Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juli 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Köberl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hamdi D***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 14 Vr 130/98 des Landesgerichtes Wels, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 18.Juni 1998, AZ 7 Bs 176/98 (= ON 117), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juli 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Köberl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hamdi D***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach Paragraph 207, Absatz eins, erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 14 römisch fünf r 130/98 des Landesgerichtes Wels, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 18.Juni 1998, AZ 7 Bs 176/98 (= ON 117), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Durch den angefochtenen Beschluß wurde Hamdi D***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Hamdi D***** befindet sich seit 5.Feber 1998 (Festnahme am 3.Feber 1998) in Untersuchungshaft. Nach der am 15.Juni 1998 eingebrachten, nunmehr seit 8.Juli 1998 (ON 125) rechtskräftigen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wels (ON 105) ist er der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB, der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB verdächtig.Hamdi D***** befindet sich seit 5.Feber 1998 (Festnahme am 3.Feber 1998) in Untersuchungshaft. Nach der am 15.Juni 1998 eingebrachten, nunmehr seit 8.Juli 1998 (ON 125) rechtskräftigen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wels (ON 105) ist er der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach Paragraph 207, Absatz eins, erster Fall StGB, der Vergewaltigung nach Paragraph 201, Absatz 2, StGB und der schweren Nötigung nach Paragraphen 105, Absatz eins,, 106 Absatz eins, Ziffer eins, StGB verdächtig.
Darnach hat er in der Zeit seit 1990 bis Feber 1997 jeweils in Marchtrenk in wiederholten Angriffen
1) teils mehrmals wöchentlich unmündige Personen, und zwar Serife D*****, geboren am 12.März 1981, und Sefika D*****, geboren am 11. April 1982 - die beiden Genannten jeweils bis zum Erreichen ihrer Mündigkeit - sowie Pinar D*****, geboren am 27.März 1990, dadurch auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, daß er insbesondere Serife und Sefika D***** aufforderte, sich auszuziehen, oder er die beiden Mädchen auszog, sie abschmuste, sie im Bereich der Brüste und im Scheidenbereich betastete, seinen entblößten Penis am Geschlechtsteil der beiden Mädchen solange rieb, bis er zum Samenerguß kam, und er spätestens ab Sommer 1996 auch Pinar D***** teils über, teils unter der Kleidung im Bereich der Brust betastete und streichelte und sie zwischen den Beinen ausgriff;
2) im Zuge der zu 1) geschilderten Tathandlungen durch das dort genannte Reiben seines entblößten Gliedes am Geschlechsteil der beiden Mädchen Serife und Sefika D***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt, nämlich durch Versetzen von Schlägen und Ohrfeigen, zur Duldung von dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlungen genötigt;2) im Zuge der zu 1) geschilderten Tathandlungen durch das dort genannte Reiben seines entblößten Gliedes am Geschlechsteil der beiden Mädchen Serife und Sefika D***** außer dem Fall des Paragraph 201, Absatz eins, StGB mit Gewalt, nämlich durch Versetzen von Schlägen und Ohrfeigen, zur Duldung von dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlungen genötigt;
3) Serife und Sefika D***** durch die sinngemäße Äußerung, er werde sie umbringen, und sie würden nicht mehr auf der Welt sein, wenn sie ihren Eltern etwas erzählten, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung, nämlich dazu genötigt, ihren Eltern nicht von den zu 1) geschilderten Vorfällen zu berichten.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht Linz - nach wiederholten von Hamdi D***** erfolglos mit Beschwerde bekämpften Haftentscheidungen des Landesgerichtes Wels (ON 19, 36, 44, 63) - einer Beschwerde des Hamdi D***** gegen den Beschluß der Untersuchungsrichterin vom 26.Mai 1998 (ON 93) abermals nicht Folge gegeben und die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO angeordnet.Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht Linz - nach wiederholten von Hamdi D***** erfolglos mit Beschwerde bekämpften Haftentscheidungen des Landesgerichtes Wels (ON 19, 36, 44, 63) - einer Beschwerde des Hamdi D***** gegen den Beschluß der Untersuchungsrichterin vom 26.Mai 1998 (ON 93) abermals nicht Folge gegeben und die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach Paragraph 180, Absatz 2, Ziffer eins und 3 Litera a und b StPO angeordnet.
Dagegen richtet sich die fristgerecht vom Angeklagten erhobene Grundrechtsbeschwerde:
Rechtliche Beurteilung
Eine Grundrechtsbeschwerde ist binnen 14 Tagen ab dem Tag, an dem der Betroffene von der Entscheidung oder Verfügung Kenntnis erlangt hat, einzubringen (§ 4 Abs 1 GRBG).Eine Grundrechtsbeschwerde ist binnen 14 Tagen ab dem Tag, an dem der Betroffene von der Entscheidung oder Verfügung Kenntnis erlangt hat, einzubringen (Paragraph 4, Absatz eins, GRBG).
Der Begriff dieser (passiven) Kenntniserlangung entspricht inhaltlich bei sinnvoller Auslegung jenem der (aktiven) Bekanntmachung iS des § 77 Abs 1 StPO, und erfordert demgemäß eine mündliche Verkündung der gerichtlichen Verfügung vor Gericht oder Zustellung der Urschrift oder einer amtlich beglaubigten Abschrift (§ 77 Abs 1 StPO), läßt dagegen eine Kenntnisnahme in anderer Weise, also etwa durch eine Mitteilung über Dritte, für die (förmliche) Bekanntmachung als notwendige Basis für die Ingangsetzung der Frist nicht genügen.Der Begriff dieser (passiven) Kenntniserlangung entspricht inhaltlich bei sinnvoller Auslegung jenem der (aktiven) Bekanntmachung iS des Paragraph 77, Absatz eins, StPO, und erfordert demgemäß eine mündliche Verkündung der gerichtlichen Verfügung vor Gericht oder Zustellung der Urschrift oder einer amtlich beglaubigten Abschrift (Paragraph 77, Absatz eins, StPO), läßt dagegen eine Kenntnisnahme in anderer Weise, also etwa durch eine Mitteilung über Dritte, für die (förmliche) Bekanntmachung als notwendige Basis für die Ingangsetzung der Frist nicht genügen.
Einhelliger Judikatur zu § 179 Abs 2 StPO folgend kann einer durch einen Verteidiger vertretenen Partei ein Aktenstück, von dessen Behändigung für sie eine Rechtsmittelfrist läuft, nur an ihren Verteidiger rechtswirksam zugestellt werden (Foregger/Kodek StPO7 § 79 Anm II 1 c mwN).Einhelliger Judikatur zu Paragraph 179, Absatz 2, StPO folgend kann einer durch einen Verteidiger vertretenen Partei ein Aktenstück, von dessen Behändigung für sie eine Rechtsmittelfrist läuft, nur an ihren Verteidiger rechtswirksam zugestellt werden (Foregger/Kodek StPO7 Paragraph 79, Anmerkung römisch II 1 c mwN).
Demzufolge war die am 6.Juli 1998, also am 14.Tag nach der nachweislich am 24.Juni 1998 (ON 117) erfolgten Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Verteidiger, durch persönliche Überreichung beim Landesgericht Wels eingebrachte Grundrechtsbeschwerde (ON 123) - ungeachtet der schon am 5.Juli 1998 erfolgten Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Angeklagten selbst - rechtzeitig.
Diese Grundrechtsbeschwerde, mit der sich der Angeklagte gegen die Annahme des dringenden Tatverdachtes und des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr wendet und mit den Argumenten einer Substituierbarkeit des Haftgrundes der Fluchtgefahr durch gelindere Mittel sowie einer unver- hältnismäßigen Dauer der Untersuchungshaft eine Verletzung im Grundrecht auf persönliche Freiheit behauptet, ist indes nicht berechtigt.
Der dringende Tatverdacht ist aus den in der Anklageschrift ausführlich dargelegten Gründen, insbesondere im Blick auf die Angaben der betroffenen Mädchen gegenüber dritten Personen und im Vorverfahren in Verbindung mit den Ausführungen der beigezogenen Kinder- und Jugend- psychologin, einwandfrei gegeben. Der Beschwerdeeinwand, wonach Zeuginnen "aus dem engsten Familienkreis" keine unmittelbaren Beobachtungen über sexuelle Übergriffe des Angeklagten gemacht hätten, muß demgegenüber ebenso bedeutungslos bleiben, wie das Anführen eines möglichen Belastungsmotivs im Zusammenhang mit der besonderen Bedeutung vorehelicher Jungfräulichkeit im türkischen Kulturkreis, einer versuchten Wertung des Gutachtens und der Vorwurf mangelhafter Voruntersuchung.
Zu Recht hat das Oberlandesgericht den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO angenommen und als durch gelindere Mittel nicht substituierbar erachtet:Zu Recht hat das Oberlandesgericht den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach Paragraph 180, Absatz 2, Ziffer 3, Litera a und b StPO angenommen und als durch gelindere Mittel nicht substituierbar erachtet:
Die über Jahre fortgesetzt an mehreren unmündigen Mädchen vorgenommenen massiven Mißbrauchshandlungen des Angeklagten zwingen zur Annahme einer ausgeprägten Neigung zur Vornahme intensiver geschlechtlicher Handlungen an Unmündigen. Diese rechtfertigt die Annahme erhöhter Gefahr, der Beschwerdeführer werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens neuerlich eine strafbare Handlung mit schweren (Z 3 lit a) oder zumindest mit nicht bloß leichten Folgen (Z 3 lit b) begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist, wie die ihm nunmehr angelasteten strafbaren Handlungen mit schweren Folgen. Angesichts der solcherart gefährlichen Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten können auch gelin- dere Mittel nicht als ausreichend angesehen werden, den Haftzweck zu erreichen.Die über Jahre fortgesetzt an mehreren unmündigen Mädchen vorgenommenen massiven Mißbrauchshandlungen des Angeklagten zwingen zur Annahme einer ausgeprägten Neigung zur Vornahme intensiver geschlechtlicher Handlungen an Unmündigen. Diese rechtfertigt die Annahme erhöhter Gefahr, der Beschwerdeführer werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens neuerlich eine strafbare Handlung mit schweren (Ziffer 3, Litera a,) oder zumindest mit nicht bloß leichten Folgen (Ziffer 3, Litera b,) begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist, wie die ihm nunmehr angelasteten strafbaren Handlungen mit schweren Folgen. Angesichts der solcherart gefährlichen Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten können auch gelin- dere Mittel nicht als ausreichend angesehen werden, den Haftzweck zu erreichen.
Eine Erörterung des Haftgrundes der Fluchtgefahr erübrigt sich im Hinblick auf das Vorliegen des vorerwähnten Haftgrundes (vgl Mayrhofer/E.Steininger GRBG § 2 Rz 57 mwN; Hager/Holzweber GRBG § 2 E 24 f).Eine Erörterung des Haftgrundes der Fluchtgefahr erübrigt sich im Hinblick auf das Vorliegen des vorerwähnten Haftgrundes vergleiche Mayrhofer/E.Steininger GRBG Paragraph 2, Rz 57 mwN; Hager/Holzweber GRBG Paragraph 2, E 24 f).
Schließlich versagt auch der Einwand unangemessener Dauer der Untersuchungshaft, weil nach der derzeitigen Sachlage eine Strafdrohung von sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe besteht (§ 207 Abs 1 erster Fall StGB, § 201 Abs 2 StGB), sodaß die bisher in vorläufiger Verwahrung und Untersuchungshaft verbrachte Zeit zu der im Falle eines Schuldspruches zu erwartenden Strafe in keinem Mißverhältnis steht (§§ 180 Abs 1, 193 Abs 2 StPO).Schließlich versagt auch der Einwand unangemessener Dauer der Untersuchungshaft, weil nach der derzeitigen Sachlage eine Strafdrohung von sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe besteht (Paragraph 207, Absatz eins, erster Fall StGB, Paragraph 201, Absatz 2, StGB), sodaß die bisher in vorläufiger Verwahrung und Untersuchungshaft verbrachte Zeit zu der im Falle eines Schuldspruches zu erwartenden Strafe in keinem Mißverhältnis steht (Paragraphen 180, Absatz eins,, 193 Absatz 2, StPO).
Der Angeklagte wurde demnach durch den angefochtenen Beschluß in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.Der Angeklagte wurde demnach durch den angefochtenen Beschluß in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenzuspruch (Paragraph 8, GRBG) abzuweisen war.
Anmerkung
E51025 14D01028European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1998:0140OS00102.98.0728.000Dokumentnummer
JJT_19980728_OGH0002_0140OS00102_9800000_000