TE OGH 1998/9/10 6Ob202/98v

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Veröffentlicht am 10.09.1998
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 2. Mai 1997 verstorbenen Ingeborg K*****, infolge Revisionsrekurses des Michael P*****, vertreten durch Dr. Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 14. Mai 1998, GZ 4 R 181/98d-73, womit der gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Völkermarkt vom 9. April 1998, GZ 1 A 136/97z-66, gerichtete Rekurs des Michael P***** zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Erblasserin ist bücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 106 KG V***** mit dem Haus V*****. Sie führte dort einen Gastwirtschaftsbetrieb. Testamentarische Erben sind der Bruder der Verstorbenen und ihre beiden, noch minderjährigen Enkelkinder. Zwei weitere testamentarisch zu Miterben eingesetzte erblasserische Geschwister haben sich ihres Erbrechts zugunsten des Bruders entschlagen. Die Tochter der Erblasserin und Mutter der testamentarisch eingesetzten Enkelkinder ist pflichtteilsberechtigt.

Der Lebensgefährte der Erblasserin meldete Forderungen in der Gesamthöhe von 3,954.024 S zur Verlassenschaft an. Er habe Arbeitsleistungen, Lieferungen und Zahlungen in diesem Umfang an die Erblasserin erbracht (Forderungsanmeldungen ON 20 und 35). Mit der späteren Behauptung, er habe mit der Erblasserin eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführt, in die er Geld und Geldeswert, Baumaterial und Arbeitsleistungen eingebracht habe, angesichts der erfolgten Auflösung der Gesellschaft stehe ihm ein Anspruch auf die Hälfte des mit 8,000.000 S zu beziffernden Gesellschaftsvermögens zu, stellte er schließlich einen Absonderungsantrag. Er brachte ferner vor, er habe Anspruch auf Übertragung eines Hälfteanteils an der zur Verlassenschaft gehörenden Liegenschaft. Seinen Teilungsanspruch habe er bereits zu 2 C 2370/97a des Bezirksgerichtes Völkermarkt geltend gemacht.

Am 5. 1. 1998 stellten die erbserklärten Erben - sie hatten bedingte Erbserklärungen abgegeben - den Antrag, einen am 23. 12. 1997 namens der Verlassenschaft mit zwei Käufern geschlossenen Kaufvertrag, mit welchem die Liegenschaft EZ 106 KG V***** sowie ein im außerbücherlichen Eigentum der Verstorbenen stehendes weiteres Grundstück samt Inventar bzw Zubehör um einen Gesamtkaufpreis von 4,560.000 S veräußert wurden, pflegschafts- und verlassenschaftsbehördlich zu genehmigen. Schon vor diesem Antrag hatten sie die Anmerkung einer Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung erwirkt (Beschluß vom 19. 8. 1997 ON 23, verlängert mit Beschluß vom 1. 7. 1998 ON 77).

Das Erstgericht erteilte die pflegschaftsbehördliche Genehmigung und wies den Absonderungsantrag des Nachlaßgläubigers im Hinblick auf eine von den Erben erlegte Sicherheitsleistung von 3,000.000 S ab (Beschluß ON 60).

Das Rekursgericht wies den gegen die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung erhobenen Rekurs des Nachlaßgläubigers mangels Beteiligtenstellung zurück; den gegen die Abweisung des Separationsantrages gerichteten Rekurs wies es ab.

Unter Hinweis auf eine zu 21 Cg 30/98s des Landesgerichtes Klagenfurt erlassene einstweilige Verfügung beantragte der Lebensgefährte als Nachlaßgläubiger daraufhin neuerlich die Absonderung der Verlassenschaft und sprach sich gegen die verlassenschaftsbehördliche Genehmigung des Liegenschaftskaufvertrages aus. Die Tatsachengrundlage habe sich seit seinem ersten Separationsantrag wesentlich geändert. Er habe zu 21 Cg 30/98s des Landesgerichtes Klagenfurt Herausgabeansprüche aus dem mit der Erblasserin bestehenden Rechtsverhältnis einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geltend gemacht und insbesondere auch die Übertragung einer Hälfte der EZ 106 begehrt. Mit Rücksicht auf die Ergebnisse des genannten Verfahrens sei sein Teilungsanspruch bescheinigt.

Das Landesgericht Klagenfurt hatte mit Beschluß vom 27. 3. 1998, 21 Cg 30/98s-8, eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der der Verlassenschaft, vertreten durch die erbserklärten Erben, ein bücherlich anzumerkendes Veräußerungs-, Belastungs- und sonstiges Verfügungsverbot in Ansehung der obgenannten Liegenschaft auferlegt wurde. Das Landesgericht Klagenfurt bejahte die ausreichende Bescheinigung des Naturalteilungsanspruches und der konkreten Gefährdung.

Das Erstgericht erteilte dem Kaufvertrag vom 23. 12. 1997 die verlassenschaftsbehördliche Genehmigung; über den weiteren Separationsantrag des Nachlaßgläubigers hat es bisher noch nicht entschieden.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Nachlaßgläubigers zurück. Es sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Dem Rekurswerber komme nur die Stellung eines Nachlaßgläubigers zu. Als solcher sei er nicht Beteiligter des Verlassenschaftsverfahrens und nur im Einzelfall wegen Verletzung der ihm nach den §§ 811 - 815 ABGB, §§ 73, 135 und 136 AußStrG ausdrücklich eingeräumten Rechte rekurslegitimiert. Die Genehmigung der Veräußerung der zum Nachlaßvermögen gehörigen Liegenschaft verletze derartige Rechte nicht. Auch der noch unerledigte Separationsantrag verschaffe dem Gläubiger keine Rekurslegitimation. Der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, daß der Nachlaß solange nicht eingeantwortet werden dürfe, als über einen anhängigen Absonderungsantrag noch nicht entschieden und die bewilligte Absonderung noch nicht durchgeführt wurde (in welchem Fall Nachlaßgläubiger berechtigt seien, gegen die Einantwortung Rekurs zu erheben) beziehe sich nur auf die Einantwortung der Verlassenschaft, nicht aber auf die Genehmigung einzelner Nachlaßverfügungen. Im übrigen habe der Nachlaßgläubiger durch die erlassene einstweilige Verfügung ohnehin eine Sicherung seiner behaupteten Herausgabeansprüche erwirkt und könne diese gegenüber den Käufern der Liegenschaft durchsetzen.Dem Rekurswerber komme nur die Stellung eines Nachlaßgläubigers zu. Als solcher sei er nicht Beteiligter des Verlassenschaftsverfahrens und nur im Einzelfall wegen Verletzung der ihm nach den Paragraphen 811, - 815 ABGB, Paragraphen 73,, 135 und 136 AußStrG ausdrücklich eingeräumten Rechte rekurslegitimiert. Die Genehmigung der Veräußerung der zum Nachlaßvermögen gehörigen Liegenschaft verletze derartige Rechte nicht. Auch der noch unerledigte Separationsantrag verschaffe dem Gläubiger keine Rekurslegitimation. Der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, daß der Nachlaß solange nicht eingeantwortet werden dürfe, als über einen anhängigen Absonderungsantrag noch nicht entschieden und die bewilligte Absonderung noch nicht durchgeführt wurde (in welchem Fall Nachlaßgläubiger berechtigt seien, gegen die Einantwortung Rekurs zu erheben) beziehe sich nur auf die Einantwortung der Verlassenschaft, nicht aber auf die Genehmigung einzelner Nachlaßverfügungen. Im übrigen habe der Nachlaßgläubiger durch die erlassene einstweilige Verfügung ohnehin eine Sicherung seiner behaupteten Herausgabeansprüche erwirkt und könne diese gegenüber den Käufern der Liegenschaft durchsetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Nachlaßgläubigers ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Rekurslegitimation von Verlassenschaftsgläubigern, die einen Absonderungsantrag gestellt haben, abgewichen ist; er ist auch berechtigt.

Nachlaßgläubiger sind nicht ohne weiteres Beteiligte des Verlassenschaftsverfahrens. Sie erlangen dann Beteiligtenstellung, wenn es zur Absonderung des Nachlasses oder zur Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger kommt, und zwar insoweit, als die (bekämpfte) gerichtliche Verfügung in die ihnen nach den §§ 811, 812 und 815 ABGB zustehenden Rechte eingreift (RZ 1937, 62; RZ 1963, 174; SZ 23/390; EFSlg 47.005; NZ 1994, 116).Nachlaßgläubiger sind nicht ohne weiteres Beteiligte des Verlassenschaftsverfahrens. Sie erlangen dann Beteiligtenstellung, wenn es zur Absonderung des Nachlasses oder zur Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger kommt, und zwar insoweit, als die (bekämpfte) gerichtliche Verfügung in die ihnen nach den Paragraphen 811,, 812 und 815 ABGB zustehenden Rechte eingreift (RZ 1937, 62; RZ 1963, 174; SZ 23/390; EFSlg 47.005; NZ 1994, 116).

Zweck einer auf Antrag eines Nachlaßgläubigers zur Sicherung seiner Ansprüche bewilligten Nachlaßabsonderung ist die Bewahrung des zu seiner Anspruchsbefriedigung erforderlichen Vermögens (NZ 1985, 148). Dem folgend hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, daß über Anträge auf Genehmigung von den Nachlaß schmälernden oder belastenden Verfügungen vor Entscheidung über einen anhängigen Separationsantrag nur insoweit entschieden werden könne, als die Entscheidung auch mit einer Nachlaßabsonderung vereinbar wäre (NZ 1985, 148; 7 Ob 79/97m). Eine (wie hier) der Liquidierung der Verlassenschaft gleichkommende Veräußerung von Verlassenschaftsvermögen sei abstrakt geeignet, Sicherungsinteressen des Absonderungsgläubigers zu beeinträchtigen. Inwieweit aber im Einzelfall berechtigten Interessen des Erben an der zur Genehmigung vorgeschlagenen (Verwaltungs)Maßnahme gegenüber den konkreten Interessen des Absonderungsgläubigers der Vorrang zukomme, sei bereits eine Frage der Sachbeurteilung, auf die der Absonderungsgläubiger einen verfahrensrechtlichen Anspruch habe (NZ 1985, 148; 7 Ob 79/97m).

Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Absonderungsberechtigte, über deren Anträge auf Nachlaßseparation noch nicht entschieden wurde, kommt Rekurslegitimation gegen die Genehmigung von Verwaltungsmaßnahmen (wozu auch der Verkauf von Liegenschaften gehört) zu, die abstrakt geeignet sind, ihre Sachinteressen zu beeinträchtigen (NZ 1985, 148; 8 Ob 114/97s; 7 Ob 79/97m).

Unter Berücksichtigung der vom Nachlaßgläubiger geltend gemachten Ansprüche kann eine mögliche Beeinträchtigung seiner Sachinteressen nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Ob aber seinen Interessen oder den berechtigten Interessen der Erben am Verkauf der Liegenschaft der Vorrang zukommt, ist eine Frage der materiellrechtlichen Beurteilung, auf die der Rechtsmittelwerber einen verfahrensrechtlichen Anspruch hat. Seine Rekurslegitimation zur Bekämpfung der abhandlungsbehördlichen Genehmigung des Kaufvertrages ist daher im Gegensatz zur Auffassung des Rekursgerichtes zu bejahen. Sie wird entgegen den Ausführungen des Rekursgerichtes schon deshalb nicht durch die im Herausgabeprozeß erlassene einstweilige Verfügung beseitigt, weil die Anmerkung des damit erlassenen Veräußerungs- und Belastungsverbotes erst im grundbücherlichen Rang nach der bereits davor erfolgten Anmerkung der Rangordnung für die von den Erben beabsichtigte Veräußerung erfolgte. Das Veräußerungs- und Belastungsverbot ist damit jedenfalls nicht geeignet, die Einverleibung des vom Erstgericht genehmigten Kaufvertrages zu hindern. Damit wird aber eine Durchsetzung der vom Nachlaßgläubiger geltend gemachten Ansprüche zumindest erschwert.

Der Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes ist somit aufzuheben. Das Rekursgericht wird über das gegen die Genehmigung des Kaufvertrages erhobene Rechtsmittel des Nachlaßgläubigers meritorisch zu entscheiden haben.

Anmerkung

E51328 06A02028

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0060OB00202.98V.0910.000

Dokumentnummer

JJT_19980910_OGH0002_0060OB00202_98V0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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