Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Ersatzbescheid der Berufungskommission nach Aufhebung der die Weisungsgebundenheit des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes gegenüber dem Bundeskanzler begründenden Vorschrift des VwGG sowie Feststellung der Gesetzwidrigkeit eines Teils der Geschäftsverteilung der belangten Behörde; keine Änderung der sachlichen Zuständigkeit des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes durch Wegfall der Leitungsbefugnis des BundeskanzlersSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin stand im hier maßgeblichen Zeitpunkt (s. dazu im Folgenden) als Oberkommissärin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; ihre Dienststelle war der Verwaltungsgerichtshof. (Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1998 wurde sie zum Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates ernannt.)
Mit Dienstauftrag des Präsidenten dieses Gerichtshofes vom 7. Mai 1997 wurde die Beschwerdeführerin von ihren Aufgaben im Präsidium des Verwaltungsgerichtshofes entbunden und wurde ihr ein Arbeitsplatz als wissenschaftliche Mitarbeiterin - Schriftführung, rechtskundige Mitarbeiterin im Senat und Pflichtenkreis im Evidenzbüro - zugewiesen.
Über das von der Beschwerdeführerin in der Folge an den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes gerichtete Begehren auf Feststellung, dass im Hinblick auf diesen Dienstauftrag eine nicht zulässige qualifizierte Verwendungsänderung vorliege, erließ der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes einen mit 2. Juni 1997 datierten Bescheid, in dem er aussprach, dass die Befolgung des Dienstauftrages zu den Dienstpflichten der Beschwerdeführerin gehöre.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung an die (damalige) Berufungskommission beim Bundeskanzleramt (nunmehr:
Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport). Dieser Berufung wurde - unter Änderung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides - mit Bescheid vom 2. September 1997 nicht stattgegeben.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Einschreiterin Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Dieser leitete aus Anlass dieser Beschwerde von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §18 VwGG sowie ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Abschnittes "Senat VI (Verwaltungsgerichtshof)" der Geschäftsverteilung der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt in der am 1. April 1997 geltenden Fassung ein. Mit Erkenntnis vom 10. März 2000 G19/99 hob der Gerichtshof §18 VwGG als verfassungswidrig, mit Erkenntnis vom 27. September 2000 V67/00 die genannte Verordnungsbestimmung als gesetzwidrig auf. In der Folge hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. Oktober 2000 B2590/97-20 den Bescheid der Kommission vom 2. September 1997 mit der Begründung auf, dass die Beschwerdeführerin hiedurch wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung in ihren Rechten verletzt worden war.
3. Mit dem nunmehr im zweiten Rechtsgang ergangenen Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport vom 17. April 2001 wurde der Berufung erneut nicht stattgegeben und mit näherer Begründung ausgesprochen, dass es sich bei der mit Dienstauftrag vom 7. Mai 1997 verfügten Verwendungsänderung nicht um eine qualifizierte Verwendungsänderung iSd §40 Abs2 BDG handle.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
Auf das Wesentliche zusammengefasst bringt die Beschwerdeführerin dazu Folgendes vor:
"Die belangte Behörde hätte, gemäß den ... Gründen des Einleitungsbeschlusses des Gesetzesprüfungsverfahrens G19/99, dessen zugrundeliegendes Anlaßfallverfahren sie fortgesetzt und durch den angefochtenen Bescheid (vorläufig) abgeschlossen hat, jedenfalls nicht in der Sache selbst entscheiden dürfen.
...
Dadurch, daß der Verfassungsgerichtshof die Präjudizialität dieser Bestimmung [§18 VwGG] im ersten Bescheidbeschwerdeverfahren (B2590/97) ausdrücklich und im Lichte des Grundrechtes auf den gesetzlichen Richter bejaht hat, muß die Gesetzesaufhebung Auswirkungen auf die Behördenzuständigkeiten haben. ...
Mit dieser Frage hat sich die belangte Behörde aber überhaupt nicht auseinandergesetzt. Sie geht vielmehr umstandslos davon aus, daß einerseits ein zuständiges Organ in erster Instanz entschieden hat (obwohl aufgrund des mir zugutekommenden Anlaßfallprivilegs von einer Rückwirkung der Gesetzesaufhebung in meinem Falle auszugehen ist), und daß andererseits sie selbst die Kompetenz zur Sachentscheidung im fortgesetzten Verfahren besaß.
Vielmehr scheint aber bei richtiger Interpretation des Erkenntnisses G19/99-8 davon auszugehen zu sein, daß die belangte Behörde den Bescheid des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juni 1997 wegen Unzuständigkeit aufzuheben gehabt hätte, da dieser damals als das weisungsabhängige Verwaltungsorgan entschied, das in seiner normativen Ausgestaltung vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannt wurde.
Der dem Regime des ehemaligen §18 VwGG unterliegende Präsident des Verwaltungsgerichtshofes ist aber ein anderes Verwaltungsorgan als der selbe Präsident unter dem nach der Gesetzesaufhebung bestehenden Regime der Weisungsfreiheit. Das Anlaßfallprivileg in meinem Fall hat aber zur Konsequenz, daß ich Anspruch darauf habe, daß die Verwaltungssache in erster Instanz vom 'Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes neu' entschieden wird.
Dadurch, daß die belangte Behörde in der Sache selbst entschieden hat, hat sie mich in meinem Recht auf Wahrung der Behördenzuständigkeit, das nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dem Schutzbereich des Art83 Abs2 B-VG unterfällt verletzt."
5. Die belangte Behörde hat unter Vorlage der Verwaltungsakten eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
Die Beschwerdeführerin ist auf Grund der folgenden Erwägungen nicht im Recht:
1. Wie sich aus dem Erkenntnis VfGH 10. März 2000 G19/99 Pkt. VI.1. ergibt, bildete §18 VwGG für die dienstrechtliche Entscheidung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes im Anlassbeschwerdefall bloß eine "mitbegründende Gesetzesvorschrift" (Hervorhebung nicht im Original). Im Hinblick darauf ist aber davon auszugehen, dass auch unter Außerachtlassung des §18 VwGG, welche - hierin ist der Beschwerdeführerin Recht zu geben - im Hinblick auf das "Anlassfallprivileg" geboten erscheint, an der sachlichen Zuständigkeit des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes zur Erlassung der in Rede stehenden dienstrechtlichen Entscheidung, die sich aus den §§8 und 9 VwGG ergibt (s. dazu erneut VfGH 10. März 2000 G19/99 Pkt. VI.1.), keine Änderung eingetreten ist. Der Umstand, dass bei Geltung des §18 VwGG der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes dabei der Leitungsbefugnis des Bundeskanzlers unterlag, nach Aufhebung des §18 VwGG jedoch nicht mehr, ändert an der diesbezüglichen sachlichen Zuständigkeit des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes nichts. (Insoferne unterscheidet sich der hier vorliegende Fall auch von dem mit Erkenntnis VfGH 28.2.2002 B1695/99 entschiedenen.)
Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin durch den bekämpften Bescheid nicht in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde.
2. Erläuternd wird darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf die ihm durch die Art139 und 140 B-VG auferlegte Rechtsbereinigungsfunktion - bei Vorliegen entsprechender Bedenken - verpflichtet ist, jede in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwendende Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmung auf ihre Verfassungs- bzw. Gesetzmäßigkeit hin zu prüfen hat und zwar unabhängig davon, ob die allfällige Rechtswidrigkeit davon betroffener Bestimmungen im verfassungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahren überhaupt zum Tragen kommt, also zur Aufhebung des bekämpften Bescheides führt (vgl. dazu VfGH 13.12.2001 B2075/99 und G213/01 ua.).
3. Das Verfahren hat nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Behördenzuständigkeit, Verwaltungsgerichtshof Organisation, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, VfGH / AnlaßverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B969.2001Dokumentnummer
JFT_09979389_01B00969_00