TE Vfgh Beschluss 2002/6/11 G189/01 ua

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Oö BauO 1994 §1 Abs3 Z13
Oö BautechnikG §29 Abs4

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung von Bestimmungen der Oö BauO 1994 und des Oö BautechnikG mangels rechtlicher Betroffenheit; kein Eingriff in subjektive Rechte durch Vorschriften betreffend die Unanwendbarkeit des Baurechts auf Lärm- und Schallschutzwände

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.      1. Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Einschreiter die

kostenpflichtige Aufhebung des "§1 Abs3 Z13 OÖ BauO ... [und] §29

Abs4 OÖ BauTG als verfassungswidrig".

Die zur Aufhebung beantragten Gesetzesbestimmungen lauten:

§1 Abs3 Z13 Oö. BauO 1994 idF LGBl. 70/1998:

"(3) Dieses Landesgesetz gilt nicht für

...

13. Lärm- und Schallschutzwände, die nach anderen Rechtsvorschriften vorgesehen sind oder errichtet werden;"

§29 Abs4 Oö. Bautechnikgesetz (BauTG) in der Stammfassung, LGBl. 67/1994:

"(4) Lärm- und Schallschutzwände, die nach anderen Rechtsvorschriften vorgesehen sind oder errichtet werden, sowie Stützmauern einschließlich allfälliger Absturzsicherungen gelten nicht als Einfriedungen oder Lärm- und Schallschutzwände im Sinn dieses Landesgesetzes."

Zwischen der Liegenschaft des Antragstellers und einer angrenzenden solle eine Lärmschutzwand verlaufen. Diesbezüglich sei um die Erteilung einer gewerbebehördlichen Genehmigung im Rahmen einer Änderung einer bestehenden Betriebsanlage und der Errichtung einer Betriebsanlage angesucht worden.

Zu seiner Antragslegitimation bringt der Antragsteller vor, daß er durch beiden Bestimmungen unmittelbar in seinen Rechten verletzt sei und diese Bestimmungen ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder einer Erlassung eines Bescheides für ihn wirksam geworden seien. Es gebe für den Antragsteller keine Möglichkeit, die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen in einem Bauverfahren geltend zu machen, da aufgrund der ausdrücklich erklärten Unanwendbarkeit der Oö. BauO 1994 und des Oö. BauTG hinsichtlich solcher Lärm- und Schallschutzwände ein Bauverfahren gar nicht eingeleitet werden könne. Auch in jenen Verfahren, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften geführt werden, sei diese Möglichkeit nicht gegeben, da die angefochtenen Bestimmungen in jenen Verfahren nicht anwendbar seien.

Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen führt der Antragsteller aus, daß es an jeder sachlichen Rechtfertigung für eine Differenzierung zwischen Lärmschutzwänden fehlen würde, die der Oö. BauO 1994 oder dem Oö. BauTG unterliegen, und solchen, die nach anderen Rechtsvorschriften vorgesehen oder errichtet werden und bei denen daher die Oö. BauO 1994 und das Oö. BauTG nicht anzuwenden sind.

2. Die Oberösterreichische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung des Individualantrages beantragt.

Die Oberösterreichische Landesregierung hält den vorliegenden Antrag für unzulässig:

Der Antrag werde der kraft §62 Abs1 VfGG erforderlichen genauen Bezeichnung der angefochtenen Bestimmungen nicht gerecht. Der Antragsteller nennt die konkret von ihm bekämpfte Fassung der Bestimmungen nicht, sondern gibt diese bloß wörtlich wieder, was aber nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht genüge.

Der Antrag, §1 Abs3 Z13 Oö. BauO 1994 und §29 Abs4 Oö. BauTG jeweils zur Gänze zu beheben, erweise sich ferner in mehrfacher Hinsicht als überschießend: Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes könnte der Antragsteller allenfalls durch den Passus hinsichtlich der Lärm- und Schallschutzwände in §29 Abs4 Oö. BauTG unmittelbar in seinen Rechten betroffen sein, nicht jedoch durch den weiteren Norminhalt betreffend "Stützmauern einschließlich allfälliger Absturzsicherungen". Hinsichtlich des §1 Abs3 Z13 Oö. BauO 1994 könnte der Antragsteller allenfalls entweder durch eine Lärm- und Schallschutzwand unmittelbar in seinen Rechten betroffen sein, die nach anderen Rechtsvorschriften vorgesehen ist, oder aber durch eine Lärm- und Schallschutzwand, die nach anderen Rechtsvorschriften errichtet wird. "Vorgesehen" sei eine Lärmschutzwand etwa dann, wenn sie als durchzuführende Maßnahme dezidiert in anderen Rechtsvorschriften normiert ist, während sie in allen sonstigen Fällen lediglich nach diesen Rechtsvorschriften errichtet werde (zB nach der GewO 1994).

Hinsichtlich dieser angesprochenen Teile der angefochtenen Bestimmungen würde auch eine Darlegung der Bedenken im Einzelnen fehlen.

Der Antragsteller könne auch durch die Errichtung selbst einer Lärm- und Schallschutzwand in keinem in den Oö. Bauvorschriften normierten subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht verletzt sein. Es gebe keine gesetzlichen (Mindest-)Abstands- und Höhenbeschränkungen für Lärm- und Schallschutzwände, die gegenüber einem privaten Nachbarn errichtet werden. Die vermeintlichen Nachbarrechte in Bezug auf Belichtung, Belüftung und Besonnung seien lediglich "Reflex"-Rechte aus allfälligen (Mindest-)Abstands- und Höhenbeschränkungsvorschriften. Weiters kämen einem Nachbarn hinsichtlich statischer Belange, etwaiger Orts- und Landschaftsbildstörungen keine wie immer gearteten subjektiven Rechte zu.

Schließlich sei die geforderte Unmittelbarkeit eines allfälligen Eingriffes in die Rechtssphäre des Antragstellers nicht gegeben und stünde dem Antragsteller ein Umweg durch Erwirkung eines Bescheides bzw. durch eine Bauverbotsklage nach §340 ABGB zur Verfügung.

Bezugnehmend auf die inhaltlichen Bedenken gegen die bekämpften Bestimmungen versucht die Oberösterreichische Landesregierung deren Sachlichkeit zu rechtfertigen.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des behaupteterweise rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht.

2. Dem Antrag kann zwar - da die angefochtenen Bestimmungen jeweils nicht novelliert worden sind - mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, auf welche Gesetzesbestimmungen er sich bezieht; er erweist sich trotzdem als unzulässig:

Voraussetzung der Antragslegitimation im Normenprüfungsverfahren ist, daß die angefochtene Norm nicht bloß faktische Wirkungen zeitigt, sondern die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt, also in deren Rechtssphäre eingreift und diese im Falle ihrer Rechtswidrigkeit verletzt. Anfechtungsberechtigt ist demnach nur eine Person, an oder gegen die sich die angefochtene Norm wendet (vgl. VfSlg. 11.369/1987, 13.869/1994, 14.274/1995, 15.390/1998).

3. Mit seinem Vorbringen vermag der Antragsteller nicht darzutun, daß eine ihm eingeräumte Rechtsposition durch die angefochtenen Gesetzesbestimmungen betroffen wird. Der Antragsteller behauptet zwar, "unmittelbar in seinen Rechten verletzt" zu sein, begründet dies aber bloß damit, daß "die angefochtenen Bestimmungen dazu führen, dass die OÖ BauO und das OÖ BauTG auf derartige Lärm- und Schallschutzwände überhaupt nicht anzuwenden" sei.

Dem Antragsteller ist Recht zu geben, daß die angefochtenen Bestimmungen die Anwendung der Oö. BauO 1994 und des Oö. BauTG für in anderen Rechtsvorschriften vorgesehene oder nach diesen errichtete Lärm- und Schallschutzwände ausschließen.

Eine Vorschrift, die die Unanwendbarkeit des Baurechts auf bestimmte, anderweitig geregelte Maßnahmen festlegt, daher für derartige Maßnahmen gerade keine baurechtlichen Regelungen trifft, greift in niemandes subjektive Rechte ein. Aus dem Umstand, daß eine Person ein faktisches Interesse an einer - baurechtlich eben nicht geltenden - Regelung hat und behauptet, kann nicht abgeleitet werden, daß ein Eingriff in die Rechtssphäre jener Person vorliegt.

Durch die angefochtenen Normen, die gerade die fehlende Geltung eines baurechtlichen Regimes für anderweitig geregelte Lärmschutzwände zum Gegenstand haben, wurde daher auch die Rechtssphäre des Antragstellers nicht berührt, geschweige denn in eine solche eingegriffen. Daher fehlt es dem Antragsteller hinsichtlich dieser von ihm bekämpften Normen an der Anfechtungsberechtigung.

Der Antrag war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Baurecht, Rechte subjektive, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G189.2001

Dokumentnummer

JFT_09979389_01G00189_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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