TE OGH 1998/5/19 10ObS158/98b

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Veröffentlicht am 19.05.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Georg Genser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Raimund Bröthaler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Roderich F*****, Zolldeklarant, *****, vertreten durch Dr.Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeiststraße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Jänner 1998, GZ 8 Rs 222/97x-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 21. Mai 1997, GZ 33 Cgs 116/95w-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 24.4.1939 geborene Kläger war von Jänner 1965 bis Juli 1994 mit Unterbrechungen als Speditionsangestellter tätig, und zwar in der Zeit von 1968 bis März 1994 als Zolldeklarant. Seither geht er keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nach. Der Kläger kann aufgrund verschiedener krankheitsbedingter Veränderungen nur noch leichte und mittelschwere Arbeiten verrichten, wobei mittelschwere Arbeiten auf die Hälfte eines Arbeitstages beschränkt werden müssen. Ausgenommen sind Arbeiten in und aus gebückter Haltung sowie in vorgeneigter stehender und sitzender Zwangsarbeitshaltung, die bei gerechter Verteilung auf ein Drittel eines Arbeitstages beschränkt werden müssen. Ständige Überkopfarbeiten, Arbeiten an exponierten Stellen und Akkord- und Fließbandarbeiten scheiden aus. Ein forciertes Arbeitstempo ist halbtägig, ein normales Arbeitstempo ganztägig möglich. Ortswechsel ist dem Kläger nicht mehr zumutbar, allerdings kann er zum Erreichen des Arbeitsplatzes ein öffentliches Verkehrsmittel oder einen privaten Personenkraftwagen benützen. Vergleicht man das Leistungskalkül des Klägers mit dem Anforderungsprofil der Berufsaufgaben eines Zolldeklaranten, so kann der Kläger diese Tätigkeit ohne Gefährdung seiner Gesundheit weiterhin ausüben. Im Bereich Spielfeld, Leibniz und Graz, also in jenem Bereich, den der Kläger mit einem öffentlichen Verkehrsmittel erreichen kann, existieren etwa hundert Arbeitsplätze für Zolldeklaranten. Im Bereich Kapfenberg, Bruck, Köflach, Weiz und Deutschlandsberg existiert ein Arbeitsmarkt mit deutlich mehr als hundert Arbeitsplätzen für Zolldeklaranten.

Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 27.3.1995 wurde der Antrag des Klägers vom 19.12.1994 auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 270 iVm § 253d ASVG abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß er noch imstande sei, die in den letzten fünfzehn Jahren vor dem Stichtag überwiegend ausgeübte Tätigkeit als Speditionskaufmann zu verrichten.Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 27.3.1995 wurde der Antrag des Klägers vom 19.12.1994 auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß Paragraph 270, in Verbindung mit Paragraph 253 d, ASVG abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß er noch imstande sei, die in den letzten fünfzehn Jahren vor dem Stichtag überwiegend ausgeübte Tätigkeit als Speditionskaufmann zu verrichten.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 1.1.1995 gerichtete Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß Kläger nach wie vor in der Lage sei, seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Zolldeklarant ohne Gefährdung seiner Gesundheit weiterhin nachzugehen, weshalb die Voraussetzungen nach § 253d ASVG nicht vorliegen würden.Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 1.1.1995 gerichtete Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß Kläger nach wie vor in der Lage sei, seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Zolldeklarant ohne Gefährdung seiner Gesundheit weiterhin nachzugehen, weshalb die Voraussetzungen nach Paragraph 253 d, ASVG nicht vorliegen würden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Selbst wenn man nur die durch Tagespendeln erreichbaren achtundsiebzig Arbeitsplätze in Rechnung stellen würde, bedeutete dies das Vorhandensein eines regionalen Arbeitsmarktes, auf den es rechtlich ankomme. Abgesehen davon, daß achtundsiebzig solcher Arbeitsplätze für die Feststellung eines regionalen Arbeitsmarktes hinreichten, sei die Schätzung von hundert Arbeitsplätzen sicher nicht zu hoch gegriffen. Der Kläger meine, bei der Feststellung eines Arbeitsmarktes komme es nicht auf den Stichtag an. Abgesehen davon, daß dies unrichtig sei, würden sich die erstgerichtlichen Feststellungen ohnehin nicht nur auf den Stichtag beziehen, sondern auf die Zeit bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung. Darüberhinaus sei es amtsbekannt, daß durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union die zollrechtlich zu bewältigende Arbeitsmenge insgesamt nicht gestiegen sein könne und sich diesbezüglich eine für den Kläger günstige Änderung zwischen Stichtag und Schluß der mündlichen Verhandlung nicht ergeben habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß seinem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger macht in seiner Rechtsrüge geltend, von einem allgemeinen Arbeitsmarkt könne nur dann gesprochen werden, wenn Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden seien und somit der Arbeitsuchende Aussicht auf Erlangung einer Stelle habe. Diese Kriterien seien hier nicht gegeben. Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union sei es zu einem immensen Abbau an Zolldeklarantenstellen gekommen. Seither stehe einer stark verringerten Zahl von Arbeitsplätzen eine stark vermehrte Stellennachfrage gegenüber. Erfahrungsgemäß würden bei einem größeren Stellenabbau in erster Linie ältere Dienstnehmer betroffen, weshalb die Aussichten einer Stellenbewerbung praktisch null oder minimal seien.

Diese Ausführungen sind vom Ansatz her verfehlt. Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach § 253d Abs 1 ASVG hätte der Kläger bei Erfüllung der in den Ziffern 1 bis 3 der zitierten Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen, wenn er infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande wäre, durch die in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten fünfzehn Jahre vor dem Stichtag ausgeübte Tätigkeit als Zolldeklarant wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt (Z 4 der genannten Gesetzesstelle). Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen kann der Kläger trotz gewisser Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit die Tätigkeit eines Zolldeklaranten nach wie vor ohne Gefährdung seiner Gesundheit weiterhin ausüben. Danach fehlt aber die Voraussetzung des § 253d Abs 1 Z 4 ASVG, wonach nämlich der Kläger nicht mehr imstande sein dürfte, durch die Tätigkeit als Zolldeklarant wenigstens die Hälfte des Entgelts zu erwerben, das ein gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Da wie gesagt der Kläger seiner bisherigen Tätigkeit wie ein gesunder Zolldeklarant nachgehen kann, stellt sich weder die Frage nach der Lohnhälfte noch die nach dem Vorhandensein eines Arbeitsmarktes in einem bestimmten Verweisungsberuf (10 ObS 145/95). Die Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze ist immer nur in jenen Fällen von Bedeutung, in denen ein Versicherter zwar die bisher ausgeübten Tätigkeiten nicht mehr verrichten, jedoch auf andere Berufe verwiesen werden kann. Als solche Verweisungstätigkeiten kommen nur solche Arbeiten in Betracht, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichender Anzahl, also nicht so eingeschränkt vorkommen, daß von einem "Arbeitsmarkt" gar nicht mehr gesprochen werden kann (SSV-NF 2/20, 3/70 ua). Kann ein Versicherter seinen bisherigen Beruf weiterhin ausüben, dann bedarf es keiner Untersuchungen über die Zahl der Arbeitsplätze in anderen Berufen, den sogenannten Verweisungsberufen (SSV-NF 1/23; vgl auch SSV-NF 1/68; SSV-NF 3/2; 10 ObS 307/92; 10 ObS 98/93; 10 ObS 145/95; 10 ObS 16/97v). Daher gehen auch die Erörterungen des Berufungsgerichtes über die Zahl der auf dem regionalen oder gesamtösterreichischen Arbeitsmarkt vorhandenen Stellen von Zolldeklaranten am Problem vorbei. Ebenso wie es für die Frage der Invalidität ohne Bedeutung ist, ob der Versicherte aufgrund der konkreten Arbeitsmarktsituation in einem Verweisungsberuf einen Dienstposten finden wird (SSV-NF 6/56 uva), können auch die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach § 253d ASVG nicht dadurch erfüllt werden, daß der an sich arbeitsfähige Versicherte nicht vermittelbar ist. Die fehlende Nachfrage nach Arbeit gehört nicht zum Risikobereich der Pensionsversicherung, sondern zu jenem der Arbeitslosenversicherung.Diese Ausführungen sind vom Ansatz her verfehlt. Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach Paragraph 253 d, Absatz eins, ASVG hätte der Kläger bei Erfüllung der in den Ziffern 1 bis 3 der zitierten Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen, wenn er infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande wäre, durch die in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten fünfzehn Jahre vor dem Stichtag ausgeübte Tätigkeit als Zolldeklarant wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt (Ziffer 4, der genannten Gesetzesstelle). Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen kann der Kläger trotz gewisser Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit die Tätigkeit eines Zolldeklaranten nach wie vor ohne Gefährdung seiner Gesundheit weiterhin ausüben. Danach fehlt aber die Voraussetzung des Paragraph 253 d, Absatz eins, Ziffer 4, ASVG, wonach nämlich der Kläger nicht mehr imstande sein dürfte, durch die Tätigkeit als Zolldeklarant wenigstens die Hälfte des Entgelts zu erwerben, das ein gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Da wie gesagt der Kläger seiner bisherigen Tätigkeit wie ein gesunder Zolldeklarant nachgehen kann, stellt sich weder die Frage nach der Lohnhälfte noch die nach dem Vorhandensein eines Arbeitsmarktes in einem bestimmten Verweisungsberuf (10 ObS 145/95). Die Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze ist immer nur in jenen Fällen von Bedeutung, in denen ein Versicherter zwar die bisher ausgeübten Tätigkeiten nicht mehr verrichten, jedoch auf andere Berufe verwiesen werden kann. Als solche Verweisungstätigkeiten kommen nur solche Arbeiten in Betracht, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichender Anzahl, also nicht so eingeschränkt vorkommen, daß von einem "Arbeitsmarkt" gar nicht mehr gesprochen werden kann (SSV-NF 2/20, 3/70 ua). Kann ein Versicherter seinen bisherigen Beruf weiterhin ausüben, dann bedarf es keiner Untersuchungen über die Zahl der Arbeitsplätze in anderen Berufen, den sogenannten Verweisungsberufen (SSV-NF 1/23; vergleiche auch SSV-NF 1/68; SSV-NF 3/2; 10 ObS 307/92; 10 ObS 98/93; 10 ObS 145/95; 10 ObS 16/97v). Daher gehen auch die Erörterungen des Berufungsgerichtes über die Zahl der auf dem regionalen oder gesamtösterreichischen Arbeitsmarkt vorhandenen Stellen von Zolldeklaranten am Problem vorbei. Ebenso wie es für die Frage der Invalidität ohne Bedeutung ist, ob der Versicherte aufgrund der konkreten Arbeitsmarktsituation in einem Verweisungsberuf einen Dienstposten finden wird (SSV-NF 6/56 uva), können auch die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach Paragraph 253 d, ASVG nicht dadurch erfüllt werden, daß der an sich arbeitsfähige Versicherte nicht vermittelbar ist. Die fehlende Nachfrage nach Arbeit gehört nicht zum Risikobereich der Pensionsversicherung, sondern zu jenem der Arbeitslosenversicherung.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG.

Anmerkung

E50294 10C01588

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:010OBS00158.98B.0519.000

Dokumentnummer

JJT_19980519_OGH0002_010OBS00158_98B0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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