TE OGH 1998/8/13 2Ob211/98p

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Veröffentlicht am 13.08.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Dr.Eva Posch, Rechtsanwältin in Innsbruck, wider die beklagte Partei Bernd R*****, vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 16.110 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 20.Mai 1998, GZ 1 R 783/97x-21, womit die Erklärung der beklagten Partei, den von ihr am 26.3.1998 vor dem Berufungsgericht geschlossenen Vergleich zu widerrufen, als verspätet zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

In der vor dem Landesgericht Innsbruck durchgeführten Berufungsverhandlung vom 26.3.1998 schlossen die Parteien den Vergleich, womit sich der Beklagte verpflichtete, der Klägerin S 8.000 zu zahlen und S 700 Barauslagen zu ersetzen. Dieser Vergleich sollte nach dem weiteren Vergleichstext rechtswirksam werden, sofern er nicht von einem der Streitteile bis spätestens 23.4.1998 "(Postaufgabedatum, adressiert an das Landesgericht Innsbruck)" widerrufen wird. Am 23.4.1998 überreichte der Beklagte in der Vereinigten Einlaufstelle des Landes- und Bezirksgerichtes Innsbruck durch seinen Vertreter einen als "Vergleichswiderruf" bezeichneten Schriftsatz, in dem er mitteilte, daß der in der Berufungsverhandlung vom 26.3.1998 bedingt abgeschlossene Vergleich widerrufen werde. Der Schriftsatz war "an das Bezirksgericht 6020 Innsbruck, Museumstraße 34" adressiert. Die Vereinigte Einlaufstelle des Landes- und Bezirksgerichtes Innsbruck befindet sich in Innsbruck, Maximilianstraße 4. Nach der teilweisen Übersiedlung des Bezirksgerichtes Innsbruck in die Museumstraße 34 befinden sich noch einzelne Abteilungen im Gebäude Maximilianstraße 4, weshalb dort auch noch eine Vereinigte Einlaufstelle unterhalten wird.

Von dieser Einlaufstelle (Innsbruck, Maximilianstraße 4) wurde der Schriftsatz gemäß der auf ihm angebrachten Geschäftszahl "12 C 592/97a" und der Adressierung an das Bezirksgericht Innsbruck (Museumstraße 34) weitergeleitet. Am 24.4.1998 verfügte die Leiterin der Gerichtsabteilung 12 dieses Gerichtes die Übermittlung des Schriftsatzes an das Landesgericht Innsbruck "im Nachhang zu dem bereits übermittelten Akt 12 C 592/97a". Der Schriftsatz langte am 24.4.1998 neuerlich in der Vereinigten Einlaufstelle des Landes- und Bezirksgerichtes Innsbruck, Maximilianstraße 4, ein.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht den Vergleichswiderruf als verspätet zurück. Der Vergleich hätte nach der Parteienvereinbarung dann wirksam werden sollen, wenn er nicht bis zum 23.4.1998 mittels Schriftsatzes, adressiert an das Landesgericht Innsbruck, widerrufen wird. Der Widerruf wäre rechtzeitig, wenn die Partei einen solchen Schriftsatz entweder am genannten Tag zur Post gegeben oder in der Einlaufstelle des Landesgerichtes Innsbruck überreicht hätte. Der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich beende den gegenständlichen Rechtsstreit, weil der Vergleichswiderruf nicht in der vereinbarten Form erfolgt sei. Die Parteien hätten ausdrücklich bedungen, daß der Schriftsatz über den Vergleichswiderruf "an das Landesgericht Innsbruck" zu adressieren sei. Im Zweifel müsse die Abrede über die Form des Vergleichswiderrufes als prozeßrechtliche Vereinbarung angesehen werden. Nur wenn der Widerruf der prozeßrechtlichen Vereinbarung entspreche, trete die prozeßbeendigende Wirkung des Prozeßvergleiches nicht ein. Ein Verbesserungsverfahren nach Ablauf der Frist sei unzulässig. Die Widerrufsfrist sei eine prozessuale und materiellrechtliche Frist, weshalb sie nicht erstreckbar und auch nicht restituierbar sei. Der Vergleichswiderruf sei als verspätet zurückzuweisen gewesen, weil er nicht der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung entspreche und ein Verbesserungsverfahren wegen Ablaufs der Frist nicht mehr zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Beklagten erhobene Rekurs ist zulässig, weil der angefochtene Beschluß der Zurückweisung der Berufung gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO gleichzuhalten ist (2 Ob 391/97g); er ist auch berechtigt.Der dagegen vom Beklagten erhobene Rekurs ist zulässig, weil der angefochtene Beschluß der Zurückweisung der Berufung gemäß Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO gleichzuhalten ist (2 Ob 391/97g); er ist auch berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist die Vereinbarung einer Frist für den Widerruf eines bedingt abgeschlossenen gerichtlichen Vergleiches nicht verfahrensrechtlicher Natur. Es handelt sich vielmehr um eine zwischen den Parteien vereinbarte Ausschlußfrist mit materiellrechtlicher Wirkung. Die §§ 126 ZPO oder 89 Abs 1 GOG sind daher auf die Fristberechnung grundsätzlich nicht anzuwenden (SZ 42/26; 6 Ob 1697/93; 9 ObA 23/96; 2 Ob 391/97g). Haben die Parteien nicht ausdrücklich vereinbart, bei welchem Gericht der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens und die Widerrufserklärung einzubringen ist, so genügt die Einbringung eines solchen Schriftsatzes beim Erstgericht (Arb 8655 = EvBl 1970/134 = JBl 1971, 479 uva).Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist die Vereinbarung einer Frist für den Widerruf eines bedingt abgeschlossenen gerichtlichen Vergleiches nicht verfahrensrechtlicher Natur. Es handelt sich vielmehr um eine zwischen den Parteien vereinbarte Ausschlußfrist mit materiellrechtlicher Wirkung. Die Paragraphen 126, ZPO oder 89 Absatz eins, GOG sind daher auf die Fristberechnung grundsätzlich nicht anzuwenden (SZ 42/26; 6 Ob 1697/93; 9 ObA 23/96; 2 Ob 391/97g). Haben die Parteien nicht ausdrücklich vereinbart, bei welchem Gericht der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens und die Widerrufserklärung einzubringen ist, so genügt die Einbringung eines solchen Schriftsatzes beim Erstgericht (Arb 8655 = EvBl 1970/134 = JBl 1971, 479 uva).

Andererseits wurde zufolge der Doppelnatur des gerichtlichen Vergleiches ausgesprochen, daß die Frage, ob ein Vergleich einen Prozeß beendet, ausschließlich nach Prozeßrecht, die Frage dagegen, ob ein verpflichtender Vertrag zustandegekommen ist, ausschließlich nach materiellem Recht zu beurteilen ist (JBl 1977, 428 [Sprung]). Die Vereinbarung über die Form des Widerrufs eines gerichtlichen Vergleichs ist im Zweifel als prozeßrechtliche Vereinbarung anzusehen (JBl 1977, 428 [Sprung]; AnwBl 1980, 122 [Fenzl]; zuletzt 9 ObA 23/96). Wie der Oberste Gerichtshof zur Rechtzeitigkeit von Rechtsmitteln wiederholt ausgesprochen hat (SZ 23/394; RZ 1991/31; 7 Ob 2071/96a; 2 Ob 391/97g), schadet die unrichtige Adressierung eines Rechtsmittels an ein Gericht dann nicht, wenn die Einlaufstelle dieses Gerichts im Sinne des § 37 Abs 2 Geo mit der desjenigen Gerichtes vereinigt ist, an welches das Rechtsmittel zu richten gewesen wäre. Zufolge der prozeßrechtlichen Natur der Vereinbarung der Formvorschriften für den Widerruf eines bedingten Vergleichs, die sich hier auch aus der Vereinbarung der Streitteile über die Nichtberücksichtigung des Postlaufes (vgl § 89 GOG) ergibt, ist diese Rechtsprechung auch anwendbar, wenn der Vergleichswiderruf - entgegen der im bedingt abgeschlossenen Vergleich getroffenen Vereinbarung - nicht an das Berufungsgericht, sondern - offenbar irrtümlich - an das Prozeßgericht erster Instanz adressiert wurde. Mit dem am letzten Tag der Frist bei der Vereinigten Einlaufstelle des Erstgerichts und des Berufungsgerichts überreichten Widerrufsschriftsatz wurde der Vergleichsabschluß daher ungeachtet der Vereinbarung, daß der Widerruf des Vergleichs an das Berufungsgericht zu richten ist, wirksam widerrufen.Andererseits wurde zufolge der Doppelnatur des gerichtlichen Vergleiches ausgesprochen, daß die Frage, ob ein Vergleich einen Prozeß beendet, ausschließlich nach Prozeßrecht, die Frage dagegen, ob ein verpflichtender Vertrag zustandegekommen ist, ausschließlich nach materiellem Recht zu beurteilen ist (JBl 1977, 428 [Sprung]). Die Vereinbarung über die Form des Widerrufs eines gerichtlichen Vergleichs ist im Zweifel als prozeßrechtliche Vereinbarung anzusehen (JBl 1977, 428 [Sprung]; AnwBl 1980, 122 [Fenzl]; zuletzt 9 ObA 23/96). Wie der Oberste Gerichtshof zur Rechtzeitigkeit von Rechtsmitteln wiederholt ausgesprochen hat (SZ 23/394; RZ 1991/31; 7 Ob 2071/96a; 2 Ob 391/97g), schadet die unrichtige Adressierung eines Rechtsmittels an ein Gericht dann nicht, wenn die Einlaufstelle dieses Gerichts im Sinne des Paragraph 37, Absatz 2, Geo mit der desjenigen Gerichtes vereinigt ist, an welches das Rechtsmittel zu richten gewesen wäre. Zufolge der prozeßrechtlichen Natur der Vereinbarung der Formvorschriften für den Widerruf eines bedingten Vergleichs, die sich hier auch aus der Vereinbarung der Streitteile über die Nichtberücksichtigung des Postlaufes vergleiche Paragraph 89, GOG) ergibt, ist diese Rechtsprechung auch anwendbar, wenn der Vergleichswiderruf - entgegen der im bedingt abgeschlossenen Vergleich getroffenen Vereinbarung - nicht an das Berufungsgericht, sondern - offenbar irrtümlich - an das Prozeßgericht erster Instanz adressiert wurde. Mit dem am letzten Tag der Frist bei der Vereinigten Einlaufstelle des Erstgerichts und des Berufungsgerichts überreichten Widerrufsschriftsatz wurde der Vergleichsabschluß daher ungeachtet der Vereinbarung, daß der Widerruf des Vergleichs an das Berufungsgericht zu richten ist, wirksam widerrufen.

Das Berufungsgericht hat demnach das gesetzliche Verfahren über die Berufung der klagenden Partei fortzusetzen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E51168 02A02118

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0020OB00211.98P.0813.000

Dokumentnummer

JJT_19980813_OGH0002_0020OB00211_98P0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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