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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Au vom 28.03.01 betreffend Auflassung des Wanderweges "Klettersteig Mittagsfluh"Leitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf (teilweise) Aufhebung einer Verordnung mangels eindeutiger Bezeichnung der bekämpften Verordnungsstellen; kein verbesserungsfähiger MangelSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Der vorliegende, auf Art139 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützte Antrag richtet sich gegen die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Au vom 28. März 2001, Z101/616-1, betreffend Auflassung des Wanderweges "Klettersteig Mittagsfluh".
1. Diese Verordnung, welche durch Anschlag an der Amtstafel vom 28. März bis 10. Mai 2001 kundgemacht wurde, hat folgenden Wortlaut:
"Im gegenständlichen Fall handelt es sich um einen Wanderweg gemäß §23 des Straßengesetzes. LGBl. Nr. 8/1969. Wanderwege gemäß §20 Abs1 sind öffentliche Privatstraßen. In Anwendung von §21 Abs3 des Straßengesetzes und im Einvernehmen mit den Grundbesitzern wird die Auflassung des Wanderweges 'Klettersteig Mittagsfluh' verordnet.
Diese Verordnung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft."
2.1. Der antragstellende Verein bringt zu seiner Antragslegitimation vor, daß sein Vereinszweck gemäß §2 der Vereinssatzung darin bestehe, "die Kenntnis der Hochgebirge zu erweitern und zu verbreit[r]en, das Bergsteigen zu fördern, das Wandern jeder Art in den Alpen zu pflegen, ihre Schönheit und Ursprünglichkeit zu erhalten und dadurch auch die Liebe zu Volk und Heimat zu pflegen und zu stärken". Als eine in Vorarlberg bestehende Organisation, deren satzungsmäßiger Zweck auch die Förderung des Wanderns ist, sei er gemäß §23 des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl. für Vorarlberg 8/1969, berechtigt, öffentliche Privatstraßen, die nach ihrer Art nur für den Verkehr von Fußgängern und Tieren benutzbar sind und vorwiegend dem Wandern dienen (Wanderwege), in ihrem bisherigen Umfang zu erhalten und an diesen Wegweiser und Markierungszeichen anzubringen.
Dies habe er auch in Ansehung des mit der angefochtenen Verordnung aufgelassenen Wanderweges "Klettersteig Mittagsfluh" getan. Da die angefochtene Verordnung, ohne daß es hiefür einer weiteren behördlichen Entscheidung bedürfte, ihm seine gesetzlich zugestandene Tätigkeit unmöglich mache, greife diese in seine Rechtsphäre unmittelbar und aktuell ein.
2.2. Gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung führt der antragstellende Verein ins Treffen, daß sich dieser nicht entnehmen lasse, wo der Wanderweg "Klettersteig Mittagsfluh" beginnt und endet, wer Eigentümer des Straßengrundes ist und ob bzw. wann dieser tatsächlich der Auflassung des Weges zugestimmt habe; im Verfahren sei dem Verein kein Mitspracherecht eingeräumt worden, obgleich durch die Verordnung seine ihm nach den Bestimmungen des Vbg. StraßenG, insbesondere dem §23, zustehenden Rechte entzogen werden. Durch die Auflassung des Wanderweges würden aber auch bedeutende öffentliche Verkehrsinteressen und überregionale Interessen, insbesondere die den Gemeinden durch §1 Vbg. SportG zur Aufgabe gemachte Förderung des im Interesse der Gemeinschaft gelegenen Sportes, beeinträchtigt. Zum anderen verstoße die Verordnung auch gegen die §§24 und 25 Vbg. StraßenG, §§33 und 34 ForstG und §33 Abs4 Vbg. Gesetz über das Jagdwesen.
2.3. Was das Begehren anlangt, wird zum einen (unter dem Rubrum "Prüfgegenstand") "beantragt gemäß Art139 B-VG die Verordnung der Gemeinde Au bzw. des Bürgermeisters der Gemeinde Au von 28.3.2001 Zahl 101/616-1, ortsüblich kundgemacht, zur Gänze wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben"; zum anderen (sub titulo "Aufhebungsbegehren") der Antrag gestellt, der Gerichtshof möge diese Verordnung "insoweit als gesetzwidrig aufheben, als in Anwendung des §21 (3) StrG die Auflassung des Wanderweges 'Klettersteig Mittagsfluh' verordnet wird und diese Verordnung mit sofortiger Wirkung in Kraft tritt".
II. Der Antrag ist unzulässig.
1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Ein solcher Antrag muß gemäß §57 Abs1 erster Satz VfGG begehren, daß entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalte nach oder daß bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden. Weiters hat er die gegen die Gesetzmäßigkeit der aufzuhebenden Verordnung(sstellen) sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen (§57 Abs1 Satz 2 VfGG).
Um die strengen Formerfordernisse des ersten Satzes des §57 Abs1 VfGG zu erfüllen, müssen - wie der Verfassungsgerichtshof in vielen Beschlüssen (vgl. zB VfSlg. 10.141/1984, 11.888/1988 mwN, 12.859/1991, 14.040/1995) ausgeführt hat - die bekämpften Stellen der Verordnung genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offen bleiben, welche Vorschriften oder welche Teile einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aufgehoben werden sollen. Der Verfassungsgerichtshof ist nämlich nicht befugt, Verordnungsbestimmungen aufgrund bloßer Vermutung darüber, welche Normen der Antragsteller ins Auge gefaßt haben könnte, in Prüfung zu ziehen.
2. Diesen Anforderungen wird der vorliegende Antrag nicht gerecht, wenn - wie unter Pkt. I.2.3. dargetan - einerseits die Aufhebung der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Au "zur Gänze" beantragt wird, der abschließend formulierte Antrag aber ein engeres, bloß auf einen Teil der Verordnung zielendes Aufhebungsbegehren enthält (arg. "insoweit"), das für sich genommen zudem nicht klar und eindeutig erkennen läßt, welcher Teil der Verordnung nach Auffassung des antragstellenden Vereins der Aufhebung verfallen soll.
Dem Antrag haftet sohin ein nicht iSd §18 VfGG verbesserungsfähiger - gravierender - Mangel an (vgl. zB VfSlg. 13.736/1994), weshalb er schon aus diesem Grund zurückzuweisen war.
Zu dem bloß in Anlehnung an den Wortlaut der letzten beiden Sätze der Verordnung und damit unklar formulierten Aufhebungsbegehren sei im übrigen noch bemerkt, daß der antragstellende Verein nicht bedacht zu haben scheint, daß durch die Aufhebung bloß der beiden letzten Sätze den verbleibenden Verordnungvorschriften ein Sinn verliehen würde, der den offenkundigen Inhalt der Verordnung, den Klettersteig Mittagsfluh als Wanderweg aufzulassen, ins Gegenteil verkehrte, nämlich dessen Eigenschaft als öffentliche Privatstraße - unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des §20 Abs1 Vbg. StraßenG überhaupt vorliegen - allgemein verbindlich anzuordnen. Eine derartige Aufhebung käme einem dem Verfassungsgerichtshof verwehrten Akt positiver Normsetzung gleich (vgl. zB VfSlg. 13.915/1994, 15.283/1998).
3. Der Antrag war daher als unzulässig zurückzuweisen, was in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.
Schlagworte
Straßenverwaltung, Widmung, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag, VfGH / MängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:V72.2001Dokumentnummer
JFT_09979389_01V00072_00