TE OGH 1998/5/26 4Ob139/98i

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Veröffentlicht am 26.05.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Pimmer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr.Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus und Christl B***** KG, *****, vertreten durch Dr.Klaus Riedmüller, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Peter P*****, vertreten durch Dr.Johannes Margreiter, Rechtsanwalt in Hall, wegen Unterlassung (Streitwert S 490.000.-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. Februar 1998, GZ 2 R 313/97i-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 3. Oktober 1997, GZ 40 Cg 55/97t-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.550.- (darin S 2.925.- USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile handeln mit Wachswaren. Die Beklagte vertreibt seit Sommer 1996 ein wiederbefüllbares Opferlicht. Dabei handelt es sich um ein rotes Plastikgefäß, in welchem sich ein weißer, auswechselbarer Kerzeneinsatz (ähnlich einem Teelicht) befindet. Die Beklagte bewarb dieses Produkt seit Herbst 1996 mittels einer in Pfarrämtern verteilten "Produktbeschreibung" (eine Seite im Format A 4) wie folgt:

Die Beklagte hat anfangs die von ihren Kunden zurückgelangten leeren Plastikhüllen selbst (ohne Verwendung chemischer Mittel) gereinigt und händisch mit einem neuen Kerzeneinsatz wiederbefüllt. Seit Mai 1997 wurden diese Arbeiten (Reinigen, Wiederbefüllen, Verpacken) der Lebenshilfe Tirol übertragen; zuvor hätte sich die Fremdarbeit infolge zu geringer Stückzahl nicht rentiert.

Die Klägerin begehrt - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung -, es möge der Beklagten im geschäftlichen Verkehr verboten werden, in ihren Werbeaussagen darauf hinzuweisen, daß sie den Wunsch hege, die Wiederbefüllung und Verpackung ihrer Opferlichter der Lebenshilfe zu übergeben, um durch den Kauf ihres Opferlichtes auch behinderte Menschen zu unterstützen, weiters, daß dies vorerst noch nicht ginge, weil noch zu wenige Kunden vorhanden seien, um die Tätigkeit des Wiederbefüllens unseren behinderten Mitmenschen zu übergeben. In dieser Ankündigung liege eine sittenwidrige gefühlsbetonte Werbung, weil man den Kunden (vorwiegend kirchliche Einrichtungen) Kaufzwang suggeriere; das Ausnützen von Mitleid und sozialer Hilfsbereitschaft sei schon für sich allein stets wettbewerbswidrig, umso mehr, wenn dies zielbewußt und planmäßig zur Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen eines Gewerbetreibenden geschehe und - wie hier - in keinem sachlichen Zusammenhang mit den angebotenen Waren oder Dienstleistungen stehe.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung und wendet ein, die Lebenshilfe habe wegen eines Auftrages zur Wiederbefüllung und Verpackung von Opferlichtern angefragt; die Voraussetzung eines entsprechend großen Kundenpotentials sei nunmehr erreicht und der Auftrag an die Lebenshilfe erteilt worden. Es werde nicht ein Arbeitsverhältnis zu Wettbewerbszwecken mißbräuchlich ausgenützt, sondern der Zweck der Reintegration behinderter Menschen erreicht, was letztlich auch dem Gemeinwohl diene.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Wien (ecolex 1993, 537) führte es aus, daß ein Unternehmen regelmäßig wettbewerbswidrig handle, wenn es sich das Mitgefühl oder die soziale Hilfsbereitschaft der Umworbenen für eigennützige Zwecke planmäßig zunutze mache, ohne daß ein sachlicher Zusammenhang mit der Leistung bestehe. Ein derartiger Zusammenhang zwischen Werbeaussage und Herstellungsart erscheine zwar zunächst gegeben, doch werde die Steigerung der Umsatzzahlen zur Bedingung der Auftragserteilung an die Lebenshilfe gemacht, was in unzulässiger Weise das Mitgefühl und das soziale Engagement des angesprochenen kirchlichen Kundenkreises zum Erreichen eines eigenen Wettbewerbsvorteil benutze. Darin liege ein Verstoß gegen § 1 UWG.Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Wien (ecolex 1993, 537) führte es aus, daß ein Unternehmen regelmäßig wettbewerbswidrig handle, wenn es sich das Mitgefühl oder die soziale Hilfsbereitschaft der Umworbenen für eigennützige Zwecke planmäßig zunutze mache, ohne daß ein sachlicher Zusammenhang mit der Leistung bestehe. Ein derartiger Zusammenhang zwischen Werbeaussage und Herstellungsart erscheine zwar zunächst gegeben, doch werde die Steigerung der Umsatzzahlen zur Bedingung der Auftragserteilung an die Lebenshilfe gemacht, was in unzulässiger Weise das Mitgefühl und das soziale Engagement des angesprochenen kirchlichen Kundenkreises zum Erreichen eines eigenen Wettbewerbsvorteil benutze. Darin liege ein Verstoß gegen Paragraph eins, UWG.

Das Berufungsgericht wies das Unterlassungsbegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000.- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Wettbewerbswidrigkeit von "Gefühlswerbung" unter Bezugnahme auf einen mit dem Kauf eines Produktes verbundenen sozialen Zweck fehle. Aus dem Anstreben einer Umsatzsteigerung könne für sich allein noch kein Unwerturteil abgeleitet werden, sei dies doch jeder Werbung immanent. Es komme auch weder eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise in Betracht, noch liege ein so schwerwiegender sachfremder Eingriff auf den Kaufentschluß der Umworbenen vor, daß dadurch der Leistungswettbewerb beeinträchtigt wäre. Es bestehe ein sachlicher Bezug zwischen dem Produkt und der angekündigten sozialen Leistung; der Hinweis auf die Beschäftigung Behinderter sei nicht aufdringlich hervorgehoben und nur eines von mehreren verwendeten Kaufargumenten, sodaß insgesamt auch von kirchlichen Institutionen nicht zu erwarten sei, sie würden ihren Kaufentschluß ausschließlich oder überwiegend gefühlsbetont treffen und sachfremden Einflüssen erliegen. Die Werbung sei damit nicht sittenwidrig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Klägerin vertritt den Standpunkt, bei wiederbefüllbaren Opferlicht-Hüllen handle es sich um technische Produkte, bei denen jeder Hinweis auf die Herstellung durch Behinderte sittenwidrig sei, komme es doch in solchen Fällen - anders etwa als bei von behinderten Künstlern hergestellten Bildern - regelmäßig nicht auf die Produktionsmethode an; das Erzeugen eines schlechten Gewissens beim Umworbenen greife immer unsachlich in den Leistungswettbewerb ein, werde doch dessen Hilfsbereitschaft planmäßig zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil ausgenutzt. Dem kann nicht beigepflichtet werden.

Die Werbung ist eines der wirksamsten, aber auch gefährlichsten Mittel zur Steigerung des eigenen Absatzes auf Kosten der Mitbewerber. Da der Verbraucher sich nicht allein nach Vernunftgründen zu entscheiden pflegt, sondern vielfach irrationalen Vorstellungen folgend emotional handelt, beschränkt sie sich daher nicht auf informative Aussagen über das Werbeobjekt, sondern verlegt sich unter Zuhilfenahme suggestiver Werbemittel auch auf die irrationale Einflußsphäre. Dem zu begegnen ist nicht die primäre Aufgabe des Wettbewerbsrechts. Für den Wettbewerb sind die Werbung und die damit notwendig verbundene psychologische Beeinflussung des Kunden grundsätzlich unentbehrlich, allgemein üblich und daher wettbewerbseigen. Ohne die Werbung würde die Verbindung des werbenden Unternehmens mit dem umworbenen Kunden verlorengehen; eine wichtige Funktion des Wettbewerbs wäre nicht mehr gewährleistet. Erst wenn eine Werbemaßnahme den Kunden irreführt oder ihn grob unsachlich beeinflußt, wird sie unerlaubt. Das gilt auch für suggestive, an das Gefühl der Kunden appellierende Werbung, die nicht grundsätzlich als wettbewerbswidrig angesehen werden kann; entscheidend ist, ob durch eine Gefühlswerbung die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Verkehrskreise in wettbewerbswidriger Weise beschränkt und dadurch ausgenutzt wird (Baumbach/Hefermehl19 Rz 3 vor §§ 3-8 UWG und Rz 175 zu § 1 UWG mit Nachweisen aus der dRsp in Rz 185; v. Gamm, Wettbewerbsrecht5 459; Koppensteiner, Sittenwidrigkeit und Wettbewerbswidrigkeit, WBl 1995, 1ff [8]; Bamberger, Mitleid zu Zwecken des Eigennutzes? in FS Piper, 41ff [50]). Die mögliche Sittenwidrigkeit ist anhand einer Gegenüberstellung der Wertungen zu ermitteln, die sich einerseits aus den Grundrechten des Werbenden auf Berufsausübungsfreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit und andererseits aus den Grundrechten, insbesondere den Persönlichkeitsrechten, des Umworbenen als eines "aufgeklärten Verbrauchers" ergeben (Kort, Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung gefühlsbetonter Werbung, WRP 1997, 526ff [527]).Die Werbung ist eines der wirksamsten, aber auch gefährlichsten Mittel zur Steigerung des eigenen Absatzes auf Kosten der Mitbewerber. Da der Verbraucher sich nicht allein nach Vernunftgründen zu entscheiden pflegt, sondern vielfach irrationalen Vorstellungen folgend emotional handelt, beschränkt sie sich daher nicht auf informative Aussagen über das Werbeobjekt, sondern verlegt sich unter Zuhilfenahme suggestiver Werbemittel auch auf die irrationale Einflußsphäre. Dem zu begegnen ist nicht die primäre Aufgabe des Wettbewerbsrechts. Für den Wettbewerb sind die Werbung und die damit notwendig verbundene psychologische Beeinflussung des Kunden grundsätzlich unentbehrlich, allgemein üblich und daher wettbewerbseigen. Ohne die Werbung würde die Verbindung des werbenden Unternehmens mit dem umworbenen Kunden verlorengehen; eine wichtige Funktion des Wettbewerbs wäre nicht mehr gewährleistet. Erst wenn eine Werbemaßnahme den Kunden irreführt oder ihn grob unsachlich beeinflußt, wird sie unerlaubt. Das gilt auch für suggestive, an das Gefühl der Kunden appellierende Werbung, die nicht grundsätzlich als wettbewerbswidrig angesehen werden kann; entscheidend ist, ob durch eine Gefühlswerbung die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Verkehrskreise in wettbewerbswidriger Weise beschränkt und dadurch ausgenutzt wird (Baumbach/Hefermehl19 Rz 3 vor Paragraphen 3 -, 8, UWG und Rz 175 zu Paragraph eins, UWG mit Nachweisen aus der dRsp in Rz 185; v. Gamm, Wettbewerbsrecht5 459; Koppensteiner, Sittenwidrigkeit und Wettbewerbswidrigkeit, WBl 1995, 1ff [8]; Bamberger, Mitleid zu Zwecken des Eigennutzes? in FS Piper, 41ff [50]). Die mögliche Sittenwidrigkeit ist anhand einer Gegenüberstellung der Wertungen zu ermitteln, die sich einerseits aus den Grundrechten des Werbenden auf Berufsausübungsfreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit und andererseits aus den Grundrechten, insbesondere den Persönlichkeitsrechten, des Umworbenen als eines "aufgeklärten Verbrauchers" ergeben (Kort, Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung gefühlsbetonter Werbung, WRP 1997, 526ff [527]).

Die Werbung der Beklagten spricht neben anderen Argumenten, wie Preisgünstigkeit und Umweltfreundlichkeit infolge Vermeidung chemischer Reinigungsmittel, auch die soziale Verantwortung ihrer (vorwiegend kirchlichen) Kunden an, indem sie auf eine - bei Umsatzsteigerung als möglich dargestellte - zukünftige Wiederbefüllung und Verpackung der Opferlichter in Behinderten-Werkstätten der Lebenshilfe verweist. Eine solche Ankündigung beabsichtigt zwar, Gefühle auszulösen; dies ist aber - wie schon ausgeführt - für sich allein wettbewerbsneutral. Weil das soziale Argument nur eines von mehreren ist und (trotz Fettdrucks des Wortes "Lebenshilfe") nicht aufdringlich in den Vordergrund gestellt wird, greift diese Ankündigung auch nicht derart massiv in die Entscheidungsfreiheit der Umworbenen ein, daß sie geeignet wäre, sachliche Erwägungen gänzlich auszuschließen (in diesem Sinne auch die jüngere RSp des erkennenden Senates zu Vorspannangeboten, zB ÖBl 1993, 73 - Badezimmerradio; MR 1995, 64 - Sega-Mega-Drive-Vorspannangebot; ÖBl 1996, 183 - CA-Tausender).

Ein die Sittenwidrigkeit begründendes zusätzliches Element gefühlsbetonter Werbung könnte allerdings darin liegen, daß das beworbene Objekt und der Inhalt der Werbung nichts miteinander zu tun haben (Baumbach/Hefermehl aaO Rz 186c zu § 1 UWG; Kort aaO 531). Diese Voraussetzung ist hier jedoch nicht erfüllt, besteht doch - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - auch dann ein Sachzusammenhang zwischen einem Produkt und seiner Herstellungsart, wenn das Produkt zu seiner Herstellung keines schöpferischen Vorganges bedarf, mag auch das Endprodukt stets das gleiche sein, ob nun behinderte oder nicht behinderte Menschen an seiner Herstellung beteiligt waren. Die beanstandete Werbung der Beklagten verstößt daher auch unter diesem Aspekt nicht gegen § 1 UWG.Ein die Sittenwidrigkeit begründendes zusätzliches Element gefühlsbetonter Werbung könnte allerdings darin liegen, daß das beworbene Objekt und der Inhalt der Werbung nichts miteinander zu tun haben (Baumbach/Hefermehl aaO Rz 186c zu Paragraph eins, UWG; Kort aaO 531). Diese Voraussetzung ist hier jedoch nicht erfüllt, besteht doch - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - auch dann ein Sachzusammenhang zwischen einem Produkt und seiner Herstellungsart, wenn das Produkt zu seiner Herstellung keines schöpferischen Vorganges bedarf, mag auch das Endprodukt stets das gleiche sein, ob nun behinderte oder nicht behinderte Menschen an seiner Herstellung beteiligt waren. Die beanstandete Werbung der Beklagten verstößt daher auch unter diesem Aspekt nicht gegen Paragraph eins, UWG.

Auf die von der Beklagten erstmals in der Revisionsbeantwortung aufgeworfene Frage, ob nicht die Wiederholungsgefahr bereits mit Auftragserteilung an die Lebenshilfe weggefallen ist und das (eng gefaßte und auf die bloße Ankündigung der Absicht der Beklagten, die Lebenshilfe zu beauftragen, eingeschränkte) Unterlassungsbegehren auch aus diesem Grund unberechtigt wäre, braucht deshalb nicht eingegangen zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E50312 04A01398

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0040OB00139.98I.0526.000

Dokumentnummer

JJT_19980526_OGH0002_0040OB00139_98I0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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