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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 2005 §12;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des A U (auch: U) in K, geboren 1986, vertreten durch Edward W. Daigneault, Solicitor in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. April 2006, Zl. SD 2350/05, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. April 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 19. Juli 2004 nach Österreich eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei derzeit beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig.
Am 4. November 2005 sei der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon fünf Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 3. Oktober 2005 gewerbsmäßig drei Kugeln Kokain einem verdeckten Ermittler verkauft habe.
Diese Verurteilung habe den Beschwerdeführer nicht davon abhalten können, innerhalb kürzerster Zeit neuerlich einschlägig straffällig zu werden. Am 24. Februar 2006 sei er gemäß § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 SMG und § 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 2. Februar 2006 gewerbsmäßig drei Kugeln Kokain einem verdeckten Ermittler verkauft sowie eine Kugel Heroin zum unmittelbaren Weiterverkauf in seinem Mund bereitgehalten habe.
Auf Grund der beiden Verurteilungen sei der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Das dargestellte gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß, sodass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.
Der Beschwerdeführer habe keine familiären Bindungen im Bundesgebiet geltend gemacht. Auf Grund des mehr als eineinhalbjährigen inländischen Aufenthalts sei das Rückkehrverbot mit einem Eingriff in das Privatleben verbunden. Diese Maßnahme sei jedoch im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten und daher im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig, dass er nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung zu beachten. Die Verhaltensprognose könne angesichts der Suchtgiftdelikten innewohnenden Wiederholungsgefahr und der gewerbsmäßigen Tatbegehung nicht positiv ausfallen.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei zu berücksichtigen, dass der aus dem bisherigen Aufenthalt ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Von daher hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.
Angesichts des dargestellten gesamten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und der Art und Schwere der Straftaten habe von der Erlassung des Rückkehrverbots nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.
Im Hinblick auf den raschen Rückfall des Beschwerdeführers sei das Rückkehrverbot für unbestimmte Zeit zu erlassen gewesen. Wer bereits kurz nach der Einreise dem gewerbsmäßigen Suchtgifthandel nachgehe, lasse seine Geringschätzung maßgeblicher Rechtsvorschriften nachhaltig erkennen. Vor dem Hintergrund des dargestellten Gesamtfehlverhaltens könne derzeit nicht vorhergesehen werden, wann der für die Erlassung des Rückkehrverbots maßgebliche Grund, nämlich die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, weggefallen sein werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Angesichts der unstrittig feststehenden Verurteilungen des Beschwerdeführers erweist sich die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG verwirklicht sei, als unbedenklich.
2. Der Beschwerdeführer hat am 3. Oktober 2005 Kokain verkauft, wobei er in der Absicht vorging, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig gemäß § 70 StGB). Nur drei Monate nach der deswegen am 4. November 2005 erfolgten Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe ist der Beschwerdeführer am 2. Februar 2006 rückfällig geworden. Er hat neuerlich gewerbsmäßig Suchtgift, nämlich Kokain und Heroin, verkauft bzw. zu verkaufen versucht. Die Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß innewohnende Wiederholungsgefahr hat sich somit beim Beschwerdeführer manifestiert.
Vom weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers geht daher eine erhebliche Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität aus.
Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers kann weder die Ersetzbarkeit von "Kleinst-Dealern" noch die Notwendigkeit staatlicher Maßnahmen für (potenzielle) Drogenkonsumenten etwas an der von den Straftaten des Beschwerdeführers ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung ändern.
Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, dass das Rückkehrverbot nicht "notwendig" sei, weil er auf Grund seines faktischen Abschiebeschutzes nach dem Asylgesetz 2005 ohnehin in Österreich bleiben dürfe und nirgendwohin ausreisen könne.
Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass der Status des Fremden als Asylwerber - dem gemäß § 13 Asylgesetz 2005 jedenfalls faktischer Abschiebeschutz zukommt - Voraussetzung für die Erlassung eines Rückkehrverbots gemäß § 62 FPG ist und daher keinesfalls der Erlassung dieser Maßnahme entgegen stehen kann.
Die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet keinen Bedenken.
3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 19. Juli 2004 berücksichtigt. Die aus dieser ohnehin nur kurzen Aufenthaltsdauer von weniger als zwei Jahren resultierende Integration wird - von der belangten Behörde richtig erkannt - in ihrer sozialen Komponente durch die gravierenden Straftaten des Beschwerdeführers entscheidend relativiert. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet bestehen unstrittig nicht.
Den privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet kommt somit nur ein sehr geringes Gewicht zu.
Diesen Interessen steht die - wie oben 2. dargestellt, sehr gewichtige - Störung öffentlicher Interessen durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers gegenüber. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Rückkehrverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.
4. Auf Grund der Verurteilungen des Beschwerdeführers im Sinn von § 55 Abs. 3 Z. 1 und Z. 2 FPG würde eine Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbots im Rahmen des der Behörde gemäß § 62 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0066).
5. Schließlich wendet sich der Beschwerdeführer auch gegen die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbots.
Nach der auch hier maßgeblichen hg. Rechtsprechung zu § 39 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 FPG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0225).
Der belangten Behörde kann nicht entgegen getreten werden, wenn sie angesichts der gewerbsmäßigen Tatbegehung und des raschen Rückfalls die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes, nämlich der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen, nicht vorhergesehen werden könne, und deshalb das Aufenthaltsverbot unbefristet erließ.
6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Wien, am 4. Oktober 2006
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006180241.X00Im RIS seit
01.11.2006Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009