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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §212 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 6. März 2003, GZ RV/193- W/2003, betreffend Stundungszinsen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund eines Antrages des Beschwerdeführers vom 21. Jänner 2002 auf Verlängerung der Berufungsfrist und Aussetzung der Einhebung und eines gleichzeitig gestellten Eventualantrages auf Stundung wies das Finanzamt mit Bescheid vom 23. Jänner 2002 den Antrag auf Aussetzung der Einhebung zurück und bewilligte dem Beschwerdeführer mit Bescheid (Berufungsvorentscheidung) vom 12. März 2002 die Stundung eines Abgabenrückstandes in Höhe von 292.604,58 EUR bis 3. Mai 2002.
Mit Antrag vom 3. Mai 2002 beantragte der Beschwerdeführer, ihm die Stundung dieses Abgabenbetrages bis 31. Mai 2002 zu bewilligen, weil er um Verlängerung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen einen in der Sache ergangenen Abgabenbescheid bis 31. Mai 2002 angesucht habe.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2002 bewilligte das Finanzamt dem Beschwerdeführer die Stundung des genannten Abgabenrückstandes bis 25. Juni 2002.
Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2002 erhob der Beschwerdeführer gegen eine Reihe im einzelnen angeführter Abgabenbescheide (Umsatz- und Einkommensteuer 1987 bis 1995) Berufung und verknüpfte damit den Antrag, die Einbringung der Abgabennachforderung in Höhe von 292.604,59 EUR auszusetzen.
Mit Bescheid vom 10. Juni 2002 setzte das Finanzamt Stundungszinsen für den Zeitraum vom 8. März 2002 bis 22. Mai 2002 fest, wobei es von einem Abgabenrückstand in Höhe von 292.442,18 EUR ab 8. März und von einem Abgabenrückstand von 292.604,58 EUR ab 15. März 2002 ausging.
Dagegen berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, die Einhebung des der Stundungszinsenberechnung zugrunde gelegten Abgabenrückstandes sei mit Bescheid vom 5. Juli 2002 ausgesetzt worden. Es wären daher nicht Stundungszinsen, sondern Aussetzungszinsen vorzuschreiben gewesen.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 31. Juli 2002 wies das Finanzamt die Berufung gegen den Bescheid vom 10. Juni 2002 als unbegründet ab. Der in der Berufung erwähnte Antrag auf Aussetzung vom 28. Mai 2002 sei erst nach dem Ansuchen um Zahlungserleichterung eingebracht worden. Der Zeitraum der Stundungszinsenvorschreibung betreffe Zeiten vor der Einbringung des Aussetzungsantrages.
Im dagegen erhobenen Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer aus, die Aussetzung der Einbringung, welche ihm mit Bescheid vom 5. Juli 2002 bewilligt worden sei, beziehe sich auch auf jenen Zeitraum, für den Stundungszinsen vorgeschrieben worden seien. Die Aussetzung "verdrängt die Erteilung von Zahlungserleichterungen", weshalb nur entweder Aussetzungszinsen oder Stundungszinsen vorgeschrieben werden dürften. Ob Aussetzungszinsen vorzuschreiben sein werden, werde erst mit dem rechtskräftigen Abspruch über das Rechtsmittel feststehen, das Anlass des Aussetzungsantrages gewesen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Unter Verweis auf die Begründung der Berufungsvorentscheidung führte die belangte Behörde aus, dass die Festsetzung von Stundungszinsen für einen Zeitraum erfolgt sei, der mit 22. Mai 2002 geendet habe. Der Aussetzungsantrag vom 28. Mai 2002 habe zur Bewilligung der Aussetzung der Einhebung mit Bescheid vom 5. Juli 2002 geführt. Die Bestimmung des § 212a Abs. 5 letzter Satz BAO, wonach bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Aussetzung eintrete, wenn dem Abgabepflichtigen für den Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen als auch eine Aussetzung der Einigung bewilligt wurden, sei nur bei gleichzeitiger Bewilligung von Zahlungserleichterungen und einer Aussetzung der Einhebung anzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 212 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben unter näher genannten Voraussetzungen hinausschieben (Stundung). Für Abgabenschuldigkeiten, die den Betrag von insgesamt 750 EUR überstiegen, waren nach § 212 Abs. 2 BAO in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 159/2002 Stundungszinsen in Höhe von 4 % über dem jeweils geltenden Zinsfuß für Eskontierungen der Oesterreichischen Nationalbank pro Jahr zu entrichten, solange auf Grund eines Ansuchens um Zahlungserleichterungen, über das noch nicht entschieden war, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden durften oder soweit in Folge einer gemäß Abs. 1 erteilten Bewilligung von Zahlungserleichterungen ein Zahlungsaufschub eingetreten war.
Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist auf Antrag des Abgabepflichtigen die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Berufung die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.
Anträge auf Aussetzung der Einhebung können nach § 212a Abs. 3 leg. cit. bis zur Entscheidung über die Berufung (Abs. 1) gestellt werden.
Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht nach § 212a Abs. 5 BAO in einem Zahlungsaufschub, welcher mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf endet. Wurden dem Abgabepflichtigen für einen Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen als auch eine Aussetzung der Einhebung bewilligt, so tritt gemäß § 212a Abs. 5 letzter Satz leg. cit. bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Zahlungsaussetzung ein.
Die belangte Behörde sieht den Tatbestand des § 212a Abs. 5 letzter Satz BAO nur bei "gleichzeitiger Bewilligung" von Zahlungserleichterungen und einer Aussetzung der Einhebung als erfüllt an.
Demgegenüber trägt der Beschwerdeführer vor, die "Gleichzeitigkeit" sei dem Gesetzestext nicht zu entnehmen. Seien sowohl Zahlungserleichterungen als auch eine Aussetzung bewilligt, würde die Aussetzung die Gewährung von Zahlungserleichterungen verdrängen. Mit der bewilligten Aussetzung falle die Voraussetzung des § 212 Abs. 2 lit. a BAO weg, was sich auch vor dem Hintergrund der Wertung der betroffenen Normen ergebe. Der Verfassungsgerichtshof habe die unterschiedliche Konzeption der beiden Aufschiebungsmöglichkeiten (der Stundung und der Aussetzung der Einhebung) als Grund dafür angesehen, dass der mit einem Rechtsmittel verbundene Aufschub mit einer milderen Zinsensanktion verknüpft sei als bei der Verzinsung einer Schuld, an deren Bestand kein Zweifel obwalte.
Mit dem Erkenntnis vom 3. August 2004, 99/13/0207, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine gleichzeitige Vorschreibung von Aussetzungszinsen und Stundungszinsen aus der selben Abgabenschuld für den selben Zeitraum dem Gesetz widerspräche. Dies auch deshalb, weil eine Stundung nach § 212 Abs. 1 BAO von vornherein nur für solche Abgaben im Einklang mit dem Gesetz steht, hinsichtlich derer Einbringungsmaßnahmen in Betracht kommen, an welcher Voraussetzung es nach § 212a Abs. 1 BAO für eine Abgabe fehlt, deren Einhebung der im § 212a Abs. 5 erster Satz BAO normierten Wirkung des Zahlungsaufschubes ausgesetzt ist.
Unstrittig hat die Rechtsfolge des §212a Abs. 5 letzter Satz BAO somit für Zeiträume einzutreten, die sowohl von einer (zunächst) bewilligten Stundung als auch von einer (dann) bewirkten Aussetzung der Einhebung erfasst sind. In diesem Sinn ist auch der Ausdruck der "gleichzeitigen" Bewilligung von Stundung und Aussetzung zu verstehen, wie ihn die belangte Behörde formuliert.
Der Beschwerdeführer verkennt jedoch die Rechtslage, wenn er vermeint, dass die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung rückwirkend auch Zeiträume davor erfasse, für die ein Stundungsansuchen gestellt oder eine Stundung bewilligt worden ist. Eine Bewilligung der Aussetzung der Einhebung nach § 212a Abs. 1 BAO bewirkt die Aussetzung ex nunc. Ab diesem Zeitpunkt und somit für Zeiträume nach einer Bewilligung der Aussetzung der Einhebung verdrängt dieses Rechtsinstitut einen Zahlungsaufschub auf Grund einer bewilligten Stundung. Für die davor liegenden Zeiträume, hinsichtlich welcher auf Grund der bewilligten Stundung ein Zahlungsaufschub eingetreten war, liegt keine doppelte Begründung für einen Zahlungsaufschub vor, ist der Zahlungsaufschub jedenfalls nicht auf Grund einer bewilligten Aussetzung der Einhebung gegeben und ist der Tatbestand des § 212a Abs. 5 letzter Satz BAO somit nicht erfüllt.
Der vom Beschwerdeführer relevierte "Wertungshintergrund", wonach der mit einem Rechtsmittel verbundene Zahlungsaufschub mit einer "milderen Zinsensanktion" als bei einem auf § 212 BAO gestützten Zahlungsaufschub stehen solle, wirkt jedenfalls nicht auf Zeiträume vor Antragstellung zurück.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 21. September 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003150041.X00Im RIS seit
02.11.2006