Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gottfried S*****, vertreten durch Dr.Günter Reimeir, Rechtsanwalt in Fügen, wider die beklagten Parteien 1. Karl S*****, und 2. ***** Versicherungs-AG, *****, beide vertreten durch Dr.Othmar Mair, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 78.172,91 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 5.November 1997, GZ 4 R 425/97x-30, womit infolge Berufung sämtlicher Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 7.April 1997, GZ 1 C 210/96v-21, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben; die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an Kosten der Rechtsmittelverfahren den Betrag von S 3.310,-- binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 27.1.1996 ereignete sich um ca. 10,55 Uhr auf einer Gemeindestraße im Ortsgebiet von Fügen östlich des Hauses Nr.263 bei Tageslicht, leichtem Schneefall und nicht gestreuter Schneefahrbahn ein Verkehrsunfall, an dem der vom Kläger gelenkte und gehaltene PKW der Marke Mercedes Type 300 einerseits und der vom Erstbeklagten gehaltene und von Ingeborg S***** gelenkte und bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherte PKW der Marke Toyota Type Tercel beteiligt waren. Durch diesen Unfall entstand dem Kläger ein Schaden von S 78.172,91.
Er begehrt dessen Ersatz mit der Begründung, Ingeborg S***** habe den PKW des Erstbeklagten mit weit überhöhter Geschwindigkeit auf nicht gestreuter Schneefahrbahn in sein stehendes Fahrzeug gelenkt.
Die Beklagten wendeten ein, das Alleinverschulden an dem Unfall treffe den Kläger. Ingeborg S***** sei am äußerst rechten Fahrbahnrand gefahren und habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten. Der Kläger habe die Fahrbahnmitte deutlich überschritten, weil er an einem auf seiner Fahrbahnhälfte geparkten Fahrzeug vorbeifahren habe müssen, er sei auch mit absolut und relativ überhöhter Geschwindigkeit gefahren.
Das Erstgericht verurteilte die beklagten Parteien zur Zahlung von S 39.086,45 sA und wies das Mehrbegehren von S 39.086,46 sA ab.
Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus wurden im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Die Gemeindestraße im Ortsgebiet von Fügen verläuft bis zur Höhe des Hauses Nr.263 gerade in einer durchgehenden Breite von 4,2 m von Norden in Richtung Süden. Etwa auf Höhe des Kollisionsortes verbreitert sie sich von den durchgehenden 4,2 m auf eine Länge von ca 10 m kontinuierlich auf eine durchgehende Breite von 5,6 m. Gleichzeitig beschreibt sie etwa ab Höhe des Hauses Nr.263 in Richtung Süden eine Linkskurve. Von Norden in Richtung Süden wird sie beidseitig bis zur Höhe der Kollisionsstelle durch einen ca 1,2 m hohen Holzlattenzaun begrenzt. Östlich der Fahrbahn schließt ab Höhe des Beginns der Verbreiterung ein asphaltierter Parkplatz an, der sich vor dem Haus Nr.263 befindet. Ca 5,4 m südlich der Kollisionsstelle geht die Fahrbahn nach Westen ebenfalls in eine asphaltierte Parkfläche vor einem Haus über. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von Fügen beträgt 40 km/h.
Zum Unfallszeitpunkt war es hell. Die Straße war mit Schnee bedeckt, nicht gestreut, eisig und rutschig. Die Sicht war witterungsbedingt nicht behindert.
Der Kläger fuhr mit seinem PKW von Süden in Richtung Norden. Aufgrund der örtlichen Verhältnisse konnte er das die Straße von Norden in Richtung Süden benützende Fahrzeug des Erstbeklagten erstmals sehen, als dieses noch ca 70 m nördlich von der späteren Unfallstelle entfernt war. Der Kläger fuhr mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 25 km/h, er hatte gute Winterreifen montiert. Da vor dem Haus Nr.263 ein die Sicht in Richtung Norden behindernder PKW der Marke Nissan Type Prairie so abgestellt war, daß er in die von ihm befahrene Fahrbahnhälfte hineinragte und die gesamte nutzbare Fahrbahnbreite der Gemeindestraße auf 4 m einengte, beabsichtigte er, sein Fahrzeug an diesem stehenden Fahrzeug mit einer kontinuierlichen Geschwindigkeit von 20 bis 25 km/h links vorbeizulenken. Aufgrund der östlich der Fahrbahn befindlichen Häuser hatte er nach der erwähnten Sicht auf das von Norden in Richtung Süden ihm entgegenkommende Fahrzeug der Erstbeklagten keine unmittelbare Sicht mehr. Aus einer Entfernung von ca 20 m vor der späteren Unfallstelle betrug die Sichtweite auf den Gegenverkehr unter Berücksichtigung des parkend abgestellten Fahrzeuges lediglich 20 bis 25 m. Als er in dieser Entfernung mit der weiterhin kontinuierlich eingehaltenen Geschwindigkeit von 20 bis 25 km/h ohne Betätigung eines Fahrtrichtungsanzeigers nach links ausscherte, um an dem - gesehen in seiner Fahrtrichtung - rechts stehenden Fahrzeug vorbeifahren zu können, verbesserte sich seine Sicht nach Norden zunehmend und betrug ca 14 m vor der Unfallstelle über 60 m.
Zur selben Zeit näherte sich das ebenfalls mit Winterreifen ausgestattete Fahrzeug des Erstbeklagten von Norden her mit einer Geschwindigkeit von ca 42 bis 47 km/h. Die Lenkerin dieses Fahrzeuges konnte bereits aus einer Entfernung von knapp mehr als 300 m das ihr entgegenkommende Fahrzeug des Klägers erstmals wahrnehmen. Als sie bemerkte, daß der Kläger auf Höhe des vor dem Haus Nr.263 abgestellten PKW links vorbeifuhr und ihr teilweise auf ihrer Fahrbahn entgegenkam, sodaß ein Aneinandervorbeifahren nicht mehr möglich war, leitete sie eine Vollbremsung ein. Aufgrund der schneebedeckten, nicht gestreuten und rutschigen Fahrbahn war ihr nur eine Bremsverzögerung von maximal 2,5 bis 3,5 m/sec2 möglich. Auch der Kläger leitete unverzüglich eine Vollbremsung ein, jedoch konnte die Kollision nicht mehr vermieden werden. Sie ereignete sich etwa auf Höhe der linken hinteren Ecke des in Fahrtrichtung von Norden nach Süden vor dem Haus Nr.263 abgestellten PKW. Die Kollisionsstelle liegt auf der Höhe des Beginns der Verbreiterung der Fahrbahn von durchgehend 4,2 auf durchgehend 5,6 m. Durch den am rechten Fahrbahnrand - gesehen von Süden Richtung Norden - leicht schräg nach Osten abgestellten PKW war die nutzbare Fahrbahn der Straße auf der Höhe des Kollisionsortes auf 4 m eingeengt. Der Kläger überfuhr beim Vorbeifahren an diesem Fahrzeug die gedachte Fahrbahnmitte der Gemeindestraße um etwa 0,6 bis 0,8 m und hielt mit seinem 1,85 m breiten Fahrzeug einen Seitenabstand nach rechts von 0,75 bis 0,95 m ein. Das 1,6 m breite Fahrzeug der Erstbeklagten befand sich im Kollisionspunkt äußerst rechts. Ob das Fahrzeug des Klägers zum Zeitpunkt der Kollision noch in Bewegung war, konnte nicht festgestellt werden.
Die Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten reagierte 2,7 bis 2,8 Sekunden vor der Kollision auf eine Entfernung von 28,1 bis 29,5 m durch eine Notbremsung. Hätte sie keine höhere Bremsausgangsgeschwindigkeit (= Fahrgeschwindigkeit) als 35 km/h eingehalten, hätte sie den Unfall jedenfalls vermeiden können. Unter Zugrundelegung einer Fahrzeugverzögerung von 3,5 m/sec2 hätte sie den Unfall auch noch bei Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h vermeiden können. Bei einer höheren Geschwindigkeit als 40 km/h war der Unfall jedenfalls nicht mehr vermeidbar.
Der Kläger faßte den Bremsentschluß 2,8 bis 3,2 Sekunden vor der Kollision in einer Entfernung von 10 bis 14 m von der späteren Unfallstelle. Zu diesem Zeitpunkt war das Fahrzeug des Erstbeklagten noch 28 bis 36 m von der späteren Unfallstelle entfernt. Der gegenseitige Abstand der Fahrzeuge betrug 38 bis 50 m. Bei Annäherung an die spätere Unfallstelle konnte der Kläger zunächst feststellen, daß vor ihm sichtbehindernd in der Rechtskurve ein in seine Fahrbahnseite hineinragender PKW abgestellt war. Hätte er bei Annäherung an dieses Hindernis seine Fahrgeschwindigkeit auf unter 15 km/h vermindert, so hätte er noch vor seinem Auslenken nach links über die Fahrbahnmitte hinaus den ankommenden Gegenverkehr, insbesondere das herannahende Fahrzeug des Erstbeklagten, zu einem Zeitpunkt wahrnehmen können, als ihm ein Anhalten vor Erreichen der Engstelle möglich gewesen wäre. Damit hätte er die Kollision vermeiden können. Die Kollision wäre auch dann vermieden worden, wenn er mit seinem 1,85 m breiten Fahrzeug unter Einhaltung einer äußerst rechten Fahrlinie (kein größerer Seitenabstand als 0,75 bis 0,95 m) mit entsprechender Vorsicht und niedriger Bewegungsgeschwindigkeit an dem haltenden und in seinen Fahrstreifen hinreinragenden PKW vorbeigefahren wäre. Tatsächlich fuhr der Kläger jedoch mit 20 bis 25 km/h in die für ihn erkennbare Fahrbahnengstelle ein, als er das entgegenkommende Fahrzeug des Erstbeklagten bereits in direkter Sicht wahrnehmen konnte. Die Kollision ereignete sich innerhalb seiner halben Sichtstrecke.
Das Erstgericht lastete dem Kläger einen Verstoß gegen § 17 Abs 1 StVO an. Ein Vorbeifahren sei nur gestattet, wenn dadurch andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, weder gefährdet noch behindert werden. Sei - wie im vorliegenden Fall - die Sicht auf die Fahrbahn nach vorne durch ein abgestelltes Fahrzeug behindert, dann dürfe die Vorbeifahrt nur mit Schrittgeschwindigkeit begonnen und bis zur Erlangung entsprechender Sicht fortgesetzt werden. Hätte der Kläger diesem Grundsatz entsprochen und seine Fahrgeschwindigkeit auf zumutbare 15 km/h oder weniger reduziert, so hätte er noch vor seinem Ausscheren nach links über die Fahrbahnmitte das entgegenkommende Fahrzeug des Erstbeklagten zu einem Zeitpunkt wahrnehmen können, als es ihm noch möglich gewesen wäre, vor dem sichtbehindernd geparkten PKW anzuhalten, wodurch die Kollision vermieden worden wäre. Es wäre aber auch eine kollisionsvermeidende Vorbeifahrt des Klägers möglich gewesen, wenn der Seitenabstand nach rechts zum geparkten PKW maximalDas Erstgericht lastete dem Kläger einen Verstoß gegen Paragraph 17, Absatz eins, StVO an. Ein Vorbeifahren sei nur gestattet, wenn dadurch andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, weder gefährdet noch behindert werden. Sei - wie im vorliegenden Fall - die Sicht auf die Fahrbahn nach vorne durch ein abgestelltes Fahrzeug behindert, dann dürfe die Vorbeifahrt nur mit Schrittgeschwindigkeit begonnen und bis zur Erlangung entsprechender Sicht fortgesetzt werden. Hätte der Kläger diesem Grundsatz entsprochen und seine Fahrgeschwindigkeit auf zumutbare 15 km/h oder weniger reduziert, so hätte er noch vor seinem Ausscheren nach links über die Fahrbahnmitte das entgegenkommende Fahrzeug des Erstbeklagten zu einem Zeitpunkt wahrnehmen können, als es ihm noch möglich gewesen wäre, vor dem sichtbehindernd geparkten PKW anzuhalten, wodurch die Kollision vermieden worden wäre. Es wäre aber auch eine kollisionsvermeidende Vorbeifahrt des Klägers möglich gewesen, wenn der Seitenabstand nach rechts zum geparkten PKW maximal
Die Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten hätte zwar darauf vertrauen können, daß ein ihr entgegenkommendes Fahrzeug, dessen Fahrbahnhälfte durch ein Hindernis verengt sei, vor diesem Hindernis anhalte und dem Gegenverkehr die Vorbeifahrt ermöglichen werde. Sie hätte aber den Unfall vermeiden können, wenn sie keine höhere Fahrgeschwindigkeit als maximal 35 km/h eingehalten hätte. Sie habe sich jedoch dem Unfallsbereich mit einer Geschwindigkeit von 42 bis 47 km/h genähert und dabei die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h überschritten. Wenngleich zu ihren Gunsten nur von einer Geschwindigkeit von 42 km/h auszugehen sei, sei ihr vor allem die Einhaltung einer relativ überhöhten Geschwindigkeit vorzuwerfen. Die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sei nämlich nur unter "besonders" optimalen Verhältnissen gestattet. Unter Bedachtnahme auf die gegebenen Verhältnisse, nämlich schneebedeckte rutschige Fahrbahn, sei eine Geschwindigkeit von 35 km/h und mehr jedenfalls überhöht. Hätte die Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten eine Geschwindigkeit von maximal 35 km/h eingehalten, so hätte sie den Unfall auch vermeiden können. Insgesamt erachtete das Erstgericht eine Teilung des Schadens im Verhältnis von 1 : 1 gerechtfertigt.
Das dagegen von sämtlichen Parteien angerufene Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien keine Folge, wohl aber jener der klagenden Partei und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben wurde. Es sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.
Zur Frage des Verschuldens der Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten führte es aus, beide Fahrzeuglenker habe die Verpflichtung zum "Fahren auf halbe Sicht" getroffen. Die Fahrbahn sei im Unfallsbereich lediglich etwas mehr als 4,2 m breit gewesen, das Fahrzeug des Erstbeklagten sei 1,6 m, jenes des Klägers 1,85 m breit. Damit verblieben für die Sicherheitsabstände zu den Fahrzeugrändern und zwischen den begegnenden Fahrzeugen lediglich 75 cm. Diese Abstände seien jedenfalls viel zu gering, um eine gefahrlose Begegnung zweier Fahrzeuge zu ermöglichen. Bei den gegebenen Verhältnissen (schneebedeckte, eisige und rutschige Fahrbahn) trete die Verpflichtung zum Fahren auf halbe Sicht noch weiter in den Vordergrund. Dieser Verpflichtung habe die Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten durch die von ihr eingehaltene Geschwindigkeit von zumindestens 42 km/h nicht genügt, sie sei in die halbe Sichtstrecke des Klägers eingefahren. Es könne somit kein Zweifel an einem den beklagten Parteien zur Last fallenden Verschulden der Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten bestehen.
Das Vorbeifahren an am Straßenrand abgestellten Fahrzeugen sei nach § 17 Abs 1 StVO nur gestattet, wenn dadurch andere Straßenbenützer weder gefährdet noch behindert würden. Damit sei beim Vorbeifahren im wesentlichen derselbe Sorgfaltsmaßstab heranzuziehen, wie er sich aus der allgemeinen Fahrordnung des § 7 Abs 1 StVO ableiten lasse. Es erscheine daher gerechtfertigt, jene Judikatur, die zu § 7 Abs 1 StVO in den Fällen, in denen ein Anhalten im Begegnungsverkehr gefordert werde, auch auf die Fälle zu erstrecken, in denen zwar ein Verstoß gegen § 17 Abs 1 StVO vorliege, dieser Verstoß jedoch in seinen Auswirkungen einem solchen nach § 7 Abs 1 StVO gleichkomme. Wie der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu dieser Bestimmung ausführe, sei es für die Verschuldensfrage unbeachtlich, ob das Fahrzeug ausreichend rechts fuhr, wenn im Begegnungsverkehr angehalten werden müsse.Das Vorbeifahren an am Straßenrand abgestellten Fahrzeugen sei nach Paragraph 17, Absatz eins, StVO nur gestattet, wenn dadurch andere Straßenbenützer weder gefährdet noch behindert würden. Damit sei beim Vorbeifahren im wesentlichen derselbe Sorgfaltsmaßstab heranzuziehen, wie er sich aus der allgemeinen Fahrordnung des Paragraph 7, Absatz eins, StVO ableiten lasse. Es erscheine daher gerechtfertigt, jene Judikatur, die zu Paragraph 7, Absatz eins, StVO in den Fällen, in denen ein Anhalten im Begegnungsverkehr gefordert werde, auch auf die Fälle zu erstrecken, in denen zwar ein Verstoß gegen Paragraph 17, Absatz eins, StVO vorliege, dieser Verstoß jedoch in seinen Auswirkungen einem solchen nach Paragraph 7, Absatz eins, StVO gleichkomme. Wie der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu dieser Bestimmung ausführe, sei es für die Verschuldensfrage unbeachtlich, ob das Fahrzeug ausreichend rechts fuhr, wenn im Begegnungsverkehr angehalten werden müsse.
Dem Kläger sei, obwohl er trotz der bestehenden Fahrbahnverengung in die Engstelle eingefahren sei, auch kein Verstoß gegen § 10 Abs 1 StVO anzulasten. Ein solcher würde voraussetzen, daß ihm bei Annäherung an die Engstelle erkennbar gewesen wäre, daß sich das Fahrzeug des Erstbeklagten in der Fahrbahnverengung befindet, und es ihm zudem möglich gewesen wäre, vor der Fahrbahnverengung sein Fahrzeug zum Stillstand zu bringen. Ausgehend von der von ihm zulässigerweise eingehaltenen Geschwindigkeit von 20 bis 25 km/h und der unverzüglichen Bremsreaktion sei ihm ein Verstoß gegen § 10 Abs 1 StVO nicht vorzuwerfen, weshalb auch § 10 Abs 2 StVO nicht zum Tragen komme. Das sich aus einem Verstoß nach § 17 Abs 1 StVO ergebende Verschulden des Klägers trete in den Hintergrund, weshalb eine Schadensteilung nicht mehr in Betracht komme.Dem Kläger sei, obwohl er trotz der bestehenden Fahrbahnverengung in die Engstelle eingefahren sei, auch kein Verstoß gegen Paragraph 10, Absatz eins, StVO anzulasten. Ein solcher würde voraussetzen, daß ihm bei Annäherung an die Engstelle erkennbar gewesen wäre, daß sich das Fahrzeug des Erstbeklagten in der Fahrbahnverengung befindet, und es ihm zudem möglich gewesen wäre, vor der Fahrbahnverengung sein Fahrzeug zum Stillstand zu bringen. Ausgehend von der von ihm zulässigerweise eingehaltenen Geschwindigkeit von 20 bis 25 km/h und der unverzüglichen Bremsreaktion sei ihm ein Verstoß gegen Paragraph 10, Absatz eins, StVO nicht vorzuwerfen, weshalb auch Paragraph 10, Absatz 2, StVO nicht zum Tragen komme. Das sich aus einem Verstoß nach Paragraph 17, Absatz eins, StVO ergebende Verschulden des Klägers trete in den Hintergrund, weshalb eine Schadensteilung nicht mehr in Betracht komme.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Parteien zurückzuweisen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 17 Abs 1 StVO abgewichen ist, sie ist auch berechtigt.Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu Paragraph 17, Absatz eins, StVO abgewichen ist, sie ist auch berechtigt.
Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung machen die Beklagten geltend, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich mit Schrittgeschwindigkeit und vortastend in die Engstelle zu begeben, um an dem geparkten Fahrzeug vorbeifahren zu können. Davon könne keine Rede sein. Demgegenüber sei die lediglich geringfügige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch die Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten zu vernachlässigen; es entspreche der ständigen Rechtsprechung, daß jeder Fahrzeuglenker nur mit einem vorschriftsmäßig entgegenkommenden Fahrzeug bei einer Engstelle rechnen müsse. Es sei auch unrichtig, daß die Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten zu einem Anhalten verpflichtet gewesen sei. Aus den Feststellungen ergebe sich ein Seitenabstand beim Vorbeifahren der beiden Fahrzeuge von 75 cm. Bereits bei einem Seitenabstand von mehr als 45 cm sei aber ein Anhalten nicht erforderlich.
Diese Ausführungen sind zum Teil zutreffend:
Gemäß § 17 Abs 1 StVO ist das Vorbeifahren nur gestattet, wenn dadurch andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, weder gefährdet noch behindert werden. Vorbeifahren unter Überschreitung der Fahrbahnmitte ist nur dann erlaubt, wenn der Lenker mit Sicherheit damit rechnen kann, den Gegenverkehr nicht zu gefährden oder zu behindern. Dabei hat der Vorbeifahrende, wenn er die für das Vorbeifahren einschließlich des Wiedereinordnens auf der rechten Fahrbahnhälfte erforderliche Wegstrecke nicht einsehen kann, das Vorbeifahren erforderlichenfalls nur mit Schrittgeschwindigkeit zu beginnen und bis zur Erlangung entsprechender Sicht fortzusetzen, weil nur so dem Gebot des § 17 Abs 1 StVO entsprochen werden kann (ZVR 1979/275; ZVR 1984/71; ZVR 1986/1 ua). Insbesondere ist eine derartige Vorsicht dann zu verlangen, wenn aufgrund schlechter Fahrbahnverhältnisse (zB vereist und nicht gestreut) damit zu rechnen ist, daß entgegenkommende Verkehrsteilnehmer nur erschwert auf die durch das vorbeifahrende Fahrzeug bedingte Blockierung ihrer Fahrspur reagieren können (Dittrich/Stolzlechner, StVO3 Rz 17 zu § 17 StVO mwN). Der Kläger hätte daher, weil er die Fahrbahnmitte beim Vorbeifahren an dem am rechten Fahrbahnrand geparkten PKW überschritt und in die für das Vorbeifahren einschließlich des Wiedereinordnens erforderliche Wegstrecke nicht einsehen konnte und auch die Fahrbahnverhältnisse sehr schlecht waren, keinesfalls mit 20 bis 25 km/ fahren dürfen. Hätte er aber eine ihm zumutbare Geschwindigkeit von 15 km/h eingehalten, dann hätte er das entgegenkommende Fahrzeug noch zu einem Zeitpunkt wahrnehmen können, als es ihm noch möglich gewesen wäre, vor dem geparkten PKW anzuhalten und dadurch die Kollision zu vermeiden.Gemäß Paragraph 17, Absatz eins, StVO ist das Vorbeifahren nur gestattet, wenn dadurch andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, weder gefährdet noch behindert werden. Vorbeifahren unter Überschreitung der Fahrbahnmitte ist nur dann erlaubt, wenn der Lenker mit Sicherheit damit rechnen kann, den Gegenverkehr nicht zu gefährden oder zu behindern. Dabei hat der Vorbeifahrende, wenn er die für das Vorbeifahren einschließlich des Wiedereinordnens auf der rechten Fahrbahnhälfte erforderliche Wegstrecke nicht einsehen kann, das Vorbeifahren erforderlichenfalls nur mit Schrittgeschwindigkeit zu beginnen und bis zur Erlangung entsprechender Sicht fortzusetzen, weil nur so dem Gebot des Paragraph 17, Absatz eins, StVO entsprochen werden kann (ZVR 1979/275; ZVR 1984/71; ZVR 1986/1 ua). Insbesondere ist eine derartige Vorsicht dann zu verlangen, wenn aufgrund schlechter Fahrbahnverhältnisse (zB vereist und nicht gestreut) damit zu rechnen ist, daß entgegenkommende Verkehrsteilnehmer nur erschwert auf die durch das vorbeifahrende Fahrzeug bedingte Blockierung ihrer Fahrspur reagieren können (Dittrich/Stolzlechner, StVO3 Rz 17 zu Paragraph 17, StVO mwN). Der Kläger hätte daher, weil er die Fahrbahnmitte beim Vorbeifahren an dem am rechten Fahrbahnrand geparkten PKW überschritt und in die für das Vorbeifahren einschließlich des Wiedereinordnens erforderliche Wegstrecke nicht einsehen konnte und auch die Fahrbahnverhältnisse sehr schlecht waren, keinesfalls mit 20 bis 25 km/ fahren dürfen. Hätte er aber eine ihm zumutbare Geschwindigkeit von 15 km/h eingehalten, dann hätte er das entgegenkommende Fahrzeug noch zu einem Zeitpunkt wahrnehmen können, als es ihm noch möglich gewesen wäre, vor dem geparkten PKW anzuhalten und dadurch die Kollision zu vermeiden.
Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht ist aber auch der Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten ein erheblicher Sorgfaltsverstoß anzulasten. Wenngleich sie die im Ortsgebiet an sich zulässige Höchstgeschwindigkeit um 40 km/h nur geringfügig überschritten hat, ist sie mit relativ überhöhter Geschwindigkeit gefahren, weil die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur unter den günstigsten Bedingungen ausgeschöpft werden darf (ZVR 1987/25; SZ 68/143 uva). Im vorliegenden Fall waren aber die Straßenverhältnisse überaus ungünstig (schneebedeckte, eisige und rutschige Fahrbahn). Gegen die Ansicht der Vorinstanzen, bei diesen Straßenverhältnissen hätte eine Geschwindigkeit von maximal 35 km/h eingehalten werden dürfen, bestehen keine Bedenken. Bei dieser Geschwindigkeit hätte aber auch die Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten unfallverhütend stehenbleiben können. Stellt man das Fehlverhalten des Klägers jenem der Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten gegenüber, so erscheint eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 gerechtfertigt.
Es war daher der Revision teilweise stattzugeben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 43, 50 ZPO. Im Berufungsverfahren waren beide Teile erfolglos, sie haben sich daher gegenseitig die Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen; diese sind aber gleich hoch, weshalb sich daraus kein Kostenersatzanspruch ergibt. Im Revisionsverfahren ist der Kläger zur Hälfte durchgedrungen, er hat also ebenfalls, mit Ausnahme der Barauslagen, keinen Kostenersatzanspruch. Zuzusprechen war dem Kläger lediglich die Hälfte der Pauschalgebühr für die Revision.Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die Paragraphen 41,, 43, 50 ZPO. Im Berufungsverfahren waren beide Teile erfolglos, sie haben sich daher gegenseitig die Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen; diese sind aber gleich hoch, weshalb sich daraus kein Kostenersatzanspruch ergibt. Im Revisionsverfahren ist der Kläger zur Hälfte durchgedrungen, er hat also ebenfalls, mit Ausnahme der Barauslagen, keinen Kostenersatzanspruch. Zuzusprechen war dem Kläger lediglich die Hälfte der Pauschalgebühr für die Revision.
Anmerkung
E49932 02A00438European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1998:0020OB00043.98G.0423.000Dokumentnummer
JJT_19980423_OGH0002_0020OB00043_98G0000_000