TE OGH 1998/4/30 8ObS113/98w

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Veröffentlicht am 30.04.1998
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr.Lothar Matzenauer und Richard Thöndel als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz P*****, Mechaniker, ***** vertreten durch Dr.Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Wien, Niederösterreich, Burgenland, Wien 4, Schwindgasse 5, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenzausfallgeld (S 65.605,20 netto), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 24.November 1997, GZ 10 Rs 270/97t-9, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11.März 1997, GZ 18 Cgs 4/97b-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird unter Einbeziehung der in Teilrechtskraft erwachsenen Abweisung des Zinsenbegehrens dahin abgeändert, daß das Urteil der ersten Instanz wiederhergestellt wird.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung sowie des Berufungsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte den Zuspruch von Insolvenz-Ausfallgeld für eine "freiwillige Abgangsentschädigung" in Höhe von S 65.605,20 netto, die ihm von seinem Arbeitgeber anläßlich der Auflösung des Arbeitsverhältnisses am 28.11.1994 zugesagt worden sei. Er führte dazu aus, die in der Vereinbarung vom 28.11.1994 über die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zugesagte freiwillige Abgangsentschädigung in der Höhe des Entgeltes für 14 Wochen entspreche dem Entgelt für die Kündigungsfrist, die nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie bei Arbeitgeberkündigung einzuhalten gewesen wäre. In Abweichung von der Vereinbarung habe der Arbeitgeber in der Abrechnung für den Monat Dezember 1994 statt des Ausdruckes der "einmaligen freiwilligen Abgangsentschädigung" den Begriff "Abfertigung freiw" verwendet. Aus der Vereinbarung sei jedoch klar und eindeutig erkennbar, daß es sich nicht um eine freiwillige Abfertigung gehandelt habe, sondern um eine Kündigungsentschädigung für 14 Wochen.

Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens; eine einmalige freiwillige Abgangsentschädigung sei kein gesicherter Anspruch im Sinne des § 1Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens; eine einmalige freiwillige Abgangsentschädigung sei kein gesicherter Anspruch im Sinne des Paragraph eins,

IESG.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen:

Der Kläger gehört seit dem 1.5.1974 dem Kreis der begünstigten Invaliden an. Er war seit 4.3.1974 bei seiner Arbeitgeberin bzw deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Die Arbeitgeberin beantragte am 26.7.1993 beim Behindertenausschuß des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Zustimmung zur Kündigung des Klägers. Dabei wurde der Antrag gestellt, der Kündigung "unter Einhaltung einer 14-wöchigen Kündigungsfrist zum ehestmöglichen Zeitpunkt zuzustimmen". Mit Bescheid vom 2.5.1994 wurde die Zustimmung zur Kündigung des Klägers erteilt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 24.5.1994 Berufung. Noch bevor über diese entschieden worden war, schlossen der Kläger und seine Arbeitgeberin am 28.11.1994 folgenden Vertrag:

"Einvernehmliche Auflösung

Das am 4.März 1974 begründete Arbeitsverhältnis zwischen der Firma N***** Ges.m.b.H. und Herrn Franz P***** wird zum 30.November 1994 einvernehmlich aufgelöst.

Herr P***** erhält bis spätestens 3.März 1995 folgende Ansprüche:

1. Das Entgelt für 14 Wochen als einmalige freiwillige Abgangsentschädigung.

................".

Am 25.1.1995 wurde vom Handelsgericht Wien das Ausgleichsverfahren zu

6 Sa 2/95 eröffnet. Der Kläger hat am 10.3.1995 unter anderem

folgende Ansprüche angemeldet:

Gesetzliche Abfertigung (9 ME) ...S 220.983,30

freiwillige Abfertigung.................S  65.605,20.

Der Ausgleichsverwalter hat diese Forderungen anerkannt.

Sowohl in der Forderungsanmeldung im Ausgleichsverfahren als auch in dem Antrag an die beklagte Partei gebrauchte der Kläger für die Bezeichnung seines nunmehr strittigen Anspruches die Bezeichnung "freiwillige Abfertigung". Mit Bescheid vom 2.4.1996 erkannte die beklagte Partei Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 260.508,-- zu; mit Bescheid vom 12.12.1996 wies sie die Insolvenzentgeltforderung für S 65.605,20 "freiwillige Abfertigung" ab.

Das Erstgericht wies das gegen diesen Bescheid gerichtete Klagebegehren ab.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Begriff der Kündigungsentschädigung sei als Schadenersatzanspruch untrennbar mit einer fristwidrigen Kündigung bzw einer fristlosen Entlassung verbunden, sodaß bei einer einvernehmlichen Beendigung ein solcher Anspruch nicht in Frage komme. Bei der strittigen "Abgangsentschädigung" handle es sich nicht um einen gesicherten Anspruch im Sinne des IESG.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung des Klägers das Urteil des Erstgerichtes im Sinne einer nahezu gänzlichen Klagestattgebung - lediglich die Abweisung des Zinsenbegehrens wurde bestätigt - ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, Sozialversicherungstatbestände stellten häufig auf den Rechtsgrund einer Forderung ab. So komme es bei dem Entgeltbegriff des § 49 ASVG nicht bloß auf den Betrag einer arbeitsrechtlichen Forderung an, sondern auch darauf, auf welchem Rechtsgrund sie beruhe und wie sie arbeitsvertragsrechtlich zu "klassifizieren" sei. Ebenso verhalte es sich bei den steuerrechtlichen Tatbeständen (§ 67 EStG).Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, Sozialversicherungstatbestände stellten häufig auf den Rechtsgrund einer Forderung ab. So komme es bei dem Entgeltbegriff des Paragraph 49, ASVG nicht bloß auf den Betrag einer arbeitsrechtlichen Forderung an, sondern auch darauf, auf welchem Rechtsgrund sie beruhe und wie sie arbeitsvertragsrechtlich zu "klassifizieren" sei. Ebenso verhalte es sich bei den steuerrechtlichen Tatbeständen (Paragraph 67, EStG).

Auch wenn sich der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer über die Zahlung eines bestimmten Entgeltbetrages einige, könne dies niemals ein abstraktes Schuldverhältnis begründen, sondern es sei der dahinter stehende Rechtsgrund entweder durch Widmung ausdrücklich vereinbart oder durch Auslegung der Vereinbarung zu erschließen.

Vergleich bzw Anerkenntnis veränderten als Feststellungs- und Neuerungsverträge grundsätzlich nicht den Charakter einer Geldforderung, sondern beließen die ursprüngliche Rechtsnatur als laufender Lohn, Abfertigung oder Schadenersatz. Durch den Vergleich werde eine neue selbständige Verpflichtung geschaffen, ohne jedoch ein abstraktes Schuldverhältnis zu begründen. Der Verpflichtungsgrund bleibe vielmehr der der behaupteten Schuld. Ein Vergleichsbetrag trage also unausweichlich die Rechtsgründe jener Forderungen in sich, die zuvor streitig gewesen sei. Darüber hinaus sei es möglich, im Zeitpunkt des Vergleiches materiell und nicht bloß durch "Widmung" einen eigenen gültigen Rechtsgrund zu schaffen (zB Zahlungsversprechen für die Aufgabe einer Tätigkeit). Es stehe den Parteien frei, innerhalb der verhandenen Auswahl an Rechtsgründen den Vergleichsbetrag auf jene Rechtsgründe zu beziehen, die aus sozialrechtlichen oder steuerrechtlichen Gründen besonders günstig erschienen. Sei jedoch ein Forderungsbetrag in einer gültigen Vereinbarung mit einem bestimmten Rechtsgrund verknüpft, so behalte er für die weitere Beurteilung in steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Hinsicht seine spezifische rechtliche Identität in die durch spätere Umdeutungen oder Änderungen nicht mehr eingegriffen werden könne.

Im Zeitpunkt der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses am 28.11.1994 sei als Rechtsgrund für eine Zahlung im Ausmaß des Entgelts für 14 Wochen eine Kündigungsentschädigung als behaupteter Anspruch und somit eine entsprechende Widmung möglich gewesen. Nach dem Wortlaut der Vereinbarung hätten sich jedoch die Parteien dazu entschlossen, einen anderen Rechtsgrund, nämlich eine "einmalige freiwillige Abgangsentschädigung" neu zu schaffen, sohin eine auf Freigiebigkeit beruhende Zuwendung, die mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses und dem damals laufenden Verfahren über die Zustimmung zur Kündigung des Klägers als begünstigter Behinderter im Zusammenhang gestanden sei. Der Kläger habe einen Monatsbruttolohn von S 20.822,-- bezogen, sodaß sich das Entgelt für einen Zeitraum von 14 Wochen mit S 67.323,-- brutto errechne. Dieser Betrag sei steuerrechtlich und beitragsrechtlich begünstigt, so daß sich daraus der relativ hohe Nettobetrag von S 65.605,20 ergebe. Diesen Nettobetrag habe der Kläger unter Bezugnahme auf den Rechtsgrund "freiwillige Abfertigung" im Ausgleichsverfahren angemeldet; in diesem Ausmaß sei auch die freiwillige Abfertigung vom Ausgleichsverwalter anerkannt worden.

Mit dem Versuch, den in der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Rechtsgrund verknüpften Betrag im Wege der Vertragsauslegung nunmehr als "Kündigungsentschädigung" dazustellen, sei für den Kläger deshalb nichts zu gewinnen, weil Gegenstand des Ausgleichsverfahrens und des Verfahrens nach dem IESG eine andere Forderung, nämlich eine solche auf freiwillige Abgangsentschädigung gewesen sei. Folgerichtig komme man zum Ergebnis, daß der Kläger einen Anspruch von S 65.605,20 netto Kündigungsentschädigung niemals im Ausgleichsverfahren angemeldet habe; für eine solche Forderung wäre auch die Antragsfrist des § 6 Abs 1 IESG verstrichen. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses zeige sich auch daran, daß für eine Kündigungsentschädigung in der Höhe des genannten Bruttobetrages nicht nur Einkommensteuer, sondern gemäß § 11 Abs 2 ASVG auch Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten gewesen wären, sodaß der sich ergebende Nettobetrag vom Ausgleichsverwalter nur in einem geringeren Ausmaß hätte anerkannt werden können.Mit dem Versuch, den in der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Rechtsgrund verknüpften Betrag im Wege der Vertragsauslegung nunmehr als "Kündigungsentschädigung" dazustellen, sei für den Kläger deshalb nichts zu gewinnen, weil Gegenstand des Ausgleichsverfahrens und des Verfahrens nach dem IESG eine andere Forderung, nämlich eine solche auf freiwillige Abgangsentschädigung gewesen sei. Folgerichtig komme man zum Ergebnis, daß der Kläger einen Anspruch von S 65.605,20 netto Kündigungsentschädigung niemals im Ausgleichsverfahren angemeldet habe; für eine solche Forderung wäre auch die Antragsfrist des Paragraph 6, Absatz eins, IESG verstrichen. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses zeige sich auch daran, daß für eine Kündigungsentschädigung in der Höhe des genannten Bruttobetrages nicht nur Einkommensteuer, sondern gemäß Paragraph 11, Absatz 2, ASVG auch Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten gewesen wären, sodaß der sich ergebende Nettobetrag vom Ausgleichsverwalter nur in einem geringeren Ausmaß hätte anerkannt werden können.

Trotz der Identität des strittigen Betrages als "einmalige freiwillige Abfindung" bestehe der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld. Grundsätzlich seien alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - sofern es sich nicht um ausgeschlossene Ansprüche handle - gemäß § 1 Abs 2 Z 3 IESG gesichert. Auch eine freiwillige Abgangsentschädigung sei grundsätzlich Entgelt. Gemäß § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG seien Ansprüche, die auf einer Einzelvereinbarung beruhten, die in den letzten 6 Monaten vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens getroffen wurde, von der Sicherung ausgeschlossen, soweit die Ansprüche über die betriebsübliche Entlohnung hinausgingen oder auf sonstigen Besserstellungen beruhten, wenn die höhere Entlohnung sachlich nicht gerechtfertigt sei. Mit dieser Bestimmung solle verhindert werden, daß kurz vor Ausgleichseröffnung überhöhte, nicht betriebsübliche Entgeltansprüche zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeldfonds vereinbart würden. Während die Zuwendung eines Entgelts an ein Betriebsratsmitglied, das einen besonderen Kündigungsschutz aufgibt, nicht als betriebsüblich angesehen werden könne, stehe im vorliegenden Fall fest, daß der Kläger nach dem Kollektivvertrag in Anbetracht seiner über 15-jährigen Betriebszugehörigkeit im Falle einer Arbeitgeberkündigung eine 14-wöchige Kündigungsfrist beanspruchen konnte. Auf diese Kündigungsfrist habe der Arbeitgeber in dem Antrag, der Kündigung zuzustimmen, bereits hingewiesen. Die Vereinbarung vom 28.11.1994 entspreche der rechtlichen Position der Arbeitsvertragspartner im Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, wobei sich die für den Kläger in steuerlicher und beitragsrechtlicher Hinsicht günstigere Bezeichnung des Entgeltbetrages durchaus im Rahmen betriebsüblicher Beendigungsvereinbarungen halte. Wesentlich sei, daß der dem Kläger zugesagte Betrag als betriebsüblich und sachlich gerechtfertigt angesehen werden könne, sodaß sich die Vermutung mißbräuchlicher Inanspruchnahme des Insolvenz-Ausfallgeldfonds nicht ergebe.Trotz der Identität des strittigen Betrages als "einmalige freiwillige Abfindung" bestehe der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld. Grundsätzlich seien alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - sofern es sich nicht um ausgeschlossene Ansprüche handle - gemäß Paragraph eins, Absatz 2, Ziffer 3, IESG gesichert. Auch eine freiwillige Abgangsentschädigung sei grundsätzlich Entgelt. Gemäß Paragraph eins, Absatz 3, Ziffer 2, Litera b, IESG seien Ansprüche, die auf einer Einzelvereinbarung beruhten, die in den letzten 6 Monaten vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens getroffen wurde, von der Sicherung ausgeschlossen, soweit die Ansprüche über die betriebsübliche Entlohnung hinausgingen oder auf sonstigen Besserstellungen beruhten, wenn die höhere Entlohnung sachlich nicht gerechtfertigt sei. Mit dieser Bestimmung solle verhindert werden, daß kurz vor Ausgleichseröffnung überhöhte, nicht betriebsübliche Entgeltansprüche zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeldfonds vereinbart würden. Während die Zuwendung eines Entgelts an ein Betriebsratsmitglied, das einen besonderen Kündigungsschutz aufgibt, nicht als betriebsüblich angesehen werden könne, stehe im vorliegenden Fall fest, daß der Kläger nach dem Kollektivvertrag in Anbetracht seiner über 15-jährigen Betriebszugehörigkeit im Falle einer Arbeitgeberkündigung eine 14-wöchige Kündigungsfrist beanspruchen konnte. Auf diese Kündigungsfrist habe der Arbeitgeber in dem Antrag, der Kündigung zuzustimmen, bereits hingewiesen. Die Vereinbarung vom 28.11.1994 entspreche der rechtlichen Position der Arbeitsvertragspartner im Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, wobei sich die für den Kläger in steuerlicher und beitragsrechtlicher Hinsicht günstigere Bezeichnung des Entgeltbetrages durchaus im Rahmen betriebsüblicher Beendigungsvereinbarungen halte. Wesentlich sei, daß der dem Kläger zugesagte Betrag als betriebsüblich und sachlich gerechtfertigt angesehen werden könne, sodaß sich die Vermutung mißbräuchlicher Inanspruchnahme des Insolvenz-Ausfallgeldfonds nicht ergebe.

Die Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen sei.

Gegen den stattgebenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Berufungsurteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht in einer erheblichen Rechtsfrage von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 10/15) abgewichen ist. Da eine als fristgerecht anzusehende Revisionsbeantwortung des Klägers schon vorliegt, kann über die außerordentliche Revision der beklagten Partei ohne "Freistellung" im Sinne des § 508 a Abs 2 ZPO entschieden werden.Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht in einer erheblichen Rechtsfrage von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 10/15) abgewichen ist. Da eine als fristgerecht anzusehende Revisionsbeantwortung des Klägers schon vorliegt, kann über die außerordentliche Revision der beklagten Partei ohne "Freistellung" im Sinne des Paragraph 508, a Absatz 2, ZPO entschieden werden.

Die Revision ist auch berechtigt.

Eine "freiwillige" Abfertigung - diese Bezeichnung gebrauchte der

Kläger in seiner Anmeldung im Ausgleichsverfahren und auch im Antrag

an die beklagte Partei - ist nicht gesichert (SSV-NF 10/62; 8 ObS

354/97k). Der Kläger wendet sich unter Hinweis auf den Umstand, daß

er im Falle der von seinem ehemaligen Arbeitgeber angestrebten

Kündigung eine Kündigungsentschädigung bzw das Entgelt für die

Kündigungsfrist bekommen hätte, gegen die Beurteilung, sein Anspruch

sei ausgeschlossen. Wegen der sich aus der sukzessiven Zuständigkeit

in Sozialrechtssachen gemäß § 65 Abs 1 Z 7 ASGG ergebenden

Besonderheiten und der für im Ausgleichsverfahren angemeldete

Ansprüche aus § 1 Abs 5 IESG abzuleitenden zusätzlichen Bindung an

den in der Anmeldung gebrauchten Rechtsgrund ist eine Klagsänderung

ausgeschlossen (vgl SSV-NF 10/15). Wenn auch im Sinne der

zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie bloß eine Bindung an den

Rechtsgrund (im Sinne des anspruchsbegründenden Sachverhalts) ohne

Bindung an die rechtliche Qualifikation durch die Anmeldung eintritt

(vgl Konecny aaO § 103 KO Rz 5; 8 ObA 149/97p; SZ 63/160), so handelt

es sich um einen unterschiedlichen anspruchsbegründenden Sachverhalt,

je nachdem ob eine "freiwillige Abfertigung" geltend gemacht wird

oder ob über die Forderungen aus einer rechtswidrigen Kündigung

(Schadenersatz gemäß § 1162 b ABGB) oder über laufendes Entgelt aus

einem - während des anhängigen Verfahrens auf Zustimmung zur

Kündigung des Klägers beim Behindertenausschuß bzw der

Berufungskommission - noch aufrechten Arbeitsverhältnis in der

äußeren Form einer freiwilligen Abfertigung oder freiwilligen

Abgangsentschädigung ein Vergleich geschlossen wurde. Wegen der

Bindung an den in der Anmeldung gebrauchten Rechtsgrund - im Sinne

der zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie als Begehren und

anspruchsbegründender Sachverhalt - ist es dem Kläger verwehrt, einen

anderen anspruchsbegründenden Sachverhalt gegenüber der freiwilligen

Abfertigung/Abgangs- entschädigung geltend zu machen. Gesichert wären

im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 IESG Entgeltansprüche innerhalb einer

Kündigungsfrist ebenso wie der Anspruch auf Kündigungsentschädigung,

die von dem auch für das IESG maßgeblichen

sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriff umfaßt wird (8 ObS

2291/96m = ZIK 1998, 32; 8 ObS 2001/96i = DRdA 1997/36, 313

[Reissner] = SSV-NF 10/44). Eine freiwillige Abgangsentschädigung im

Sinne des § 49 Abs 3 Z 7 ASVG ist eine Vergütung, die aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, wobei beispielsweise Abfertigungen und Übergangsgelder erwähnt werden. Abfertigung bzw Übergangsgelder (im Sinne des § 306 ASVG) setzen jeweils die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus und sind gemäß § 49 Abs 3 Z 7 ASVG beitragsfrei, während das laufende Entgelt in der Kündigungsfrist beitragspflichtig ist. Wenn der Kläger in Erwartung eines steuer- und beitragsrechtlichen Vorteiles eine Rechtsgrundlage wählte, die außerhalb des Bereiches der gesicherten Ansprüche im Sinne des § 1 Abs 2 IESG liegt, so ist es ihm wegen der Bindung an den Rechtsgrund der Anmeldung bzw Antragstellung (im Ausgleichsverfahren und vor der beklagten Partei) verwehrt, auf einen anderen Rechtsgrund, der der Vereinbarung der freiwilligen Abgangsentschädigung (freiwilligen Abfertigung) zugrundelag, zurückzugreifen.Sinne des Paragraph 49, Absatz 3, Ziffer 7, ASVG ist eine Vergütung, die aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, wobei beispielsweise Abfertigungen und Übergangsgelder erwähnt werden. Abfertigung bzw Übergangsgelder (im Sinne des Paragraph 306, ASVG) setzen jeweils die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus und sind gemäß Paragraph 49, Absatz 3, Ziffer 7, ASVG beitragsfrei, während das laufende Entgelt in der Kündigungsfrist beitragspflichtig ist. Wenn der Kläger in Erwartung eines steuer- und beitragsrechtlichen Vorteiles eine Rechtsgrundlage wählte, die außerhalb des Bereiches der gesicherten Ansprüche im Sinne des Paragraph eins, Absatz 2, IESG liegt, so ist es ihm wegen der Bindung an den Rechtsgrund der Anmeldung bzw Antragstellung (im Ausgleichsverfahren und vor der beklagten Partei) verwehrt, auf einen anderen Rechtsgrund, der der Vereinbarung der freiwilligen Abgangsentschädigung (freiwilligen Abfertigung) zugrundelag, zurückzugreifen.

Die versuchte Inanspruchnahme eines steuerlichen und beitragsrechtlichen Vorteils allein würde die Berücksichtigung von laufendem Entgelt nach dem IESG noch nicht ausschließen, hätte der Kläger in seiner Forderungsanmeldung im Ausgleichsverfahren und in seinem Antrag bei der beklagten Partei den anspruchsbegründenden Sachverhalt richtig dargestellt. Außerhalb der Anmeldung im Ausgleichsverfahren und des Antrages bei der beklagten Partei war dem Kläger jedoch die Aufdeckung der "wahren Beschaffenheit" (§ 916 Abs 1 ABGB) der freiwilligen Abfertigung verwehrt. Bei der Nichtberücksichtigung des wahren Entstehungsgrundes des arbeitsrechtlichen Anspruches handelt es sich nicht etwa nur um eine Frage der unerheblichen Falschbezeichnung, sondern um die schon näher dargestellte Bindung an den in der Anmeldung bzw im Antrag gebrauchten Rechtsgrund. Dies wird durch die unterschiedlichen Grenzbeträge ebenso gerechtfertigt wie durch die nach den jeweiligen Rechtsgründen vorzunehmende Unterscheidung in gesicherte und ausgeschlossene Ansprüche.Die versuchte Inanspruchnahme eines steuerlichen und beitragsrechtlichen Vorteils allein würde die Berücksichtigung von laufendem Entgelt nach dem IESG noch nicht ausschließen, hätte der Kläger in seiner Forderungsanmeldung im Ausgleichsverfahren und in seinem Antrag bei der beklagten Partei den anspruchsbegründenden Sachverhalt richtig dargestellt. Außerhalb der Anmeldung im Ausgleichsverfahren und des Antrages bei der beklagten Partei war dem Kläger jedoch die Aufdeckung der "wahren Beschaffenheit" (Paragraph 916, Absatz eins, ABGB) der freiwilligen Abfertigung verwehrt. Bei der Nichtberücksichtigung des wahren Entstehungsgrundes des arbeitsrechtlichen Anspruches handelt es sich nicht etwa nur um eine Frage der unerheblichen Falschbezeichnung, sondern um die schon näher dargestellte Bindung an den in der Anmeldung bzw im Antrag gebrauchten Rechtsgrund. Dies wird durch die unterschiedlichen Grenzbeträge ebenso gerechtfertigt wie durch die nach den jeweiligen Rechtsgründen vorzunehmende Unterscheidung in gesicherte und ausgeschlossene Ansprüche.

Durch den vom Berufungsgericht als Anspruchsgrundlage herangezogenen § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG werden an sich gesicherte Ansprüche, die auf einer in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag getroffenen Einzelvereinbarung beruhen und über das kollektivvertragliche oder betriebsübliche Entgelt hinausgehen, von der Sicherung ausgeschlossen, aber nicht - auch bei sachlicher Rechtfertigung der getroffenen Einzelvereinbarung - eine Ausdehnung der Sicherung auf nach den anderen Bestimmungen des IESG nicht gesicherte Ansprüche ermöglicht.Durch den vom Berufungsgericht als Anspruchsgrundlage herangezogenen Paragraph eins, Absatz 3, Ziffer 2, Litera b, IESG werden an sich gesicherte Ansprüche, die auf einer in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag getroffenen Einzelvereinbarung beruhen und über das kollektivvertragliche oder betriebsübliche Entgelt hinausgehen, von der Sicherung ausgeschlossen, aber nicht - auch bei sachlicher Rechtfertigung der getroffenen Einzelvereinbarung - eine Ausdehnung der Sicherung auf nach den anderen Bestimmungen des IESG nicht gesicherte Ansprüche ermöglicht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG; ein Kostenzuspruch nach Billigkeit kommt nicht in Betracht, zumal der Kläger mehr als das Vierfache des strittigen Anspruches an Insolvenz-Ausfallgeld zuerkannt erhielt.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera a, ASGG; ein Kostenzuspruch nach Billigkeit kommt nicht in Betracht, zumal der Kläger mehr als das Vierfache des strittigen Anspruches an Insolvenz-Ausfallgeld zuerkannt erhielt.

Anmerkung

E50316 08C01138

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:008OBS00113.98W.0430.000

Dokumentnummer

JJT_19980430_OGH0002_008OBS00113_98W0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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