TE OGH 1998/4/23 6Ob26/98m

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Veröffentlicht am 23.04.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B***** GesmbH, ***** 2. Reinhard R*****, beide vertreten durch Dr.Nikolaus Lehner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Wilhelm T*****,

2. K***** Gesellschaft mbH, beide ***** beide vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Simon Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung, infolge Revision der erstklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28.November 1997, GZ 3 R 183/97x-48, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 22.Mai 1997, GZ 35 Cg 160/94g-43, hinsichtlich der erstklagenden Partei abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das in seinen Punkten 1. bis 3. hinsichtlich des Zweitklägers bereits in Rechtskraft erwachsen ist, in seinen Punkten 4. und 5. hinsichtlich der Erstklägerin dahin abgeändert, daß diese Punkte einschließlich des unangefochten gebliebenen Teiles zu lauten haben:

"4. Die beklagten Parteien sind gegenüber der Erstklägerin schuldig, die unwahren Behauptungen

a) das Amt für Wohn- und Mietrecht der Stadt Leipzig ersucht die Bürger, mögliche Übergriffe der Firma zu melden,

b) im Osten "entmieten" dubiose Immobilienhändler die Bürger mit rüden Methoden. Bei einem Jahresumsatz von DM 2 Mio könnte da auch die B***** dabei sein,

gegenüber den Lesern der periodischen Druckschrift "Kurier" zu widerrufen und diesen Widerruf binnen drei Monaten ab Rechtskraft dieses Urteils in einer Ausgabe der periodischen Druckschrift "Kurier" zu veröffentlichen, und zwar im Chronikteil mit schwarzer Umrandung unter Hervorhebung der Überschrift "Widerruf" in Fettdruck und in der Größe der Titelüberschrift des inkriminierten Artikels (6 mm) und gesperrt gedruckten Prozeßparteien, den übrigen Text in Normallettern.

Hingegen wird das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien schuldig, die oben in lit a und b angeführten oder sinngleiche Äußerungen zu unterlassen, abgewiesen.Hingegen wird das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien schuldig, die oben in Litera a und b angeführten oder sinngleiche Äußerungen zu unterlassen, abgewiesen.

5. Die klagenden Parteien haben den beklagten Parteien binnen 14 Tagen an anteiligen Pauschalgebühren 2.180 S zu ersetzen, im übrigen werden die Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz gegeneinander aufgehoben."

Die beklagten Parteien haben der erstklagenden Partei die mit 13.558,60 S (darin 1.046,10 Umsatzsteuer und 7.282 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Zweitkläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Erstklägerin. In der Ausgabe der Tageszeitung "Kurier" vom 16.2.1994 erschien auf Seite 8 der vom Erstbeklagten verfaßte und gezeichnete Artikel:

Die Kläger begehrten, die Beklagten zur Unterlassung, zum Widerruf und zur Veröffentlichung des Widerrufs einer ganzen Reihe von in diesem Artikel enthaltenen, nach ihrem Vorbringen wahrheitswidrigen ehrenbeleidigenden und rufschädigenden, hinsichtlich der Erstklägerin aus dem Spruch (Punkt 4 a und b) ersichtlichen Behauptungen, zu verurteilen.

Die Beklagten wandten ein, die Behauptungen seien wahr, im übrigen hätten sie von deren Richtigkeit ausgehen können, es fehle an einem Verschulden.

In der Tagsatzung vom 29.3.1995 boten die Beklagten - vorbehaltlich einer Entscheidung über die Kostenersatzpflicht - einen vollstreckbaren Unterlassungsver- gleich hinsichtlich der die Erstklägerin betreffenden Behauptungen an; dieses Anbot wurde von den Klägern nicht angenommen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Nach den Feststellungen war die Wahrheit der inkriminierten Tatsachenbehauptungen nicht erweislich. Mangels ausreichender Recherchen des Journalisten und Erweislichkeit einer seriösen Informationsquelle nahm das Erstgericht auch ein Verschulden an und verneinte das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien teilweise Folge. Während es die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung, zum Widerruf und zur Veröffentlichung der nur den Zweitkläger betreffenden unwahren ehrenrührigen und rufschädigenden Äußerungen bestätigte, kam es hinsichtlich der auch die Erstklägerin betreffenden Äußerungen - trotz ausführlicher und zutreffender Ausführungen zum vorliegenden Verschulden der Beklagten an der Verbreitung der unwahren Tatsachenbehauptungen - zu einer gänzlichen Klageabweisung, weil wegen des von der Erstklägerin abgelehnten Anbotes auf Abschluß eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches nach der Rechtsprechung die Wiederholungsgefahr als beseitigt anzunehmen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision mangels Abweichens von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht zulässig sei.

Die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung, zum Widerruf und zur Veröffentlichung hinsichtlich der den Zweitkläger (allein) betreffenden unwahren Behauptungen ist infolge der Zurückweisung der außerordentlichen Revision der Beklagten durch den Beschluß des erkennenden Senates vom 29.1.1998 in Rechtskraft erwachsen.

Rechtliche Beurteilung

Die ao Revision der Erstklägerin, die lediglich die Abweisung ihres Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehrens bekämpft, ist zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit zulässig und berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zwar richtig ausgeführt, daß ein Anbot zum Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches grundsätzlich die Wiederholungsgefahr hinsichtlich des verschuldensunabhängigen Unterlassungsbegehrens beseitigt, aber übersehen, daß dies allein nicht auch zur Abweisung des überdies erhobenen, Verschulden voraussetzenden Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehrens führt. Seit der Entscheidung des erkennenden Senates 6 Ob 2026/96a (= MR 1997,

25) entspricht es dessen ständiger Rechtsprechung, daß in Fällen, in denen gemäß § 1330 Abs 2 ABGB sowohl Ansprüche auf Unterlassung als auch auf Widerruf und Veröffentlichung desselben geltend gemacht werden, ein bloß auf das Unterlassungsbegehren beschränktes Anbot zum Abschluß eines Vergleiches grundsätzlich die Wiederholungsgefahr beseitigt. Anders als beim Unterlassungs- und Urteilsveröffentlichungsanspruch nach dem UWG, bei dem das Urteilsveröffentlichungsbegehren nach dessen § 25 Abs 3 nur einen Nebenanspruch zum Unterlassungsanspruch darstellt, sieht das Gesetz bei Ansprüchen nach § 1330 ABGB keinen Urteilsveröffentlichungsanspruch vor. Beim Widerrufsbegehren und dem Begehren auf Veröffentlichung des Widerrufs handelt es sich nicht um einen Nebenanspruch zum Unterlassungsbegehren, sondern um verschiedene, selbständige Ansprüche. Nur beim verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch ist die Frage der Wiederholungsgefahr bedeutsam. Wegen der Verschiedenheit der Ansprüche kann die Wiederholungsgefahr, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen, auch dann verneint werden, wenn der Beklagte nur einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich, nicht aber einen Vergleich auch hinsichtlich des gestellten Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehrens anbietet. Im Fall der Kumulierung mehrerer Ansprüche steht dem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht entgegen, daß der Beklagte über das Unterlassungsbegehren hinausreichende weitere Ansprüche nicht anerkennt und diesbezüglich (weiterhin) eine gerichtliche Entscheidung fordert. Durch das Anbot der Beklagten auf Abschluß eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches hinsichtlich der Erstklägerin ist wegen der Ablehnung daher nur ihr Unterlassungsbegehren abzuweisen, während über ihre weiteren, selbständigen Begehren auf Widerruf und Veröffentlichung unter Prüfung auch des Verschuldens an der Verbreitung rufschädigender unwahrer Tatsachenbehauptungen zu erkennen ist. Ein solches, auf Fahrlässigkeit beruhendes Verschulden des Erstbeklagten, das auch die Zweitbeklagte vertreten muß, hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen und das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes verneint (§ 510 Abs 3 ZPO). Dies aber muß gegenüber der Erstklägerin zu einer Klagestattgebung wie im Spruch ersichtlich führen.25) entspricht es dessen ständiger Rechtsprechung, daß in Fällen, in denen gemäß Paragraph 1330, Absatz 2, ABGB sowohl Ansprüche auf Unterlassung als auch auf Widerruf und Veröffentlichung desselben geltend gemacht werden, ein bloß auf das Unterlassungsbegehren beschränktes Anbot zum Abschluß eines Vergleiches grundsätzlich die Wiederholungsgefahr beseitigt. Anders als beim Unterlassungs- und Urteilsveröffentlichungsanspruch nach dem UWG, bei dem das Urteilsveröffentlichungsbegehren nach dessen Paragraph 25, Absatz 3, nur einen Nebenanspruch zum Unterlassungsanspruch darstellt, sieht das Gesetz bei Ansprüchen nach Paragraph 1330, ABGB keinen Urteilsveröffentlichungsanspruch vor. Beim Widerrufsbegehren und dem Begehren auf Veröffentlichung des Widerrufs handelt es sich nicht um einen Nebenanspruch zum Unterlassungsbegehren, sondern um verschiedene, selbständige Ansprüche. Nur beim verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch ist die Frage der Wiederholungsgefahr bedeutsam. Wegen der Verschiedenheit der Ansprüche kann die Wiederholungsgefahr, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen, auch dann verneint werden, wenn der Beklagte nur einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich, nicht aber einen Vergleich auch hinsichtlich des gestellten Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehrens anbietet. Im Fall der Kumulierung mehrerer Ansprüche steht dem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht entgegen, daß der Beklagte über das Unterlassungsbegehren hinausreichende weitere Ansprüche nicht anerkennt und diesbezüglich (weiterhin) eine gerichtliche Entscheidung fordert. Durch das Anbot der Beklagten auf Abschluß eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches hinsichtlich der Erstklägerin ist wegen der Ablehnung daher nur ihr Unterlassungsbegehren abzuweisen, während über ihre weiteren, selbständigen Begehren auf Widerruf und Veröffentlichung unter Prüfung auch des Verschuldens an der Verbreitung rufschädigender unwahrer Tatsachenbehauptungen zu erkennen ist. Ein solches, auf Fahrlässigkeit beruhendes Verschulden des Erstbeklagten, das auch die Zweitbeklagte vertreten muß, hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen und das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes verneint (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO). Dies aber muß gegenüber der Erstklägerin zu einer Klagestattgebung wie im Spruch ersichtlich führen.

Die Entscheidung über die Kosten erster und zweiter Instanz beruht auf den §§ 43 und 50 ZPO, jene über die Kosten des Revisionsverfahrens auf den §§ 41 und 50 ZPO. Bei der Kostenentscheidung sind Unterlassungsbegehren einerseits und Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren anderseits mangels besonderer abweichender Bewertung als gleichwertig anzusehen. Da die Kläger im vorliegenden Fall jedoch ihr Unterlassungsbegehren zunächst doppelt so hoch bewertet haben wie das Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren (300.000 S gegenüber je 50.000 S) und auch noch im Zuge des Verfahrens das Unterlassungsbegehren wesentlich höher bewertet haben (mit 140.000 S gegenüber nur 100.000 S der beiden anderen Begehren), rechtfertigt dies - unabhängig von einer hier nicht vorzunehmenden internen Aufteilung zwischen den beiden Klägern - das Unterliegen der Erstklägerin nur mit dem Unterlassungsbegehren und ihr Obsiegen hinsichtlich quantitativ geringerer inkriminierter Äußerungen - eine gegenseitige Aufhebung der Rechtsvertretungskosten in erster und zweiter Instanz.Die Entscheidung über die Kosten erster und zweiter Instanz beruht auf den Paragraphen 43 und 50 ZPO, jene über die Kosten des Revisionsverfahrens auf den Paragraphen 41 und 50 ZPO. Bei der Kostenentscheidung sind Unterlassungsbegehren einerseits und Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren anderseits mangels besonderer abweichender Bewertung als gleichwertig anzusehen. Da die Kläger im vorliegenden Fall jedoch ihr Unterlassungsbegehren zunächst doppelt so hoch bewertet haben wie das Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren (300.000 S gegenüber je 50.000 S) und auch noch im Zuge des Verfahrens das Unterlassungsbegehren wesentlich höher bewertet haben (mit 140.000 S gegenüber nur 100.000 S der beiden anderen Begehren), rechtfertigt dies - unabhängig von einer hier nicht vorzunehmenden internen Aufteilung zwischen den beiden Klägern - das Unterliegen der Erstklägerin nur mit dem Unterlassungsbegehren und ihr Obsiegen hinsichtlich quantitativ geringerer inkriminierter Äußerungen - eine gegenseitige Aufhebung der Rechtsvertretungskosten in erster und zweiter Instanz.

Anmerkung

E50088 06AA0268

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0060OB00026.98M.0423.000

Dokumentnummer

JJT_19980423_OGH0002_0060OB00026_98M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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