TE OGH 1998/6/23 10ObS217/98d

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.06.1998
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Hon.Prof.Dr.Danzl und die fachkundigen Laienrichter Dr.Michael Braun (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing.Hugo Jandl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz E*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr.Johannes Grund und Dr.Wolf D.Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.April 1998, GZ 11 Rs 65/98b-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 13.November 1997, GZ 6 Cgs 244/96t-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 23.4.1957 geborene Kläger hat eine landwirtschaftliche Facharbeiterlehre mit der Facharbeiterprüfung abgeschlossen, war aber in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag im erlernten Beruf nie tätig. Vielmehr arbeitete er in diesem Zeitraum 86 Monate ausschließlich als Kraftfahrer. Seit August 1996 ist er arbeitslos. Dem Kläger sind alle leichten und mittelschweren Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen unter Einhaltung der üblichen Arbeitspausen zumutbar. Auszuschließen sind Arbeiten mit einer besonderen Belastung der Lendenwirbelsäule, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten, die exaktes Richtungshören oder eine Schwindelfreiheit erfordern. Unter Berücksichtigung des Leistungskalküls ist nicht zu erwarten, daß Krankenstände von mehr als 6 Wochen pro Jahr auftreten werden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnte der Kläger noch die Tätigkeit eines Portiers, eines Sortier- und Finisharbeiters, Verpackers in der Leichtindustrie oder eines Autowächters in Parkgaragen ausführen. Solche Arbeitsplätze sind in ausreichender Zahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 23.10.1996 wurde der Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Invaliditätspension abgelehnt.

Das Erstgericht wies das dagegen auf Zahlung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.9.1996 gerichtete Klagebegehren ab. Es verneinte in rechtlicher Hinsicht einen Berufsschutz des Klägers, weil er die erlernte Tätigkeit nicht in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt habe. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er aber noch eine Reihe zumutbarer Beschäftigungen ausüben und damit die gesetzliche Lohnhälfte erwerben. Invalidität im Sinne des § 255 ASVG liege daher nicht vor.Das Erstgericht wies das dagegen auf Zahlung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.9.1996 gerichtete Klagebegehren ab. Es verneinte in rechtlicher Hinsicht einen Berufsschutz des Klägers, weil er die erlernte Tätigkeit nicht in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt habe. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er aber noch eine Reihe zumutbarer Beschäftigungen ausüben und damit die gesetzliche Lohnhälfte erwerben. Invalidität im Sinne des Paragraph 255, ASVG liege daher nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Ein Vorbringen, daß ihm Berufsschutz als landwirtschaftlicher Facharbeiter zukomme, weil er in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend als landwirtschaftlicher Facharbeiter im Betrieb seiner Ehefrau tätig gewesen sei, habe er trotz qualifizierter Vertretung in erster Instanz (§ 40 Abs 1 Z 1 ASGG) nie erstattet. Die beklagte Partei habe im angefochtenen Bescheid einen Berufsschutz ausdrücklich abgelehnt und den Antrag auf Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG beurteilt. Weder in der Klage, noch im gesamten erstinstanzlichen Verfahren habe der Kläger irgendein Vorbringen erstattet, das in Richtung der Behauptung eines Berufsschutzes als landwirtschaftlicher Facharbeiter gedeutet werden könnte. Die zum Berufsverlauf getroffene Feststellung des Erstgerichtes, daß der Kläger eine landwirtschaftliche Facharbeiterlehre abgeschlossen habe, aber in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag im erlernten Beruf nie tätig gewesen sei, sondern daß er in diesem Zeitraum 86 Monate ausschließlich als Kraftfahrer gearbeitet habe, finde in den Beweisergebnissen, insbesondere im Pensionsakt der beklagten Partei volle Deckung. Das im Gegensatz dazu erstattete Berufungsvorbringen verstoße gegen das Neuerungsverbot.Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Ein Vorbringen, daß ihm Berufsschutz als landwirtschaftlicher Facharbeiter zukomme, weil er in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend als landwirtschaftlicher Facharbeiter im Betrieb seiner Ehefrau tätig gewesen sei, habe er trotz qualifizierter Vertretung in erster Instanz (Paragraph 40, Absatz eins, Ziffer eins, ASGG) nie erstattet. Die beklagte Partei habe im angefochtenen Bescheid einen Berufsschutz ausdrücklich abgelehnt und den Antrag auf Invaliditätspension nach Paragraph 255, Absatz 3, ASVG beurteilt. Weder in der Klage, noch im gesamten erstinstanzlichen Verfahren habe der Kläger irgendein Vorbringen erstattet, das in Richtung der Behauptung eines Berufsschutzes als landwirtschaftlicher Facharbeiter gedeutet werden könnte. Die zum Berufsverlauf getroffene Feststellung des Erstgerichtes, daß der Kläger eine landwirtschaftliche Facharbeiterlehre abgeschlossen habe, aber in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag im erlernten Beruf nie tätig gewesen sei, sondern daß er in diesem Zeitraum 86 Monate ausschließlich als Kraftfahrer gearbeitet habe, finde in den Beweisergebnissen, insbesondere im Pensionsakt der beklagten Partei volle Deckung. Das im Gegensatz dazu erstattete Berufungsvorbringen verstoße gegen das Neuerungsverbot.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt die Abänderung im Sinne einer Stattgebung seines Klagebegehrens und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger verweist zunächst darauf, er habe in seinem Pensionsantrag angegeben, als landwirtschaftlicher Facharbeiter im Betrieb seiner Frau gearbeitet zu haben. Im erstinstanzlichen Verfahren sei der Berufsschutz deshalb nicht zur Sprache gekommen, weil einerseits der Kläger seinen Vertreter über diesen Umstand nicht informiert habe und andererseits dies auch aus dem Bescheid der beklagten Partei nicht hervorgehe. Nach den Behauptungen im Pensionsantrag und nach dem Versicherungsverlauf hätte der Berufsschutz jedoch berücksichtigt werden müssen.

Diesem Argument ist nicht zu folgen. Es ist zwar richtig, daß die Klärung der Frage, ob ein Versicherter Berufsschutz genießt, in allen Fällen, in denen - ausgehend von einem solchen Berufsschutz - die Verweisbarkeit in Frage gestellt ist, eine unabdingbare Entscheidungsveraussetzung darstellt. Wenn daher nach dem Inhalt des Prozeßvorbringens hierüber keine Klarheit besteht und nach der Aktenlage nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden kann, daß ein Versicherter als einfacher Hilfsarbeiter tätig war, hat das Gericht aufgrund der Bestimmung des § 87 Abs 1 ASGG diese Frage von Amts wegen zu überprüfen und hierüber Feststellungen zu treffen (SSV-NF 3/136, 4/119 ua, zuletzt 10 ObS 311/97a). Im vorliegenden Fall fehlten alle Anzeichen dafür, daß dem Kläger Berufsschutz als gelernter landwirtschaftlicher Facharbeiter zukomme. Entscheidend ist nämlich nicht, ob der Kläger irgendwann im erlernten Beruf gearbeitet hat, sondern ob er überwiegend im erlernten Beruf tätig war (§ 255 Abs 1 ASVG), wobei als überwiegend im Sinne dieser Gesetzesstelle solche erlernte Berufstätigkeiten gelten, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt wurden (§ 255 Abs 2 ASVG). Wie der unbedenkliche Versicherungsverlauf des Klägers zeigt, hat dieser in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag, also ab 1.9.1981 überhaupt keine Beitragsmonate nach dem ASVG aus seiner Tätigkeit als landwirtschaftlicher Facharbeiter erworben. Beitragsmonate nach dem ASVG finden sich lediglich für die Zeit ab Juli 1989, nämlich die vom Erstgericht festgestellten 86 Beitragsmonate aus der Tätigkeit als Kraftfahrer. Daß der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag möglicherweise auch Pflichtversicherungsmonate nach dem BSVG (als Betriebsführer) erworben hat, hat hier außer Betracht zu bleiben:Diesem Argument ist nicht zu folgen. Es ist zwar richtig, daß die Klärung der Frage, ob ein Versicherter Berufsschutz genießt, in allen Fällen, in denen - ausgehend von einem solchen Berufsschutz - die Verweisbarkeit in Frage gestellt ist, eine unabdingbare Entscheidungsveraussetzung darstellt. Wenn daher nach dem Inhalt des Prozeßvorbringens hierüber keine Klarheit besteht und nach der Aktenlage nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden kann, daß ein Versicherter als einfacher Hilfsarbeiter tätig war, hat das Gericht aufgrund der Bestimmung des Paragraph 87, Absatz eins, ASGG diese Frage von Amts wegen zu überprüfen und hierüber Feststellungen zu treffen (SSV-NF 3/136, 4/119 ua, zuletzt 10 ObS 311/97a). Im vorliegenden Fall fehlten alle Anzeichen dafür, daß dem Kläger Berufsschutz als gelernter landwirtschaftlicher Facharbeiter zukomme. Entscheidend ist nämlich nicht, ob der Kläger irgendwann im erlernten Beruf gearbeitet hat, sondern ob er überwiegend im erlernten Beruf tätig war (Paragraph 255, Absatz eins, ASVG), wobei als überwiegend im Sinne dieser Gesetzesstelle solche erlernte Berufstätigkeiten gelten, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt wurden (Paragraph 255, Absatz 2, ASVG). Wie der unbedenkliche Versicherungsverlauf des Klägers zeigt, hat dieser in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag, also ab 1.9.1981 überhaupt keine Beitragsmonate nach dem ASVG aus seiner Tätigkeit als landwirtschaftlicher Facharbeiter erworben. Beitragsmonate nach dem ASVG finden sich lediglich für die Zeit ab Juli 1989, nämlich die vom Erstgericht festgestellten 86 Beitragsmonate aus der Tätigkeit als Kraftfahrer. Daß der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag möglicherweise auch Pflichtversicherungsmonate nach dem BSVG (als Betriebsführer) erworben hat, hat hier außer Betracht zu bleiben:

Wenngleich das Wesen des Wanderversicherungsverfahrens nach § 251a ASVG darin besteht, daß alle erworbenen Versicherungszeiten vom zuständigen Versicherungsträger so behandelt werden, als ob sie bei ihm erworben worden wären, hat dieser bei Feststellung der Leistungsansprüche jedoch nur eigenes Recht anzuwenden. Er hat bei Beurteilung von Leistungsansprüchen nur Versicherungsfälle zu berücksichtigen, die nach dem für ihn maßgeblichen Versicherungssystem vorgesehen sind (SSV-NF 9/10 = SZ 68/30; 10 ObS 257/97k; 10 ObS 308/97k). Daraus folgt, daß auch eine amtswegige Prüfung des Berufsschutzes kein für den Kläger günstigeres Ergebnis erbracht hätte.Wenngleich das Wesen des Wanderversicherungsverfahrens nach Paragraph 251 a, ASVG darin besteht, daß alle erworbenen Versicherungszeiten vom zuständigen Versicherungsträger so behandelt werden, als ob sie bei ihm erworben worden wären, hat dieser bei Feststellung der Leistungsansprüche jedoch nur eigenes Recht anzuwenden. Er hat bei Beurteilung von Leistungsansprüchen nur Versicherungsfälle zu berücksichtigen, die nach dem für ihn maßgeblichen Versicherungssystem vorgesehen sind (SSV-NF 9/10 = SZ 68/30; 10 ObS 257/97k; 10 ObS 308/97k). Daraus folgt, daß auch eine amtswegige Prüfung des Berufsschutzes kein für den Kläger günstigeres Ergebnis erbracht hätte.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG.

Anmerkung

E50598 10C02178

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:010OBS00217.98D.0623.000

Dokumentnummer

JJT_19980623_OGH0002_010OBS00217_98D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten