TE OGH 1998/9/9 Bsw36773/97

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Veröffentlicht am 09.09.1998
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Kopf

Europäische Kommission für Menschenrechte, Kammer I, Beschwerdesache Herwig Nachtmann gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 9.9.1998, Bsw. 36773/97.Europäische Kommission für Menschenrechte, Kammer römisch eins, Beschwerdesache Herwig Nachtmann gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 9.9.1998, Bsw. 36773/97.

Spruch

Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 10 EMRK, Art. 17 EMRK, § 3 lit. h VerbotsG, § 1 Z. 12 MedienG, § 345 Abs. 2 StPO - Verurteilung nach dem Verbotsgesetz und Freiheit der Meinungsäußerung.Artikel 6, Absatz eins, EMRK, Artikel 10, EMRK, Artikel 17, EMRK, Paragraph 3, Litera h, VerbotsG, Paragraph eins, Ziffer 12, MedienG, Paragraph 345, Absatz 2, StPO - Verurteilung nach dem Verbotsgesetz und Freiheit der Meinungsäußerung.

Unzulässigkeit der Beschwerde (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Am 8.8.1995 verurteilte das Geschworenengericht beim LG für Strafsachen Graz den Bf. nach § 3h VerbotsG wegen Bestreitens von NS-Verbrechen zu einer Geldstrafe von ATS 240.000,- und einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 10 Monaten. Der Bf. war für schuldig erkannt worden, weil er Mitte 1994 in Graz als Verantwortlicher für die Schriftleitung des Magazins 'Aula, Das freiheitliche Magazin' durch die Veröffentlichung des Artikels 'Naturgesetze gelten für Nazis und Antifaschisten' den nationalsozialistischen Völkermord und andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit geleugnet und gröblich verharmlost hat, insb. durch die Textstellen:Am 8.8.1995 verurteilte das Geschworenengericht beim LG für Strafsachen Graz den Bf. nach Paragraph 3 h, VerbotsG wegen Bestreitens von NS-Verbrechen zu einer Geldstrafe von ATS 240.000,- und einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 10 Monaten. Der Bf. war für schuldig erkannt worden, weil er Mitte 1994 in Graz als Verantwortlicher für die Schriftleitung des Magazins 'Aula, Das freiheitliche Magazin' durch die Veröffentlichung des Artikels 'Naturgesetze gelten für Nazis und Antifaschisten' den nationalsozialistischen Völkermord und andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit geleugnet und gröblich verharmlost hat, insb. durch die Textstellen:

Die von 'Zeitzeugen' und 'geständigen Tätern' geschilderten Massenvergasungen mittels Zyklon B können nach den Naturgesetzen und technischen Möglichkeiten nicht so stattgefunden haben. Die Zahl der kremierten Opfer ist wesentlich überzogen, da bei Massenvergasungen die Leistungsfähigkeit der Krematorien zu klein gewesen wäre. Aus dem Brennstoffverbrauch ist die Zahl der Kremierten einzugrenzen.

Gegen dieses Urteil erhob der Bf. Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung. Er behauptete ua., dass in einem Verfahren wegen eines Medieninhaltsdelikts iSv. § 1 Z.12 MedienG der Vorsitz richtigerweise dem nach der Geschäftsverteilung des LG für Strafsachen Graz zuständigen Medienrichter zugefallen wäre. In einem Urteil vom 21.5.1996 verwarf der OGH die Nichtigkeitsbeschwerde: Abgesehen davon, dass der Bf. die rechtzeitige Geltendmachung dieses Umstandes gemäß § 345 (2) StPO verabsäumt hätte, vermag selbst die Befassung eines nach der Geschäftsverteilung unzuständigen Richters keine Nichtigkeit zu begründen. Der Berufung wurde dahin Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf ATS 192.000,- und die bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe auf 9 Monate herabgesetzt wurden.Gegen dieses Urteil erhob der Bf. Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung. Er behauptete ua., dass in einem Verfahren wegen eines Medieninhaltsdelikts iSv. Paragraph eins, Ziffer , MedienG der Vorsitz richtigerweise dem nach der Geschäftsverteilung des LG für Strafsachen Graz zuständigen Medienrichter zugefallen wäre. In einem Urteil vom 21.5.1996 verwarf der OGH die Nichtigkeitsbeschwerde: Abgesehen davon, dass der Bf. die rechtzeitige Geltendmachung dieses Umstandes gemäß Paragraph 345, (2) StPO verabsäumt hätte, vermag selbst die Befassung eines nach der Geschäftsverteilung unzuständigen Richters keine Nichtigkeit zu begründen. Der Berufung wurde dahin Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf ATS 192.000,- und die bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe auf 9 Monate herabgesetzt wurden.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Der Bf. behauptet, dass entgegen Art. 6 (1) EMRK seine Sache nicht in billiger Weise von einem auf Gesetz beruhendem Gericht gehört wurde, er behauptet weiters eine Verletzung in seinem Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung gemäß Art. 10 EMRK.Der Bf. behauptet, dass entgegen Artikel 6, (1) EMRK seine Sache nicht in billiger Weise von einem auf Gesetz beruhendem Gericht gehört wurde, er behauptet weiters eine Verletzung in seinem Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung gemäß Artikel 10, EMRK.

Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 (1) EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK:

Der Bf. behauptet, ihm sei wegen der unrichtigen Zusammensetzung des Gerichts ein faires Verfahren iSv. Art. 6 (1) EMRK verweigert worden. Der Vorsitz des Schwurgerichts hätte dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Medienrichter zufallen müssen. Der Bf. hätte diesen Umstand gleich bei Beginn der Verhandlung geltend machen können, was er jedoch unterlassen hatte. Überdies setzte sich der OGH bereits eingehend mit diesem Beschwerdepunkt auseinander. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es in erster Linie den innerstaatlichen Behörden bzw. Gerichten obliegt, Probleme bei der Auslegung innerstaatlichen Rechts zu lösen. Überdies behauptet der Bf. auch nicht, daß der Vorsitzende Richter ihm gegenüber voreingenommen oder unfair gewesen wäre.Der Bf. behauptet, ihm sei wegen der unrichtigen Zusammensetzung des Gerichts ein faires Verfahren iSv. Artikel 6, (1) EMRK verweigert worden. Der Vorsitz des Schwurgerichts hätte dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Medienrichter zufallen müssen. Der Bf. hätte diesen Umstand gleich bei Beginn der Verhandlung geltend machen können, was er jedoch unterlassen hatte. Überdies setzte sich der OGH bereits eingehend mit diesem Beschwerdepunkt auseinander. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es in erster Linie den innerstaatlichen Behörden bzw. Gerichten obliegt, Probleme bei der Auslegung innerstaatlichen Rechts zu lösen. Überdies behauptet der Bf. auch nicht, daß der Vorsitzende Richter ihm gegenüber voreingenommen oder unfair gewesen wäre.

Zur behaupteten Verletzung von Art. 10 EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel 10, EMRK:

Die Verurteilung des Bf. war ein Eingriff in dieses Recht. Dieser Eingriff stützte sich auf § 3h VerbotsG; dessen Anwendung durch das LG für Strafsachen Graz überschritt nicht die Grenze dessen, was vernünftigerweise unter diesen Umständen vorhergesehen werden konnte. Die Verurteilung war demnach vom Gesetz vorgesehen. Der Eingriff verfolgte auch einen legitimen Zweck iSv. Art. 10 (2) EMRK, nämlich Aufrechterhaltung der Ordnung und Verbrechensverhütung bzw. Schutz des guten Rufes anderer. Nach st. Rspr. der Kms. ist ein Verbot nationalsozialistischer Betätigung im Interesse der nationalen Sicherheit und der territorialen Unversehrtheit in einer demokratischen Gesellschaft notwendig. Die Kms. hat wiederholt festgestellt, dass die Freiheit der Meinungsäußerung nicht in einem Art. 17 EMRK widersprechenden Sinn geltend gemacht werden kann. Der Eingriff war demnach in einer demokratischen Gesellschaft notwendig. Die Bsw. ist hinsichtlich aller Behauptungen unzulässig (einstimmig).Die Verurteilung des Bf. war ein Eingriff in dieses Recht. Dieser Eingriff stützte sich auf Paragraph 3 h, VerbotsG; dessen Anwendung durch das LG für Strafsachen Graz überschritt nicht die Grenze dessen, was vernünftigerweise unter diesen Umständen vorhergesehen werden konnte. Die Verurteilung war demnach vom Gesetz vorgesehen. Der Eingriff verfolgte auch einen legitimen Zweck iSv. Artikel 10, (2) EMRK, nämlich Aufrechterhaltung der Ordnung und Verbrechensverhütung bzw. Schutz des guten Rufes anderer. Nach st. Rspr. der Kms. ist ein Verbot nationalsozialistischer Betätigung im Interesse der nationalen Sicherheit und der territorialen Unversehrtheit in einer demokratischen Gesellschaft notwendig. Die Kms. hat wiederholt festgestellt, dass die Freiheit der Meinungsäußerung nicht in einem Artikel 17, EMRK widersprechenden Sinn geltend gemacht werden kann. Der Eingriff war demnach in einer demokratischen Gesellschaft notwendig. Die Bsw. ist hinsichtlich aller Behauptungen unzulässig (einstimmig).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über die Zulässigkeitsentscheidung der EKMR vom 9.9.1998, Bsw. 36773/97, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1998, 177) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt. Die Zulässigkeitsentscheidung im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/98_5/Nachtmann.pdf

Das Original der Zulässigkeitsentscheidung ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

Anmerkung

EGM00205 Bsw36773.97-ZE

Dokumentnummer

JJT_19980909_AUSL000_000BSW36773_9700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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