TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/20 2005/08/0093

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Veröffentlicht am 20.09.2006
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §7 Abs3 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Mag. Patrizia Raja, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger Platz 5, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 7. März 2005, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/1218/56/2005-374, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den Verwaltungsakten ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer beantragte mit einem am 12. Jänner 2005 angegebenen Formular beim Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Frage im Antragsformular, ob der Beschwerdeführer derzeit in Beschäftigung stehe - wobei beispielhaft eine Tätigkeit als Geschäftsführer angeführt ist - hat er, ebenso wie die Frage nach der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit, verneint.

In einer aus Anlass der Abgabe des Auftragsformulars am 31. Jänner 2005 aufgenommenen Niederschrift gab der Beschwerdeführer unter anderem an: "Meine selbständige Erwerbstätigkeit hat am 19. 11. 2004 begonnen"; er übe die Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. GmbH aus. Für diese Tätigkeit wende er pro Woche durchschnittlich 38,5 Stunden auf. Diese Niederschrift enthält den Hinweis, dass sie vorgelesen wurde und trägt die Unterschrift der "Partei".

In einer formularmäßigen "Erklärung über das Bruttoeinkommen sowie den Umsatz" vom selben Tag findet sich unter anderem der Satz: "Ich, (Beschwerdeführer), erkläre, dass ich seit 19.11.04 selbständig erwerbstätig bin." Einkommen und Umsatz sind für Jänner 2005 jeweils mit Null angeführt.

Einem im Verwaltungsakt einliegenden Firmenbuchauszug der M. GmbH ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seit 27. November 2004 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist.

Einem ebenso aktenkundigen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 29. Dezember 2004 zufolge besitzt der Beschwerdeführer "die individuelle Befähigung für das Gewerbe: Schlosser (Handwerk) eingeschränkt auf Schweißarbeiten". In der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides findet sich der Hinweis, dass der Bescheid noch nicht zur Ausübung des Gewerbes berechtige.

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 3. Februar 2005 wurde der eingangs genannte Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Arbeitslosengeld abgewiesen. Nach der Begründung wende der Beschwerdeführer mehr als 38 Stunden in der Woche für seine Firmengründung auf. Er verfolge das Ziel, seine Selbständigkeit fortzuführen, sobald er mit vermehrten Aufträgen rechnen könne. Die Aufnahme einer vom Arbeitsmarktservice vermittelten Stelle liege nicht in seinem Interesse. Es bestehe Grund zur Annahme, dass der Beschwerdeführer nicht an einer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern vordringlich am Aufbau seiner selbständigen Erwerbstätigkeit interessiert sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei in der Zwischenzeit zwei Aufforderungen des Arbeitsmarktservice zur Arbeitssuche nachgekommen. Die mit Stichtag 29. November 2004 erfolgte Firmengründung sei bis zum heutigen Tag "nicht aktiviert. Somit ist diese noch im sogenannten Planungsstadium." (Fettdruck im Original) Sobald eine "Aktivierung der Firma" erfolge, werde der Beschwerdeführer das Arbeitsmarktservice verständigen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben.

In der Begründung fasste sie das Ergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens zusammen und stellte folgenden Sachverhalt fest:

"Sie haben am 12.1.2005 einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt. Bis 31.12.2004 standen Sie in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis bei der (R) GmbH.

Sie haben dem Arbeitsmarktservice bekannt gegeben, dass sie seit 19.11.04 selbständig erwerbstätig sind Sie sind handelsrechtlicher Geschäftsführer und Alleingesellschafter der (S) GmbH. Sie haben gegenüber dem Arbeitsmarktservice am 31.1.2005 erklärt, Sie wendeten für Ihre selbständige Tätigkeit 38,5 Wochenstunden auf."

Diese Feststellungen stützte die belangte Behörde auf die Angaben des Beschwerdeführers sowie auf den Inhalt des Verwaltungsaktes.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde zusammengefasst die Ansicht, der Beschwerdeführer sei wegen der für seine selbständige Erwerbstätigkeit aufgewendeten Zeit nicht verfügbar, weshalb er keinen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 7 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) lautet auszugsweise:

"§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1.

der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2.

die Anwartschaft erfüllt und

3.

die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

(3) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person,

1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden, zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält,

2. ..."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es für die Beurteilung der Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG nicht aus, die Arbeitswilligkeit dadurch zu bekunden, dass die Bereitschaft erklärt wird, jede vom AMS vermittelte Beschäftigung anzunehmen, wenn auf Grund konkreter Umstände Grund zur Annahme besteht, dass im Hinblick auf die anzunehmende zeitliche Beanspruchung des Arbeitslosen nicht die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern (z.B.) die Gründung und Betreibung eines eigenen Unternehmens das von ihm verfolgte Ziel ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2002, Zl. 97/08/0596). In seinem Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 97/08/0519, hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit einer Betriebsgründung die Auffassung vertreten, dass eine (damals festgestellte) zeitliche Inanspruchnahme von täglich 10 bis 12 Stunden die Annahme rechtfertige, der Arbeitslose habe sich nicht zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen versicherungspflichtigen Beschäftigung bereitgehalten. Auch im Fall des Erkenntnisses vom 27. Juli 2001, Zl. 2000/08/0216, war auf Grund der dort festgestellten Umstände (wonach der Beschwerdeführer einziger persönlich haftender und vertretungsbefugter Gesellschafter einer Kommanditerwerbsgesellschaft war, die ein Kaffeehaus betrieb, in dem er während der Öffnungszeiten von 15 Stunden täglich fast immer anwesend war) nicht von einer Verfügbarkeit auszugehen. Im Fall des Erkenntnisses vom 23. Februar 2005, Zl. 2004/08/0019, hat der Beschwerdeführer im Rahmen einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit 40 Stunden pro Woche für Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik aufgewendet. Dort hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass bei dieser selbständigen Erwerbstätigkeit, die den Beschwerdeführer in einem zeitlichen Ausmaß gebunden habe, das der höchstzulässigen wöchentlichen Normalarbeitszeit gemäß § 3 Abs. 1 AZG entspricht, Grund zur Annahme bestehe, dass das vom Beschwerdeführer verfolgte Ziel nicht die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern die Betreibung eines eigenen Unternehmens sei, sodass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Beschwerdeführer im Sinne des § 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 AlVG verfügbar sei.

Vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund rechtfertigt die zeitliche Belastung von 38,5 Wochenstunden für die Gründung eines Unternehmens die Annahme, der Beschwerdeführer sei wegen dieser Tätigkeit an der anderweitigen Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht interessiert. Die belangte Behörde hat daher das Vorliegen der Verfügbarkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 7 Abs. 3 AlVG zutreffend verneint.

An dieser rechtlichen Schlussfolgerung vermögen auch die unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde geltend gemachten Argumente, die belangte Behörde habe bei ihrer Beurteilung nicht berücksichtigt, dass er den Aufforderungen des Arbeitsmarktservice zur Arbeitssuche ordnungsgemäß nachgekommen sei, sodass sie von seiner Verfügbarkeit ausgehen hätte müssen, zudem habe sich sein Unternehmen noch im Planungsstadium befunden, zur Ausübung des Gewerbes sei der Beschwerdeführer noch nicht berechtigt gewesen, nichts zu ändern. Eine Beschäftigung im Ausmaß von 38,5 Wochenstunden stellt nämlich einen Sachverhalt dar, bei dessen Vorliegen die Annahme gerechtfertigt ist, dass die betreffende Person während dieser Zeit nicht an einer neuen Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG, sondern an anderen Zielen interessiert ist (vgl. das Erkenntnis vom 23. April 2003, Zl. 2000/08/0084).

Im Rahmen der Verfahrensrüge bekämpft der Beschwerdeführer in der Beschwerde die schon im erstinstanzlichen Bescheid getroffene Feststellung, er habe für seine selbständige Tätigkeit 38,5 Stunden pro Woche aufgewendet. Tatsächlich habe er vor der erstinstanzlichen Behörde zu Protokoll gegeben, dass er "für meine Tätigkeit in Zukunft pro Woche 38,5 Stunden aufwenden werde, sofern die Gesellschaft aktiv sein wird."

(Unterstreichungen im Original).

Mit diesem Argument behauptet der Beschwerdeführer einen in erster Instanz unterlaufenen Verfahrensmangel. Verfahrensmängel sind bei der Überprüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides für den Verwaltungsgerichtshof aber nur dann beachtlich, wenn sie im letztinstanzlichen Verfahren unterlaufen sind (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S 592 wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Auf die nunmehr aufgestellte Behauptung der unrichtigen Protokollierung im erstinstanzlichen Verfahren war daher nicht einzugehen. Dem Beschwerdeführer ist die Möglichkeit offen gestanden, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffene Feststellung im Berufungsverfahren zu bekämpfen; dies hat er unterlassen.

Soweit die Argumente des Beschwerdeführers einer Beweisrüge zuordenbar sind, können sie die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht in Zweifel ziehen:

Selbst unter Einbeziehung der Behauptung des Beschwerdeführers in der Berufung, die Firma sei "nicht aktiv", ist bei einem Unternehmen in Gründung eine zeitliche Belastung von 38,5 Wochenstunden nicht unplausibel, weil die Eröffnung eines Gewerbebetriebes auch Vorarbeiten erfordert. Dass der Beschwerdeführer bzw. die Gesellschaft noch nicht zur Ausübung des Gewerbes berechtigt waren, bringt entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht nicht mit sich, dass der Beschwerdeführer gar keine Tätigkeiten entfalten konnte. Die belangte Behörde durfte daher schon im Hinblick auf die auch im Berufungsverfahren unbestritten gebliebene Aussage des Beschwerdeführers die Feststellung über eine zeitliche Inanspruchnahme von 38,5 Wochenstunden für seine selbständige Tätigkeit treffen. An der Richtigkeit der Aussage des Beschwerdeführers Zweifel zu hegen, bestand für die belangte Behörde kein Anlass.

Ohne Bedeutung für den Verfahrensausgang ist der Umstand, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (zu Unrecht) die Ansicht vertrat, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung von irrtümlich gemachten Angaben gesprochen; für die Beweiswürdigung war dieses Begründungselement ohne Bedeutung.

Insgesamt erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. Nr. 333.

Wien, am 20. September 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005080093.X00

Im RIS seit

30.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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