TE OGH 1998/5/20 2Ob38/98x

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Veröffentlicht am 20.05.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Rohrer und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Handelshaus T*****, vertreten durch Dr.Margot Tonitz, Rechtsanwältin in Klagenfurt, wider die beklagte Partei V***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Ferdinand J. Lanker und Mag.Eva Lanker-Wiedenig, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen US-Dollar 5,548.034,46 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 9.Dezember 1997, GZ 3 R 185/97v-32, womit Punkt 1 des Beschlusses des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21.Juli 1997, GZ 23 Cg 97/96f-26, bestätigt und die klagende Partei mit dem Rekurs gegen Punkt 2 dieses Beschlusses auf die bestätigende Entscheidung verwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben, die Sache an das Rekursgericht zurückverwiesen und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede nach meritorischer Erledigung des Rekurses der klagenden Partei gegen Punkt 2 des Beschlusses des Erstgerichts aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind wie weitere Kosten des Rekursverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

In ihrer Kaufpreisklage über US-$ 5,548.034,46 berief sich die klagende Partei zur Begründung der sachlichen Zuständigkeit des Erstgerichts auf eine Vereinbarung mit der beklagten Partei im Schiedsvertrag, daß es den Parteien fallweise zustehe, Streitigkeiten aus dieser Vereinbarung vor ein Schiedsgericht oder vor ein ordentliches Gericht zu bringen. Gleichzeitig mit ihrer Klage beantragte sie, ihr die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 a bis c ZPO zu bewilligen.In ihrer Kaufpreisklage über US-$ 5,548.034,46 berief sich die klagende Partei zur Begründung der sachlichen Zuständigkeit des Erstgerichts auf eine Vereinbarung mit der beklagten Partei im Schiedsvertrag, daß es den Parteien fallweise zustehe, Streitigkeiten aus dieser Vereinbarung vor ein Schiedsgericht oder vor ein ordentliches Gericht zu bringen. Gleichzeitig mit ihrer Klage beantragte sie, ihr die Verfahrenshilfe im Umfang des Paragraph 64, Absatz eins, a bis c ZPO zu bewilligen.

Die beklagte Partei wendete die sachliche und örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichts ein. Die von der klagenden Partei genannte Schiedsklausel laute dahin, daß die Zuständigkeit des Schiedsgerichts für Streitigkeiten aus dem Schiedsvertrag unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte vereinbart worden sei.

Die klagende Partei erwiderte auf die Unzuständigkeitseinrede, daß sie von ihrem Recht, vom Schiedsvertrag aus wichtigem Grund zurückzutreten, durch die Einbringung der Klage beim Erstgericht Gebrauch gemacht habe. Sie sei vom Schiedsvertrag zurückgetreten, weil ihr ein Festhalten daran wegen der von der beklagten Partei verschuldeten Vermögenslosigkeit nicht mehr zugemutet werden könne. Sie habe für die beklagte Partei Stahlprodukte in erheblichen Mengen angekauft. Die beklagte Partei habe durch die Nichtzahlung ihren wirtschaftlichen Zusammenbruch verursacht.

Das Erstgericht wies - im zweiten Rechtsgang - die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit (Punkt 1) und das Vorbringen der klagenden Partei, mit dem der Rücktritt vom Schiedsvertrag geltend gemacht wurde, gemäß § 179 ZPO wegen Verschleppungsabsicht zurück (Punkt 2) und wies ferner den Antrag der klagenden Partei auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab (Punkt 3). Mit ihrem Antrag auf Leistung einer Prozeßkostensicherheit verwies es die beklagte Partei auf diese Entscheidung (Punkt 4). Das Erstgericht stellte den Inhalt der Schiedsklausel dahin fest, daß Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, die nicht auf dem Verhandlungsweg gelöst werden können, unter Ausschluß der Anrufung allgemeiner Gerichte durch die Parteien der Übergabe zur schieds-/arbitragegerichtlichen Entscheidung unterliegen und diese Entscheidungen endgültig und verpflichtend für beide Seiten sind. Andere Übersetzungen, die sinngemäß ein Wahlrecht einer Partei zwischen Schiedsgericht und ordentlichem Gericht zuließen, seien falsch.Das Erstgericht wies - im zweiten Rechtsgang - die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit (Punkt 1) und das Vorbringen der klagenden Partei, mit dem der Rücktritt vom Schiedsvertrag geltend gemacht wurde, gemäß Paragraph 179, ZPO wegen Verschleppungsabsicht zurück (Punkt 2) und wies ferner den Antrag der klagenden Partei auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab (Punkt 3). Mit ihrem Antrag auf Leistung einer Prozeßkostensicherheit verwies es die beklagte Partei auf diese Entscheidung (Punkt 4). Das Erstgericht stellte den Inhalt der Schiedsklausel dahin fest, daß Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, die nicht auf dem Verhandlungsweg gelöst werden können, unter Ausschluß der Anrufung allgemeiner Gerichte durch die Parteien der Übergabe zur schieds-/arbitragegerichtlichen Entscheidung unterliegen und diese Entscheidungen endgültig und verpflichtend für beide Seiten sind. Andere Übersetzungen, die sinngemäß ein Wahlrecht einer Partei zwischen Schiedsgericht und ordentlichem Gericht zuließen, seien falsch.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht daraus, daß der vor dem ordentlichen Gericht angebrachten Klage das Prozeßhindernis der sachlichen Unzuständigkeit entgegenstehe. Das Prozeßvorbringen über den Rücktritt vom Schiedsvertrag sei erst nach der Zurückweisung der Klage im ersten Rechtsgang und nach Aufhebung dieses Beschlusses durch das Rekursgericht und daher bloß in Verschleppungsabsicht erhoben worden, weshalb es zurückzuweisen gewesen sei. Im übrigen sei der einseitige Rücktritt von einem Schiedsvertrag unzulässig. Die Bestimmungen über den Schiedsvertrag in den §§ 577 ff ZPO seien öffentliches Recht und könnten durch Vereinbarung der Parteien nur in den im Gesetz genannten Fällen abgeändert werden. Äußerstenfalls könnte die Klage aus dem Übereinkommen erst dann vor einem ordentlichen Gericht angebracht werden, wenn in einem gesonderten Prozeß festgestellt worden sei, daß die Schiedsklausel unwirksam geworden sei. Da die Prozeßführung vor dem ordentlichen Gericht somit aussichtslos sei, könne der klagenden Partei auch nicht die Verfahrenshilfe bewilligt werden.In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht daraus, daß der vor dem ordentlichen Gericht angebrachten Klage das Prozeßhindernis der sachlichen Unzuständigkeit entgegenstehe. Das Prozeßvorbringen über den Rücktritt vom Schiedsvertrag sei erst nach der Zurückweisung der Klage im ersten Rechtsgang und nach Aufhebung dieses Beschlusses durch das Rekursgericht und daher bloß in Verschleppungsabsicht erhoben worden, weshalb es zurückzuweisen gewesen sei. Im übrigen sei der einseitige Rücktritt von einem Schiedsvertrag unzulässig. Die Bestimmungen über den Schiedsvertrag in den Paragraphen 577, ff ZPO seien öffentliches Recht und könnten durch Vereinbarung der Parteien nur in den im Gesetz genannten Fällen abgeändert werden. Äußerstenfalls könnte die Klage aus dem Übereinkommen erst dann vor einem ordentlichen Gericht angebracht werden, wenn in einem gesonderten Prozeß festgestellt worden sei, daß die Schiedsklausel unwirksam geworden sei. Da die Prozeßführung vor dem ordentlichen Gericht somit aussichtslos sei, könne der klagenden Partei auch nicht die Verfahrenshilfe bewilligt werden.

Das Rekursgericht bestätigte die Punkte 1 und 3 des Beschlusses des Erstgerichtes und verwies die klagende Partei mit ihrem Rekurs gegen Punkt 2 des Beschlusses des Erstgerichts auf diese bestätigende Entscheidung. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Zurückweisung der Klage nicht zulässig und im übrigen der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist. Die von der Klägerin vorgelegten Übersetzungen der strittigen Textpassage des Schiedsvertrages hätten nur den Charakter von Privatgutachten, die das Gutachten des vom Erstgericht bestellten Dolmetschers nicht widerlegen könnten. Es bestehe auch nicht die Verpflichtung des Gerichtes, allfällige Widersprüche zwischen einem Privatgutachten und einem als verläßlich erscheinenden Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen aufzuklären. Die Feststellungen des Erstgerichts über den Inhalt der Schiedsklausel seien auf Grund eines unmittelbar aufgenommenen Sachverständigenbeweises getroffen worden und im Rekursverfahren daher nicht anfechtbar. Nach dem festgestellten Wortlaut der Schiedsklausel sei auch die rechtliche Beurteilung, daß der vor dem ordentlichen Gericht eingebrachten Klage das Prozeßhindernis der sachlichen Unzuständigkeit entgegenstehe, nicht zu beanstanden. Wegen der deshalb aussichtslosen Prozeßführung sei der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen gewesen. Mit ihrem Rekurs gegen die Zurückweisung ihres weiteren Prozeßvorbringens sei die klagende Partei auf die Zurückweisung der Klage zu verweisen gewesen. Im Zuständigkeitsstreit wäre überdies auch nicht darüber zu befinden, ob ein Schiedsvertrag durch einseitige Parteienerklärung auflösbar sei. Nach SZ 18/151 könne darüber nur auf Grund einer (gesonderten) Feststellungsklage entschieden werden.

Rechtliche Beurteilung

Der - jedenfalls unzulässige - Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen die Versagung der Verfahrenshilfe wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 26.2.1998, GZ 2 Ob 38/98x, zurückgewiesen. Der außer- ordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei, der sich inhaltlich sowohl gegen die Bestätigung der Zurückweisung der Klage als auch dagegen richtet, daß über ihren Rekurs gegen den Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses nicht in der Sache entschieden wurde, ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig.

Soweit die klagende Partei die Feststellungen über den Inhalt der russischsprachigen Schiedsklausel an sich rügt, bekämpft sie in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Die Ermittlung des Inhalts ausländischer Urkunden gehört zum Tatsachenbereich. Die Würdigung der Richtigkeit unterschiedlicher Übersetzungen ist ein Akt der Beweiswürdigung. An die Feststellung des Inhalts der Schiedsklausel durch das Erstgericht, welche das Rekursgericht übernommen hat, ist der Oberste Gerichtshof daher gebunden.

Der Ausspruch des Rekursgerichtes, daß die klagenden Partei mit ihrem Rekurs gegen Punkt 2 des Beschlusses des Erstgerichts auf den bestätigenden Teil seiner Entscheidung verwiesen wird, bedeutet nichts anderes, als daß der Rekurs der klagenden Partei insoweit mangels Rechtsschutzinteresses (Beschwer) zurückgewiesen wurde. Die Frage der sachlichen Zuständigkeit des Erstgerichts kann aber erst dann abschließend beurteilt werden, wenn geklärt ist, ob das - vom Erstgericht im Punkt 2 seines Beschlusses zurückgewiesene - Vorbringen der klagenden Partei über das Außerkrafttreten des Schiedsvertrages wegen nachfolgender Vermögenslosigkeit den Gegenstand des Verfahrens bildet. Bestätigt das Rekursgericht die Zurückweisung dieses Vorbringens durch das Erstgericht, dann ist es auch im Rechtsmittelverfahren unbeachtlich und kann nicht zu der von der klagenden Partei darauf gestützten sachlichen Zuständigkeit des Erstgerichtes führen. Nur dann, wenn das Rekursgericht den vom Erstgericht gemäß § 179 ZPO gefaßten Beschluß ersatzlos aufgehoben hat, das Vorbringen über das Außerkrafttreten des Schiedsvertrages demnach beachtlich geworden ist, kann darüber entschieden werden und wird vom Rekursgericht zu entscheiden sein, ob das Außerkrafttreten des Schiedsvertrages - als Voraussetzung für die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts - als Vorfrage im Zuständigkeitsstreit geprüft werden muß. Da die klagende Partei ein rechtliches Interesse an einer solchen Entscheidung hat, hat das Rekursgericht zu Unrecht ihren Rekurs gegen die Zurückweisung des hiezu erstatteten Vorbringens nicht in der Sache erledigt.Der Ausspruch des Rekursgerichtes, daß die klagenden Partei mit ihrem Rekurs gegen Punkt 2 des Beschlusses des Erstgerichts auf den bestätigenden Teil seiner Entscheidung verwiesen wird, bedeutet nichts anderes, als daß der Rekurs der klagenden Partei insoweit mangels Rechtsschutzinteresses (Beschwer) zurückgewiesen wurde. Die Frage der sachlichen Zuständigkeit des Erstgerichts kann aber erst dann abschließend beurteilt werden, wenn geklärt ist, ob das - vom Erstgericht im Punkt 2 seines Beschlusses zurückgewiesene - Vorbringen der klagenden Partei über das Außerkrafttreten des Schiedsvertrages wegen nachfolgender Vermögenslosigkeit den Gegenstand des Verfahrens bildet. Bestätigt das Rekursgericht die Zurückweisung dieses Vorbringens durch das Erstgericht, dann ist es auch im Rechtsmittelverfahren unbeachtlich und kann nicht zu der von der klagenden Partei darauf gestützten sachlichen Zuständigkeit des Erstgerichtes führen. Nur dann, wenn das Rekursgericht den vom Erstgericht gemäß Paragraph 179, ZPO gefaßten Beschluß ersatzlos aufgehoben hat, das Vorbringen über das Außerkrafttreten des Schiedsvertrages demnach beachtlich geworden ist, kann darüber entschieden werden und wird vom Rekursgericht zu entscheiden sein, ob das Außerkrafttreten des Schiedsvertrages - als Voraussetzung für die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts - als Vorfrage im Zuständigkeitsstreit geprüft werden muß. Da die klagende Partei ein rechtliches Interesse an einer solchen Entscheidung hat, hat das Rekursgericht zu Unrecht ihren Rekurs gegen die Zurückweisung des hiezu erstatteten Vorbringens nicht in der Sache erledigt.

Diese Erwägungen führen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Rekursgericht.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E50321 02AA0388

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0020OB00038.98X.0520.000

Dokumentnummer

JJT_19980520_OGH0002_0020OB00038_98X0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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