TE Vfgh Erkenntnis 2002/6/11 B206/01

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

B-VG Art83 Abs2
BundesvergabeG §113

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Zurückweisung eines Antrags auf Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung sowie Abweisung aller übrigen Anträge

Spruch

I. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist schuldig, der beteiligten Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit insgesamt € 1.962,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

II. Der Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Abtretung der Beschwerde gemäß Art144 Abs3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, abgesendet am 23. September 1998, hat die Flughafen Wien AG die Parkdeckbeschichtung für ein Parkhaus am Flughafen Wien-Schwechat im offenen Verfahren ausgeschrieben, wobei im Leistungsverzeichnis u.a. vorgesehen war, daß das zu beschichtende Parkdeck bestimmten technischen Vorgaben gerecht zu werden hätte.

An diesem Vergabeverfahren haben sich mehrere Bieter durch Legung von Angeboten beteiligt, unter ihnen auch die beschwerdeführende Gesellschaft.

Mit Schreiben vom 3. März 1999 wurde einer Mitbieterin der Zuschlag erteilt; die beschwerdeführende Gesellschaft wurde mit Schreiben des Auftraggebers vom 5. März 1999 von der erfolgten Zuschlagserteilung unterrichtet.

Mit Antrag vom 13. April 1999 wandte sich die beschwerdeführende Gesellschaft an das Bundesvergabeamt (BVA) und beantragte festzustellen, daß das Bundesvergabegesetz (BVergG) insofern verletzt worden sei, als der Zuschlag einem Anbieter mit einem unüblich niedrigen Angebot erteilt worden sei, der die Bedingungen der Ausschreibung nicht erfüllt sowie unzulässigerweise "einen Kostenfaktor gemindert" hätte. Weiters beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft, die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 2000 wurde der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung "wegen Unzuständigkeit" des BVA zurückgewiesen; alle übrigen Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft wurden abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

3. Das BVA hat die zugrundeliegenden Verwaltungsakten übermittelt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

Die mitbeteiligte Partei Flughafen Wien AG hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.337/1985, 11.436/1987).

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987, 13.280/1992).

Ein verfassungswidriger Eingriff in das Eigentumsrecht liegt nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.356/1985, 10.482/1985, 11.650/1988) dann vor, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

2. Die beschwerdeführende Gesellschaft wirft der belangten Behörde eine Verletzung in den oben bezeichneten Rechten insofern vor, als sie die Rechtslage in gehäuftem Maße verkannt und die Nachprüfungsanträge - von "willkürlichen Erwägungen" geleitet - inhaltlich unzutreffend beurteilt habe. Im einzelnen legt sie dar, warum das Anbot des Zuschlagsempfängers einen "unüblich niedrigen" Preis aufgewiesen bzw. nicht den technischen Anforderungen der Ausschreibung entsprochen habe und deshalb für den Zuschlag nicht in Betracht gezogen hätte werden dürfen. Aufgrund des Fehlens von Zuschlagskriterien wäre gegen das Bestbieterprinzip verstoßen worden.

Die Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sei aufgrund des als "verfassungswidrig" erachteten BVergG zu Unrecht erfolgt. Die beschwerdeführende Gesellschaft begründet ihr diesbezügliches Vorbringen wie folgt:

"Wir haben beantragt, den Zuschlag für nichtig zu erklären. Der diesbezügliche Antrag wurde von der belangten Behörde zurückgewiesen. Der EuGH hat bereits erklärt, daß der Zuschlag selbst nichtig erklärbar sein müsse. Das Bundesvergabeamt vermeint, daß eine derartige Regelung zwar aufgrund des EU-Rechtes besteht, aber eine derartige Bestimmung in die österreichische Rechtsordnung nicht transformiert worden sei. Es ist darauf zu verweisen, daß, solange dem zu Unrecht übergangenen Bietern weder der Zuschlag des Auftrages, noch das Erfüllungsinteresse, sondern bloß der Vertrauensschaden gewährt wird, öffentliche Auftraggeber nicht ausreichend von diskriminierenden Vergabepraktiken abgeschreckt werden. Die Nichtbeseitigung eines Zuschlages widerspricht dem Wortlaut des Art2 Abs6 ÜRL 89/665/EWG. Gemäß dieser Bestimmung ist das klare Recht der Bieter auf Überprüfung der Zuschlagsentscheidung zu entnehmen. Eine derartige Überprüfung kann nur durch Nichtigkeitserklärung erfolgen. Dadurch, daß entgegen der oben zitierten Richtlinie eine Nichtigkeitserklärung nicht erfolgt ist und vielmehr eine Zurückweisung des Antrages vorgenommen wurde, hat die belangte Behörde uns in unserem Recht gem. Art83 B-VG auf den gesetzlichen Richter verletzt. Das Bundesvergabegesetz ist in diesem Punkt verfassungswidrig, weil es den Vorgaben einer übergeordneten Norm, nämlich der Nachprüfungs-RL 89/665/EWG nicht folgt."

3. Die mitbeteiligte Partei ist den Ausführungen der beschwerdeführenden Gesellschaft entgegengetreten. Die belangte Behörde hätte nicht nur die Nachprüfungsanträge in inhaltlicher Hinsicht rechtsrichtig beurteilt, sondern die von der beschwerdeführenden Gesellschaft konstatierten Rechtswidrigkeiten könnten auch keinesfalls eine Verfassungswidrigkeit des vorliegenden Bescheides bewirken. Auch die Zurückweisung des auf Nichtigerklärung der Zuschlagserteilung lautenden Antrags sei zu Recht erfolgt.

4. a) Der Zurückweisung des Antrags der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung ist nicht entgegenzutreten: Das BVergG enthält in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung diesbezüglich eindeutige Zuständigkeitsbestimmungen; so ist das BVA gemäß §113 Abs2 BVergG lediglich bis zur Zuschlagserteilung zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen vergabegesetzliche Vorschriften zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der vergebenden Stelle des Auftraggebers zuständig. Nach Zuschlagserteilung obliegt dem BVA jedoch bloß die etwaige Feststellung, daß wegen eines Verstoßes gegen das BVergG bzw. hiezu ergangener Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde (§113 Abs3 BVergG). Eine Zuständigkeit des BVA, nach erfolgter Zuschlagserteilung die darin implizit zum Ausdruck kommende Zuschlags(Vergabe-)entscheidung für nichtig zu erklären, ist dem BVergG jedoch fremd.

Eine solche Zuständigkeit läßt sich auch nicht aus unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht ableiten: In seiner Entscheidung vom 28. Oktober 1999, Alcatel Austria AG, Slg. I-7671, hat der EuGH festgehalten, daß zwar die Entscheidung der vergebenden Stelle, welchem Bieter sie den Zuschlag zu erteilen gedenkt, einer Nachprüfung, respektive Nichtigerklärung, zugänglich sein muß, daß die zur Nachprüfung zuständigen Instanzen aber nicht "ungeachtet des Fehlens einer Zuschlagsentscheidung, deren Aufhebung im Rahmen einer Nachprüfung beantragt werden könnte, zur Nachprüfung ... befugt sind". Nachdem jedenfalls zum Zeitpunkt der dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Antragstellung ein Zuschlag unstrittig bereits erteilt war, braucht auf die Frage nicht eingegangen zu werden, inwieweit bei Vorliegen einer vom Zuschlag (noch) separierten Vergabeentscheidung das BVA im Wege einer gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation der gesetzlichen Grundlagen einen Antrag auf deren Nichtigerklärung in meritorische Behandlung hätte ziehen müssen (vgl. Gutknecht, ÖZW 2000/1, 16 ff.).

b) Im Rahmen des von ihm wahrzunehmenden Prüfungsmaßstabs hat der Verfassungsgerichtshof ferner nicht zu prüfen, ob das BVA im einzelnen jene Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Recht abgewiesen hat, mit denen die Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung an den erfolgreichen Bieter behauptet wurde. Mit den diesbezüglich in der Beschwerde erhobenen Vorwürfen werden jedenfalls keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler geltend gemacht. Eine verfassungswidrige Gesetzesanwendung kann dem BVA nicht vorgeworfen werden. Die Behörde hat ihre Entscheidungen - wie aus dem Bescheid hervorgeht - unter Zugrundelegung von Sachverständigengutachten plausibel und nachvollziehbar begründet. Sie hat diese weder leichtfertig getroffen noch sonst Willkür geübt. Ob das Verfahren in jeder Hinsicht rechtmäßig geführt wurde und insbesondere die Frage der Ausschreibungs- und Gesetzeskonformität des Anbots des Zuschlagsempfängers rechtsrichtig beurteilt wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen; und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen einen Bescheid des BVA - einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG - richtet, der beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10.565/1985, 10.659/1985, 12.697/1991).

5. Schon mehrfach hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß es sich beim BVA um eine Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG handelt, gegen deren Entscheidungen der Verwaltungsgerichtshof nicht angerufen werden kann. Eine solche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes kann - wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls schon wiederholt dargelegt hat (vgl. etwa VfGH 14.3.2001, B1136,1137/99) - auch nicht aus unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht abgeleitet werden. Dem von der beschwerdeführenden Gesellschaft gestellten Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war daher keine Folge zu geben.

6. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß die bescherdeführende Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in ihren Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG; in den an die beteiligte Partei zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- enthalten.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Vergabewesen, EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B206.2001

Dokumentnummer

JFT_09979389_01B00206_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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