TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/21 2006/15/0072

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Veröffentlicht am 21.09.2006
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Index

23/01 Konkursordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §239 Abs1;
BAO §4;
KO §46 Abs1 Z2;
KO §51;
UStG 1972 §12 Abs10;
UStG 1994 §12 Abs10;
UStG 1994 §16 Abs1;
UStG 1994 §16 Abs3;
UStG 1994 §16;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2005/13/0154 E 30. März 2011 2005/15/0121 E 19. März 2008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der T-Handelsges.m.b.H. in L, vertreten durch Dr. Christian Ransmayr, Meyndt, Ransmayr, Schweiger & Partner, Rechtsanwälte OEG in 4020 Linz, Huemerstraße 1/Kaplanhofstraße 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 29. Juni 2005, GZ. RV/0618-L/04, betreffend Abrechnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Über das Vermögen der beschwerdeführenden GmbH wurde am 28. Jänner 2002 das Konkursverfahren eröffnet.

Im Ergebnis einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurde festgestellt, dass für den Zeitraum Oktober 2002 eine Umsatzsteuerberichtigung in Höhe von 219.700 EUR wegen teilweiser Uneinbringlichkeit von Lieferforderungen vorzunehmen sei. Der entsprechende Festsetzungsbescheid erging am 10. Dezember 2002.

Mit Gerichtsbeschluss vom 19. Dezember 2002 wurde der am 2. Dezember 2002 im Insolvenzverfahren der Beschwerdeführerin angenommene Zwangsausgleich bestätigt. Die Konkursgläubiger erhielten eine Quote von 21,5%. Mit Beschluss vom 17. Februar 2003 wurde das Konkursverfahren gemäß § 157 Abs. 1 KO aufgehoben.

Im Zuge einer weiteren Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 13. November 2003 wurde festgestellt, dass die mit 219.700 EUR vorgenommene Umsatzsteuerberichtigung um 29.100 EUR auf

190.600 EUR zu reduzieren sei. Das Finanzamt nahm am 27. November 2003 das Verfahren zur Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Oktober 2002 wieder auf und erließ einen entsprechend geänderten Festsetzungsbescheid.

In der Umsatzsteuervoranmeldung für November 2003 machte die Beschwerdeführerin einen Überschuss in Höhe von 499.720,24 EUR (berichtigte Umsatzsteuer 499.546,61 EUR, Vorsteuer 173,63 EUR) geltend. Über Aufforderung des Finanzamtes wurde dazu ein Forderungskaufvertrag vom 16. Oktober 2002, abgeschlossen zwischen dem (ehemaligen) Masseverwalter der Beschwerdeführerin und der P-GmbH, vorgelegt. Danach verkaufte die Beschwerdeführerin Forderungen in Höhe von 6,503.716,95 EUR um einen Kaufpreis von 1,600.000 EUR. Weiters wurde ein Schreiben vom 30. November 2003 vorgelegt, aus dem hervorging, dass von der P-GmbH hinsichtlich von Teilforderungen in Höhe von 3,971.557,59 EUR ein gänzlicher Forderungsverzicht ausgesprochen worden war.

Vom Finanzamt wurde der Umsatzsteuerüberschuss Oktober 2002 in Höhe von ursprünglich 219.700 EUR und die gesamte Gutschrift aus der Umsatzsteuervoranmeldung für November 2003 in Höhe von 499.720,24 EUR mit Konkursforderungen verrechnet.

Mit Eingabe vom 21. April 2004 bestritt die Beschwerdeführerin die Rechtmäßigkeit dieser Verrechnung und beantragte die Erlassung eines Abrechnungsbescheides.

Im Abrechnungsbescheid vom 24. Mai 2004 entschied das Finanzamt, dass die Verrechnung der Gutschriften an Umsatzsteuer für Oktober 2002 in Höhe von 219.700 EUR und für November 2003 in Höhe von 499.720,24 EUR mit Konkursforderungen zu Recht erfolgt sei. Begründend wurde ausgeführt, die angeführten Gutschriften resultierten aus der Berichtigung der Umsatzsteuer für vor der Konkurseröffnung erbrachte Lieferungen und Leistungen "wegen eines eingetretenen Forderungsausfalles (§ 16 Abs. 3 Z. 1 UStG)". Bei der Frage, ob eine Aufrechnung mit Konkursforderungen zulässig sei, komme es darauf an, ob im Zeitpunkt der Konkurseröffnung jener Sachverhalt bereits verwirklicht worden sei, der die Forderung bzw. Gegenforderung auslöse. Diese Frage sei nach Abgabenrecht zu beantworten. Zeitpunkt der Abgabenfestsetzung, Fälligkeit und Entstehung der Steuerschuld seien bei der Beurteilung der Aufrechenbarkeit grundsätzlich unbeachtlich. Im Falle der nachträglichen Änderung der Bemessungsgrundlage sei für die aus der Berichtigung entstehende sonstige Gutschrift maßgeblich, wann die zu Grunde liegende Lieferung oder Leistung ausgeführt worden sei (Beiser, ZIK 2001, 289). Liege dieser Zeitpunkt vor Konkurseröffnung, dann sei auch bezüglich der Qualifikation der Berichtigung dieser Zeitpunkt entscheidend. Gleich sei die Rechtslage, wenn es zu einer Umsatz- bzw. Vorsteuerberichtigung komme. Nicht zuletzt lasse auch der im § 16 UStG 1994 verwendete Ausdruck "Änderung der Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz" darauf schließen, dass die Änderung auf einen bereits (vor Konkurseröffnung) verwirklichten Sachverhalt Bezug nehme und kein neuer die Steuerpflicht auslösender Sachverhalt gesetzt werde. Daraus folge, dass die gegenständlichen Gutschriften, die auf Grund von Umsatzsteuerberichtigungen für Rechnungen, die vor Konkurseröffnung ausgestellt worden seien und somit vor Konkurseröffnung erbrachte sonstige Leistungen abrechneten, mit Konkursforderungen aufgerechnet werden könnten.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde vorgebracht, dass gemäß § 19 Abs. 4 UStG 1994 die Steuerschuld bei Berichtigung der Entgelte mit Ablauf des Kalendermonates entstehe, in dem die Berichtigung vorzunehmen sei. Da die Umsatzsteuer für Oktober 2002 frühestens mit Ablauf Oktober 2002, die Umsatzsteuer für November 2003 frühestens mit November 2003 habe fällig werden können, liege eine wesentliche Voraussetzung der Aufrechnung, nämlich das Vorliegen der Forderung bei Konkurseröffnung nicht vor. Auch die in § 19 Abs. 2 KO mögliche Aufrechnungslage für betagte oder bedingte Forderungen könne im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung kommen, da Umsatzsteuervorgänge aus Oktober 2002 bzw. November 2003 gerade nicht bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 28. Jänner 2002 verwirklicht sein konnten.

In einer Eingabe des ehemaligen Masseverwalters wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass durch die Annahme der Zwangsausgleichsquote die gänzliche Entschuldung des Unternehmens erfolgt sei. Die im Abrechnungsbescheid vorgenommene "Neufestsetzung" der Umsatzsteuerverbindlichkeit in Höhe von insgesamt 719.420,24 EUR bewirke ein quasi widerrechtliches Neuaufleben der seinerzeit im Konkurs angemeldeten Konkursquote, die in Folge der Quotenausschüttung bereits längst getilgt worden sei. Nach ständiger Judikatur bedeute die Annahme der Quote automatisch auch den Verzicht auf darüber hinausgehende Ansprüche, jedenfalls aber auch den Verzicht, die bereits erloschene Konkursforderung durch "Neufestsetzungen" in ungebührlicher Höhe wieder aufleben zu lassen.

In der am 22. Juni 2005 abgehaltenen mündlichen Verhandlung wurde im Wesentlichen ergänzend vorgebracht, dass im Zeitpunkt der Konkurseröffnung die der Umsatzsteuerberichtigung zu Grunde liegenden Forderungen der Beschwerdeführerin - wie näher begründet - noch nicht uneinbringlich gewesen wären. Die Forderungen seien alleine deshalb um lediglich 20% durch den Masseverwalter verkauft worden, weil für ihn einzig entscheidend gewesen sei, wie viel Geld er brauchen würde, um den Zwangsausgleich durchzubringen. Daher sei der Betrag, den der Masseverwalter für den Verkauf der Forderungen bekommen habe, nicht ident mit dem wahren wirtschaftlichen Wert der Forderung gewesen.

Weiters wurde eingewendet, dass das Konkursrecht dem Abgabenrecht vorgehe und der Aufrechnung somit der bereits rechtskräftig abgeschlossene und erfüllte Zwangsausgleich entgegenstünde.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge, als festgestellt wurde, dass nur die Verrechnung von Umsatzsteuerrückforderungsansprüchen in Höhe von

149.621 EUR (Umsatzsteuer Oktober 2002) und 392.144,09 EUR (Umsatzsteuer November 2003) mit Konkursforderungen rechtmäßig sei.

Begründend führte die belangte Behörde zunächst aus, dass es im Rahmen eines Abrechnungsverfahrens nicht um die Richtigkeit der gemäß § 16 Abs. 3 UStG vorgenommenen Umsatzsteuerkorrekturen gehe oder darum, ob diese zum richtigen Zeitpunkt vorgenommen worden seien. Im vorliegenden Verfahren sei alleine die Rechtsfrage zu klären, ob das Finanzamt die Ansprüche der Beschwerdeführerin auf Rückerstattung der berichtigten Umsatzsteuern ungeachtet des bereits abgeschlossenen Zwangsausgleichs mit Konkursforderungen ausgleichen durfte.

Für die Abgrenzung zwischen Masse- und Konkursforderungen sei nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung der Zeitpunkt der Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes maßgebend. Gleiches gelte auch für "negative Abgabenansprüche", also etwa Rückforderungsansprüche nach § 16 Abs. 3 UStG.

Nach § 19 Abs. 2 Z. 1 UStG entstehe die Steuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden sei. Der Unternehmer müsse die Umsatzsteuer im Rahmen der Sollbesteuerung auch dann an das Finanzamt abführen, wenn er das Entgelt (einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer) für die erbrachte Leistung noch nicht erhalten habe. Diese Abgabenforderung sei aber in dem Sinne bedingt, dass bei Eintritt der Uneinbringlichkeit des Entgeltes der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer zurückfordern könne. Eine solche Umsatzsteuerberichtigung sei zwar gemäß § 16 Abs. 1 Z. 2 UStG für den Voranmeldungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten sei. Berichtigt werde aber dennoch in Wahrheit die sich als unrichtig erweisende ursprüngliche Umsatzsteuer. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage - und als solche sei auch die Entgeltskorrektur zufolge Uneinbringlichkeit zu verstehen - könne die bereits erbrachte Lieferung oder sonstige Leistung keinesfalls wieder rückgängig machen. Für die insolvenzrechtliche Beurteilung des Rückforderungsanspruches auf Grund einer Umsatzsteuerberichtigung gemäß § 16 Abs. 1 und 3 UStG komme es daher nicht darauf an, wann die Rechnungsforderung uneinbringlich geworden sei, sondern ausschließlich auf den Zeitpunkt der Ausführung der seinerzeitigen Lieferung oder sonstigen Leistung. Da der Rückforderungsanspruch unabhängig von der Bescheiderlassung bzw. der Vornahme der Berichtigung schon vor der Konkurseröffnung entstanden sei, stehe der Aufrechnung weder ein abgaben- noch ein insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot entgegen.

Bei der konkursrechtlichen Beurteilung einer Umsatzsteuergutschrift, die auf Grund einer Berichtigung gemäß § 16 Abs. 1 UStG entstanden sei, liege der dafür maßgebliche Sachverhalt im Leistungsaustausch. Der Zeitpunkt des Leistungsaustausches sei maßgeblich für die Frage, wann erstmals eine Aufrechnungslage im Sinne der §§ 19, 20 KO vorgelegen sei.

Für die Annahme eines bedingten Rückforderungsanspruches spreche ferner, dass auch der Vorsteuerabzug auf Basis des vereinbarten Entgelts im Hinblick auf die Berichtigungsvorschrift des § 16 Abs. 1 UStG als bedingter Anspruch interpretiert werde. Auch der OGH habe in seinen Urteilen vom 27. November 1997, 8 Ob 2244/96z, und vom 25. Februar 2002, 8 Ob 144/99f, in Fällen einer Vorsteuerkorrektur gemäß § 12 Abs. 10 UStG angenommen, dass es sich beim vermögensrechtlichen Anspruch aus dem Titel der Vorsteuer um einen bedingten Anspruch handle.

Nicht entscheidend sei, wann die Uneinbringlichkeit tatsächlich eingetreten sei. Folgte man der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, würde dies im Falle der Berichtigung von Vorsteuern des Gemeinschuldners bedeuten, dass, weil der Umfang des Forderungsausfalls für die Gläubiger des Gemeinschuldners erst im Zeitpunkt des Abschlusses des Insolvenzverfahrens endgültig feststünde, die vom Gemeinschuldner rückverrechnete Vorsteuer immer eine Masseforderung des Finanzamtes darstellen würde. Dies widerspräche nicht nur der einhelligen Lehre und Rechtsprechung, sondern würde in der Praxis den Abschluss jedes Zwangsausgleiches verhindern, da regelmäßig der Großteil der Masse an den Abgabengläubiger fließen würde.

Im Beschwerdefall seien die Lieferungen und sonstigen Leistungen, deren Entgelte später uneinbringlich geworden seien, von der Beschwerdeführerin vor der Konkurseröffnung ausgeführt worden. Daher seien auch bereits vor Konkurseröffnung bedingte Rückforderungsansprüche für den Fall der späteren Uneinbringlichkeit der Entgelte entstanden.

Da die Aufrechnung nicht dadurch ausgeschlossen sei, dass die Forderung des Gemeinschuldners zur Zeit der Konkurseröffnung noch bedingt war, habe das Finanzamt die gegenständlichen Rückforderungsansprüche aus den angeführten Umsatzsteuerberichtigungen mit Konkursforderungen aufrechnen können. In seiner Entscheidung vom 25. November 1998, 3 Ob 76/97s, habe der OGH die Aufrechenbarkeit der vollen Konkursforderung nach Abschluss eines Zwangsausgleiches bejaht, wenn bereits im Konkurs eine Aufrechnungslage bestanden hat. Da - wie der OGH in der angeführten Entscheidung festgestellt habe - vom Zwangsausgleich nur der Teil der Konkursforderungen betroffen sein könne, der nicht durch die Gegenforderung getilgt worden sei, komme es auch nicht zu der vom Masseverwalter der Beschwerdeführerin befürchteten "dramatischen Bevorzugung des Finanzamtes". Eine Neuberechnung der tatsächlichen Zwangsausgleichsquote könne in der Praxis im Regelfall dadurch vermieden werden, dass der Aufrechnungsbetrag bereits um die Quote vermindert werde.

Der Berufung sei allerdings insoweit stattzugeben, als die Berichtigung im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 28. November 2002 auf 190.600 EUR reduziert und in der Umsatzsteuervoranmeldung für November 2003 nur ein Betrag von 499.546,61 EUR als berichtigte Umsatzsteuer geltend gemacht worden sei.

Diese verminderten Rückforderungsansprüche der Beschwerdeführerin (190.600 EUR und 499.546,61 EUR) seien um die Zwangsausgleichsquote von 21,5% zu kürzen, sodass die Aufrechnung von Konkursforderungen nur in Höhe von 149.621 EUR (190.600 EUR abzüglich der Zwangsausgleichsquote von 21,5%) und 392.144,09 EUR (499.546,61 EUR abzüglich 21,5%) zulässig sei.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 216 BAO hat die Abgabenbehörde auf Antrag einen Abrechnungsbescheid zu erlassen, wenn zwischen ihr und einem Abgabepflichtigen Meinungsverschiedenheiten bestehen, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist.

Der Abrechnungsbescheid dient somit ausschließlich der Entscheidung, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist (vgl. mit zahlreichen weiteren Hinweisen das hg. Erkenntnis vom 26. April 1993, 92/15/0012).

Im Beschwerdefall ist strittig, ob aus Umsatzsteuerberichtigungen im Gesamtausmaß von 541.765,09 EUR resultierende Gutschriften zur Tilgung von Konkursforderungen der Abgabenbehörde verwendet werden durften.

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zu Recht davon aus, dass den Aufrechnungsvorschriften der KO und AO (insbesondere §§ 19, 20 KO und AO) der Vorrang vor den Verrechnungsregeln des § 214 BAO zukommt (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2004, 2000/15/0046).

Gemäß § 19 Abs. 2 KO wird die Aufrechnung dadurch nicht ausgeschlossen, dass die Forderung des Gläubigers oder des Gemeinschuldners zur Zeit der Konkurseröffnung noch bedingt oder betagt war.

Gemäß § 20 Abs. 1 KO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden ist.

Hinsichtlich der Frage des Zeitpunktes der Entstehung eines Vergütungs- bzw. Rückforderungsanspruches vertritt der Verwaltungsgerichtshof nach ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass es sich bei Rückforderungsansprüchen um "negative Abgabenansprüche" handelt. Solche Ansprüche entstehen (wie die Abgabenansprüche im engeren Sinn) kraft Gesetzes jeweils zu dem Zeitpunkt, in dem ein gesetzlicher Tatbestand, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbindet, verwirklicht wird. Auf die Bescheiderlassung kommt es dabei nicht an. Mit dem Bescheid wird lediglich die Durchsetzung des Anspruchs gegenüber der Abgabenbehörde bewirkt, nicht aber das Entstehen des Anspruchs (vgl. das schon angeführte hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2004).

Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 UStG 1994 geändert, so haben der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind gemäß § 16 Abs. 1 UStG 1994 für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist. Eine Berichtigung hat nach § 16 Abs. 3 Z. 1 UStG 1994 auch zu erfolgen, wenn das Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung uneinbringlich geworden ist.

Die Bestimmung des § 16 UStG 1994 ordnet allgemein die ex nunc-Wirkung der Berichtigung an. Die Änderungen führen nicht zu einer Berichtigung der ursprünglichen Steuerfestsetzung, sondern sind erst im Zeitraum der Änderung zu berücksichtigen (vgl. Ruppe, UStG 19943, Tz. 66 zu § 16).

Für den Beschwerdefall ist entscheidend, ob die gegenständlichen Umsatzsteuerrückforderungen der Beschwerdeführerin (als seinerzeitige Gemeinschuldnerin) aus insolvenzrechtlicher Sicht in den Zeitraum vor (Konkursgegenforderung) oder nach Konkurseröffnung fallen und je nach dem mit Konkursforderungen des Finanzamts aufrechenbar sind oder nicht.

Gemäß § 46 Abs. 1 Z. 2 KO gehören zu den Masseforderungen öffentliche Abgaben, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Konkursverfahrens verwirklicht wird. Entsprechendes muss gelten für die zeitliche Abgrenzung der Forderungen der Gemeinschuldnerin.

Als den die Abgabenforderung unmittelbar auslösenden Sachverhalt im Falle von Umsatzsteuerberichtigungen nach § 16 Abs. 1 und 3 UStG 1994 hat der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 19. November 1998, 97/15/0095, den Eintritt der Uneinbringlichkeit des Leistungsentgeltes angesehen. Dem Erkenntnis lag zwar die umgekehrte Sachverhaltskonstellation zu Grunde, nämlich eine Vorsteuerrückforderung durch das Finanzamt, doch kann für den hier zu beurteilenden spiegelbildlichen Fall der Vorsteuerberichtigung nichts anderes gelten.

Auch in der Literatur wird - entgegen der Darstellung in der Bescheidbegründung - die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht, auslösender Sachverhalt im Fall der Umsatzsteuerberichtigung sei der zu Grunde liegende Leistungsaustausch, überwiegend nicht geteilt (vgl. mit weiteren Nachweisen Hopf in Achatz, Umsatzsteuer in der Insolvenz, 110f; sowie Kofler/Kristen, Insolvenz und Steuern, 146ff). Die von Beiser, ZIK 2001/1989, unter Hinweis auf Werndl (ÖStZ 1983, 86 ff) und Mohr (in Achatz, aaO, 29) vertretene Rechtsansicht wird auch von Ruppe, UStG2, Einf, Tz. 131, mit der Begründung nicht geteilt, dass die konkursrechtliche Qualifikation nicht nach kausalen, sondern nach insolvenzrechtlichen Wertungen zu erfolgen habe. Wie Ruppe, aaO, weiters ausführt, bedarf es im Falle der Berichtigung von Vorsteuern des Gemeinschuldners gleichfalls nicht des Rückgriffs auf den Zeitpunkt des seinerzeitigen Leistungsaustausches, um zur Einstufung der Umsatzsteuerberichtigung als Konkursforderung zu gelangen, weil mit der Konkurseröffnung ein bis dahin allenfalls vermuteter Forderungsausfall wirtschaftlich derart zur Gewissheit wird, dass der Gläubiger jedenfalls teilweise die Uneinbringlichkeit wird folgern müssen. Ist nach wirtschaftlichen Erfahrungen mit der gänzlichen Einbringlichkeit nicht mehr zu rechnen, liegt Uneinbringlichkeit iSd § 16 Abs. 3 UStG 1994 vor. Dabei kann die (von der belangten Behörde in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen gestellte) Unkenntnis der Einbringlichkeit der Höhe nach die Uneinbringlichkeit dem Grunde nach nicht in Frage stellen (vgl. dazu Eichinger, SWK 1976, 51 ff, und Achatz, WBl 1987, 205 ff).

Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt im Zusammenhang mit der Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10 UStG 1972 und 1994 die Ansicht vertreten, der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt iSd § 46 Abs. 1 Z. 2 KO liege - entgegen der vom OGH seit dem Jahr 1997 vertretenen Auffassung - nicht in der seinerzeitigen Lieferung des Grundstückes, sondern in der (nach Konkurseröffnung) erfolgten steuerfreien Veräußerung des Grundstückes (vgl. mit weiteren Hinweisen das hg. Erkenntnis vom 30. Juli 2002, 96/14/0105).

Der vorliegende Beschwerdefall bietet keinen Anlass von der Ansicht abzugehen, dass der die Abgabepflicht unmittelbar auslösende Sachverhalt im Falle von Umsatzsteuerberichtigungen nach § 16 Abs. 1 und 3 UStG 1994 jener ist, der abgabenrechtlich die Berichtigungspflicht auslöst. Im Falle der Umsatzsteuerberichtigung wegen Uneinbringlichkeit des Entgelts ist dies der Zeitpunkt des Eintritts der Uneinbringlichkeit.

In Verkennung der Rechtslage hat sich die belangte Behörde nicht mit den Einwendungen der Beschwerdeführerin, die Uneinbringlichkeit ihrer Leistungsentgelte sei erst nach Konkurseröffnung eingetreten, auseinandergesetzt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. II Nr. 333/2003. Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer, welche im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.

Wien, am 21. September 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006150072.X00

Im RIS seit

24.10.2006

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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