TE Vfgh Beschluss 2002/6/11 B1121/01

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33

Leitsatz

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrages aufgrund Vorliegen eines Versehens bloß minderen Grades bei unrichtiger Vormerkung eines Termins

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 2001, B506/01-3, wurde die von den nunmehrigen Antragstellern eingebrachte Beschwerde nach Art144 B-VG gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 6. Februar 2001, Z BauR-012677/3-2001-Um/Vi, wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist gemäß §82 Abs1 VfGG zurückgewiesen.

2.1. Die Antragsteller begehren nunmehr mit einem am 6. August 2001 zur Post gegebenen, beim Verfassungsgerichtshof zu B1121/01 protokollierten Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der genannten Frist. Unter einem wird gegen den obzitierten Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 6. Februar 2001 neuerlich Beschwerde erhoben.

2.2. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird im wesentlichen ausgeführt, die Frist zur Einbringung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof habe am 23. März 2001 geendet. Durch ein Versehen des die Beschwerdeführer vertretenden Rechtsanwaltes sei die Beschwerdefrist jedoch nicht am 23. März 2001, sondern am 30. März 2001, also exakt eine Woche später, im Terminkalender eingetragen worden.

Der Terminkalender sei in der Kanzlei des Rechtsanwaltes so aufgebaut, daß er in aufgeschlagenem Zustand jeweils eine ganze Arbeitswoche darstelle. Zur Fristeintragung müsse man daher bei Wochenfristen für jede Woche einer Frist einmal umblättern, die Anzahl der Wochen einer Frist mitzählen und das Fristende dann mit dem gleichen Wochentag eintragen, an dem auch die Zustellung erfolgt sei. Im gegenständlichen Fall seien offenbar irrtümlich einmal zwei Blätter des Terminkalenders zugleich umgeblättert, aber nur einmal weitergezählt worden, sodaß die Beschwerde nicht nach sechs Wochen, sondern unrichtigerweise nach sieben Wochen (also nicht am 23. März 2001, sondern erst am 30. März 2001) im Terminkalender eingetragen worden sei. Die Beschwerde sei entsprechend der Eintragung im Terminkalender verfaßt und abgefertigt worden, sodaß es durch die irrtümlich unrichtige Eintragung zur Fristversäumnis gekommen sei.

Ein solcher Fehler sei dem Vertreter der Beschwerdeführer in seiner gesamten bisherigen Tätigkeit als seit Herbst 1989 eingetragener Rechtsanwalt noch nicht unterlaufen. Es handle sich bei diesem Fehler um einen solchen, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufen könne. Die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof sei sohin auf ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis zurückzuführen, wobei ein allfälliges Verschulden der Beschwerdeführer bzw. ihres Vertreters im konkreten Fall einen minderen Grad des Versehens darstelle.

Erst durch die Zustellung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 2001, B506/01-3, betreffend die Zurückweisung der Beschwerde, die am 23. Juli 2001, erfolgt sei, hätten die Beschwerdeführer und der diese vertretende Rechtsanwalt Kenntnis von der verspäteten Einbringung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erlangt. Die Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages habe daher am 23. Juli 2001 zu laufen begonnen.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist begründet.

1.1. Da das VfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. zB VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988, 12.261/1990, 12.372/1990, 13.528/1993, 14.157/1995).

1.2. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von 14 Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Offenbar verspätet eingebrachte Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen (§148 Abs3 ZPO).

Die Frist - sie begann am 23. Juli 2001 zu laufen - wurde im gegenständlichen Fall gewahrt (Postaufgabe des Wiedereinsetzungsantrages war am 6. August 2001).

2. Der Verfassungsgerichtshof sieht nach Lage des Falles keinen Grund, das - durch eine Erklärung an Eides Statt bescheinigte - Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, demzufolge es zu einem Fehler beim Vormerken der Frist durch den Rechtsvertreter kam, der diesem in seiner bisherigen Tätigkeit als seit 1989 eingetragener Rechtsanwalt noch nicht unterlaufen ist.

Eine solcherart unrichtige Vormerkung des Termins für den Ablauf einer Frist wurde in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wiederholt als Nachlässigkeit qualifiziert, die gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht und die damit auf einem - die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindernden - minderen Grad des Versehens iSd §146 Abs1 ZPO beruht (siehe insb. VfSlg. 10.771/1986, aber auch 11.427/1987, 11.537/1987 und VfGH 7.10.1998, B1138/98). Den in der vorliegenden Sache Bevollmächtigten der Antragsteller, für den die Verschuldensregel des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (§39 ZPO), trifft kein leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden.

3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß §33 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung zu bewilligen.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1121.2001

Dokumentnummer

JFT_09979389_01B01121_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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