TE Vfgh Beschluss 2002/6/11 B576/02

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages betreffend eine irrtümlich an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde mangels Vorliegen eines unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses bei krankheitsbedingter Bettlägrigkeit des Rechtsanwaltes; Zurückweisung der Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird keine Folge gegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit Schriftsatz vom 18. März 2002 begehrte die Einschreiterin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom 5. Dezember 2001, Z DS-42/2000. In diesem Wiedereinsetzungsantrag, der mit der (nachgeholten) Beschwerde verbunden ist, wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Am 4. März 2002 sei dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ein Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes zugestellt worden, mit dem die Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid wegen Unzuständigkeit als unzulässig zurückgewiesen worden sei. Mit Zustellung dieses Beschlusses habe die Beschwerdeführerin davon Kenntnis erlangt, dass die Beschwerde irrtümlicherweise nicht an den Verfassungsgerichtshof, sondern an den Verwaltungsgerichtshof abgefertigt worden war.

Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei daher gewahrt.

Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin habe nach Zustellung des oben genannten Bescheides schriftlich einem Rechtsanwaltsanwärter den Auftrag erteilt, eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde auszuarbeiten. Diese schriftliche Weisung sei bereits am 15. Dezember 2001 erteilt worden. Aus Anlass der Übergabe des schriftlichen Auftrages zur Verfassung der Beschwerde sei auch der ungefähre Inhalt derselben erörtert worden. Am letzten Tag der Frist zur Erhebung der Bescheidbeschwerde sei der Vertreter der Beschwerdeführerin infolge einer Grippe bettlägrig gewesen. Er habe nicht in die Kanzlei gehen können. Daher seien sämtliche Schriftsätze, die an diesem Tage abzufertigen und von einem Anwalt zu unterfertigen gewesen seien, dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin von einer Mitarbeiterin der Kanzlei nach Hause gebracht worden.

Wegen einer schweren Erkrankung mit hohem Fieber sei es dem Anwalt nicht möglich gewesen, eine genaue inhaltliche Prüfung der vorgelegten Schriftsätze vorzunehmen. Er habe deren Inhalt nur "rudimentär" durchsehen können. Offenbar aus diesem Grund sei ihm auch nicht aufgefallen, dass die Beschwerde nicht an den Verwaltungsgerichtshof, sondern ausschließlich an den Verfassungsgerichtshof gerichtet werden konnte. Da die Akten zu den Schriftstücken nicht mitvorgelegt worden seien, sei es auch nicht möglich gewesen, anhand des bekämpften Berufungsbescheides, der ja eine ausdrückliche Rechtsbelehrung betreffend die alleinige Möglichkeit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof aufwies, die "Unrichtigkeit des angerufenen Gerichtshofes des öffentlichen Rechtes festzustellen".

Infolge der überraschenden Erkrankung des Rechtsvertreters sowie des Umstandes, dass der entsprechende Akt schon rund sechs Wochen vor dem 24. Jänner 2002, dem Tag der Abfertigung der Bescheidbeschwerde, dem Rechtsanwaltsanwärter zur Bearbeitung übergeben worden war, habe der Rechtsvertreter offensichtlich übersehen, dass in diesem Falle nur die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes möglich gewesen wäre.

Durch die Verkettung von Umständen, nämlich Erkrankung und langer Zeitablauf zwischen Erteilung der Weisung und Erhalt der ausgearbeiteten Beschwerde, sowie aufgrund des Umstandes, dass kein zweiter Anwalt in der Kanzlei des einschreitenden Rechtsanwaltes tätig sei, der die Überprüfung und Unterschriftleistung hätte durchführen können, sei im Zusammenhalt mit der überraschenden Erkrankung vom Vorliegen eines minderen Grades des Versehens auszugehen, sodass von einem unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignis gesprochen werden könne.

Als "Bescheinigungsmittel" für die geschilderten Vorgänge, liegen dem Antrag eine eidesstättige Erklärung des vertretenden Rechtsanwaltes, die schriftliche Weisung des Anwaltes an den Rechtsanwaltsanwärter, eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vorzubereiten, sowie der Zurückweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes bei.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist ist nicht begründet.

Da das VfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte.

Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Gemäß §14 RAO hat der Rechtsanwalt nämlich die Möglichkeit, im Verhinderungsfalle einen anderen Rechtsanwalt unter gesetzlicher Haftung zu substituieren. Die Erkrankung des vertretenden Rechtsanwaltes kann für sich allein niemals Grund für eine Wiedereinsetzung sein. Nur dann, wenn zufolge der Krankheit die Dispositionsfähigkeit des Rechtsanwaltes ausgeschlossen wäre, wenn er also zufolge der Krankheit nicht einmal mehr für eine Stellvertretung sorgen könnte, wäre die Erkrankung ein Ereignis, auf Grund dessen es unmöglich wäre, die versäumte Frist einzuhalten (vgl. dazu OGH 10.1.2002 15 Os 163/01 uHa. VfSlg. 8801/1980).

Dass die krankheitsbedingte Verhinderung des Rechtsanwaltes im konkreten Fall dergestalt gewesen sei, dass er nicht für eine Vertretung (zur Überprüfung des vom Konzipienten vorbereiteten Schriftsatzes und zur Unterschriftsleistung) Vorsorge treffen hätte können, wurde im Wiedereinsetzungsantrag nicht einmal behauptet.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

3. Im Hinblick auf diese Entscheidung war die unter einem eingebrachte Beschwerde wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VfGG) zurückzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §33 VfGG bzw. §19 Abs3 Z2 litb VfGG in nichtöffenlicher beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B576.2002

Dokumentnummer

JFT_09979389_02B00576_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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