TE OGH 1998/7/15 3Ob402/97g

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.07.1998
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herwig S*****, vertreten durch Hügel, Dallmann & Partner, Rechtsanwälte in Mödling, wider die beklagte Partei Dr.Jarmilla G*****, vertreten durch Dr.Günther Steiner und Dr.Anton Krautschneider, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15.Oktober 1997, GZ 41 R 486/97t-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23.Mai 1997, GZ 43 C 101/95p-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger kündigte am 10.3.1995 der Beklagten die Mietwohnung aus dem Grunde des § 30 Abs 2 Z 6 MRG gerichtlich auf, weil sie diese Wohnung seit längerer Zeit nicht mehr zu Wohnzwecken benütze.Der Kläger kündigte am 10.3.1995 der Beklagten die Mietwohnung aus dem Grunde des Paragraph 30, Absatz 2, Ziffer 6, MRG gerichtlich auf, weil sie diese Wohnung seit längerer Zeit nicht mehr zu Wohnzwecken benütze.

Die Beklagte erhob Einwendungen, beantragte die Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens und brachte vor, der geltend gemachte Kündigungsgrund liege nicht vor; die aufgekündigte Wohnung sei ihre einzige Wohnmöglichkeit in Österreich und werde von ihr nach wie vor ausschließlich für Wohnzwecke benützt. Sie sei derzeit nur aus beruflichen Gründen wegen der Tätigkeit für ihren Dienstgeber in Tschechien während der Woche nicht in Wien.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es stellte fest, die Beklagte arbeite als Prokuristin bei einer in Schwechat situierten Handelsgesellschaft, welche in Prag eine neue Geschäftsstelle eröffnet habe. Aus diesem Grunde sei sie seit Ende 1993 während der Woche in Prag, wo ihr ein 10 m2 großes Zimmer mit Bett und Schrank und eine Dusche zur Verfügung stehe. Sie komme im Regelfall jedes Wochenende nach Wien in die streitverfangene Mietwohnung, um die Kleidung zu tauschen. Danach fahre sie entweder zu Bekannten oder zu ihrem Freund oder in die "Firma". Spätestens Ende 1997 werde sich die Beklagte wieder ständig in der Mietwohnung aufhalten, weil sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bereit sei, die Auslandstätigkeit durchzuführen. Daß ihre Tätigkeit in Tschechien beendet sei, stehe definitiv fest, für sie sei dort bereits ein Vertreter bestellt worden. Sollte ihr "Chef" auf einer Verlängerung (ihrer Auslandstätigkeit) über das Jahresende 1997 hinaus bestehen, würde sie kündigen.

In rechtlicher Hinsicht erwog das Erstgericht, der angezogene Kündigungsgrund liege nicht vor, weil die beruflich bedingte Abwesenheit der Beklagten von der Mietwohnung längstens Ende 1997 beendet sein werde und die Beklagte sodann wieder ständig dort wohnen werde.

Das Gericht zweiter Instanz erkannte die Aufkündigung als wirksam, gab dem Räumungsbegehren statt und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es meinte, die Beweisrüge der Berufung (des Klägers ua gegen die erstgerichtliche Feststellung, die Beklagte werde sich ab Ende 1997 wieder ständig in der Miewohnung aufhalten, weil sie ihre berufliche Tätigkeit im Ausland zu diesem Zeitpunkt beenden werde) aus folgenden rechtlichen Erwägungen nicht behandeln zu müssen:

Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG liege vor, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen regelmäßig verwendet werde, es sei denn, daß der Mieter ... aus beruflichen Gründen abwesend sei. Die Abwesenheit aus beruflichen Gründen stelle insofern eine Ausnahme vom Kündigungsgrund dar, als es sich um eine vorübergehende Nichtbenützung der Wohnung handle. Sei der Mieter demnach aus beruflichen Gründen abwesend, so habe er ein "schutzwürdiges Interesse" an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses darzutun, sohin zu behaupten und zu beweisen, daß in absehbarer Zeit mit Sicherheit mit einer Rückkehr in die aufgekündigte Wohnung zu rechnen sei. Das Erstgericht sei zur rechtlichen Schlußfolgerung gelangt, daß zwar eine regelmäßige Verwendung der aufgekündigten Wohnung zu Wohnzwecken nicht vorliege, der Beklagten jedoch der Beweis gelungen sei, daß sie ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses habe, weil feststehe, daß mit ihrer Rückkehr in die aufgekündigte Wohnung Ende 1997, also in absehbarer Zeit, mit Sicherheit zu rechnen sei. Dabei habe es jedoch übersehen, daß für das Vorliegen des behaupteten Kündigungsgrundes der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Kündigungsgegner maßgeblich sei. Eine jahrelange Abwesenheit aus beruflichen Gründen rechtfertige die Kündigung nur, wenn nicht ein konkreter Rückkehrtermin feststehe. Auf ungewisse, in der Zukunft liegende Möglichkeiten sei jedoch nicht Bedacht zu nehmen. Dies bedeute, daß schon im Zeitpunkt der Aufkündigung ein konkreter Rückkehrtermin feststehen müsse, wobei auf die bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung eingetretenen Umstände nur insoweit Bedacht zu nehmen sei, als daraus Rückschlüsse darauf möglich wären, ob der künftige Bedarf schon nach den Verhältnissen im maßgeblichen Zeitpunkt gegeben gewesen sei. Die Beklagte habe im Verfahren jedoch nie die Behauptung aufgestellt, daß bereits zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung (am 17.3.1995) festgestanden wäre, daß sie Ende 1997, also noch in absehbarer Zeit, in die aufgekündigte Wohnung zurückkehren werde. Die von der Beklagten mehr als eineinhalb Jahre nach Zustellung der Aufkündigung (wohl gemeint: im Rahmen der Parteienvernehmung) geäußerte Absicht, eine Auslandstätigkeit aufzugeben, lasse für sich allein keinesfalls den Schluß zu, daß diese Absicht bereits im Frühjahr 1995 bestanden hätte. Darüber hinaus liege auch eine regelmäßige Verwendung der aufgekündigten Mietwohnung zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz ebenfalls nicht vor. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG sei damit verwirklicht.Der Kündigungsgrund nach Paragraph 30, Absatz 2, Ziffer 6, MRG liege vor, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen regelmäßig verwendet werde, es sei denn, daß der Mieter ... aus beruflichen Gründen abwesend sei. Die Abwesenheit aus beruflichen Gründen stelle insofern eine Ausnahme vom Kündigungsgrund dar, als es sich um eine vorübergehende Nichtbenützung der Wohnung handle. Sei der Mieter demnach aus beruflichen Gründen abwesend, so habe er ein "schutzwürdiges Interesse" an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses darzutun, sohin zu behaupten und zu beweisen, daß in absehbarer Zeit mit Sicherheit mit einer Rückkehr in die aufgekündigte Wohnung zu rechnen sei. Das Erstgericht sei zur rechtlichen Schlußfolgerung gelangt, daß zwar eine regelmäßige Verwendung der aufgekündigten Wohnung zu Wohnzwecken nicht vorliege, der Beklagten jedoch der Beweis gelungen sei, daß sie ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses habe, weil feststehe, daß mit ihrer Rückkehr in die aufgekündigte Wohnung Ende 1997, also in absehbarer Zeit, mit Sicherheit zu rechnen sei. Dabei habe es jedoch übersehen, daß für das Vorliegen des behaupteten Kündigungsgrundes der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Kündigungsgegner maßgeblich sei. Eine jahrelange Abwesenheit aus beruflichen Gründen rechtfertige die Kündigung nur, wenn nicht ein konkreter Rückkehrtermin feststehe. Auf ungewisse, in der Zukunft liegende Möglichkeiten sei jedoch nicht Bedacht zu nehmen. Dies bedeute, daß schon im Zeitpunkt der Aufkündigung ein konkreter Rückkehrtermin feststehen müsse, wobei auf die bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung eingetretenen Umstände nur insoweit Bedacht zu nehmen sei, als daraus Rückschlüsse darauf möglich wären, ob der künftige Bedarf schon nach den Verhältnissen im maßgeblichen Zeitpunkt gegeben gewesen sei. Die Beklagte habe im Verfahren jedoch nie die Behauptung aufgestellt, daß bereits zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung (am 17.3.1995) festgestanden wäre, daß sie Ende 1997, also noch in absehbarer Zeit, in die aufgekündigte Wohnung zurückkehren werde. Die von der Beklagten mehr als eineinhalb Jahre nach Zustellung der Aufkündigung (wohl gemeint: im Rahmen der Parteienvernehmung) geäußerte Absicht, eine Auslandstätigkeit aufzugeben, lasse für sich allein keinesfalls den Schluß zu, daß diese Absicht bereits im Frühjahr 1995 bestanden hätte. Darüber hinaus liege auch eine regelmäßige Verwendung der aufgekündigten Mietwohnung zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz ebenfalls nicht vor. Der Kündigungsgrund des Paragraph 30, Absatz 2, Ziffer 6, MRG sei damit verwirklicht.

Die gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist - wie die folgenden Ausführungen zeigen werden - entgegen der Auffassung der Vorinstanz zulässig und mit ihrem, im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Benützt der Mieter - wie hier die offensichtlich alleinstehende Beklagte - die Mietwohnung wegen beruflicher Abwesenheit nicht (regelmäßig), dann liegt nach herrschender Auffassung der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG wegen eines schutzwürdigen Bewahrungsinteresses nicht vor, wenn in naher Zukunft konkret die Rückkehr des Mieters in die Mietwohnung zu erwarten ist (für viele:Benützt der Mieter - wie hier die offensichtlich alleinstehende Beklagte - die Mietwohnung wegen beruflicher Abwesenheit nicht (regelmäßig), dann liegt nach herrschender Auffassung der Kündigungsgrund des Paragraph 30, Absatz 2, Ziffer 6, MRG wegen eines schutzwürdigen Bewahrungsinteresses nicht vor, wenn in naher Zukunft konkret die Rückkehr des Mieters in die Mietwohnung zu erwarten ist (für viele:

MietSlg 34.470; 40.459; 47.393; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 42 zu § 30). Während der Vermieter das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung der Mietwohnung zu Wohnzwecken nachzuweisen hat, obliegt es dem Mieter, das Vorliegen des schutzwürdigen Interesses trotz fehlender (regelmäßiger) Benützung nachzuweisen (siehe die Nachweise bei Würth/Zingher aaO Rz 39). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hat die Beklagte derartiges Vorbringen im Prozeß erstattet und unter Beweis gestellt (wie die erstgerichtlichen Feststellungen zeigen), hat sie doch in den Einwendungen das Vorliegen des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 6 MRG bestritten, ein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung behauptet und unter anderem durch ihre Parteienvernehmung unter Beweis gestellt, daß sie konkret spätestens Ende 1997 ihre Auslandstätigkeit beenden und wieder in der aufgekündigte Wohnung, ihre einzige gesicherte Wohnmöglichkeit in Österreich, wohnen werde. Wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat (MietSlg 47.393), sind bereits aufgrund eines Vorbringens, der Kündigungsgrund (der Z 6) sei infolge eines dringenden Wohnbedürfnisses nicht gegeben, alle zur verläßlichen Beurteilung dieser Frage notwendigen Tatsachenfeststellungen zu treffen, auch wenn der behauptungs- und beweispflichtige gekündigte Mieter nicht zu jeder in diesen Rahmen fallenden Einzelheit ein konkretes Prozeßvorbringen erstattete. Im Sinne der dargelegten Entscheidung ist die Beklagte im vorliegenden Fall ihrer Behauptungspflicht nachgekommen.MietSlg 34.470; 40.459; 47.393; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 42 zu Paragraph 30,). Während der Vermieter das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung der Mietwohnung zu Wohnzwecken nachzuweisen hat, obliegt es dem Mieter, das Vorliegen des schutzwürdigen Interesses trotz fehlender (regelmäßiger) Benützung nachzuweisen (siehe die Nachweise bei Würth/Zingher aaO Rz 39). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hat die Beklagte derartiges Vorbringen im Prozeß erstattet und unter Beweis gestellt (wie die erstgerichtlichen Feststellungen zeigen), hat sie doch in den Einwendungen das Vorliegen des Kündigungsgrundes des Paragraph 30, Absatz 2, Ziffer 6, MRG bestritten, ein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung behauptet und unter anderem durch ihre Parteienvernehmung unter Beweis gestellt, daß sie konkret spätestens Ende 1997 ihre Auslandstätigkeit beenden und wieder in der aufgekündigte Wohnung, ihre einzige gesicherte Wohnmöglichkeit in Österreich, wohnen werde. Wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat (MietSlg 47.393), sind bereits aufgrund eines Vorbringens, der Kündigungsgrund (der Ziffer 6,) sei infolge eines dringenden Wohnbedürfnisses nicht gegeben, alle zur verläßlichen Beurteilung dieser Frage notwendigen Tatsachenfeststellungen zu treffen, auch wenn der behauptungs- und beweispflichtige gekündigte Mieter nicht zu jeder in diesen Rahmen fallenden Einzelheit ein konkretes Prozeßvorbringen erstattete. Im Sinne der dargelegten Entscheidung ist die Beklagte im vorliegenden Fall ihrer Behauptungspflicht nachgekommen.

Solange daher die in der Berufung des Klägers bekämpfte erstgerichtliche Feststellung (über die spätestens Ende 1997 zu erwartende Rückkehr der Beklagten in die Mietwohnung) Bestand hat, ist die Entscheidung des Erstgerichtes zutreffend, zumal es auf eine regelmäßige Verwendung der Mietwohung zu Wohnzwecken durch die Beklagte oder andere Personen in diesem Zusamamenhang nicht ankommt. Das Gericht zweiter Instanz wird sohin im fortgesetzten Verfahren die diesbezügliche Beweisrüge zu behandeln haben. Dies erfordert die Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und die Rückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur dargestellten Erledigung der Berufung.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E50795 03A04027

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0030OB00402.97G.0715.000

Dokumentnummer

JJT_19980715_OGH0002_0030OB00402_97G0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten