen. Aufgrund ihrer urologischen Situation ist nach der Einnahme von Entwässerungsmedikamenten eine Stunde später zweimal im Abstand von je einer halben Stunde die Blase zu entleeren.

Mit Bescheid vom 6.5.1994 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 30.9.1993 auf Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension gemäß § 132 GSVG ab.Mit Bescheid vom 6.5.1994 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 30.9.1993 auf Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension gemäß Paragraph 132, GSVG ab.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei (im zweiten Rechtsgang) zur Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.7.1993, da die rechtlichen Voraussetzungen hiefür gemäß § 133 Abs 2 GSVG erfüllt seien.Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei (im zweiten Rechtsgang) zur Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.7.1993, da die rechtlichen Voraussetzungen hiefür gemäß Paragraph 133, Absatz 2, GSVG erfüllt seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge, sondern bestätigte das angefochtene Ersturteil mit der Maßgabe, daß die beklagte Partei schuldig erkannt wurde, der Klägerin die Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß erst ab 1.10.1993 zu gewähren. Das Berufungsgericht traf - nach Durchführung einer umfangreichen Beweisergänzung - zu den berufsspezifischen Aspekten der Tätigkeiten eines Tabaktrafikanten im allgemeinen und der Klägerin im besonderen zusätzliche Feststellungen und kam ebenfalls zum rechtlichen Ergebnis, daß die Klägerin als berufsunfähig anzusehen sei, weil die Tabaktrafikantentätigkeit für sie nur mehr kalkülsüberschreitend möglich sei; auch eine Umstrukturierung der Trafik greife nicht Platz, wobei die Einstellung einer Hilfskraft ruinös und finanziell nicht vertretbar sei. Ausgehend von der Antragstellung der Klägerin erst am 30.9.1993 sei allerdings das Datum des Beginnes der Erwerbsunfähigkeitspension gegenüber dem Ersturteil auf den 1.10.1993 richtig zu stellen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im klagsabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Da die Klägerin zwischenzeitlich einen Vorschuß auf die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer beziehe, ist allerdings nur mehr ihre Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 55. Lebensjahres (am 5.7.1997) strittig.

Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Die Revisionswerberin argumentiert in ihrer Rechtsrüge dahin, daß die von den Vorinstanzen getroffenen und den eingeholten berufskundlichen Gutachten entnommenen Aussagen zur Berufsunfähigkeit mit den Bestimmungen des Tabakmonopolgesetzes 1996 (TabMG 1996, BGBl 1995/830) unvereinbar seien. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, für den im § 29 leg cit genannten (in der Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 vH geminderten) Personenkreis eine Erwerbsmöglichkeit normiert zu haben, welche dieser Personenkreis von vorneherein gar nicht ausnützen könne, weil entweder die damit verbundenen Tätigkeiten sein Leistungskalkül überstiegen oder aber der Betrieb aufgrund des Erfordernisses, entsprechend viel Personal einzustellen, nicht rentabel geführt werden könne. Der Klägerin sei - im Sinne der Judikatur - die Weiterführung der Trafik überwiegend im Sitzen, unter Vermeidung eines vermehrten und häufigen Bückens, des Hebens und Tragens zu schwerer Lasten sowie sonstiger einfacher Organisationsmaßnahmen möglich und zumutbar.Die Revisionswerberin argumentiert in ihrer Rechtsrüge dahin, daß die von den Vorinstanzen getroffenen und den eingeholten berufskundlichen Gutachten entnommenen Aussagen zur Berufsunfähigkeit mit den Bestimmungen des Tabakmonopolgesetzes 1996 (TabMG 1996, BGBl 1995/830) unvereinbar seien. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, für den im Paragraph 29, leg cit genannten (in der Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 vH geminderten) Personenkreis eine Erwerbsmöglichkeit normiert zu haben, welche dieser Personenkreis von vorneherein gar nicht ausnützen könne, weil entweder die damit verbundenen Tätigkeiten sein Leistungskalkül überstiegen oder aber der Betrieb aufgrund des Erfordernisses, entsprechend viel Personal einzustellen, nicht rentabel geführt werden könne. Der Klägerin sei - im Sinne der Judikatur - die Weiterführung der Trafik überwiegend im Sitzen, unter Vermeidung eines vermehrten und häufigen Bückens, des Hebens und Tragens zu schwerer Lasten sowie sonstiger einfacher Organisationsmaßnahmen möglich und zumutbar.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof folgendes erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Voranzustellen ist, daß der gegenständlichen Sozialrechtssache nicht ein Fall des § 131 c GSVG (vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit), sondern ein solcher im Sinne des § 133 Abs 2 GSVG (Erwerbsunfähigkeitspension) in der Fassung der 19. Novelle BGBl 1993/336 (in Kraft getreten am 1.7.1993) zur Beurteilung ansteht. Als erwerbsunfähig gilt demnach ein Versicherter bzw eine Versicherte, der (die) das 50. Lebensjahr vollendet hat (lit a) und dessen (deren) persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war (lit b), wenn er (sie) infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der (die) Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Der Gesetzgeber verfolgte - wie den Materialien in der RV 933 BlgNR 18. GP, 25 zu entnehmen ist - mit der Novelle dieser Bestimmung die Absicht, "daß ab dem 50. Lebensjahr für Kleingewerbetreibende zur Beurteilung der dauernden Erwerbsunfähigkeit nur mehr eine qualifizierte Verweisung zulässig sein soll, so wie das auch bei erlernten oder angelernten Berufen unselbständig Erwerbstätiger schon vor dem 50. Lebensjahr der Fall ist. Ein Tätigkeitsschutz soll [hingegen] zwischen dem 50. und dem 55. Lebensjahr weiterhin nicht bestehen." Auf die konkret im Beobachtungszeitraum ausgeübte Tätigkeit oder die bisherige Betriebsstruktur stellt nur § 131 c, nicht aber § 133 Abs 2 GSVG ab (10 ObS 28/97h, 10 ObS 73/97a, 10 ObS 149/97b), sodaß die Feststellungen des Berufungsgerichtes etwa über die wirtschaftliche Situation der Trafik der Klägerin schon aus dieser Überlegung letztlich unerheblich sind. Abzustellen ist vielmehr auf die Situation in Trafiken schlechthin (Berufs- und kein Tätigkeitsschutz). Das Gesetz stellt - wie ausgeführt - eben nicht auf die konkret ausgeübten selbständigen Tätigkeiten und die bisherige Betriebsstruktur ab, sondern nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die durch 60 Monate ausgeübte selbständige Tätigkeit erforderlich waren. Dem Versicherten soll bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 133 Abs 2 GSVG nicht zugemutet werden, völlig neue Kenntnisse zu erwerben oder nunmehr einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen (SSV-NF 9/22, 10 ObS 73/97a).Voranzustellen ist, daß der gegenständlichen Sozialrechtssache nicht ein Fall des Paragraph 131, c GSVG (vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit), sondern ein solcher im Sinne des Paragraph 133, Absatz 2, GSVG (Erwerbsunfähigkeitspension) in der Fassung der 19. Novelle BGBl 1993/336 (in Kraft getreten am 1.7.1993) zur Beurteilung ansteht. Als erwerbsunfähig gilt demnach ein Versicherter bzw eine Versicherte, der (die) das 50. Lebensjahr vollendet hat (Litera a,) und dessen (deren) persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war (Litera b,), wenn er (sie) infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der (die) Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Der Gesetzgeber verfolgte - wie den Materialien in der RV 933 BlgNR 18. GP, 25 zu entnehmen ist - mit der Novelle dieser Bestimmung die Absicht, "daß ab dem 50. Lebensjahr für Kleingewerbetreibende zur Beurteilung der dauernden Erwerbsunfähigkeit nur mehr eine qualifizierte Verweisung zulässig sein soll, so wie das auch bei erlernten oder angelernten Berufen unselbständig Erwerbstätiger schon vor dem 50. Lebensjahr der Fall ist. Ein Tätigkeitsschutz soll [hingegen] zwischen dem 50. und dem 55. Lebensjahr weiterhin nicht bestehen." Auf die konkret im Beobachtungszeitraum ausgeübte Tätigkeit oder die bisherige Betriebsstruktur stellt nur Paragraph 131, c, nicht aber Paragraph 133, Absatz 2, GSVG ab (10 ObS 28/97h, 10 ObS 73/97a, 10 ObS 149/97b), sodaß die Feststellungen des Berufungsgerichtes etwa über die wirtschaftliche Situation der Trafik der Klägerin schon aus dieser Überlegung letztlich unerheblich sind. Abzustellen ist vielmehr auf die Situation in Trafiken schlechthin (Berufs- und kein Tätigkeitsschutz). Das Gesetz stellt - wie ausgeführt - eben nicht auf die konkret ausgeübten selbständigen Tätigkeiten und die bisherige Betriebsstruktur ab, sondern nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die durch 60 Monate ausgeübte selbständige Tätigkeit erforderlich waren. Dem Versicherten soll bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Paragraph 133, Absatz 2, GSVG nicht zugemutet werden, völlig neue Kenntnisse zu erwerben oder nunmehr einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen (SSV-NF 9/22, 10 ObS 73/97a).

Mit Angehörigen der Berufsgruppe selbständiger Tabaktrafikanten hatte sich der Oberste Gerichtshof in den letzten Jahren bereits mehrfach zu befassen (SSV-NF 2/70, 9 /43, 10/5, weiters 10 ObS 2300/96z, 10 ObS 256/97p), wobei speziell in der zuletzt veröffentlichten Entscheidung SSV-NF 10/5 ausgesprochen wurde, daß bei der Beurteilung der Organisationsmöglichkeiten eines Trafikanten eher ein strenger Maßstab anzulegen ist, was umsomehr gilt, wenn weiteres Personal vorhanden ist (nach den Feststellungen des Erstgerichtes stand der Klägerin bis zuletzt eine Angestellte zur Verfügung). Nach der Auffassung der Vorinstanzen steht der weiteren Tätigkeit der Klägerin als Trafikantin (vorrangig) die Notwendigkeit des 15-minütigen Sitzens nach einer Stunde Stehen entgegen; allenfalls könnte - was von den Vorinstanzen bisher nicht weiter in seine Beurteilung miteinbezogen wurde - auch der Umstand, daß sie sich nur 5 x pro Stunde bücken kann, ein Hindernis bei der Zeitungsmanipulation (Ausräumung des Containers durch Zerteilen der Zeitungspakete und damit Notwendigkeit häufigeren Bückens) in Verbindung mit "gelegentlichen" Hebeleistungen von maximal 10 kg bedeuten. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich etwa in den Entscheidungen SSV-NF 2/70, 9/43 und 10/5 ausgesprochen, daß es einem Tabaktrafikanten durchaus zumutbar sei, das Heben und Tragen von für ihn zu schweren Lasten (zB von Zeitungspaketen) durch einfache Organisationsmaßnahmen, etwa die Teilung solcher Pakete, zu vermeiden.

Daß gerade behinderte Personen durch das von der Revisionswerberin in den Vordergrund ihrer Ausführungen gerückte TabMG bevorzugt werden sollen, spricht in der Tat dagegen, daß solche Tätigkeiten bei Vorliegen von bestimmten gesundheitlichen Einschränkungen nicht verrichtet werden können, und bestätigt damit den bereits in der Entscheidung SSV-NF 10/5 geforderten strengen Maßstab ebenfalls. Dabei sind allerdings die Rechtsmittelausführungen zunächst dahingehend klarzustellen, daß zufolge des für die Klägerin maßgeblichen Stichtages nicht auf das nach § 44 am 1.1.1996 in Kraft getretene TabMG 1996, sondern nur das TabMG 1968 BGBl 38 Bedacht genommen werden kann, welches freilich in seinem § 25 (idF der Novelle BGBl 1979/62) gleichfalls im wesentlichen gleiche Vorzugsrechte (für Bewerber um eine Tabaktrafik) normierte und auf welche der Gesetzgeber daher auch im nunmehrigen § 29 TabMG 1996 zurückgriff (Bericht des Budgetausschusses 390 BlgNR 19. GP 6). Tatsächlich werden (und wurden) hierin speziell bestimmte Personengruppen aus dem Behinderten- und Schwerbeschädigtenkreis mit Erwerbsunfähigkeiten ab zumindest 50 vH als bevorzugte Bewerber erwähnt, sodaß es - wie die Revisionswerberin an sich zutreffend hervorhebt - ein Wertungswiderspruch wäre, solche Personen gleichzeitig dennoch als erwerbsunfähig im Sinne der Sozialversicherungsgesetze einzustufen. Dabei kann es als notorisch (§ 269 ZPO) gelten, daß Trafikanten etwa mit Beinamputationen, Rollstuhlgebundenheit und somit ausschließend sitzend vielfach und österreichweit anzutreffen sind.Daß gerade behinderte Personen durch das von der Revisionswerberin in den Vordergrund ihrer Ausführungen gerückte TabMG bevorzugt werden sollen, spricht in der Tat dagegen, daß solche Tätigkeiten bei Vorliegen von bestimmten gesundheitlichen Einschränkungen nicht verrichtet werden können, und bestätigt damit den bereits in der Entscheidung SSV-NF 10/5 geforderten strengen Maßstab ebenfalls. Dabei sind allerdings die Rechtsmittelausführungen zunächst dahingehend klarzustellen, daß zufolge des für die Klägerin maßgeblichen Stichtages nicht auf das nach Paragraph 44, am 1.1.1996 in Kraft getretene TabMG 1996, sondern nur das TabMG 1968 BGBl 38 Bedacht genommen werden kann, welches freilich in seinem Paragraph 25, in der Fassung der Novelle BGBl 1979/62) gleichfalls im wesentlichen gleiche Vorzugsrechte (für Bewerber um eine Tabaktrafik) normierte und auf welche der Gesetzgeber daher auch im nunmehrigen Paragraph 29, TabMG 1996 zurückgriff (Bericht des Budgetausschusses 390 BlgNR 19. GP 6). Tatsächlich werden (und wurden) hierin speziell bestimmte Personengruppen aus dem Behinderten- und Schwerbeschädigtenkreis mit Erwerbsunfähigkeiten ab zumindest 50 vH als bevorzugte Bewerber erwähnt, sodaß es - wie die Revisionswerberin an sich zutreffend hervorhebt - ein Wertungswiderspruch wäre, solche Personen gleichzeitig dennoch als erwerbsunfähig im Sinne der Sozialversicherungsgesetze einzustufen. Dabei kann es als notorisch (Paragraph 269, ZPO) gelten, daß Trafikanten etwa mit Beinamputationen, Rollstuhlgebundenheit und somit ausschließend sitzend vielfach und österreichweit anzutreffen sind.

In der Entscheidung 10 ObS 82/95 (veröffentlicht in SSV-NF 9/43) hat der Senat in diesem Zusammenhang auch die Erwerbsunfähigkeit eines selbständigen Trafikanten ausdrücklich verneint, dem nur kurzzeitiges Arbeiten im Stehen und Gehen bis zu (maximal) 10 Minuten mit anschließendem etwa 15-minütigem dauernden Sitzen möglich war. Umsoweniger kann aber dann die Notwendigkeit eines durchgehenden ebenfalls 1/4 Stunde dauernden Sitzens nach einstündigem Dauerstehen bei einer Person wie der Klägerin in der vorliegenden Sozialrechtssache Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 133 Abs 2 GSVG begründen - was aber selbstredend auch gelten muß, wenn sie (worüber freilich konkrete Feststellungen fehlen) ohnedies gar nicht eine Stunde dauernd (also durchgehend) im Geschäft stehen muß, sondern sich dazwischen immer wieder niedersetzen kann, was bei der Art der Tätigkeit eines Tabaktrafikanten in der Praxis gewiß möglich ist. Welche Sitzpausen aber unter diesen Umständen (nämlich dann, wenn nicht eine Stunde Dauerstehen notwendig ist) erforderlich sind, blieb bislang unerhoben. Sind aber bei regelmäßiger Unterbrechung des Stehens durch solches zwischenzeitliches Sitzen durchgehende Sitzpausen von 15 Minuten (wie bei einstündigem Dauerstehen) nicht erforderlich, wäre weiters zu prüfen, ob allenfalls die Beschränkung bezüglich des Bückens - wie oben bereits aufgezeigt - von Einfluß ist. Andernfalls könnte die Klägerin jedoch den Beruf einer Trafikantin in der bisherigen Form weiter ausüben, sodaß sich die Frage der Verweisung auf eine andere Tätigkeit diesfalls gar nicht stellen würde.In der Entscheidung 10 ObS 82/95 (veröffentlicht in SSV-NF 9/43) hat der Senat in diesem Zusammenhang auch die Erwerbsunfähigkeit eines selbständigen Trafikanten ausdrücklich verneint, dem nur kurzzeitiges Arbeiten im Stehen und Gehen bis zu (maximal) 10 Minuten mit anschließendem etwa 15-minütigem dauernden Sitzen möglich war. Umsoweniger kann aber dann die Notwendigkeit eines durchgehenden ebenfalls 1/4 Stunde dauernden Sitzens nach einstündigem Dauerstehen bei einer Person wie der Klägerin in der vorliegenden Sozialrechtssache Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Paragraph 133, Absatz 2, GSVG begründen - was aber selbstredend auch gelten muß, wenn sie (worüber freilich konkrete Feststellungen fehlen) ohnedies gar nicht eine Stunde dauernd (also durchgehend) im Geschäft stehen muß, sondern sich dazwischen immer wieder niedersetzen kann, was bei der Art der Tätigkeit eines Tabaktrafikanten in der Praxis gewiß möglich ist. Welche Sitzpausen aber unter diesen Umständen (nämlich dann, wenn nicht eine Stunde Dauerstehen notwendig ist) erforderlich sind, blieb bislang unerhoben. Sind aber bei regelmäßiger Unterbrechung des Stehens durch solches zwischenzeitliches Sitzen durchgehende Sitzpausen von 15 Minuten (wie bei einstündigem Dauerstehen) nicht erforderlich, wäre weiters zu prüfen, ob allenfalls die Beschränkung bezüglich des Bückens - wie oben bereits aufgezeigt - von Einfluß ist. Andernfalls könnte die Klägerin jedoch den Beruf einer Trafikantin in der bisherigen Form weiter ausüben, sodaß sich die Frage der Verweisung auf eine andere Tätigkeit diesfalls gar nicht stellen würde.

Keine wesentliche Bedeutung kommt der Frage zu, in welchen Zeitabständen die Klägerin die sodann im Stundenabstand zur Blasenentleerung führenden Entwässerungstabletten nehmen muß und ob sie diese Einnahme unter Umständen auch zeitlich variieren (koordinieren) kann. Da sie im Bereich ihrer Trafik jedenfalls ein WC zur Verfügung haben muß, weil sie ein solches ja auch ohne diese besonderen (krankheitsbedingten) Umstände benötigt, besteht auch unter Umständen die Möglichkeit, durch eine zeitlich abgestimmte Einnahme dieser Tabletten die zusätzlichen Pausen in die Zeit zu verlegen, in der das Geschäft ohnedies nicht geöffnet ist, wobei auch zu berücksichtigt ist, daß sie erforderlichenfalls das Geschäft auch kurzfristig zusperrt. Da sie ja als Selbständige tätig ist, kommt die Notwendigkeit eines besonderen Entgegenkommens eines Dienstgebers, das sonst bei zusätzlichen Pausen für die Verweisbarkeit von Einfluß sein könnte, hier nicht zum Tragen.

Erst wenn sich ergeben sollte, daß die Klägerin - anhand der vorstehenden Kriterien - tatsächlich nicht in der Lage ist, eine Trafik in der bisherigen Form zu betreiben, stellt sich die Frage der Umorganisation bzw die Frage, welches (andere) Geschäft sie betreiben könnte. Dabei kämen - ausgehend vom bisherigen Tätigkeitsinhalt - vor allem eine Trafik ohne Zeitungsverkauf oder eine Lottokollektur in Frage. In den (ergänzenden) Feststellungen des Berufungsgerichtes durchaus anklingt, daß es solche ("Nur"-)Trafiken gibt und zu klären wäre dann, ob die Klägerin unter Ausschaltung des Verkaufes von Zeitschriften, Zeitungen und sonstigen Kurzwaren, welche ja die meiste und anspruchsvollste manipulative Arbeit bedingen, leistungskalkülmäßig in der Lage wäre, weiterhin als Trafikantin einer solchen (eingeschränkten) Trafik tätig zu sein. Auch eine Verweisung auf die Führung einer Lotto-Toto-Kollektur wäre damit in diese Prüfung einzubeziehen, zumal die Klägerin im Rahmen ihres Trafikbetriebes diese Tätigkeiten verrichtet hat und in solchen Kollekturen - was freilich ebenfalls noch näher zu erheben sein wird - üblicherweise keine kalkülsüberschreitenden Arbeiten anfallen, weil die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen nur Arbeiten mit ständigem besonderen Zeitdruck nicht gewachsen wäre. Daß nur gelegentlich Zeitdruck auftritt (Lottoannahmeschluß), würde dieses Kriterium bei ihr nicht erfüllen. Überdies kann die Klägerin als selbständige Unternehmerin diesem Aspekt auch besser Rechnung tragen als ein Angestellter, weil sie eben unter Inkaufnahme eines gewissen Kundenverlustes nur die Menge pro Zeiteinheit erledigen müßte, welche ihr eben leistungskalkülmäßig zumutbar ist. Daß Verweisungen auf Teilbereiche der bisherigen Tätigkeit zulässig sind, hat der Oberste Gerichtshof in diesem Zusammenhang bereits mehrfach ausgesprochen (SSV-NF 9/22, 10 ObS 49/97x, 10 ObS 382/97t).

Es zeigt sich somit - zusammenfassend -, daß für die abschließende Beurteilung wesentliche Fragen noch ungeklärt geblieben sind, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens in den aufgezeigten Punkten aufzuheben und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen war.

Ein Kostenvorbehalt hatte zu entfallen, weil die Klägerin weder im Berufungsverfahren noch in ihrer Revisionsbeantwortung Kosten verzeichnet hat.

Anmerkung

E50133 10C01358

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:010OBS00135.98W.0414.000

Dokumentnummer

JJT_19980414_OGH0002_010OBS00135_98W0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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