Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der E, vertreten durch Dr. Josef Toth, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8. November 2002, Zl. UVS-03/P/18/4664/2002/2, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin wegen Übertretung des § 31 iVm § 107 Abs. 1 Z 4 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, mit einer Geldstrafe von EUR 80,-- bestraft, weil sie sich vom 13. März 2001 bis 21. November 2001 in Wien unrechtmäßig aufgehalten habe, obwohl sie einen Einreise- bzw. Aufenthaltstitel benötigt hätte.
Begründend führte die belangte Behörde weiters aus, die Beschwerdeführerin habe nicht bestritten, dass sie illegal nach Österreich eingereist sei. Sie habe behauptet, dass es ihr auf Grund ihrer familiären Lage nicht möglich gewesen wäre auszureisen, weil sie dann ihre Kinder in Österreich hätte zurücklassen müssen, was gegen Art. 8 EMRK verstoßen würde. Die belangte Behörde sei in ihrer Ansicht bestärkt, dass die Situation der Beschwerdeführerin "fraglos für sie äußerst unangenehm ist, jedoch zum größten Teil wohl auch von ihr selbst verschuldet wurde". Die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung habe sie ohne Zweifel begangen, weshalb das angefochtene Straferkenntnis (der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. April 2002) auch in der Schuldfrage zu bestätigen gewesen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Bereits im Einspruch gegen die Strafverfügung vom 27. November 2001 hatte die Beschwerdeführerin vorgebracht, sie sei mazedonische Staatsbürgerin und mit einem in Österreich geborenen "jugoslawischen" Staatsangehörigen verheiratet und Mutter eines Säuglings und eines Kleinkindes. Ihr Ehemann verfüge über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung, gehe einer geregelten Arbeit nach und es seien für die Familie "Unterhalt, Unterkunft und Versicherung" vorhanden. Es würde gegen Art. 8 EMRK verstoßen, die Kinder der Fürsorge ihrer Mutter zu berauben.
In der Berufung gegen das Straferkenntnis vom 27. April 2002 hat die Beschwerdeführerin in ähnlicher Weise vorgebracht, dass sie 1998 im Alter von 15 Jahren illegal nach Österreich gekommen sei und Mutter von (hier geborenen) Kleinkindern mit "jugoslawischer" Staatsbürgerschaft sei. Bei einer Ausreise nach Mazedonien würde sie Unterkunft und Unterhalt verlieren und müsste dazu ihre Kinder im Stich lassen. Die Kinder seien "jugoslawische" Staatsangehörige und ausschließlich im Pass des Vaters eingetragen; der Vater der Kinder sei nicht einverstanden, dass die Kinder aus Österreich weggebracht würden.
Indem die Beschwerdeführerin auf dieses im Verwaltungsstrafverfahren erstattete Vorbringen verweist, zeigt sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Bezüglich des Tatbestandes des § 107 Abs. 1 Z 4 FrG ist nämlich ein gesetzlicher Strafausschließungsgrund gemäß § 6 VStG anzunehmen, wenn einer Ausweisung des Fremden eine zu seinen Gunsten ausfallende Interessenabwägung nach § 37 FrG im Weg steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 2001, Zl. 99/21/0217, mwN.). Dass die belangte Behörde diesbezüglich die Rechtslage verkannt hat, geht auch aus der Gegenschrift hervor. Dort wird nämlich klar ausgedrückt, dass im Verwaltungsstrafverfahren nicht zu prüfen gewesen sei, ob die erstinstanzliche Behörde eventuell weitere fremdenpolizeiliche Maßnahmen wie etwa die Abschiebung oder Ausweisung der Beschwerdeführerin treffe. Es sei lediglich zu prüfen gewesen, ob sich die Beschwerdeführerin in dem im erstinstanzlichen Straferkenntnis angeführten Tatzeitraum illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe.
In Verkennung dieser Rechtslage hat die belangte Behörde die für sie eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG bildende Zulässigkeit einer Ausweisung der Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG, bezogen auf den in Frage stehenden Tatzeitpunkt, ungeprüft gelassen und keine näheren Feststellungen zu den privaten und familiären Verhältnissen getroffen.
Damit belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. September 2006
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003210068.X00Im RIS seit
23.10.2006