TE OGH 1998/7/15 7Rs162/98i

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Veröffentlicht am 15.07.1998
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Hellwagner (Vorsitzender), die Richter des Oberlandesgerichtes DDr.Huberger und Dr.Andrea Blaszczyk sowie die fachkundigen Laienrichter Paul Handler (AG) und Walter Lihotzky (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr.G*****, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Landesstelle Wien, 1090 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Pflegegeld, infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 27.10.1997, 8 Cgs 454/96b-18, gemäß §§ 2 ASGG, 492 Abs.1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Hellwagner (Vorsitzender), die Richter des Oberlandesgerichtes DDr.Huberger und Dr.Andrea Blaszczyk sowie die fachkundigen Laienrichter Paul Handler (AG) und Walter Lihotzky (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr.G*****, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Landesstelle Wien, 1090 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Pflegegeld, infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 27.10.1997, 8 Cgs 454/96b-18, gemäß Paragraphen 2, ASGG, 492 Absatz , ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht das auf Gewährung eines Pflegegeldes gerichtete Klagebegehren abgewiesen. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der am 6.7.1930 geborene Kläger bewohnt eine Hochparterrewohnung in Traisen, welche mit Gaszentralheizung beheizt wird. Die nächste Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels sowie das nächste Lebensmittelgeschäft befinden sich im Nahbereich, Wasserleitung und WC befinden sich im Inneren der Wohnung. Der Kläger befindet sich in adipösem Ernährungszustand bei gutem Allgemeinzustand. Von Seiten des Herz-Kreislaufsystems finden sich reguläre Verhältnisse, weiters leidet der Kläger an Abnützungen im Bereich der HWS mit Ausbildung eines sg. cerviko-brachialen Syndroms. Durch die Abnützung kommt es zu zeitweiligen Muskelverspannungen im Bereich des Nackens und des Schultergürtels; Abnützungen im Bereich der LWS mit zeitweiligen Muskelverspannungen (Lumbaligen), derzeit mit mäßigem Reizzustand sowie endlagiger Bewegungseinschränkung, Abnützungsreiben hinter beiden Kniescheiben bei mäßig eingeschränkter Funktion sowie Schwellneigung an beiden Unterschenkeln und Vorfüßen sowie ein Senk-Spreizfuß. Der Kläger ist in der Lage, die tägliche Körperpflege, die Zubereitung von abwechslungsreichen Mahlzeiten, das Einnehmen von Mahlzeiten, das Verrichten der Notdurft, das An- und Auskleiden selbständig durchzuführen. Er ist in der Lage Nahrungsmittel und Medikamente herbeizuschaffen (er fährt selbst mit dem PKW), die Wohnungsreinigung und die Reinigung der persönlichen Gebrauchsgegenstände durchzuführen, sowie die Leib- und Bettwäsche zu waschen. Das Herbeischaffen des Heizmaterials einschließlich Heizens des Wohnraums ist nicht erforderlich, da seine Wohnung mit einer Gasetagenheizung beheizt wird. Mobilitätshilfe im weiteren als auch im engeren Sinn ist nicht erforderlich.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der Kläger in der Lage ist, sämtliche Verrichtungen des täglichen lebens selbständig durchzuführen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:

Gemäß § 4 Abs.1 BPGG gebühre das Pflegegeld bei Zutreffen der Anspruchsvoraussetzungen ab Vollendung des 3.Lebensjahres, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung der ständige Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) voraussichtlich 6 Monate andauern wird oder würde. Gemäß §§ 4 Abs.2 BPGG gebühre ein Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 für Personen, deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 50 Stunden monatlich betrage; der Stufe 2 für Personen deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 75 Stunden monatlich betrage.Gemäß Paragraph 4, Absatz , BPGG gebühre das Pflegegeld bei Zutreffen der Anspruchsvoraussetzungen ab Vollendung des 3.Lebensjahres, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung der ständige Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) voraussichtlich 6 Monate andauern wird oder würde. Gemäß Paragraphen 4, Absatz , BPGG gebühre ein Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 für Personen, deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 50 Stunden monatlich betrage; der Stufe 2 für Personen deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 75 Stunden monatlich betrage.

Gemäß der Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz BGBl.314/1993 seien für bestimmte Hilfsverrichtungen Stundensätze angegeben, die jeweils auf einen Monat bezogen seien.

Da der Kläger aber sämtliche Arbeiten selbst verrichten könne, bestehe kein Pflegegeldanspruch.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Beweiswürdigung sowie unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt der Kläger darin, daß kein Sachverständigengutachten aus den Bereichen Othopädie, Chirurgie eingeholt worden sei. Wenn das Erstgericht dies getan hätte, wäre es zu einem anderen Ergebnis gelangt. Ferner sei medizinisch bekannt, daß er ständig Schwierigkeiten bei Urinieren habe. Er hätte bereits einen sogenannten Harnstau gehabt und bereite ihm diese Krankheit massive Probleme. Hätte das Erstgericht auch ein Gutachten aus dem Fachbereich der Urulogie eingeholt, wäre es in der Lage gewesen, diesbezügliche Feststellungen zu treffen und wäre nicht auszuschließen, daß auch das Erstgericht in dieser Hinsicht zu einem anderen Ergebnis gelangt sei.

Dazu ist zu bemerken, daß bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Gewährung des Pflegegeldes es nicht auf die detaillierte Feststellung der Leidenszustände ankommt, sondern darauf, auf welche Weise die Fähigkeit zur Ausübung der lebensnotwendigen Verrichtungen insgesamt eingeschränkt ist (vgl.10 Obs 380/90; vgl. SSV-NF 4/68 = 10 Obs 96/90). Nach § 9 Abs.1 der Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz BGBl.1993/314 bildet die Grundlage der Entscheidung ein ärztliches Sachverständigengutachten. Erforderlichenfalls sind zur ganzheitlichen Beurteilung der Pflegesituation Personen aus anderen Bereichen, beispielsweise dem Pflegedienst, der Heil- und Sonderpäthagogik der Sozialarbeit sowie der Psychologie beizuziehen. Daraus folgt, daß dem Erstgericht beizupflichten ist, daß zur Beurteilung der Frage, auf welche Weise die Fähigkeit zur Ausübung der lebensnotwendigen Verrichtungen bei einem Pflegegeldbewerber insgesamt eingeschränkt ist, grundsätzlich die Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der allgemeinen Medizin ausreicht. Nur in Ausnahmefällen wird die Bestellung von Sachverständigen aus anderen Fachbereichen und allenfalls aus dem Bereich des Pflegedienstes Heil- und Sonderpäthagoge sowie der Sozialarbeit sowie der Psychologie erforderlich seien. Das Erstgericht hat vorliegendenfalls nicht nur ein Gutachten aus dem Fachbereich der Allgemeinmedizin, sondern zusätzlich auch ein Gutachten aus dem Fachbereich der Unfallchirurgie und Orthopädie eingeholt. Der Sachverständige aus dem Fachbereich der Unfallchirurgie-Orthopädie Dr.Manfred Riebler hat überdies sein Gutachten in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27.10.1997, S.1, 2 noch erläutert. Der Klagevertreter beantragt zwar die Beiziehung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens hat aber in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27.10.1997 in keiner Weise dargelegt, inwiefern das Gutachten des Sachverständigen Dr.M***** unrichtig und unvollständig sein soll. Dr.M***** hat unmißverständlich darauf hingewiesen, daß die subjektiven Beschwerden des Klägers aufgrund seiner Untersuchung nicht faßbar seien (Protokoll S.2). Für eine Beiziehung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der Urulogie bestand kein Anlaß, weil die in erster Instanz bestellten Sachverständigen eine derartige Untersuchung nicht empfohlen haben und sie ist im übrigen bei der Beurteilung des Pflegegeldes nicht erforderlich, weil es nicht auf die gesundheitlichen Einschränkungen zur Ausübung eines Berufes ankommt, sondern nur zu beurteilen ist, auf welche Weise die Fähigkeit zur Ausübung der lebensnotwendigen Verrichtungen insgesamt beim Kläger eingeschränkt ist. Von einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens kann daher keine Rede sein.Dazu ist zu bemerken, daß bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Gewährung des Pflegegeldes es nicht auf die detaillierte Feststellung der Leidenszustände ankommt, sondern darauf, auf welche Weise die Fähigkeit zur Ausübung der lebensnotwendigen Verrichtungen insgesamt eingeschränkt ist (vgl.10 Obs 380/90; vergleiche SSV-NF 4/68 = 10 Obs 96/90). Nach Paragraph 9, Absatz , der Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz BGBl.1993/314 bildet die Grundlage der Entscheidung ein ärztliches Sachverständigengutachten. Erforderlichenfalls sind zur ganzheitlichen Beurteilung der Pflegesituation Personen aus anderen Bereichen, beispielsweise dem Pflegedienst, der Heil- und Sonderpäthagogik der Sozialarbeit sowie der Psychologie beizuziehen. Daraus folgt, daß dem Erstgericht beizupflichten ist, daß zur Beurteilung der Frage, auf welche Weise die Fähigkeit zur Ausübung der lebensnotwendigen Verrichtungen bei einem Pflegegeldbewerber insgesamt eingeschränkt ist, grundsätzlich die Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der allgemeinen Medizin ausreicht. Nur in Ausnahmefällen wird die Bestellung von Sachverständigen aus anderen Fachbereichen und allenfalls aus dem Bereich des Pflegedienstes Heil- und Sonderpäthagoge sowie der Sozialarbeit sowie der Psychologie erforderlich seien. Das Erstgericht hat vorliegendenfalls nicht nur ein Gutachten aus dem Fachbereich der Allgemeinmedizin, sondern zusätzlich auch ein Gutachten aus dem Fachbereich der Unfallchirurgie und Orthopädie eingeholt. Der Sachverständige aus dem Fachbereich der Unfallchirurgie-Orthopädie Dr.Manfred Riebler hat überdies sein Gutachten in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27.10.1997, S.1, 2 noch erläutert. Der Klagevertreter beantragt zwar die Beiziehung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens hat aber in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27.10.1997 in keiner Weise dargelegt, inwiefern das Gutachten des Sachverständigen Dr.M***** unrichtig und unvollständig sein soll. Dr.M***** hat unmißverständlich darauf hingewiesen, daß die subjektiven Beschwerden des Klägers aufgrund seiner Untersuchung nicht faßbar seien (Protokoll S.2). Für eine Beiziehung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der Urulogie bestand kein Anlaß, weil die in erster Instanz bestellten Sachverständigen eine derartige Untersuchung nicht empfohlen haben und sie ist im übrigen bei der Beurteilung des Pflegegeldes nicht erforderlich, weil es nicht auf die gesundheitlichen Einschränkungen zur Ausübung eines Berufes ankommt, sondern nur zu beurteilen ist, auf welche Weise die Fähigkeit zur Ausübung der lebensnotwendigen Verrichtungen insgesamt beim Kläger eingeschränkt ist. Von einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens kann daher keine Rede sein.

Da sich die Beweisrüge lediglich darin erschöpft, daß das Erstgericht einzig und allein von den beiden vorliegenden medizinischen Gutachten bei seinen Feststellungen ausgehe und meint, aufgrund des Vorbringens des Klägers hätte es eine allfällige Gesundheitsverschlechterung festzustellen gehabt, ist die Beweisrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt. Der Kläger unterläßt es nämlich, wie bereits beim Berufungsgrund der Mängelrüge dargetan wurde, darzustellen, aufgrund welcher anderer Beweismittel und welche Erwägungen die eingeholten Gutachten unrichtig und unvollständig sind.

Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellung des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und unbedenklicher Beweiswürdigung und legt sie seiner Entscheidung zu Grunde (§§ 2 ASGG, 498 ZPO).Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellung des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und unbedenklicher Beweiswürdigung und legt sie seiner Entscheidung zu Grunde (Paragraphen 2, ASGG, 498 ZPO).

Insofern der Kläger in der Rechtsrüge vorbringt, das Erstgericht hätte aufgrund der getroffenen Feststellungen zu einem anderen rechtlichen Ergebnis gelangen müssen, ohne darzustellen, inwiefern die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes unrichtig sein soll, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht. Der Kläger unterstellt bei seiner Rechtsrüge einem ihm vom gewünschten, aber nicht der vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt.

Es war daher der Berufung nicht Folge zu geben. Gemäß § 77 Abs.1 Z 2 lit.b ASGG waren dem Kläger keine Kosten nach Billigkeit zuzuerkennen, weil er im Berufungsverfahren durch einen Verfahrenshelfer vertreten war und somit mit Kosten nicht belastet wird (vgl.SSV 1/19 uva).Es war daher der Berufung nicht Folge zu geben. Gemäß Paragraph 77, Absatz , Ziffer 2, Litera , ASGG waren dem Kläger keine Kosten nach Billigkeit zuzuerkennen, weil er im Berufungsverfahren durch einen Verfahrenshelfer vertreten war und somit mit Kosten nicht belastet wird (vgl.SSV 1/19 uva).

Gemäß § 46 Abs.3 Z 3 ASGG hat der Ausspruch über die Revisionszulässigkeit zu entfallen.Gemäß Paragraph 46, Absatz , Ziffer 3, ASGG hat der Ausspruch über die Revisionszulässigkeit zu entfallen.

Anmerkung

EW00275 07S01628

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:1998:0070RS00162.98I.0715.000

Dokumentnummer

JJT_19980715_OLG0009_0070RS00162_98I0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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