TE OGH 1998/5/20 2Ob129/98d

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Veröffentlicht am 20.05.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Rohrer und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Susanne H*****, vertreten durch Dr.Helmut Weber, Rechtsanwalt in Liezen, wider die beklagte Partei Marktgemeinde G*****, vertreten durch Dr.Kurt Hanusch und Dr.Heimo Jilek, Rechtsanwälte in Leoben, wegen S 98.320,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 23.Oktober 1997, GZ 1 R 220/97p-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Rottenmann vom 14.Juni 1997, GZ 1 C 477/96g-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 1.014,40 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Als die Klägerin am 22.7.1995 als Badegast aus dem Wasser des von der beklagten Gemeinde und dem Tourismusverband G***** in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes betriebenen Badesees hinausging erlitt sie tiefe Schnittverletzungen an den Füßen mit Durchtrennungen der oberflächigen Beugesehnen, die durch ein an einer knietiefen Stelle im Wasser liegendes zerbrochenes Trinkglas verursacht wurden. Der Seegrund ist durch Algenbewuchs dunkel und insbesondere bei Wasserbewegungen an der Oberfläche nicht zu erkennen. Die Betreiber der Badeanlage, für deren Benützung die Klägerin ein Entgelt von S 20,-- begehrt hatte, beschäftigen einen Dienstnehmer, der ua die Aufgabe hat, täglich Unrat und dgl von der Wiesenzone und von der seichten Seezone zu entfernen. Nach dem Unfall konnte das zerbrochene Trinkglas erst nach längerem Absuchen der Unfallstelle außerhalb des Badebetriebs bei ruhiger Wasseroberfläche gefunden werden. Einmal im Jahr findet auf dem Badegelände ein Seefest statt, bei dem auch Getränke in Gläsern verabreicht werden. Mitunter kommt es auch zu privaten Feiern auf der Anlage, welche die Beklagte jeweils zum Anlaß zu Verboten und Anzeigen gemacht hat. Vor dem Badegelände war ein Schild mit dem Hinweis angebracht, daß für Unfälle nicht gehaftet werde und die Benützung auf eigene Gefahr erfolge.

Das Erstgericht wies das auf Verletzung einer vertraglichen Verkehrssicherungspflicht gestützte Schadenersatzbegehren der Klägerin in der Höhe von S 98.320,-- sA ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung infolge Berufung der Klägerin und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die einseitige Ablehnung der Haftung für Unfälle sei selbst bei der hier anzunehmenden bloß leichten Fahrlässigkeit nicht wirksam, weil die Haftung für Fehler oder Unterlassung der Sicherungsvorkehrungen nicht ausgeschlossen werden könne. Die Beklagte habe eine Verkehrssicherungspflicht getroffen, die Anlage in einem verkehrssicheren und gefahrlosen Zustand zu erhalten. Zudem bestehe auch eine vertragliche Haftung aufgrund des Badegastaufnahmevertrages für die der Verkehrsauffassung entsprechende gefahrlose Benützung der Räume und Einrichtungen. Derartige Gefahrvermeidungs- und -abwehrpflichten dürften jedoch nie aus einer ex-post-Perspektive ergründet werden. Mit der Annahme von Verkehrssicherungspflichten dürfe auch keine verschuldensunabhängige Haftung begründet werden. Eine Haftung komme nur in Betracht, wenn man aus einer ex-ante-Sicht die Gefahr bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Dabei seien auch mißbräuchliche Handhabungen von Einrichtungen mit ins Kalkül zu ziehen. Da es hier um die Nichterfüllung einer vertraglichen Nebenverbindlichkeit aus dem Badegastaufnahmevertrag gehe, müsse die Beklagte gemäß § 1298 ABGB ihre Schuldlosigkeit nachweisen. Die Beklagte habe daher zu beweisen, daß sie die erforderlichen Sicherungsvorkehrungen zur Abwehr der den Badegästen drohenden Gefahren ergriffen habe. Auf bloß entfernt denkbare Gefahren habe sie aber nicht Bedacht nehmen müssen. Von der Beklagten könne nicht verlangt werden, daß sie alle noch begehbaren Stellen des Badesees genau nach möglichen Gefahrenquellen untersuche. Das würde zu einer Überspannung von Sorgfaltspflichten führen; dies selbst dann, wenn man diese Nachschau auf den Umkreis der Badestege, wo der Unfall passierte, einschränken wolle. Daß die Beklagte gegen Unbefugte, die auf dem Gelände private Feste gefeiert hätten, vorgegangen sei, reiche aus. Es sei ihr auch nicht als Verschulden zuzurechnen, daß sie - einmal im Jahr - selbst ein Badefest veranstalte, bei dem Getränke in Gläsern verabreicht würden. Daß in mißbräuchlicher Weise von Badegästen oder Eindringlingen Gläser in den See geworfen würden, sei praktisch nicht zu verhindern.Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung infolge Berufung der Klägerin und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die einseitige Ablehnung der Haftung für Unfälle sei selbst bei der hier anzunehmenden bloß leichten Fahrlässigkeit nicht wirksam, weil die Haftung für Fehler oder Unterlassung der Sicherungsvorkehrungen nicht ausgeschlossen werden könne. Die Beklagte habe eine Verkehrssicherungspflicht getroffen, die Anlage in einem verkehrssicheren und gefahrlosen Zustand zu erhalten. Zudem bestehe auch eine vertragliche Haftung aufgrund des Badegastaufnahmevertrages für die der Verkehrsauffassung entsprechende gefahrlose Benützung der Räume und Einrichtungen. Derartige Gefahrvermeidungs- und -abwehrpflichten dürften jedoch nie aus einer ex-post-Perspektive ergründet werden. Mit der Annahme von Verkehrssicherungspflichten dürfe auch keine verschuldensunabhängige Haftung begründet werden. Eine Haftung komme nur in Betracht, wenn man aus einer ex-ante-Sicht die Gefahr bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Dabei seien auch mißbräuchliche Handhabungen von Einrichtungen mit ins Kalkül zu ziehen. Da es hier um die Nichterfüllung einer vertraglichen Nebenverbindlichkeit aus dem Badegastaufnahmevertrag gehe, müsse die Beklagte gemäß Paragraph 1298, ABGB ihre Schuldlosigkeit nachweisen. Die Beklagte habe daher zu beweisen, daß sie die erforderlichen Sicherungsvorkehrungen zur Abwehr der den Badegästen drohenden Gefahren ergriffen habe. Auf bloß entfernt denkbare Gefahren habe sie aber nicht Bedacht nehmen müssen. Von der Beklagten könne nicht verlangt werden, daß sie alle noch begehbaren Stellen des Badesees genau nach möglichen Gefahrenquellen untersuche. Das würde zu einer Überspannung von Sorgfaltspflichten führen; dies selbst dann, wenn man diese Nachschau auf den Umkreis der Badestege, wo der Unfall passierte, einschränken wolle. Daß die Beklagte gegen Unbefugte, die auf dem Gelände private Feste gefeiert hätten, vorgegangen sei, reiche aus. Es sei ihr auch nicht als Verschulden zuzurechnen, daß sie - einmal im Jahr - selbst ein Badefest veranstalte, bei dem Getränke in Gläsern verabreicht würden. Daß in mißbräuchlicher Weise von Badegästen oder Eindringlingen Gläser in den See geworfen würden, sei praktisch nicht zu verhindern.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist unzulässig aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO. Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision zugelassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage unauffindbar sei, ob und welche Schutzvorkehrungen Betreibern von Badeseen zugemutet werden könnten, um ihre Badegäste vor jenen Gefahren zu bewahren, die von den von Gästen in den Badesee geworfenen scharfkantigen Gegenständen ausgehen können. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, daß die Betreiber von Badeanstalten verpflichtet sind, die ihren Gästen zur Verfügung gestellten Anlagen und Einrichtungen in einen solchen Zustand zu versetzen und zu erhalten, daß jene bei deren Benützung keinen Schaden erleiden können (EvBl 1974/248; MietSlg 30.243; 8 Ob 695, 696/88). Allerdings muß der Inhaber der Badeanstalt im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht nur jene Maßnahmen ergreifen, die von ihm nach der Verkehrsauffassung verlangt werden können; ein darüber hinausgehendes Verlangen würde nämlich die Verkehrssicherungspflicht überspannen und letzten Endes auf eine vom Gesetz nicht vorgesehene, vom Verschulden unabhängige Haftung hinauslaufen (JBl 1965, 474; MietSlg 30.243; MietSlg 33.216). Die Verkehrssicherungspflicht findet ihre Grenze immer in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (SZ 53/49; SZ 60/256; ZVR 1989/28; ZVR 1990/59; 5 Ob 1560/92 uva). Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht kann immer nur von Fall zu Fall bestimmt werden; entscheidend ist vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (RZ 1982/50).Die dagegen von der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist unzulässig aus dem Grunde des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO. Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision zugelassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage unauffindbar sei, ob und welche Schutzvorkehrungen Betreibern von Badeseen zugemutet werden könnten, um ihre Badegäste vor jenen Gefahren zu bewahren, die von den von Gästen in den Badesee geworfenen scharfkantigen Gegenständen ausgehen können. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, daß die Betreiber von Badeanstalten verpflichtet sind, die ihren Gästen zur Verfügung gestellten Anlagen und Einrichtungen in einen solchen Zustand zu versetzen und zu erhalten, daß jene bei deren Benützung keinen Schaden erleiden können (EvBl 1974/248; MietSlg 30.243; 8 Ob 695, 696/88). Allerdings muß der Inhaber der Badeanstalt im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht nur jene Maßnahmen ergreifen, die von ihm nach der Verkehrsauffassung verlangt werden können; ein darüber hinausgehendes Verlangen würde nämlich die Verkehrssicherungspflicht überspannen und letzten Endes auf eine vom Gesetz nicht vorgesehene, vom Verschulden unabhängige Haftung hinauslaufen (JBl 1965, 474; MietSlg 30.243; MietSlg 33.216). Die Verkehrssicherungspflicht findet ihre Grenze immer in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (SZ 53/49; SZ 60/256; ZVR 1989/28; ZVR 1990/59; 5 Ob 1560/92 uva). Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht kann immer nur von Fall zu Fall bestimmt werden; entscheidend ist vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (RZ 1982/50).

Die Lösung der Frage, ob die Beklagte das ihr Zumutbare zur Verhütung der Gefahren der vorliegenden Art getan hat, bildet wegen der über den Anlaßfall demnach nicht hinausgehenden Bedeutung keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (vgl RZ 1994/45). Eine krasse Fehlbeurteilung, die auch hier wahrzunehmen wäre, liegt nicht vor.Die Lösung der Frage, ob die Beklagte das ihr Zumutbare zur Verhütung der Gefahren der vorliegenden Art getan hat, bildet wegen der über den Anlaßfall demnach nicht hinausgehenden Bedeutung keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO vergleiche RZ 1994/45). Eine krasse Fehlbeurteilung, die auch hier wahrzunehmen wäre, liegt nicht vor.

Die Revision ist daher - entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts, daß die ordentliche Revision zulässig sei - mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig; sie war deshalb zurückzuweisen.Die Revision ist daher - entgegen dem gemäß Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts, daß die ordentliche Revision zulässig sei - mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig; sie war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. DieBeklagte hat auf das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 ZPO. DieBeklagte hat auf das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO hingewiesen.

Anmerkung

E50510 02A01298

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0020OB00129.98D.0520.000

Dokumentnummer

JJT_19980520_OGH0002_0020OB00129_98D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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